Sonntag, 5. April 2009

Predigt von Norbert Wohlrab (05.04.09)

Die Salbung durch die Sünderin

1. Einleitung: Passionszeit


Wir haben jetzt ja nur noch eine Woche bis zum Osterfest und gehen somit auf´s Ende der Passionszeit zu.


Unter Passion verstehen wir Christen ja zuerst den Leidensweg Christi. Passion abgeleitet vom lat. "passio" Leiden. In der Kirchengeschichte hat sich daraus eine Fasten- und Vorbereitungszeit entwickelt, die sehr unterschiedlich begangen wird. Die kath. Kirche des Mittelalters hat den Gläubigen sehr strenge Fastenzeiten auferlegt (deshalb mussten sie vorher noch mal so richtig die Sau raus lassen). In der Reformation wurde dann mehr Wert auf innere Erneuerung gelegt und der Fokus weggerichtet von formalen Übungen. Heute werden solche Traditionen immer weniger gepflegt. Manchmal ist es schick oder religiös motiviert sieben Wochen auf einzelne Dinge wie Gummibärchen, TV oder Spinat zu verzichten. Aber letztlich lässt sich Sinn und Unsinn all dieser frommen Übungen daran festmachen, ob sie helfen den einzelnen vorzubereiten. Vorbereiten - auf was? Darauf Jesus neu oder tiefer oder auch erstmals zu begegnen.


2. Die Salbung durch die Sünderin


Ich möchte jetzt die Geschichte von einer Frau vorlesen, die sich vorbereitet hat Jesus zu begegnen.


"Ein Pharisäer hatte Jesus zu sich zum Essen eingeladen, und Jesus war gekommen und hatte am Tisch Platz genommen. In jener Stadt lebte eine Frau, die für ihren unmoralischen Lebenswandel bekannt war. Als sie erfuhr, dass Jesus im Haus des Pharisäers zu Gast war, nahm sie ein Alabastergefäß voll Salböl und ging dorthin. Sie trat von hinten an das Fußende des Polsters, auf dem Jesus Platz genommen hatte, und brach in Weinen aus; dabei fielen ihre Tränen auf seine Füße. Da trocknete sie ihm die Füße mit ihrem Haar, küsste sie und salbte sie mit dem Öl. Als der Pharisäer, der Jesus eingeladen hatte, das sah, dachte er: »Wenn dieser Mann wirklich ein Prophet wäre, würde er die Frau kennen, von der er sich da berühren lässt; er wüsste, was für eine sündige Person das ist.« Da wandte sich Jesus zu ihm. »Simon«, sagte er, »ich habe dir etwas zu sagen.« Simon erwiderte: »Meister, bitte sprich!« – »Zwei Männer hatten Schulden bei einem Geldverleiher«, begann Jesus. »Der eine schuldete ihm fünfhundert Denare, der andere fünfzig. Keiner der beiden konnte seine Schulden zurückzahlen. Da erließ er sie ihnen. Was meinst du: Welcher von den beiden wird ihm gegenüber wohl größere Dankbarkeit empfinden? « Simon antwortete: »Ich nehme an, der, dem er die größere Schuld erlassen hat.« – »Richtig«, erwiderte Jesus. Dann wies er auf die Frau und sagte zu Simon: »Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen, und du hast mir kein Wasser für meine Füße gereicht; sie aber hat meine Füße mit ihren Tränen benetzt und mit ihrem Haar getrocknet. Du hast mir keinen Kuss zur Begrüßung gegeben; sie aber hat, seit ich hier bin, nicht aufgehört, meine Füße zu küssen. Du hast meinen Kopf nicht einmal mit gewöhnlichem Öl gesalbt, sie aber hat meine Füße mit kostbarem Salböl gesalbt. Ich kann dir sagen, woher das kommt. Ihre vielen Sünden sind ihr vergeben worden, darum hat sie mir viel Liebe erwiesen. Wem aber wenig vergeben wird, der liebt auch wenig. « Und zu der Frau sagte Jesus: »Deine Sünden sind dir vergeben.« Die anderen Gäste fragten sich: »Wer ist dieser Mann, der sogar Sünden vergibt?« Jesus aber sagte zu der Frau: »Dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!«" (Lk. 7,36-50 NGÜ)


Jesus ist eingeladen bei einem Pharisäer. Den Jesus, den sie noch ein paar Verse vorher als Fresser und Weinsäufer verspottet hatten, haben sie nun in ihre festlichen Hallen, in ihre vornehme Gesellschaft eingeladen. Die Pharisäer, die sich für was Besonderes, für auserwählte Israeliten, für besonders gerecht hielten. Wahrscheinlich sollte die Einladung dazu dienen, Jesus noch besser analysieren und einordnen zu können. Man wollte noch mehr gegen ihn in der Hand haben.


Diese großen Festgelage fanden meist öffentlich statt. So dass auch das einfache Volk am Rand der Halle zusehen konnte. (Man muss sich das in etwa so vorstellen, dass die Hartz-IV-Empfänger mal sehen dürfen, was bei den Beamten auf die Teller kommt.) Darunter war eine Frau mit unmoralischen Lebenswandel heißt es hier. Eine Prostituierte. Auf der Straße weicht man so einer aus, dreht ihr den Rücken zu, spuckt vor ihr aus - tagsüber. Nachts dagegen sieht es für manche Männer anders aus. So eine Prostituierte ist diese Frau. Warum sie ihren Lebensunterhalt so verdient, wird nicht gesagt, es spielt auch keine Rolle. Sie gezwungen isoliert und einsam zu leben. Eine Frau, die sich wahrscheinlich selbst genauso verachtet wie ihren Beruf und die Männer, die zu ihr kommen.

Diese Frau hat von Jesus gehört, vielleicht ist sie ihm sogar früher schon einmal begegnet und hat seinen Worten gelauscht. In ihr hat sich eine Sehnsucht nach dem Reich Gottes entwickelt. Sie will diesen Mann sehen, der doch für so viele Verachtete und Ausgegrenzte (Zöllner, Sünder, Aussätzige) Hoffnung, Heilung und Erneuerung bedeutet. Das, was sie von Jesus mitbekommen hat, hat in ihr das Gefühl wachsen lassen: er könnte es sein, der ihre Sehnsüchte erfüllen kann, der sie ernst nimmt, der ihrem Leben einen Wert gibt, der ihr Vertrauen nicht enttäuscht und ihr Hoffnung gibt. Bei ihm kann sie Frieden finden für ihre Seele. Bei ihm kann sie Vergebung finden. Und als sie hört, dass er in ihrer Stadt ist, nimmt sie Öl (vom Lohn als Prostituierte gekauft!) und geht zu ihm. Sie will ihm begegnen, ihn salben, ihn ehren.

Doch auf der Türschwelle bleibt sie erstarrt stehen. Sie stellt fest. da ist nicht nur Jesus, das sind auch Pharisäer! Niemand verachtet sie in der Stadt stärker als die Pharisäer, kein anderer macht ihr deutlicher, dass ihr ganzes Leben total verpfuscht ist. Und ihr Traum zerplatzt erst einmal - aber jetzt einfach wieder gehen, nein, das will sie nun auch nicht mehr: zu groß ist ihr Wunsch ihm zu begegnen. Und so versucht sie, von hinten an Jesus heran zu kommen.

Und alles, was sie dann macht, ist irgendwie verkehrt, wie so vieles in ihrem Leben. Statt ihn anzusprechen, bricht sie in Tränen aus. Was macht sie als nächstes? Völlig verwirrt, löst sie ihr Haar. Spätestens jetzt wird den Männern im Raum der Atem gestockt haben: das Haar lösen - das tut eine jüdische Frau nur in der Intimität des ehelichen Schlafzimmers! Und dann wischt sie die Füße mit ihrem Haar trocken und küsst sie auch noch. Und dann - statt ihm den Kopf zu salben, gießt sie ihm das ganze Öl über die Füße. Und spricht dabei kein Wort.

Für jeden anderen wahrscheinlich eine absolut peinliche Szene. Nicht so für Jesus. Er lässt alles geschehen. Er weiß, dass dies ein Ausdruck ihrer Liebe und Dankbarkeit ist. Er lässt sich berühren. Er weist die Frau nicht zurecht. Er lächelt nicht verlegen. Er äußert sich nicht spöttisch. Er ärgert sich nicht über die Störung. Er verachtet sie nicht. Er lässt alles zu. Und dabei spricht niemand ein Wort. Die Frau nicht. Jesus nicht. Auch die Zuschauer nicht. Aber gedacht haben sich die Zuschauer einiges.


Der Rahmen dieses Abendessens war ja nicht einfach ein gemütliches Chillen wie bei uns am „Feier-Abend“, das war hier gehobene Gesellschaft. Wer sich hier öffentlich von einer Prostituierten anfassen lässt, ist unten durch. Dessen gesellschaftliche Karriere ist zu Ende.


Simon, der Gastgeber, denkt das, was alle andern denken: Du willst ein Prophet sein? Du willst uns von Gott erzählen und weißt nicht einmal, wie man sich anständig benimmt? Wenn Du wirklich ein Prophet wärst, würdest Du wissen, dass diese Frau eine Sünderin ist!


Jesus antwortet mit einem Gleichnis: wem die größere Schuld erlassen wird, ist dankbarer, liebt mehr. Und wem weniger erlassen wurde, der liebt eben weniger. Das sieht auch Simon ein. Die Frau hat ihre große Liebe zum Ausdruck gebracht, weil ihr ihre große Sünde bewusst war und so vergeben werden konnte. Simon dagegen? Wer perfekt ist, braucht doch keine Vergebung! Der Haken ist nur: ist Simon wirklich so perfekt?


Jesus verdeutlicht Simon auch, dass er seine einfachen Pflichten der Gastfreundschaft vernachlässigt hat. Normalerweise geht der Hausherr auf jeden Gast zu, grüßt ihn mit dem Gruß „Friede sei mit Dir“ und küsst ihn mit dem Friedenskuss. Der Kuss auf die Wange ist die Versicherung des Willkommenseins. Dann kommen Diener und waschen den Gästen die Füße. Zu Hause hatte man sich ja für das Gastmahl bereits gebadet und frisch eingekleidet, aber die Füße sind durch den Straßenstaub (man ging ja barfuß oder in Sandalen) wieder schmutzig geworden. Nach der Fußwaschung wurde wohlriechendes Öl zum Ordnen der Haare (wohl etwa wie man heute Gel verwendet) und zum Salben des Hauptes und der Hände gereicht. All diese Pflichten hatte Simon an Jesus nicht getan - wohl ein Ausdruck der geringen Wertschätzung und Ablehnung.

In Gottes Augen ist Stolz genauso Sünde wie Hurerei. Die Frau war sich ihrer Schuld bewusst, Simon seines Stolzes nicht.

Das Leben von Simon ist genauso wenig heil, wie das der Prostituierten - nur in einem anderen Bereich. Blaise Pascal hat einmal gesagt: "Es ist gleich gefährlich für den Menschen, von Gott zu wissen, ohne sein Elend zu kennen, wie sein Elend zu wissen, ohne den Erlöser zu kennen, der ihn davon zu heilen vermag!"


Aber diese Geschichte verdeutlicht für mich noch etwas anderes: Gott ist ein Menschenfreund und er gibt jedem und jeder eine Chance! Gott verachtet niemanden! Und wir? Geben wir den Pennern und Alkoholikern und Drogenabhängigen und Big Brother-Schauern und Talk-Show-Besuchern und anderen gesellschaftlich Geringgeschätzten oder Ausgegrenzten eine Chance? Glauben wir, dass Gott ihnen eine Chance gibt? Und glauben wir, dass wir vielleicht die Chance sind, die Gott ihnen gibt?


(Witz Feuerwehr)


Wir haben am Donnerstag als HK Pro Christ in der LKG Rosenstraße besucht und dort wurde das Zeugnis einer Frau gesendet, dass mich sehr angesprochen hat. Eine Frau Jg. 65 wurde in einem Billardsaal auf der Reeperbahn geboren. Die Mutter selber noch ein Teenager und Prostituierte. Mit zwei Jahren wurde sie das erste Mal von einem Kunden der Mutter sexuell missbraucht. Ein weiterer Freier hat sich dann glücklicherweise mal verplappert und so hat das Jugendamt von der Existenz des Kindes erfahren. Sie wurde raus geholt und kam in eine Pflegefamilie. Dort ging es ihr sehr gut und sie wurde geistig sehr gefördert. Mit 15 wollte sie zu ihrer Mutter auf die Reeperbahn und ist von zu Hause abgehauen. Die Mutter hat sie abgelehnt und um ihr zu gefallen, fing sie dann selber an auf den Strich zu gehen. Ein paar Jahre später hörte sie einem Straßenprediger zu. Sie konnte mit der Botschaft nichts anfangen und hat ihn mit einer Flasche beworfen. Der Evangelist ist ihr nachgegangen und hat sich zu ihr in den Dreck gesetzt und einfach mit ihr geredet. Das hatte sie bis dahin noch nie erlebt, dass sich jmd. zu ihr in den Dreck setzt und ihr zuhört. Er hat sie dann aufgefordert ihm ein Gebet nachzusprechen. Was sie dann auch getan hat - aber eigentlich nur um ihre Ruhe zu haben. Dabei hat sie dann gespürt wie eine Wärme ihren Körper durchflossen hat und ihre Entzugssymptome haben sofort aufgehört. Diese Erfahrung wollte sie nie wieder loswerden. Heute ist sie verheiratet, hat drei Kinder und arbeitet als Therapeutin bei Teen Challenge.


Gott gibt jedem eine Chance. Und manchmal sind wir diese Chance. Gott hat uns Heilung geschenkt. Nun sollen wir dieses Heil weitergeben.


3. Weitere Symbolik der Fußwaschung


Es gibt im NT noch weitere Beispiele von Fußwaschungen. Bspw. die Fußwaschung der Jünger durch Jesus. Hier einige Verse daraus:


„Das Passafest stand nun unmittelbar bevor. Jesus wusste, dass für ihn die Zeit gekommen war, diese Welt zu verlassen und zum Vater zu gehen. Darum gab er denen, die in der Welt zu ihm gehörten und die er immer geliebt hatte, jetzt den vollkommensten Beweis seiner Liebe. Er war mit seinen Jüngern beim Abendessen. Der Teufel hatte Judas, dem Sohn von Simon Iskariot, bereits den Gedanken ins Herz gegeben, Jesus zu verraten. Jesus aber wusste, dass der Vater ihm Macht über alles gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und wieder zu Gott ging. Er stand vom Tisch auf, zog sein Obergewand aus und band sich ein leinenes Tuch um. Dann goss er Wasser in eine Waschschüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Tuch abzutrocknen, das er sich umgebunden hatte. Simon Petrus jedoch wehrte sich, als die Reihe an ihn kam. »Herr, du willst mir die Füße waschen?«, sagte er. Jesus gab ihm zur Antwort: »Was ich tue, verstehst du jetzt nicht; aber später wirst du es begreifen.« – »Nie und nimmer wäschst du mir die Füße!«, erklärte Petrus. Jesus entgegnete: »Wenn ich sie dir nicht wasche, hast du keine Gemeinschaft mit mir.« Da rief Simon Petrus: »Herr, dann wasche mir nicht nur die Füße, wasch mir auch die Hände und den Kopf!« Jesus erwiderte: »Wer ein Bad genommen hat, ist ganz rein; er braucht sich später nur noch die Füße zu waschen. Auch ihr seid rein, allerdings nicht alle.« Jesus wusste, wer ihn verraten würde; das war der Grund, warum er sagte: »Ihr seid nicht alle rein.«“ (Joh. 13, 1-11 NGÜ)


Jesus tut hier diesen Dienst eines Dieners, eines Sklaven um seinen Jüngern zu zeigen welche Herzenshaltung im Reich Gottes die richtige ist. Nicht die eines Herrschers, sondern die des Dieners. Nicht Stolz, sondern Demut. Das ist so die zentrale Aussage dieser Fußwaschung, aber um die geht es mir jetzt mal nicht. Wir sind ja alle demütige Leute, da kann ich diesen Aspekt mal zur Seite schieben.


Ich denke es steckt hier noch eine weitere Symbolik drin. Zumal diese Fußwaschung hier ja nicht vor dem Essen stattfand, sondern danach, also wohl vom Zeitpunkt her von unserem Herrn schon primär als symbolische Handlung angelegt war.


Im AT war es so, dass die Priester, bevor sie in das Heiligtum eintreten durften, sich Hände und Füße waschen mussten, als Sinnbild der notwendigen Reinigung von aller Sünde vor jedem Dienst.


„Und der Herr redete zu Mose und sprach: Stelle ein bronzenes Becken und sein bronzenes Gestell her zum Waschen! Das stelle zwischen das Zelt der Begegnung und den Altar, tu Wasser hinein, und Aaron und seine Söhne sollen ihre Hände und ihre Füße darin waschen. Wenn sie in das Zelt der Begegnung hineingehen, sollen sie sich mit Wasser waschen, damit sie nicht sterben. Oder wenn sie an den Altar herantreten zum Dienst, um für den Herrn ein Feueropfer als Rauch aufsteigen zu lassen, dann sollen sie ihre Hände und ihre Füße waschen, damit sie nicht sterben. Und das soll für sie eine ewige Ordnung sein, für ihn und seine Nachkommen, für all ihre Generationen.“ (2. Mo. 30, 17 - 21)


Ich denke diese Fußwaschung, die Jesus an seinen Jüngern vollzog, ist in gewisser Weise auch eine Reinigung zum priesterlichen Dienst. Im Gegensatz zum AT, wo nur einige (die Nachkommen Aarons) zum Priesterdienst berufen waren, stehen wir nun alle in diesem Dienst.


„Lasst euch auch selbst als lebendige Steine aufbauen, als ein geistliches Haus, ein heiliges Priestertum, um geistliche Schlachtopfer darzubringen, Gott wohlan- nehmbar durch Jesus Christus...Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht berufen hat“ (1. Petr. 2, 5.9)


Nicht mehr nur einzelne Auserwählte wie im Alten Bund! Es bedarf auch keines Hohenpriesters mehr, der die Forderungen des Kultes und des Gesetzes erfüllt, da Jesus sie als Hoherpriester für alle Zeit erfüllt hat (siehe Hebräerbrief).


In der Kirchengeschichte hat die katholische Kirche immer an einem Priester festgehalten, der quasi Mittler zu Gott ist und kultische Handlungen vollzieht. Luther hat in der Reformation versucht, dass Priestertum aller Gläubigen einzuführen, aber auch heute ist es für viele evangelische Pfarrer noch so, dass das Schlimmste geistlich mündige Laien sind. Selbst in vielen freien Gemeinden gibt es noch eine Überbetonung des Pastors, die dem allgemeinem Priestertum zuwider läuft und auf diese Weise die Freisetzung vieler geistlicher Gaben und Fähigkeiten blockiert.


Ein Priester Gottes zu sein, heißt nicht nur auf Gott hin ausgerichtet sein und ihn anbeten; es heißt auch Priester für das Volk zu sein. Paulus schreibt, dass vor allen anderen Dingen wir in die Fürbitte eintreten sollen für alle Menschen, weil Gott will, dass alle gerettet werden (1. Tim. 2,1). Wenn wir ehrlich sind, ist es doch oft so, dass die Fürbitte für die Verlorenen gerade das ist, was vor allen anderen Dingen am ehesten weggekürzt wird. Aber gerade das ist eine Aufgabe des priesterlichen Dienstes. Wir können vielleicht keine Priester für alle Menschen sein, aber für unsere Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen, Mitschüler, aber auch für die Familie, oder für den irre geleiteten Bruder oder für die Schwester. Oder vielleicht auch für den Penner, der uns jetzt schon zum vierten Mal über den Weg läuft; oder für die schräge Frau, die immer wieder mit uns im Wartezimmer beim Arzt sitzt. Für manche von ihnen sind wir die Chance.


Ich lese gerade ein Buch von Alan Hirsch und Michael Frost, zwei australische Theologen, mit dem Titel „Die Zukunft gestalten - Innovation und Evangelisation in der Kirche des 21. Jahrhunderts“. Manches in diesem Buch erscheint mir sehr abwegig, aber es steckt auch viel Wahrheit drin. Sie schreiben bspw., dass an dem Punkt der Kirchengeschichte ein negativer Prozess eingesetzt hat, als die Kirche im 3. Jahrhundert zur Staatskirche wurde. So hat sich über die Jahrhunderte die Kirche zu einer „attraktionalen“ Kirche entwickelt, d.h. das Selbstverständnis heißt jetzt: „Kommt in unsere heiligen Gebäude, kommt in unsere Gottesdienste, dort und nur dort könnt ihr Gott erfahren!“ Geplant war Kirche aber als „inkarnierend“, d.h. so wie Gott in Jesus Mensch geworden ist, sollte die Kirche sich zwischen und unter und mit den Menschen sich entfalten, so wie es in den ersten Jahrhunderten auch gewesen ist, so wie es Jesus vorgelebt hat, als er Gemeinschaft mit den Ausgestoßenen hatte, so wie er gesagt hat: „Geht!“ und nicht „Holt!“.


Es sind interessante Gedanken, auch wenn ich finde, dass es wohl beides braucht, vielleicht in anderen Formen, als wie sie bisher kennen. Und so wollen auch wir als CGF in den Sommermonaten einige Male in die FGZ gehen um mit Menschen ins Gespräch zu kommen, für sie zu beten, sie einzuladen. Und vielleicht werden da auch Menschen dabei sein, die absolut außerhalb unseres Ereignishorizontes liegen.


4. Geistliches Atmen


Zum Schluss möchte ich noch auf einen besonderen Aspekt der Fußwaschung eingehen. Jesus sagt zu Petrus: „Wer ein Bad genommen hat, ist ganz rein; er braucht sich später nur noch die Füße zu waschen.“ Wir sind rein durch das Bad der Wiedergeburt.


„errettete er uns, nicht aus Werken, die, in Gerechtigkeit vollbracht, wir getan hatten, sondern nach seiner Barmherzigkeit durch die Waschung der Wiedergeburt und Erneuerung des Heiligen Geistes.“ (Tit. 3,5)


Wenn wir von neuem geboren sind, sind wir gereinigt für alle Zeit. Nicht mehr im Stand von Sündern, sondern im Stand von Heiligen, von Gerechten, wir sind Kinder Gottes. Trotzdem sündigen wir noch. Hier brauchen wir immer wieder Reinigung. Diese Reinigung wird durch die Fußwaschung symbolisch dargestellt. Die Füße, die immer wieder schmutzig werden.


Als ich Studentenarbeit bei Campus für Christus gemacht habe, hatten wir dort einen Begriff: „Geistliches Atmen“. ich weiß nicht, ob dieser Begriff eine Campus-Schöpfung war oder weiter verbreitet ist. Dieses „Geistliche Atmen“ beschreibt den Prozess, dass wir immer wieder neu unsere Sünden (schmutzigen Füße) vor Gott bekennen müssen (= Ausatmen) und seine Vergebung in Anspruch nehmen (= Einatmen). Auch wenn mein Stand als Kind Gottes nicht gefährdet ist, weil ich frei bin vom Rechtsanspruch der Sünde über mein Leben, ist dieser Prozess doch für mein geistliches Leben wichtig.


Warum? Aus drei Gründen:
1. Meine Beziehung zu Gott ist beeinträchtigt. Jesus sagt zu Petrus: „Wenn ich sie dir nicht wasche, hast du keine Gemeinschaft mit mir.“ Sünden verunreinigen uns, und wir brauchen wieder Reinigung. Ein kleines Kind, dass trotz des Verbots der Mutter, im Schlamm spielt und sich schmutzig macht, bleibt das Kind der Eltern, aber es braucht die Reinigung vom Schmutz und die Wiederherstellung der Vertrauensbasis zwischen Kind und Eltern.
2. Wir brauchen die Erfahrung der Vergebung, damit unser Gewissen wieder rein wird (Hebr. 10,22). Genauso wie Schuld uns trennen kann, kann uns auch das schlechte Gewissen von Gott trennen. Hier blockieren wir uns selbst. Wir brauchen dann den Zuspruch der Vergebung. Hier ist es oft hilfreich Schuld vor anderen zu bekennen und von ihnen die Vergebung zugesprochen zu bekommen.
3. Wir müssen Schuld bekennen, damit die Sünden keine Macht bekommt über uns bekommen. Da wo wir gewohnheitsmäßig immer wieder im selben Bereich sündigen, z.B. Lügen, Zornausbrüche, Neid usw. kann sich Sünde zu einer Macht verfestigen bis hin zur Dämonisierung, wo dann seelsorgerliche Intervention notwendig ist. Und um diesen Prozess zu vermeiden und zu unterbrechen, ist es wichtig immer wieder neu die Schuld zu bekennen um so den Sünden die Macht zu nehmen, bis wir dann vielleicht irgendwann feststellen, dass wir auf einmal in diesem Bereich gar nicht mehr anfällig sind.


Ich halte diesen Prozess für geistliches Wachstum sehr wichtig. In der Campus-Gruppe wurde es z.T. nicht in der christlichen Freiheit gelebt und war leider immer mit einem gewissen Verdammnisgefühl verbunden. Das war falsch. Das Ja Gottes zu uns steht nicht zur Disposition. Unsere Gotteskindschaft steht nicht zur Disposition. Es geht um geistliche Wachstums- und Jüngerschaftsprozesse. Das ist jetzt für die meisten sicherlich Kinderkram, aber für manche ist es doch wichtig es sich mal wieder neu bewusst zu machen und einzuüben.


Wir wollen als Gemeinde ja den Gründonnerstag und Karfreitag bewusst gemeinsam begehen mit zwei meditativen Gebetsgottesdiensten u.a. auch um uns neu zu vergegenwärtigen, dass wir Teil sind des gebrochenen und auferstandenen Leibes, zu einem neuen Leib zusammengefügt sind. Auch dort wird Raum sein Schuld loszuwerden und Vergebung zu empfangen.


Abschließen möchte ich mit folgenden Vers:


„Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.“ (1. Joh. 1,9)


AMEN.

Samstag, 4. April 2009

Termine und Aktuelles April 2009

So 05.04. 10.00 Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Norbert Wohlrab; Thema: "Die Salbung durch die Sünderin")

Do 09.04. 19.30 Meditativer Gebetsgottesdienst zum Gründonnerstag mit Abendmahl

Fr 10.04. 19.30 Meditativer Gebetsgottesdienst zum Karfreitag mit Abendmahl

So 12.04. 10.00 Ostern - Familiengottesdienst

So 19.04. 19.30 Lobpreis & Segnung

Di 21.04. 19.30 Gebetsabend

So 26.04. 10.00 Gottesdienst (Predigt alle: jeder (der will) hat ein Wort oder ein Zeugnis)