Samstag, 8. August 2009

Predigt von Norbert Wohlrab (19.07.09)

Die Bedeutung des prophetischen Wortes

1. Einleitung

Jesus Christus sagt: „wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte.“ (Mt. 18,20). Glauben wir das? Oder ist es nur ein frommer Spruch, wenn der HK mal wieder nur zu einem Drittel zusammenkommt? Jesus ist hier unter uns gegenwärtig und mit ihm sein ganzes Wesen, seine Kraft, seine Liebe, seine Göttlichkeit. Durch seinen Geist. Es ist wichtig, dass wir uns das vergegenwärtigen.

Ich möchte zu Euch heute über ein Thema sprechen, dass mich seit einigen Monaten beschäftigt - und leider muss ich sagen erst seit einigen Monaten. Es ist ein Thema, über das ich guten Gewissens sagen kann, ich habe darüber nur wenig Ahnung und ich hoffe es geht einigen von Euch ähnlich, dann fällt meine Unwissenheit nicht ganz so deutlich auf.

Ich bin jetzt seit über 25 Jahren Christ und doch hat es mich bis vor einigen Monaten nicht wirklich brennend interessiert. Vielleicht habe ich gedacht, dass ist nur was für besonders gesalbte Leute oder wenn Gott möchte, dass ich in diese Bereiche vordringe, wird er es mir schon mitteilen. Ich weiß eigentlich gar nicht so genau warum ich mich nie dafür interessiert habe. Ich rede von dem prophetischen Wort.

Paulus differenziert ja im NT hier verschiedene Gaben und Dienste und auch der amerikanische Theologe Peter Wagner hat sehr differenzierte Definitionen zu diesen verschiedenen Gaben verfasst: die prophetischen Gabe, das Wort der Erkenntnis, das Wort der Weisheit, die Auslegung einer Sprachenrede oder das Amt des Propheten. Da ich - wie gesagt - davon wenig Ahnung habe, tue ich uns allen einen Gefallen und lass diese Differenzierungen mal außer acht und betrachte alles allgemein als prophetisches Wort. Denn all diese Gaben haben gemeinsam, dass es Eingebungen Gottes sind, die nicht auf verstandesgemäßen Überlegungen oder emphatischer Wahrnehmung basieren.

2. Treasure Searching

Was hat mich denn nun eigentlich dazu bewogen mich damit auseinanderzusetzen? Nun es war natürlich ein Stück weit das Erleben von so gesalbten prophetischen Diensten wie bspw. von Stefan Driess o.ä. Aber solche Männer Gottes habe ich auch früher schon erlebt und für mich dann den Schluss gezogen: o.k. so gesalbt bin ich einfach nicht.
Aber dann habe ich etwas gelesen durch das schlagartig die Wichtigkeit des prophetischen Wortes auf meine bescheidene Ebene herunter gebrochen wurde. „Treasure Searching“. In der Bethel Church von Bill Johnson in Redding/Kalifornien wurde hier ein neuer Dienst kreiert, der mich absolut fasziniert hat. Ich habe Bill Johnson vor drei Jahren in Speyer auf einer Vineyard-Konferenz selbst erlebt. Er ist der Autor vieler Bücher und er hat es in Reading in wenigen Jahren geschafft, durch fortwährendes Lehren über die Bedeutung des Glaubens, über die Kraftwirkungen im Reich Gottes, dass dort das übernatürliche Wirken Gottes in einer ganz neuen Dimension freigesetzt wurde. Wunder und Heilungen sind dort heute an der Tagesordnung. Viele schöpferische Wunder geschehen, bei denen angeborene Defekte wie Klumpfüße, Blindheit, Taubheit etc. geheilt werden. Und zwar nicht nur in den geschützten Gemeinderäumen, sondern v.a. auf öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Gebäuden: Supermärkten, Restaurants usw.

Und in dieser Gemeinde wurde das „Treasure Searching“ entwickelt. „Treasure Searching“ bedeutet: man setzt sich zusammen, lässt sich von Gott Eindrücke schenken, trägt diese zusammen und bekommt dann bspw. eine bunte Liste wie: Fischhalle, Frau, blauer Schal, Eheprobleme, Rückenschmerzen. Und dann begibt sich das Team auf Schatzsuche: fährt zur Fischhalle, sucht den Schatz (Frau mit blauem Schal), spricht die Person an: „Entschuldigung, wir sind auf Schatzsuche, könnten Sie unser Schatz sein?“, zeigt den Zettel mit den Stichpunkten und in den meisten Fällen hat man einen göttlichen Kontakt geschaffen. Die meisten Menschen sind trotz aller anfänglichen Skepsis so beeindruckt, wenn sie hören und merken, dass Gott - auf diese Art und Weise - sein Interesse an ihnen signalisiert. Oft geschehen dann Bekehrungen und Heilungen gleich vor Ort.
Als ich das gelesen habe, habe ich mir dann gedacht: o.k. so Eindrücke wie Frau, Rückenschmerzen oder blauer Schal, so was kann ich auch bekommen. Das klingt einfach. Und schon war das Interesse für das Prophetische in mir geweckt.

Und deshalb haben wir jetzt angefangen uns im HK mit dem prophetischen Wort in Theorie und Praxis auseinanderzusetzen, uns zu üben und wir haben angefangen als Gemeinde auf die Straße zu gehen. In diesem Monat das erste Mal - und es hat Spaß gemacht, wir hatten sehr viele ermutigende Gespräche, mit einer Frau konnten wir sogar beten. Wir haben nicht gleich mit der Schatzsuche angefangen, erst mal mit dem Verteilen von den City-NTs um die Scheu zu verlieren. Aber vielleicht trauen wir uns beim übernächsten Mal schon an die Schatzsuche heran.

3. Prophetie im AT

In diesem Zusammenhang macht es Sinn, sich einmal etwas den Umgang mit Prophetie in der Bibel anzuschauen.

Im Alten Bund hat Gott v.a. durch zweierlei Arten mit seinem Volk kommuniziert (neben
einigen anderen ungewöhnlichen Wesen wie bspw. Esel):
1. durch das Gesetz; er hat seinem Willen im Gesetz kundgetan und
2. durch die Propheten.

Im Hebräerbrief heißt es: „Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten“ (Hebr. 1,1)

Auch solche von Gott auserwählte Männer wie Abraham oder Mose, werden als Propheten bezeichnet (5. Mo. 34,10; 1. Mo. 20,7).

Die Propheten des AT sprachen im Auftrag Gottes (Hag. 1,13 „Da sprach Haggai, der Bote des Herrn, im Auftrag des Herrn zum Volk“),
sie sprachen die Worte Gottes (Jer. 1,9 „der Herr sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund“),
sie sprachen an Gottes Stelle (1. Kön. 20,13 „ein Prophet trat zu Ahab, dem König von Israel, und sagte: So spricht der Herr“)

Der Hauptauftrag der Propheten war es zumeist Israel an den Bund (das Gesetz) zu erinnern
und vor der drohenden Strafe bei weiterem Abfall zu warnen. Die Frage für Israel war nicht: wie viel Teile der Prophetie sind von Gott und wie viel vom Propheten selbst? Sondern die Frage war: Buße oder Strafe? Wenn Israel sich widersetzte musste es die Konsequenzen tragen. (Jes. 30,12 „Weil ihr dieses Wort verwerft und auf Unterdrückung und Arglist vertraut und euch darauf stützt, darum wird für euch diese Schuld wie ein sturzbringender Riss sein, der sich vorschiebt an einer hochragenden Mauer, deren Zusammenbruch in einem Augenblick, plötzlich kommt.“)

Warnung vor drohendem Strafgericht war der Hauptauftrag der at. Propheten. Dieser
Dienst endete mit dem Beginn des Wirkens Jesu.

4. Die Veränderungen durch das Wirken Jesu


Jesus sagt selbst: „Denn alle Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis auf
Johannes.“ (Mt. 11,13)

Johannes d.T. war der Letzte in der langen Reihe der Gerichtspropheten des alten Bundes. Und so heißt es auch in der vorhin bereits zitierten Einleitung des Hebräerbriefs weiter:
„Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn“ (Hebr. 1, 1.2a).

Jesus findet zunächst einmal ein Bruch statt. Es ist ja auch klar, wenn Gott selbst in
Jesus auf der Erde wirkt, braucht er keinen weiteren Propheten als Sprachrohr. Aber es hat auch noch einen weiteren Grund: ein großer Teil aller prophetischen Aussagen des alten Bundes war ja messianisch, d.h. es hatte den kommenden Erlöser und das kommende Reich Gottes zum Inhalt. Nun ist der Messias ja gekommen und ein großer Teil der Reich Gottes-Prophetie des AT hat sich erfüllt, d.h. auf Jesus als kommenden Messias braucht ja auch gar kein Prophet mehr hinweisen.

5. Die Veränderungen durch Pfingsten


Aber auch nach der Himmelfahrt Jesu, durch die Ausgießung des Heiligen Geistes, geschieht
noch etwas, dass die Bedeutung des prophetischen Dienstes noch einmal grundlegend verändert.

„Und danach wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgießen werde über alles
Fleisch. Und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, eure Greise werden Träume haben, eure jungen Männer werden Gesichte sehen. Und selbst über die Knechte und über die Mägde werde ich in jenen Tagen meinen Geist ausgießen.“ (Joel 3, 1.2)

Der Heilige Geist kommt über alles Fleisch. Und wenn hier von Mägden und Knechten,
Kindern und Greisen die Rede ist, ist das nicht als Ausschlusskriterium zu verstehen - nach dem Motto: für den Greis zu jung und für das Kind zu alt - , sondern bedeutet, das man gar nicht unwürdig genug sein kann. Es gibt nun nicht mehr den einzelnen geistgesalbten Propheten, der exklusiv das Reden Gottes weitergibt, sondern alle können mit Gott kommunizieren und von seinem Herzen weitergeben.

Jesus sagt: „Meine Schafe hören meine Stimme“ (Joh. 10,27a).


6. Exkurs: Der Dienst des Apostels

Ein kleiner Exkurs: Gibt es in der nt. Gemeinde niemand, der eine ähnliche Funktion hat wie der Prophet in Israel? Doch, und zwar die Apostel!

Paulus bspw. bekommt seine Botschaft ähnlich dem at. Propheten direkt von Gott (Gal.
1, 1.12 „Ich teile euch aber mit, dass das von mir verkündigte Evangelium nicht von menschlicher Art ist. ich habe es nämlich weder von einem Menschen empfangen noch erlernt, sondern durch Offenbarung Jesu Christi.“). Da Paulus nie ein Jünger Jesu gewesen ist, spricht er hier von einer direkten Offenbarung.
Weiter werden die Apostel als die Säulen der Gemeinde bezeichnet (Gal. 2,9),
sie hatten den Auftrag die Gemeinde Jesu im Wort zu unterrichten (Apg. 2,42 „Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel“),
die Worte Jesu werden durch die Apostel übermittelt (2. Petr. 3,2),
sie beanspruchten dass Christus durch sie redet (2. Kor. 13,3) und ihrer Lehre galt es zu gehorchen (1. Thes. 4, 2.8 „Denn ihr wisst, welche Weisungen wir euch gegeben haben durch den herrn Jesus...(Anweisungen bzgl. Heiligung und Fernhalten von Unzucht)...Deshalb nun, wer dies verwirft, verwirft nicht einen Menschen, sondern Gott, der auch seinen heiligen Geist in euch gibt.“).
Ihr Wort (Briefe) wird den Schriften des AT gleichgestellt (2. Petr. 3,15.16).

Wir sehen also die Apostel haben in etwa den Dienst der Propheten des alten Bundes
fortgeführt - zumindest was die herausragende Stellung und die Autorität betrifft. Die Frage ist: Wo ist der apostolische Dienst heute? Gibt es ihn noch? Und wenn ja, wie kann er heute aussehen? Aber das ist nicht das Thema. Exkurs Ende.

7. Der prophetische Dienst im NT


Es geht uns ja um den prophetischen Dienst im NT. Und es fällt auf, dass er gänzlich anders
geartet ist und zwar - wie ich meine - in einer sehr entspannenden Art und Weise anders geartet.

7.1. Der Dienst ist bruchstückhaft


Der erste Unterschied: ntl. Prophetie ist bruchstückhaft.


Paulus sagt: „Denn wir erkennen stückweise, und wir weissagen stückweise...Denn
wir sehen jetzt mittels eines Spiegels (blanke Metallscheibe) undeutlich“ (1.Kor. 13, 9.12). Der große Apostel Paulus sagt, alles Weissagen ist Stückwerk, das Erkennen ist nicht vollständig.

Das macht zum einen demütig im Umgang mit prophetischen Worten, zum anderen
macht es auch Mut, weil ich von vornherein weiß, ich darf Fehler machen bei meinen prophetischen Versuchen. Und wenn ich in einem Rahmen mich bewege, in dem mir erlaubt ist Fehler zu machen, dann geh ich viel entspannter und mutiger an die Sache heran. Oder geht es Euch dabei etwa anders?
Und selbst in der Apostelgeschichte lesen wir von unterschiedlichen Erfolgen beim Prophezeien. Da gibt es bspw. den Agabus.

Apg. 11, 27.28 „In diesen Tagen aber kamen Propheten von Jerusalem nach Antiochien
herab. Einer aber von ihnen, mit Namen Agabus, stand auf und zeigte durch den Geist eine große Hungersnot an, die über den ganzen Erdkreis kommen sollte; sie trat auch unter Klaudius ein.“

Das ist ein tolles Ergebnis für eine Prophetie. Volltreffer. Später lesen wir noch mal von
ihm.

Apg. 21, 10.11 „Als wir nun mehrere Tage blieben, kam ein Prophet mit Namen Agabus
von Judäa herab. Und er kam zu uns und nahm den Gürtel des Paulus und band sich die Füße und die Hände und sprach: Dies sagt der Heilige Geist: Den Mann, dem dieser Gürtel gehört, werden die Juden in Jerusalem so binden und in die Hände der Nationen überliefern.“

Eine sehr detaillierte Prophetie, die aber leider in beiden Punkten falsch ist. Paulus wurde
nicht von den Juden, sondern von den Römern gebunden (Apg. 21, 33) und er wurde nicht von den Juden an die Römer überliefert, sondern die Römer haben ihn im Gegenteil aus der jüdischen Menge befreit, die ihn Gewalt antaten (Apg. 21, 32.35). Das Ergebnis stimmt „Hände der Nationen“, aber alle Details außen rum, treffen nicht zu. Das ist ein gutes Beispiel für das Stückwerk im Erkennen.

Aus diesen Gründen geht Paulus selbst auch sehr relaxt mit Prophetien, die ihn betreffen
um. Er wird in Apg. 21,4 z.B. durch prophetische Worte davor gewarnt nicht nach Jerusalem zu gehen, aber er kümmert sich nicht darum. Er ist sich seiner Berufung gewiss.

Daher: „Weissagungen verachtet nicht, prüft aber alles, das Gute haltet fest.“ (1.
Thes. 5, 20.21)

7.2. ntl. Prophetie ist im Kern auferbauend


Der zweite wesentliche Unterschied zur Prophetie des AT ist, dass Prophetie im NT im
Kern auferbauend ist.

„Wer aber weissagt, redet zu den Menschen zur Erbauung und Ermahnung (Ermunterung)
und Tröstung.“ (1. Kor. 14,5)

Und in der Apg. steht gleich ein Beleg dafür: „Und Judas und Silas, die auch selbst
Propheten waren, ermunterten die Brüder mit vielen Worten und stärkten sie.“ (Apg.15,32)

Das ist der Kern des prophetischen Wortes im neuen Bund, wir sollen dadurch ermutigt
und auferbaut werden. Deshalb ist es so wichtig. Das kann eine Lehre oder Predigt kaum bewirken, aber das prophetische Wort kann es. Es ist etwas anderes, ob Gott mir ganz persönlich durch den Heiligen Geist sagt, wie lieb er mich hat oder ob ich eine Lehre darüber höre.

7.3. Das prophetische Wort ist für alle da


Und der dritte wesentliche Unterschied: es ist für alle.


Erinnert Ihr Euch: Jesus ist hier mitten unter uns. Wir sind ih ihm gesegnet mit jeder
geistlichen Segnung (Eph. 1,3), der Vater gibt von Herzen gerne denen, die anklopfen (Lk. 11, 5-13).

Deshalb kann Paulus auch sagen: „Strebt nach der Liebe, eifert aber nach den geistlichen
Gaben, besonders aber, dass ihr weissagt.“ (1. Kor. 14,1)

Nicht jeder kann ein Prophetenamt bekleiden oder einen qualitativ hochwertigen übergemeindlichen
prophetischen Dienst entwickeln wie von Stefan Driess oder anderen, aber jeder kann danach streben zur Erbauung, Ermunterung und Tröstung zu weissagen.

Danach streben heißt nicht passiv abwarten, sondern sich aktiv darum bemühen: durch
Beten, sich ausstrecken, sich zur Verfügung stellen und durch Üben.

Das wollen wir jetzt zum Schluss noch tun.


(Praktische Übung: Gruppen mit ca. 5-6 Leuten, 3-4 Minuten Eindrücke für eine Person
sammeln, ein Leiter schaut auf die Uhr, danach Austausch in der Gruppe.
Wichtig: Nicht das sagen, was ich schon immer mal sagen wollte; Vorsicht mit Vorwissen;
Vorsicht mit emphatischer Wahrnehmung; Eindrücke sind einzeln manchmal komisch, aber sie ergänzen sich wunderbar.)

AMEN.