Sonntag, 13. März 2016

Predigt von Norbert Wohlrab (13.03.2016)

Mühselig und beladen. mp3


Mühselig und beladen


1. Einleitung

Für den heutigen Sonntag ist mir ein Bibeltext aus dem Matthäus-Evangelium wichtig geworden, den wir alle nur zu gut gehen:

„Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und "ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“ (Mt. 11, 28-30 Rev. Elb.)

 
Jesus spricht also: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid.“ Dieser Vers ist uns allen bekannt, egal ob wir nun Anfänger im Bibellesen sind oder sie noch gar nicht gelesen haben oder schon Fortgeschrittene sind. Diese Einladung, den sogenannten Heilandsruf haben wir irgendwo schon mal gehört Er ist uns allen vertraut.

Ich habe im Internet ein Beispiel gelesen, dass wenn ich jetzt in einer afroamerikanischen Gemeinde irgendwo in New York, in Harlem oder Brooklyn fragen würde: „Wer von Euch ist denn beladen?“, dann würde sofort ein großer Teil der Anwesenden die Hände heben und nach vorne stürmen, weil genau sie sich mühselig und beladen fühlen und Gebet brauchen. Der Rest der Gemeinde würde das Ganze mit lauten Singen und Beten und „Halleluja“- und „Amen“-Rufen begleiten. Aber auch sie würden sich selbst selbstverständlich als mühselig und beladen definieren.

Und hier bei uns?
Haben nicht auch wir vielfach schwer zu tragen in unserem Leben?
Sind nicht auch wir häufig schwer belastet und beladen?
In unserem Alltag: in der Arbeit, in der Familie? Oder durch Krankheit und Leid ?

„Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ (Mt. 11,28 Luther)

Brauchen nicht auch wir diese Erquickung, wie es Luther übersetzt?

Wünschen wir uns nicht, dass irgendwie alles gut wird, alle Probleme werden gelöst, endlich auftanken, rund-um-versorgt sein wie ein Säugling an der Brust der Mutter, all-inclusive wie auf dem Kreuzfahrtschiff, Sonne und Strand, Karibik und Cocktails, Wellness bis zum Abwinken, Auszeit und Massage, ganzheitliche Erquickung aus dem Gebetsautomaten Gottes, alles wird gut. Eine Art christliches Schlaraffenland.

Liebe Gemeinde, ich habe jetzt bewusst überzeichnet, aber solche oder zumindest so ähnliche Gedanken haben wir schon beim Lesen dieses Verses:

„Kommt zu mir, ihr alle, die ihr euch plagt und von eurer Last fast erdrückt werdet; ich werde sie euch abnehmen.“ (Mt. 11,28 NGÜ)

aber ich befürchte, Jesus meint hier etwas ganz anderes.



2. Befreiung von religiösen Lasten

Gewiss werden wir im NT - Gott sei Dank - eingeladen unsere Sorgen und Nöte ihn hinzubringen, auf ihn zu werfen und loszulassen. Und ich weiß gar nicht, wie ich ohne dies leben könnte. Das Leben wäre zumindest viel schwerer, düsterer, belasteter. Aber hier bei diesem Heilandsruf geht es Jesus um eine ganz andere, um eine ganz spezielle Art von Last.

Vergegenwärtigen wir uns zunächst einmal das Umfeld an in dem Jesus hier diese Aussage trifft. Jesus ist gerade mit seinen Jüngern in Galiläa unterwegs um das Reich Gottes zu verkünden. Da kommt eine Gruppe von Johannesjüngern zu ihm. Sie wollen wissen, ob Jesus der Messias ist. Er spricht dann zu einer nicht genauer definierten Menge, die sich also aus seinen Jüngern, den Johannesjüngern und den übrigen Menschen zusammen setzt, die gekommen sind um ihn zu hören.

Diese Menschen haben alle (oder zumindest zum größten Teil) etwas gemeinsam: es sind fromme, religiöse Menschen.
Die Zeit Jesu war allgemein eine Zeit hoher Frömmigkeit im Judentum. Es gab keine Hurerei mit fremden Göttern. Es gab viele radikale religiöse Gruppen und Sekten, die Pharisäer und Sadduzäer, die Essener uvm. Außerdem gab es eine hohe Messias-Erwartung. Erst hat man gedacht, Johannes könnte der Gesalbte sein, nun fragt man sich, ob Jesus es sein könnte.

Seine Zuhörer sind also größtenteils Menschen, die versuchen „richtig“ zu leben, die versuchen nach dem Willen Gottes zu leben. Menschen die das Gesetz und die religiösen Vorschriften der damaligen Zeit kennen und danach streben, sie zu befolgen. Menschen die versuchen, die 613 Gebote des AT plus die zahlreichen weiteren Vorschriften der Pharisäer usw. einzuhalten. Es sind Menschen, die nach dem Frieden mit Gott, nach Erlösung, nach Ruhe in Gott suchen und sie durch das Befolgen der Gesetze und Vorschriften zu erlangen hoffen.

Und mit diesen Vorschriften und Gesetzen plagen und quälen sie sich ab. Von ihnen werden sie erdrückt. Die Gebote und das Gesetz sind schon schlimm genug und unhaltbar. So schlimm, dass Paulus sie als Dienst des Todes bezeichnet (2. Kor. 3,7). Aber nun kommen auch noch die Pharisäer mit ihren zusätzlichen Vorschriften, von denen Jesus sagt:

„Sie binden aber schwere und schwer zu tragende Lasten zusammen und legen sie auf die Schultern der Menschen. (Mt. 24,4 Rev. Elb.)

Hiermit haben sich die Menschen geplagt. Damit haben sie gekämpft und gerungen. Sie waren mühselig. Hatten also Mühe für ihre Seele, in der deutschen Übersetzung des Wortes kommt das ganz gut rüber.
Die Frage, die sie gequält hat, war auch die uns bekannte Frage eines Martin Luthers: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“
„Wie bekomme ich Frieden mit Gott?“
„Wie kann ich in die Ruhe Gottes eingehen?“

Und Ruhe meint hier ja nicht nur: cool down, chillen und immer schön locker bleiben. Es meint die Ruhe durch den Frieden mit Gott.

„So spricht der HERR: Tretet auf die Wege, seht und fragt nach den Pfaden der Vorzeit, wo denn der Weg zum Guten sei, und geht ihn! So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ (Jer. 6,16 Rev. Elb.)

Es geht hier also nicht um die Mühsal des Alltags:

  • um die Lasten die ein Bauer bei der kargen Erntearbeit zu tragen hat oder
  • um die kinderlose Witwe deren Mann zu früh verstorben ist und die nun von Almosen leben muss oder
  • um den Sklaven, der unter den Gewaltausbrüchen seines Herrn zu leiden hat oder
  • um den Viehhirten, der einen Arm beim Kampf gegen einen Berglöwen verloren hat usw.

Diesen Alltagsnöte von Tausenden hätte Jesus als einzelner Mensch ja auch gar nicht abhelfen können. Allerhöchstens punktuell. Hier hätte er viele enttäuschen müssen. Nein, ihm geht es hier um das Seelenheil.

„Kommt zu mir“ ist der weitgehend identische Ruf mit dem uns bekannten „Folget mir nach“. Es geht um die Einladung sein Heil, seine göttliche Ruhe in Jesus zu finden. Ruhe für die Seele, nicht durch das ängstliches Befolgen von Vorschriften und durch Abmühen, sondern durch das Annehmen des Geschenkes der Gnade, des Heils aus seiner Hand.

Es gibt einen Text beim Propheten Jesaja, an dem ich in diesem Zusammenhang wieder denken musste:

„Auf, ihr Durstigen, alle, kommt zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt, kauft und esst! Ja, kommt, kauft ohne Geld und ohne Kaufpreis Wein und Milch! Warum wiegt ihr Geld ab für das, was kein Brot ist, und euren Verdienst für das, was nicht sättigt? Hört doch auf mich, und esst das Gute, und eure Seele labe sich am Fetten! Neigt euer Ohr und kommt zu mir! Hört, und eure Seele wird leben! Und ich will einen ewigen Bund mit euch schließen, getreu den unverbrüchlichen Gnadenerweisen an David.“ (Jes. 55,2 Rev. Elb.)

Es gibt kein Geld, keine Mühe, kein Werk, dass es ermöglicht selbst in die Ruhe Gottes zu kommen. Es ist alles umsonst, weil alles umsonst ist. Alles Bemühen ist nutzlos, weil alles gratis ist.


3. Aufruf

„…alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist. (Röm. 3, 23.24 Rev. Elb.)

Alle umsonst? Alle, die danach suchen. Die nach der Ruhe, nach dem Heil trachten, die sich Rechtfertigung wünschen. Wenn ich nicht danach suche, kann ich den Heilandsruf ja auch nicht hören. Wenn ich kein Interesse am Heil, keine Sehnsucht nach meiner Erlösung habe, kann ich auch nicht hören, wie Jesus mich einlädt zu ihm kommen und zu glauben, dass er der Heiland ist, dass er für mein Heil vorgesorgt hat.

Aber wenn ich es höre, dann kann ich sagen: „Ja, Herr. Ich glaube! Ich erkenne, dass ich ein Sünder bin und ich brauche Deine Vergebung und nehme sie für mich persönlich an. Danke, dass Du für meine Schuld gestorben bist.“ 


So wird man Christ. Nicht durch ein bisschen Wasser auf den Kopf in einer Lebensphase, wo der Kopf noch gar nicht richtig ausgebildet ist, sondern durch das persönliche Annehmen der Vergebung Gottes ermöglicht durch den Tod von Jesus Christus am Kreuz. Denn auch wenn es für mich umsonst ist, hat es Jesus doch einiges gekostet.

Und dann passiert es: kaum mal nicht aufgepasst, schon hab ich ein Joch um den Hals. Es heißt ja, dass wir sein Joch aufnehmen sollen.

Bob Dylan singt in einem Lied :

„You're gonna have to serve somebody,
It may be the devil or it may be the Lord
But you're gonna have to serve somebody.“.


(„Gotta Serve Somebody“, 1979 auf „Slow Train Coming“)

Irgendjemanden musst Du dienen. Irgendein Joch wirst du immer tragen, ob Du willst oder nicht.

Mache ich mich zum Sklaven des Materialismus oder des Konsums?
Trage ich das Joch des beruflichen Erfolges?
Versuche ich mein Heil in der Esoterik zu finden?
Werde ich zum Sklaven meines Freizeitgenusses?
Oder versuche ich einfach nur in aller Selbstbestimmtheit mir mein eigenes Ich als Joch zu zimmern und aufzuerlegen?

Irgendein Joch wirst Du tragen. Der Unterschied ist der, das Joch, das Jesus mir auflegen möchte, ist nicht schwer. Es ist ein leichtes Joch. Es drückt nicht, es schneidet nicht ein. Sein Joch ist sanft, weil er sanftmütig ist. Er fordert uns auf von ihm zu lernen. Er zwingt uns nichts auf.

Sein Joch heißt einfach: „Glaube an mich. Nimm meine Vergebung an. Lebe in meiner Liebe….und gib meine Liebe weiter.“ Und sogar dabei hilft er uns. In einem Joch sind ja zumeist zwei Tiere eingespannt, die gemeinsam daran ziehen. Jesus spannt sich selbst mit ein. Er zieht mit uns. Wir können nicht nur an seinem Vorbild lernen, er gibt uns auch noch den Heiligen Geist, der uns vieles erst ermöglicht.

In den Apokryphen gibt es bei Jesus Sirach einen interessanten Text, der sowohl Elemente des Heilandsrufs, als auch der vorhin gelesenen Stelle aus Jesaja beinhaltet. Dort ist es die Weisheit, die beschrieben wird. Die Weisheit ist ja vielfach auch ein Bild für Jesus.

„Kehrt bei mir ein, ihr Unwissenden, verweilt in meinem Lehrhaus! Wie lange noch wollt ihr das alles entbehren und eure Seele dürsten lassen? Ich öffne meinen Mund und sage von ihr: Erwerbt euch Weisheit, es kostet nichts. Beugt euren Nacken unter ihr Joch und nehmt ihre Last auf euch! Denen, die sie suchen, ist sie nahe, und wer sich ihr ganz hingibt, findet sie. Seht mit eigenen Augen, dass ich mich nur wenig bemühte, aber viel Ruhe gefunden habe. Hört auf meine knapp bemessene Lehre! Durch sie werdet ihr viel Silber und Gold erwerben. Eure Seele freue sich an meinem Lehrstuhl, meines Liedes sollt ihr euch nicht schämen.“ (Jesus Sirach 51, 23 - 28 EÜ)



4. Fromme Lasten der Christen

Und wie ist es bei uns Christen, wenn wir schon länger im Prozess der Nachfolge stehen? Sicher, auch wir laufen hin und wieder Gefahr es machen zu wollen, wie das Volk Israel in der Wüste: die Schnauze voll vom Manna zu haben und zurück zu wollen zu den Fleischtöpfen Ägyptens. In einer Art Verklärung der Vergangenheit.

Aber die größte Gefahr liegt eher darin, dass wir hergehen und auf das leichte Joch Jesu noch viele zusätzliche Lasten drauf legen. Auch bei den frommen Juden waren es nicht immer die anderen, die ihnen die Lasten aufgelegt haben, nein, mit vielen Gewichten haben sie sich selbst belastet. Und was ich meine ist, dass wir die Freiheit des Evangeliums mit zahlreichen frommen Lasten verschütten:



  • den Zehnten zu geben
  • keinen Alkohol zu trinken
  • mehrere Stunden am Tag zu beten (Ich war mal auf einem Seminar, da hat der Prediger, der seinen Aussagen zufolge schon mehrere Tote auferweckt hat, gesagt, dass geht nur mit 8 Stunden Gebet täglich. Mir war dann klar, wer wohl nicht dazu berufen ist, Tote aufzuerwecken.)
  • mehrmals täglich in der Bibel zu lesen
  • auf keinen Fall einen Gottesdienst zu versäumen
  • bestimmte Kleidung zu tragen oder nicht zu tragen
  • immer zu lächeln
  • ….

Wie schnell wird aus der Freiheit etwas zu tun oder zu lassen, ein Zwang, eine Pflicht, ein Gesetz, eine Last.
Aus der Freiheit Geld zu geben, wird ein Zwang („einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“ 2. Kor. 9,7 Luther).
Aus der Freiheit in den Gottesdienst zu gehen, wird ein Zwang.
Aus dem Geschenk der Gemeinschaft mit Gott und den Geschwistern, wird ein Zwang.
Aus dem Geschenk des Gebets und der Bibel, wird ein Zwang.
Zwang, Zwang, Zwang.
„Wem der Teufel nicht bremsen kann, den treibt er!“, heißt es.

Versteht mich nicht falsch. Es ist alles richtig. Es ist richtig zu spenden, zu beten, die Bibel zu studieren, in den Gottesdienst zu gehen usw. Aber nicht aus Zwang, aus Leistung, als Gesetz. Denn dann wird es genau wieder zu der Last, die uns Jesus doch abnehmen möchte, sondern aus Freiheit.

„Für die Freiheit hat Christus uns frei gemacht. Steht nun fest und lasst euch nicht wieder durch ein Joch der Sklaverei belasten!“ (Gal. 5,1 Rev. Elb.)


AMEN.

Freitag, 4. März 2016

Termine und Aktuelles März 2016

06.03.    kein Gottesdienst

13.03.    10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Norbert Wohlrab)


20.03.    10.30 Uhr Hausgottesdienste


27.03.    10.30 Uhr LKG Gottesdienst (Ostern) (Predigt Georg Schubert, JmeM)




LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft, Gebhardtstraße 19 
Arche = Christlicher Kindergarten Arche, Theaterstraße 50

Samstag, 27. Februar 2016

Predigt von Hans Heidelberger (21.02.16)


Am Ende wird die Liebe in Vielen erkalten

"Und weil die Ungerechtigkeit überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten." (Mt 24,16)

Einleitung 

Wie komme ich auf dieses Thema? Schon seit Monaten bewegt mich dieses Thema. Im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation und der Reaktion vieler Christen wurde mir diese Bibelstelle wichtig:

"Und weil die Ungerechtigkeit überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten." (Mt 24,16)

Aber ich hab mich dann auch auf mich bezogen gefragt: Wie sieht es mit meiner eigenen Liebesfähigkeit im Moment aus? Es geht in dieses Bibelstelle ja um Menschen, die Gott kennen.

Großwetterlage: Klimawandel – auch in unserem Land: In dieser Welt erwärmt sich zwar das Klima – das emotionale Klima kühlt aber ab. Ich will jetzt nicht all die Kriege, Nöte und dieser Welt aufzählen. Ein Zeichen: Immer mehr Menschen werden gleichgültig oder noch schlimmer: Kaltherzig! Klima der Kälte macht sich immer mehr in unserer Gesellschaft breit.

In diese Situation hinein lese ich eine weitere Bibelstelle, die sich mit der „letzten Zeit“ beschäftigt: Ein Wort von Paulus:

"Lasset allen Menschen eure Freundlichkeit spüren, der Herr ist nahe." (Phil. 4,5)

Mit anderen Worten: Die Nähe des Herrn wird durch unsere Freundlichkeit erfahrbar, spürbar! Viele Chris-ten gehen auf Distanz. Es geht nicht um eine oberflächliche christliche Nettigkeit. Es geht um die Erfahrbarkeit göttlicher Liebe durch Dich und mich in dieser Welt! Es geht um unsere Liebesfähigkeit, es geht um unsere KERNKOMPETENZ! Die dürfen wir nicht verlieren!

Mit anderen Worten: Es geht um unsere „Herzensfreundlichkeit“! Nicht um oberflächliches christliches „Nett-zueinander-sein“! Neues Wort: HERZENSFREUNDLICHKEIT – die Zuwendung meines Herzens um jemand Freund zu werden! Das ist das Gegenteil von Gleichgültigkeit (Stefans Tattoo: „Indifferenz“). Gleichgültigkeit ist die emotionale Reaktion eines kalten Herzens!

Keine Endzeitpredigt 

Ich will heute keine Endzeitpredigt halten im Sinne von „die Welt geht bald unter und Jesus kommt bald wieder“. Vielleicht schon eher: Vielleicht ist meine oder deine Zeit auf dieser Welt schon bald zu ende. Vielmehr will ich „am Ende“ im Licht von „nach langer Zeit, einer langen Zeitperiode“ verstehen. Liebe, die einmal brennend war steht immer in der Gefahr abzunehmen und zu erkalten!! Am Ende meines Lebens ……, Liebe zu Jesus (erste Liebe), zum Partner, zu Gemeinde, für Menschen allge-mein, für Notleidende usw. Anders ausgedrückt: Man kühlt ab (trotz Erderwärmung). Und das ist alles andere als „COOL“.

Zusammenhang zwischen dem Erleben von Ungerechtigkeit und dem Erkalten der Liebe: Kettenreaktion 

Ungerechtigkeit → Enttäuschung → Rückzug → Abkühlen meiner Liebe → kaltes/steinernes Herz
Ein Prozess der sich schleichend und oft von uns selbst kaum wahrgenommen vollzieht.

Ungerechtigkeit 

Wir erleben fortlaufend Ungerechtigkeit: Politik, Wirtschaft, Beruf, Beziehungen – dies wird sich nicht ändern.

Enttäuschung bringt Abkühlung der Herzen 

Enttäuschung. Ich suche den Schuldigen für meine Enttäuschung und finde ihn in ….
  • Gott --- Wunschtraum nicht erfüllt, den ideale Partner nicht bekommen, Schicksalsschlag, Verheißung nicht erfüllt, Krankheit, warum ist mir das passiert? Nicht beschützt, Lebenskrise, Gemeindekrise, Gott zeigt sich nicht, es läuft bei mir anders als ich es in Predigten gehört habe, z.B. Erweckung.
  • mir selbst --- ich kann mir einen Fehler nicht verzeihen, schaffe nicht, was ich mir fest vorgenommen habe, er-reiche mein Ziel nicht. Wir Christen sind Weltmeister darin, überhöhte Standards zu setzen, an denen wir immer wieder scheitern müssen. Enttäuschung ist vorprogrammiert.
  • anderen --- Erfahrung von Ungerechtigkeit, Verletzungen, Ablehnung, traumatische Erfahrungen usw. 

Abgekühlte Herzen bringen Hartherzigkeit hervor 
  • Steinernes Herz: Rückzug, Einsamkeit, Kälte, abweisend, ablehnend, Angst, Ablehnung, Verbitterung, negativ, nörgelnd, unzufrieden, egoistisch, 
  • Fleischernes Herz: Barmherzigkeit, Offenheit, Freiheit, Courage, Interesse, Zuwendung …..
Durch Abschottung meines Herzens gefriert die Liebe. Und hier steht der Zusammenhang mit Mt 14,12: Und weil die Ungerechtigkeit überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten.

Die Folge: Mein Leben bleibt auf der Strecke! 

Ein „abgekühltes Herz“, der Rückgang meiner Liebesfähigkeit hat gravierende Folgen für mein Leben:
  • Meine Lebensfreude bleibt auf der Strecke: --- Das hat alles auch viel mit Lebensfreude zu tun! Dort wo die Liebe erkaltet, gefriert, dort gefriert auch das Leben! (Narnia – ewiger Winter). Auch meine Lebenskraft nimmt ab.
  • Mein Engagement bleibt auf der Strecke: --- Ich erlebe bei der überhandnehmenden Ungerechtigkeit mein eigenes Tun als zunehmend Sinn- und Nutzlos. Was ändert es schon auf dieser Welt? Viele Christen wollen sich nicht mehr mit dieser Welt auseinandersetzen. Zumindest nicht mehr so sehr. Gefühl der Ohnmacht.
  • Beziehungen bleiben auf der Strecke: --- Durch meine Enttäuschung ziehe ich mich immer mehr zurück von Gott, meinem Partner, der Ge-meinde, anderen Menschen – und werde immer einsamer! Rückzug. Man zieht sich oft in seine Traumwelt zurück. Sucht seine Heile Welt (Soaps, Traumreise, sucht den Traumpartner, die Traumwohnung, man will die Traumhochzeit, bestaunt die Traumautos, usw. oder versteckt sich im Hobbykeller, Computerzimmer, dorthin wo ich alleine bin.

Veränderungskraft

Die größte Kraft der Veränderung ist, wenn auf Ungerechtigkeit mit Liebe und nicht mit Enttäuschung, Resignation und Rückzug oder Gleichgültigkeit reagiert wird!!! Liebet Eure Feinde! 

Mich begeistert Jesus: Seine Liebesfähigkeit – bis zum Ende! Ja bei ihm hat man den Eindruck, seine Liebesfähigkeit hat sich eher gesteigert bis zu seinem Ende. Trotz „Ungerechtigkeit“ die er erfahren hat. Er zieht sich nicht enttäuscht von seinen Jüngern, Eltern zurück. Seine Offenheit, wie er Menschen begegnet, seinen Mut, wie er auftritt, furchtlos, seine innere Weite und Weisheit (hat miteinander zu tun): Er lebt liebe; wo liebe nicht gelebt wird gibt es keine Liebe.

Die Wiederbelebung meiner Liebesfähigkeit 

Mancher muss wiederbelebt werden. „Mund zu Mund Beatmung Gottes“. Seinen Geist, Atem in uns.
Erfüllung mit dem Geist Gottes – Neuerfüllung unseres Herzens mit der Liebe Gottes durch den Heiligen Geist! Durch den Heiligen Geist ist SEINE Liebe in unser Herz ausgegossen!

"Ich will euch ein neues Herz und einen neuen Geist in euch geben und will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben." (Hes 36,26)

"Ich will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe und ihnen ein fleischernes Herz geben, damit sie in meinen Geboten wandeln und meine Ordnungen halten und danach tun." (Hes 11, 19-20)

Umgang mit meinen Enttäuschungen 

Meine Enttäuschungen ernstnehmen – es sind ja meist enttäuschte Erwartungen 
  •  Gestehe dir ein, wo du enttäuscht bist. Schreib es dir auf. Sieh dir an ob du zurecht enttäuscht bist oder zu Unrecht (Jona); falsche ungerechtfertigte Erwartungen 
  • Sprich mit jemand darüber und bleib nicht damit alleine 
  • Bringe bewusst Gott die Steine deines Herzens: Enttäuschungen. 
  • Ich will mir vergeben und mich nicht immer wieder verdammen. Gottes Vergebung wirklich annehmen. 
  • Ich will einen anderen Menschen jetzt wirklich vergeben, wo er/sie mich verletzt haben. 
  • Ich will mich an die guten Erfahrungen erinnern und Kontakt suchen. „Vergiss´ nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Mit Jesus, mit Menschen. Denke nach, erinnere dich, denke zurück.
Entwickeln einer Willkommens-Kultur in meinem Leben 

Willkommenskultur ist ein Wort, dass uns heute oft begegnet: Ich will heute noch etwas über eine „persönliche Willkommenskultur“ sprechen, wie ich persönlich lernen kann durch und mit Jesus eine Kultur der HERZENSFREUNDLICHKEIT (Liebe, Offenheit, Annahme, Freiheit und Courage) zu entfalten anstatt einer Kultur der Abgrenzung, Engstirnigkeit, Ablehnung und Angst! Willkommenskultur bedeutet: Ich will das Du kommst! 

Grundlage dafür ist Gottes Willkommenskultur: Er will dass ich komme! Geliebt werde, immer wieder neu! So wie ich bin; 100%! Grundlage für meine Liebesfähigkeit. Hier erlebe ich Annahme, Geborgen-heit. Gottes Liebe zu mir ist nicht erkaltet! ICH BIN WILLOMMEN! Und die gute Nachricht: Gottes WILLKOMMEN hat keine OBERGRENZE! (Auch wenn die Zeugen Jehovas diese einmal einführen wollten mit den 144000). Daher kann ich mich willkommen heißen: Annehmen, offen sein für meine Bedürfnisse, und daher kann ich auch Andere in meinem Leben willkommen heißen: Auf Andere Zugehen, mein Herz ihnen gegenüber öffnen, ihnen in meinem Leben Raum geben. Mich für sie inte-ressieren. Mit anderen Worten: Sie LIEBEN! Herzensfreundlichkeit! Ich öffne mein Herz um anderen Freund zu sein.

Schluss 

So kommt meine Lebensfreude zurück, so bleibe ich nicht in meinem Rückzug, in meiner Enttäuschung sitzen. Gottes Willkommenskultur holt mich heraus (Verlorener Sohn).

Er deckt mir einen Tisch (Psalm 23). Er dient mir. So darf ich andere Menschen annehmen. Sie willkommen heißen. Ihnen einen Tisch decken, ihnen dienen.

Wer sind die Anderen? Mein Partner, meine Kinder, Nachbarn, Kollegen, Glaubensgeschwister. JA vielleicht auch Flüchtlinge. Herzensfreundlichkeit statt oberflächlicher Nettigkeit: Lass deinem Herzen Freunde finden – dadurch findet dein Herz auch wieder Freude! 


Anhang:

PERSÖNLICHER ENTTÄUSCHUNGSFRAGEBOGEN
Welche meiner Erwartungen wurden enttäuscht?


  • Wo bin ich enttäuscht von Gott? 
  • Wo bin ich enttäuscht von mir selbst? 
  • Wo bin ich enttäuscht von meinem Partner 
  • Wo bin ich enttäuscht von anderen Menschen 
  • Wo bin ich enttäuscht von Institutionen, Politik, Gemeinde usw. 
  • Wo bin ich enttäuscht von ………..?

Montag, 1. Februar 2016

Termine und Aktuelles Februar 2016

07.02.    kein Gottesdienst

14.02.    10.00 Uhr St. Paul gemeinsamer Gottesdienst mit der JG St. Paul (Predigt Heinz Trompeter, Missionsdienst e.V.)


21.02.    10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Hans Heidelberger)


28.02.    10.30 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Hermann Stecher, LKG)


LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft, Gebhardtstraße 19 
Arche = Christlicher Kindergarten Arche, Theaterstraße 50

St. Paul = Gemeindehaus, Dr.-Martin-Luther-Platz 1 

Sonntag, 24. Januar 2016

Predigt von Norbert Wohlrab (24.01.16)

Gedanken zur Jahreslosung 2016                           


1. Begriffsklärungen

Die Jahreslosung für 2016 lautet:

Gott spricht: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ (Jes 66,13a Luther)

Trösten wie eine Mutter tröstet?!

Vor einigen Wochen gab es einen Spiegel (52/15) mit dem provokanten Titel: „Sind Väter die besseren Mütter?“ Weil ich das insgeheim schon immer vermutet hatte, habe ich ihn mir natürlich gleich gekauft. In dem sehr interessanten Artikel vergleicht die Entwicklungs-psychologin Liselotte Ahnert - völlig wertneutral - das unterschiedliche Erziehungsverhalten von Vätern und Müttern bei Kleinkindern. Und sie stellt dabei u.a. fest, dass Väter und Mütter in Frustrationssituationen ganz anders reagieren:
Mütter reagieren viel schneller auf die Unpässlichkeiten der Kinder, versuchen negative Emotionen umgehend auszubalancieren und trösten mit körperlicher Nähe und Zuneigung.
Väter reagieren dagegen deutlich gelassener und sie benutzen eine Umlenkungstaktik („Reframing“), um den Kind zu ermöglichen die frustrierende Situation anders zu bewerten und sich einer neuen Situation zuzuwenden und so die Emotionen selber regulieren zu können. (Nebenbei bemerkt ein deutlicher Unterschied wurde auch in Väter-Kind und Mutter-Kind-Krabbelgruppen deutlich: bei den Vätern war es ganz ruhig und entspannt.)

Väter trösten also anders als Mütter. Mütter trösten durch mehr körperliche Nähe. Vielleicht einfach auf Grund der einzigartigen physischen Beziehung die eine Mutter und ihr Kind in der Schwangerschaft miteinander haben. Sie waren ja monatelang eine körperliche Einheit, hatten denselben Blutkreislauf, das gleiche Essen, haben einander stets gespürt , sie waren immer am selben Ort, ganz ohne eigenes Zutun. Die Mutter war immer da. Das Kind war immer dabei.
Beim Stillen wird diese Nähe dann auch noch weiter fortgesetzt. Dadurch hat vermutlich der Trost der Mutter eine ganz andere emotionale Tiefe als der des Vaters. „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Das ist wie ein Heim-kommen in völlige Geborgenheit. Gott gebraucht dieses Bild um ein Maximum an Geborgenheit auszudrücken.

Könnt Ihr Euch erinnern wie Ihr von Euren Müttern getröstet wurdet? Oder Ihr Mütter: Wie habt Ihr Eure Kinder getröstet?

Trotzdem ist es jetzt erstmal ungewöhnlich für unser theologisches Gottesbild, dass Gott sich hier als Mutter darstellt. Dieser Vers stammt ja nicht aus einer Bibel in gerechter Sprache, sondern aus einer ganz normalen Lutherübersetzung. Wird Gott uns nicht in der Bibel von Anfang an als unser Vater, also als Mann dargestellt?!

Nun, zum einen muss man sagen, dass Gott hier ja nicht sagt, dass er die Mutter ist, sondern wie eine Mutter tröstet. Aber er gebraucht tatsächlich ein weibliches Bild, wie auch an einigen anderen Stellen in der Bibel. Zwei Beispiele dafür:


„Den Felsen, der dich gezeugt, täuschtest du und vergaßest den Gott, der dich geboren.“ (5. Mose 32,18 Rev. Elb.)

Gott stellt sich hier also als gebärende Frau dar.

„Vergisst etwa eine Frau ihren Säugling, dass sie sich nicht erbarmt über den Sohn ihres Leibes? Sollten selbst diese vergessen, ich werde dich niemals vergessen.“
(Jes. 49,15 Rev. Elb.)


Hier vergleicht er sich mit einer stillenden Mutter.

Das hebr. Wort für Trost (nchm) ist übrigens verwandt mit dem Wort für Barmherzigkeit/Erbarmen/Mitgefühl (rachamim) und dieses wiederum kommt vom Wort für Mutterschoß/Gebärmutter (rachäm). Also auch hier wird wieder die weibliche Seite deutlich.

Also, wie sollen wir uns Gott vorstellen? Als Vater, als Mutter, als Wolke wie die Schichina im Tempel, als Feuer- oder Wolkensäule wie bei Mose? Müssen wir uns Gott überhaupt vorstellen?

Gott sagt über sich selbst:

„Denn Gott bin ich und nicht ein Mensch, in deiner Mitte der Heilige“ (Hos. 11.9b Rev. Elb.)


Und er spricht bei der Schöpfung des Menschen:

„Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen in unserm Bild, uns ähnlich! …Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie.“ (1. Mose 1, 26.a.27 Rev. Elb.) 


Gott ist kein Mensch wie wir, er ist kein geschlechtlicher Mensch, er ist nicht Mann oder Frau. Mann und Frau zusammen sind ihm nur ähnlich. Ich männlich, du weiblich, Gott göttlich.

Wir sind in unserer christlichen Sozialisation etwas einseitig geprägt, weil wir alle im 20. Jahrhundert geboren sind und mit speziellen Bibelübersetzungen aufgewachsen sind. Bereits ein paar Jahrhunderte vor Christus begannen nämlich die Juden den Gottesnamen JHWH zu tabuisieren und in den Abschriften der Tora die Buchstaben von „Adonai“ (Herr) einzufügen um eine missbräuchliche Verwendung des Gottesnamens zu vermeiden.

Genauso wurde in vielen deutschen Bibelübersetzungen verfahren (z.B. bei Martin Luther).  Auch bei ihm wurde aus:

„Und Gott redete zu Mose und sprach zu ihm: Ich bin Jahwe. Ich bin Abraham, Isaak und Jakob erschienen als Gott, der Allmächtige; aber mit meinem Namen Jahwe habe ich mich ihnen nicht zu erkennen gegeben. (2. Mose 6, 2.3 Rev. Elb)

Bei Luther hieß es dann:

„Und Gott redete mit Mose und sprach zu ihm: Ich bin der HERR und bin erschienen Abraham, Isaak und Jakob als der allmächtige Gott, aber mit meinem Namen »HERR« habe ich mich ihnen nicht offenbart."

 
Und in der wortgetreuen Elberfelderübersetzung wurde bei der Revision die falsche Übertragung „Jehova“ , die durch eine Fehlinterpretation des in den Gottesnamen eingefügte Herr entstanden ist, ebenfalls an den meisten Stellen durch Herr ersetzt. D.h. der an sich geschlechtsneutrale Name Gottes wurde durch das männliche Herr ersetzt. Dadurch haben wir eine viel stärkere maskuline Vorstellung in unserem Gottesbild entwickelt, wie eigentlich im ursprünglichen Text vorhanden ist.

Trotzdem hat uns Jesus Gott als Vater - und damit doch maskulin - offenbart. Gott als unser nahbarer Vater ist ja eine der zentralen Offenbarungen des Neuen Bundes. Denn im AT war Gott - bis auf ganz wenige Bibelstellen (z.B. Jes. 66,13)- als Vater nicht bekannt. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die Assoziation einer geschlechtlich-natürlichen Verbindung und Abstammung zwischen Gott und dem Menschen  - wie sie bei den umliegenden Völkern vorherrschend war - unter allen Umständen vermieden werden sollte.

Aber die zentrale Bedeutung der Vateroffenbarung Gottes durch Jesus ist ja nicht die Maskulinität Gottes, sondern die Nähe Gottes. Gott als persönliches Gegenüber. Und in dieser Beziehung ist Gott uns als Gegenüber wie Vater und wie Mutter.


2. Jesaja 66

Doch gehen wir noch einmal zur Jahreslosung zurück. Der Vers steht beim Propheten Jesaja. Jesaja ist wie Tolstoi und Dostojewski zusammen. Schwere Kost.
Das Buch Jesaja besteht aus zwei bis drei Abschnitten. In der Theologie spricht man sogar von drei Verfasser bzw. Verfassergruppen, vom Deutero- und Tritojesaja. Und es enthält neben den aktuellen Ermahnungen Gottes für das Volk Israel sehr, sehr viel Prophetie. Und diese prophetischen Äußerungen beziehen sich nicht nur auf die Zeit vor und nach dem Exil, sondern auch auf das erste Kommen Jesu (denken wir bspw. an das Weihnachtsevangelium aus Jesaja), auf seinen Tod (der Gottesknecht), auf das zweite Kommen, auf die Endzeit, auf die Zeit des neuen Himmels und der neuen Erde….. Und es ist meist sehr schwierig zu erkennen welche Zeit jetzt gemeint ist und manches passt dann auch gleich mehrmals.

Lesen wir ein paar Verse des Kontextes der Jahreslosung:

„Hört das Wort des HERRN, die ihr zittert vor seinem Wort! Es sagen eure Brüder, die euch hassen, die euch verstoßen meines Namens wegen: Der HERR erweise sich herrlich, dass wir auf eure Freude sehen können! Aber sie werden zuschanden werden. Schall eines Getöses von der Stadt her! Schall aus dem Tempel! Schall vom HERRN, der Vergeltung übt an seinen Feinden! Ehe sie Wehen hatte, hat sie geboren; ehe Geburtsschmerzen sie ankamen, wurde sie von einem Knaben entbunden. Wer hat so etwas je gehört, wer hat dergleichen je gesehen? Wird ein Land an einem einzigen Tag zur Welt gebracht oder eine Nation mit einem Mal geboren? Denn Zion bekam Wehen und gebar auch schon seine Söhne. Sollte ich zum Durchbruch bringen und dann nicht gebären lassen?, spricht der HERR. Oder sollte ich gebären lassen und dabei den Schoß verschließen?, spricht dein Gott. Freut euch mit Jerusalem und jubelt über sie, alle, die ihr sie liebt! Jauchzt mit ihr in Freude, alle, die ihr über sie getrauert habt! Damit ihr saugt und euch sättigt an der Brust ihrer Tröstungen, damit ihr schlürft und euch labt an der Fülle ihrer Herrlichkeit. Denn so spricht der HERR: Siehe, ich wende ihr Frieden zu wie einen Strom und die Herrlichkeit der Nationen wie einen überflutenden Bach. Und ihr werdet saugen. Auf den Armen werdet ihr getragen und auf den Knien geliebkost werden. Wie einen, den seine Mutter tröstet, so will ich euch trösten. An Jerusalem sollt ihr getröstet werden. Ihr werdet es sehen, und euer Herz wird sich freuen, und eure Gebeine werden sprossen wie das junge Gras. Und die Hand des HERRN wird sich an seinen Knechten zeigen, aber seine Feinde wird er bedrohen.“ (Jes. 66, 5-14 Rev. Elb.)

Im Zusammenhang wird deutlich, dies ist eine Prophetie für die Rückkehr nach Israel aus der assyrischen Gefangenschaft….nein, für die Gründung des Staates Israel 1948….oder doch vielmehr für das Leben des Volk Israels im neuen Friedensreich, denn ein paar Verse weiter vorne heißt es ja:

„Denn siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Und an das Frühere wird man nicht mehr denken, und es wird nicht mehr in den Sinn kommen.“ (Jes. 65,17 Rev. Elb.)

Oder vielleicht für alles zusammen. Biblische Prophetie ist nicht einfach. Ihr kennt ja sicherlich das Bild vom Blick von einem Gipfel zu den anderen Gipfeln. Der Prophet sieht einen Bergkamm in der Ferne und erkennt nicht, dass es verschiedene Gipfel sind, die auch noch durch Täler voneinander getrennt sind.

Aber eines machen doch diese prophetischen Bilder und die verschiedenen Möglichkeiten der Auslegung dieser Bibelstelle deutlich: eigentlich geht es hier eindeutig um Israel. Um den Trost, den sie durch die Rückkehr nach Jerusalem erfahren. Das Erleben der Rückkehr in das geliebte Jerusalem ist wie der Trost einer Mutter. Und das heißt für Israel ja auch die Rückkehr in die Gegenwart Gottes, denn wo der Tempel war, da war Gott.
Es geht hier erstmal nicht um uns Christen, es geht hier erstmal nicht um den Trost, den wir in verschiedenen Lebenssituationen vielleicht benötigen, sondern es geht um Trost für Israel durch das Heimkommen in die Gegenwart Gottes.


3. Trost für uns

Ja, hat dies jetzt alles überhaupt keine Bedeutung für uns? Und warum dann diese Jahreslosung?

Nun, ich weiß nicht nach welchen Kriterien die von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft Bibeltexte aus ihrem Zusammenhang reißen. Für meinen persönlichen Umgang mit der Bibel ist es schon etwas grenzwertig. Zumindest ein Hinweis auf den Textzusammenhang wäre hilfreich.

Aber das Wesen Gottes, dass sich in dieser Bibelstelle offenbart, das ist natürlich allgemeingültig. Und natürlich kann Gott darüberhinaus auch durch jeden Vers persönlich zu einer Person sprechen.

Also, Gott als ein Gott des Trostes. Das hat natürlich Bedeutung für die Christenheit und für uns persönlich.

Und zwar in mehrfacher Hinsicht:

Erstens: Der Trost für Israel ist ein Trost durch die Veränderung des Blickwinkels. Durch das Schauen auf die Zukunft. Auf das kommende Friedensreich (Jes. 55, 17-24). Ein Leben im Schalom. Im Wohlstand und Gesundheit. Kein vergebliches Mühen, kein früher Tod. Ein hohes Alter wie das Alter der Bäume. Keine Säuglingssterblichkeit. Kein Leid, kein Geschrei. Nichts Böses geschieht. Gottes Nähe. Wolf und Lamm, Löwe und Rind weiden zusammen usw. Dieses Bild einer wunderbaren Zukunft ist nicht nur ein Trost für Israel, es ist natürlich auch ein Trost für uns. Auch wir haben Teil am 1000jährigen Friedensreich. Auch wenn es der Menschheit global betrachtet noch nie so gut ging wie gegenwärtig: die geringste Armut, die höchste Bildung, die wenigsten Kriegstoten im Vergleich zu allen vorherigen Jahrhunderten, gibt es doch trotzdem noch viel Leid, von dem wir weg auf diese Zukunftsvision schauen können. 


„Wenn keine Offenbarung da ist, verwildert ein Volk; aber wohl ihm, wenn es das Gesetz beachtet!“ (Spr. 29,18 Rev. Elb.)  

Wir brauchen immer wieder auch den väterlichen Trost (vgl. Kap. 1), die Offenbarung der Zukunft, die uns hilft unsere Blickrichtung zu verändern vom Jetzt auf das Kommende. Denn das Beste kommt noch!

Zweitens: Jesus bietet seinen Trost an. Sein Leben und Wirken ist den Leidenden, den Kranken, den Gebundenen, den Bedrückten, den Verlorenen zugerichtet. Er sieht die Not und greift ein. Und er spricht uns zu:  


„Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben.“ (Mt. 11,28 Rev. Elb.) 

Dieser Vers ist gerade an die gerichtet, die seelisch am Boden sind, weil sie erleben den Anforderungen nicht gerecht zu werden. Damals waren es wohl in erster Linie religiöse Anforderungen, religiöser Druck, das Gesetz mit seinen Überlieferungen. Heute ist es gesellschaftlicher Druck, im Arbeitsleben, aber auch religiöser Druck. Wieviele werden von der Gemeinde verheizt? Oder wieviele bringen sich selber unter Verdammnis, weil sie den eigenen Ansprüchen nicht gerecht werden? 
Als ich Gott während meiner Sabbatzeit fragte, ob etwas zwischen mir und ihm steht, hatte ich während eines Gottesdienstes die Erkenntnis: „Es steht nichts zwischen Gott und mir. Nur ich steh zwischen mir und mir.“ Es sind die eigenen Anforderungen an die eigene Person, die uns oft blockieren und unter Druck setzen. Für die Aufräumarbeiten zwischen Gott und uns hat Jesus bereits gesorgt. 

Ich hatte Ende letzten Jahres so den Eindruck - da kannte ich die Jahreslosung noch nicht - 2016 könnte ein Jahr sein, wo wir speziell den verwundeten Seelen dienen. Vielleicht wird Gott Euch mit so Menschen in Kontakt bringen. Dann ladet sie einfach mal ein privat oder in den Hauskreis oder …einfach in unsere Gemeinschaft. Die tut oft schon alleine gut. Ich hatte auf jeden Fall seitdem schon einen Kontakt in dieser Richtung. Wir können dadurch für andere zum Trost werden. So wie Barnabas (= Sohn des Trostes, Apg. 4,36).

Und drittens ist es für uns von Bedeutung, weil Jesus unser Trost so wichtig ist, dass er uns den Heiligen Geist geschickt hat. Johannes bezeichnet ihn als den Tröster.  


„Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ (Joh. 14,26 Rev. Elb.)  

Aber das ist ein eigenes Thema, dass ich hier jetzt nicht mehr aufgreifen möchte. Übrigens das hebr. Wort für Geist „ruach“ ist wieder weiblich.

Im Trost Gottes erfahren wir zugleich väterlichen und mütterlichen Trost. Wir erfahren die Nähe Gottes und die Veränderung des Blickwinkels, im Schauen auf die Zukunft. Gott gibt uns beides.

„Nahe ist der HERR denen, die zerbrochenen Herzens sind.“ (Ps. 34,19a Rev. Elb.)

Das deutsche Wort für Trost ist abgeleitet von dem althochdeutschen Wort „Tröst“ und bedeutet so viel wie treu und innerliche Festigkeit. Darum geht es letztlich, dass wir neu innerliche Stärke, Zuversicht und Festigkeit bekommen.

Deshalb ist es Paulus und den anderen Schreibern im NT auch so wichtig, dass wir uns immer wieder gegenseitig ermahnen, ermutigen, ermuntern, aufbauen, stärken, Gemeinschaft haben usw. (1. Kor. 14,3, Kol. 3,16, Phil. 2,1, 1. Thes. 5,11, Hebr. 3,13 etc.)

Auch das gemeinsame Feiern des Abendmahls soll dazu dienen.

Schließen möchte ich mit einem Vers, der speziell für uns gilt:

„Es gibt über euch so viel Gutes zu berichten: Ihr ermutigt euch als Christen gegenseitig und seid zu liebevollem Trost bereit. Man spürt bei euch etwas von der Gemeinschaft, die der Geist Gottes bewirkt, und herzliche, mitfühlende Liebe verbindet euch.“ (Phil. 2,1 HfA)

AMEN.

Freitag, 1. Januar 2016

Termine und Aktuelles Januar 2016

03.01.    kein Gottesdienst

10.01. - 17.01. Gebetswoche der Evangelischen Allianz
http://www.ead.de/gebet/allianzgebetswoche/gebetswoche-2016.html
Foto: testfight / photocase.com

10.01.    17.30 Uhr LKG Allianz-Gottesdienst (Predigt Matthias Weber, FeG)
11.01.     19.00 Uhr Hardenberg-Gymnasium (mit New Generation)
12.01.    15.00 Uhr FeG (mit Matthias Weber und Hermann Stecher)
12.01.    19.00 Uhr Nehemia-Team (mit Hans Heidelberger)
13.01.    19.00 Uhr Rathaus Fürth (mit Thomas Herrmann und Harold Koch)
14.01.    18.00 Uhr Klinik-Kapelle (mit Uta Müller-Rehkatsch und Brigitte Kloostermann)
15.01.    19.30 Uhr LKG Rosenstraße Jugendgottesdienst (mit Markus Klein und Alexandra Rieger)
16.01.    10.00 Uhr Heilsarmee (mit Brigitte Kloostermann und Claudia König)
17.01.    17.00 Uhr Stadthalle Fürth Allianz-Abschlusskonzert mit Martin & Jennifer Pepperund Band


24.01.    10.30 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Norbert Wohlrab zur Jahreslosung 2016)


31.01.    10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Michael Koch)



LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft, Gebhardtstraße 19 
Arche = Christlicher Kindergarten Arche, Theaterstraße 50

Dienstag, 1. Dezember 2015

Termine und Aktuelles Dezember 2015

06.12. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Bob Hatton, HOPE e.V.)

13.12. 10.30 Uhr LKG Gottesdienst (Predigt Friedrich Schinkel, Diakon i.R.)

20.12. kein Gottesdienst

24.12. 15.00 Uhr Heiligabend Gemeindehaus St. Paul Gottesdienst für die ganze Familie 
(Predigt Hans Heidelberger, Nehemia-Team)

Winterpause vom 27.12.15 - 03.01.16


Weitere Infos zu den Veranstaltungen (z.B. zum jeweiligen Ort der Hausgottesdienste) auf Wunsch per Email.


LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19  
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
Gemeindehaus St. Paul = Dr.-Martin-Luther-Platz 1