Sonntag, 2. Februar 2020

Predigt von Norbert Wohlrab (02.02.2020)

 Jahreslosung 2020

Jahreslosung 2020 „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ (Mk. 9,24)

Wie auch in den letzten Jahren geht es in meiner ersten Predigt im Jahr um die Jahreslosung. Sie lautet: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ (Mk. 9,24).
Dieser Ausruf des Vaters eines geplagten Kindes im Markus-Evangelium wurde für die Jahreslosung ausgewählt. Ein Ruf, eine Bitte, ein Gebet. Ein Satz, der - für sich allein betrachtet - eigentlich einfach auszulegen ist, betrachtet man das ganze Geschehen, wird es deutlich komplizierter.
Betrachten wir also zunächst den Vers im Zusammenhang, bevor wir uns dann am Schluss der Einfachheit dieses Ausspruchs zuwenden.

Was war die Situation?
Jesus hatte sich mit den drei wichtigsten Jüngern - Petrus, Jakobus und Johannes - auf einen Berg zurück gezogen. Und auf einmal wird sein Aussehen ganz überirdisch, glänzend weiß, himmlisch, Mose und Elia erscheinen und schließlich erscheint auch noch Gott der Vater selbst. Die sichtbare Gegenwart Gottes in einer Wolke. Die Schechina, so wie wir sie aus dem AT kennen. Gott spricht zu ihnen aus der Wolke: „Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören!“ (Mk. 9,7)
Aus dieser heiligen und himmlischen Atmosphäre begeben sie sich dann wieder hinab in irdische Niederungen. Und dann heißt es:


"14 Und als sie zu den andern Jüngern zurückkamen, sahen sie viel Volk um sie herum versammelt und Schriftgelehrte, die mit ihnen diskutierten.
15 Und sogleich kam alles Volk, als es ihn sah, in grosser Erregung herbeigelaufen und begrüsste ihn.
16 Und er fragte sie: Was verhandelt ihr da?
17 Da antwortete ihm einer aus der Menge: Meister, ich habe meinen Sohn zu dir gebracht, er hat einen stummen Geist.
18 Und wenn er ihn packt, reisst er ihn zu Boden, und er schäumt, knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe deinen Jüngern gesagt, sie sollten ihn austreiben, aber sie vermochten es nicht.
19 Er aber antwortet ihnen: Du ungläubiges Geschlecht! Wie lange muss ich noch bei euch sein? Wie lange muss ich euch noch ertragen? Bringt ihn zu mir!
20 Und sie brachten ihn zu ihm. Und als der Geist ihn sah, zerrte er ihn sogleich hin und her, und er fiel zu Boden, wälzte sich und schäumte.
21 Da fragte er seinen Vater: Wie lange hat er das schon? Der sagte: Von Kind auf. 

22 Und oft hat er ihn ins Feuer geworfen und ins Wasser, um ihn zu vernichten. Jedoch - wenn du etwas vermagst, so hilf uns und hab Mitleid mit uns.
23 Jesus aber sagte zu ihm: Was soll das heissen: Wenn du etwas vermagst? Alles ist möglich dem, der glaubt.
24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!
25 Als Jesus nun sah, dass das Volk zusammenlief, schrie er den unreinen Geist an und sagte zu ihm: Stummer und tauber Geist! Ich befehle dir, fahr aus und fahr nie wieder in ihn hinein!
26 Der schrie und zerrte ihn heftig hin und her und fuhr aus. Da lag er da wie tot, so dass alle sagten: Er ist gestorben.
27 Jesus aber ergriff seine Hand und richtete ihn auf. Und er stand auf.
28 Dann ging er in ein Haus; und seine Jünger fragten ihn, als sie mit ihm allein waren: Warum konnten wir ihn nicht austreiben?
29 Und er sagte zu ihnen: Diese Art lässt sich nicht anders austreiben als durch Gebet." (Mk. 9, 14 - 29 ZB)


Jesus kam also vom Berg herab und wurde gleich mit der Situation konfrontiert, dass ein Vater seinen Sohn zu den Jüngern gebracht hatte, aber diese ihm nicht helfen konnten. Die bisherige Ausbildung und Bevollmächtigung hat noch nicht ausgereicht. Es heißt, dass der Junge dämonisiert war und zwar von einem stummen Geist.

Nun muss man folgendes wissen. Dämonenaustreibung war damals ganz normal. Das war jetzt nichts Neues, was Jesus eingeführt hatte.
Die Schriftgelehrten trieben Dämonen aus, die Pharisäer trieben Dämonen aus, die Jünger der Rabbiner trieben Dämonen aus und auch die Jünger Jesu machten dies. Es gab ein bestimmtes Ritual, das wohl ganz gut funktionierte.

Das Ritual beinhaltete drei Schritte: 

  1. Man musste die Kommunikation mit dem Dämon aufnehmen,
  2. man musste seinen Namen herausfinden und
  3. dadurch bekam man Autorität über den Dämon, konnte ihn beim Namen ansprechen und ihm befehlen die Person zu verlassen.

Das war die übliche jüdische Praxis. Problematisch wird es da, wo der Dämon stumm war.
Diesen Fall haben wir hier: ein stummer Geist. Da funktionierte dieses Ritual nicht. Ohne den Namen zu kennen, hatte man keine Autorität über den Dämon. Man brauchte daher eine andere Autorität. Die Autorität des Messias.
Die Pharisäer hatten angekündigt, dass es ein Zeichen des kommenden Messias sein wird, dass er die Autorität haben wird auch die stummen Geister auszutreiben. Dies ist der Grund, warum die Volksmengen, wenn sie Jesus da erlebt haben, wo er genau dies getan hat, fragten: »Ist er denn etwa der Sohn Davids?« (Mt. 12,23)

Welches Ritual auch immer, die Jünger versuchten hier anzuwenden, es funktionierte nicht. Sie waren mit der Situation überfordert.

Der Vater wendet sich dann also direkt an Jesus und die Menge ist gespannt, ob der Meister hier etwas tun kann, ob der Meister mehr kann, als seine Gefolgsleute.
Jesus befragt dann den Vater sehr intensiv nach der Vorgeschiche. Er erstellt sozusagen eine Anamnese. Vielleicht um Vertrauen aufzubauen, eine Beziehung zum Vater aufzubauen, Glauben zu wecken.

Und dann kommt dieser Satz des Vaters: „Wenn du etwas vermagst…hilf uns…hab Mitleid.“

„Wenn Du etwas kannst“ sagt er. Das klingt so, als würde der verzweifelte Vater den nächsten Wunderheiler aufsuchen und aus seiner Resignation heraus sagen „Naja, bis jetzt hat nichts geklappt, Deine Leute konnten es nicht, aber sonst auch keiner, wenn Du meinst dass Du was drauf hast, Du kannst es ja ruhig mal probieren.“ So in etwa stell ich mir das vor. Aber Glaube geht anders.

Jesus wirkt hier nicht begeistert und gibt die Frage an den Vater zurück:

„»Wenn es dir möglich ist, sagst du?«, entgegnete Jesus. »Für den, der glaubt, ist alles möglich.«“ (Mk. 9. 23 NGÜ)

„Jesus antwortete ihm: »Was dein ›Wenn du es vermagst‹ betrifft, so wisse: Alles ist dem möglich, der Glauben hat.«“ (Menge) 


Er macht aus: „Wenn Du etwas kannst?“ ein „Wenn Du glauben kannst?“.

Alles ist möglich dem, der glaubt! Liebe Geschwister, diese Aussage ist gleichzeitig eine Wahnsinns-Verheißung und echt herausfordernd und außerdem auch noch missverständlich.

Vielleicht ist es hilfreich zunächst zu sehen, was dieser Satz nicht bedeutet:

1. Es bedeutet nicht, dass der Mensch allmächtig ist. Nur Gott ist allmächtig. Ein starker Glaube macht mich nicht zum Supermenschen. Es findet hier kein Rollentausch statt zwischen Gott und Mensch. Gott ist Gott und Mensch bleibt Mensch.

2. Es bedeutet nicht, dass Glauben an sich schon alle Möglichkeiten frei setzt. So wie es vielleicht im Positiven Denken oder in der Esoterik der Fall ist. Es geht nicht um Glauben an den Glauben. Es geht hier nicht um irgendeine Art von systemimmanente Kraft im Glauben, sowas gibt es natürlich in gewissem Umfang in der Psychologie des Menschen. Biblisches Glauben meint immer Glauben an Jesus.

Das hebräische Wort für „glauben“ heißt „aman“ und bedeutet „sich an etwas festmachen“. Davon wird auch das Wort „Amen“ abgeleitet. Es bedeutet also im hebräischen Denken sein Leben, sein Herz an Gott festmachen.
Nicht der Glaube allein verändert Dinge, sondern der Glaube an den Gott, der Dinge verändern kann.

3. Das für den Menschen Mögliche ist niemals größer als das, was Gott an Möglichkeiten zulässt. Wenn ich in einem Kreisverkehr bin und vier Ausfahrtmöglichkeiten habe, habe ich eben keine fünfte. Gott muss das Mögliche zulassen.
So wie Jesus auf dem Wasser ging und Petrus aufforderte aus dem Boot zu steigen. Petrus stieg im Glauben aus und ging auf dem Wasser. Aber Jesus rief ihn und erst dann konnte er gehen. Ohne das Rufen Jesu hätte es nicht funktioniert.

Jesus sagt:

„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich selbst tun, außer was er den Vater tun sieht; denn was der tut, das tut ebenso auch der Sohn.“ (Joh. 5,19 Rev. Elb.)

Auch Jesus war mit dem was er tat abhängig vom Willen des Vaters.

„ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet, um es in euren Lüsten zu vergeuden.“ (Jak. 4,3 Rev. Elb.)
Der Wille Gottes begrenzt das Mögliche.

Zusammenfassend kann man sagen, dieser Zuspruch Jesu gilt innerhalb des guten Willen Gottes innerhalb der Beziehung zu Jesus. Dann ist alles möglich!

Und spätestens jetzt sind wir an den Punkt, wo wir sagen müssen: Wow!. Das ist immer noch ein ganz schön steiler Zuspruch. Und er steht ja nicht nur hier. Es gibt ja auch noch ähnliche Verheißungen, wie bspw.

„Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berg sagen wird: Hebe dich empor und wirf dich ins Meer!, und nicht zweifeln wird in seinem Herzen, sondern glauben, dass geschieht, was er sagt, dem wird es werden. Darum sage ich euch: Alles, um was ihr auch betet und bittet, glaubt, dass ihr es empfangen habt, und es wird euch werden.“ (Mk. 11, 23.24 Rev. Elb)
Bittet! Glaubt! Und es wird euch werden.

Und wenn ich zurück blicke in meinem Leben, stelle ich fest: ja, manchmal habe ich genau das erlebt. Wenn ich daran denke, wie ... damals Heilung von ihrer Trigeminusneuralgie zugesprochen wurde und sich nichts getan hat und ich dann zwei Wochen lang tagtäglich fast rund um die Uhr gebetet und bekannt und ihre Heilung im Glauben in Anspruch genommen und fest gemacht habe, bis sie dann in die Wirklichkeit gekommen ist.
Oder wie Gott mir zugesagt hat, dass ... von ihrer Essstörung frei werden wird, und ich viele Jahre im Glauben daran festgehalten habe.

Manches ging schnell, manches dauerte sehr lange. Und manches dauert vielleicht immer noch. Ich denke, wir haben hier alle viele positive Glaubenserfahrungen gemacht.

Aber wir haben alle auch erlebt, wie unser Beten und Glauben nichts bewirkt hat und wir in dieser Diskrepanz leben müssen - zwischen biblischer Wahrheit und unserer Wirklichkeit.

Der Vater in unserem Text hatte so gut wie keinen Glauben, aber Jesus wirkte trotzdem.
Er war ehrlich: „Hilf mir, ich will ja glauben, hilf meinen Unglauben!“ Allein, dass er sich an Jesus gewendet hat, war schon ein kleiner Glaubensschritt. Und dieser Schritt hat gereicht. Schon der kleine Senfkorn-Glauben ist ausreichend.

Er war ehrlich vor sich und vor Gott. Authentisch. Das macht ihn mir so sympathisch. Er hat seinen Unglauben nicht versteckt. Und da ist er ganz nahe bei uns. Denn genauso wie es bei ihm der Fall war, steckt in uns auch beides: Glaube und Zweifel, Glaube und Unglauben.
Wir haben die Phasen voller Glaubensstärke und die Phasen, wo wir uns am liebsten verkriechen möchten und dies auch tun und uns denken, sollen die anderen doch feste glauben und beten, ich setzt jetzt erstmal ein paar Runden aus.

Es gibt ein Gedicht von Robert Gernhardt:

„Ich sprach nachts: Es werde Licht! Aber heller wurd‘ es nicht.
Ich sprach: Wasser werde Wein! Doch das Wasser ließ es sein.
Ich sprach: Lahmer, du kannst gehen! Doch er blieb auf Krücken stehn.
Da war auch dem Dümmsten klar, dass ich nicht der Heiland war.“
(Quelle: Robert Gernhardt, Gesammelte Gedichte. 1954-2004 (2006), S. 51f.)


Wir müssen nicht der Heiland, nicht Jesus sein. Wir dürfen echt sein und rufen: „Wir glauben. Hilf unseren Unglauben! Ja, wir glauben an Dich und Deine Möglichkeiten, aber manchmal dann eben doch nicht! Hilf uns!“

Das Frustrierende ist: wir können ja keinen Glauben produzieren. Wir glauben so viel, wie wir eben glauben. Aber allein die Hinwendung an Jesus, ist schon ein bisschen Glauben.

Und wir können im Glauben wachsen. Hier können wir das Wachstum vielleicht fördern und auch blockieren. So wie im Gleichnis mit dem Unkraut im Acker. Hier haben wir Gestaltungsmöglichkeiten und auch Verantwortung.

Am Schluss wird noch deutlich, warum die Jünger ihn nicht austreiben konnten. Sie hatten nicht gebetet. Sie haben sich vielleicht auf ihre Rituale und Erfahrungen und Methoden und zugesagte Autorität verlassen, aber das Gebet, das Hinwenden zu Gott vergessen. Auch unser Glaube braucht das Gebet, das Hinwenden an Gott, das Anker auswerfen bei Gott.

Die Jahreslosung soll uns Mut machen, dass wir uns neu und mehr danach ausstrecken im Glauben zu wachsen. Nicht still stehen, nicht resignieren, sondern zu Gott schreien. „Hilf meinen Unglauben.“

AMEN.

Lied zur Jahreslosung 2020


Samstag, 1. Februar 2020

Termine und Aktuelles Februar 2020


02.02. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Norbert Wohlrab zur Jahreslosung 2020)

09.02. 10.00 Uhr St. Paul gemeinsamer Gottesdienst mit der JG St. Paul (Predigt Hans Heidelberger)  

16.02. 10.30 Uhr Hausgottesdienste

23.02. kein Gottesdienst



Arche = Christlicher Kindergarten Arche, Theaterstraße 50

St. Paul = Gemeindehaus, Dr.-Martin-Luther-Platz 1
Hausgottesdienste = unterschiedliche Orte, bitte per Email erfragen