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Sonntag, 2. Februar 2020

Predigt von Norbert Wohlrab (02.02.2020)

 Jahreslosung 2020

Jahreslosung 2020 „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ (Mk. 9,24)

Wie auch in den letzten Jahren geht es in meiner ersten Predigt im Jahr um die Jahreslosung. Sie lautet: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ (Mk. 9,24).
Dieser Ausruf des Vaters eines geplagten Kindes im Markus-Evangelium wurde für die Jahreslosung ausgewählt. Ein Ruf, eine Bitte, ein Gebet. Ein Satz, der - für sich allein betrachtet - eigentlich einfach auszulegen ist, betrachtet man das ganze Geschehen, wird es deutlich komplizierter.
Betrachten wir also zunächst den Vers im Zusammenhang, bevor wir uns dann am Schluss der Einfachheit dieses Ausspruchs zuwenden.

Was war die Situation?
Jesus hatte sich mit den drei wichtigsten Jüngern - Petrus, Jakobus und Johannes - auf einen Berg zurück gezogen. Und auf einmal wird sein Aussehen ganz überirdisch, glänzend weiß, himmlisch, Mose und Elia erscheinen und schließlich erscheint auch noch Gott der Vater selbst. Die sichtbare Gegenwart Gottes in einer Wolke. Die Schechina, so wie wir sie aus dem AT kennen. Gott spricht zu ihnen aus der Wolke: „Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören!“ (Mk. 9,7)
Aus dieser heiligen und himmlischen Atmosphäre begeben sie sich dann wieder hinab in irdische Niederungen. Und dann heißt es:


"14 Und als sie zu den andern Jüngern zurückkamen, sahen sie viel Volk um sie herum versammelt und Schriftgelehrte, die mit ihnen diskutierten.
15 Und sogleich kam alles Volk, als es ihn sah, in grosser Erregung herbeigelaufen und begrüsste ihn.
16 Und er fragte sie: Was verhandelt ihr da?
17 Da antwortete ihm einer aus der Menge: Meister, ich habe meinen Sohn zu dir gebracht, er hat einen stummen Geist.
18 Und wenn er ihn packt, reisst er ihn zu Boden, und er schäumt, knirscht mit den Zähnen und wird starr. Und ich habe deinen Jüngern gesagt, sie sollten ihn austreiben, aber sie vermochten es nicht.
19 Er aber antwortet ihnen: Du ungläubiges Geschlecht! Wie lange muss ich noch bei euch sein? Wie lange muss ich euch noch ertragen? Bringt ihn zu mir!
20 Und sie brachten ihn zu ihm. Und als der Geist ihn sah, zerrte er ihn sogleich hin und her, und er fiel zu Boden, wälzte sich und schäumte.
21 Da fragte er seinen Vater: Wie lange hat er das schon? Der sagte: Von Kind auf. 

22 Und oft hat er ihn ins Feuer geworfen und ins Wasser, um ihn zu vernichten. Jedoch - wenn du etwas vermagst, so hilf uns und hab Mitleid mit uns.
23 Jesus aber sagte zu ihm: Was soll das heissen: Wenn du etwas vermagst? Alles ist möglich dem, der glaubt.
24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube! Hilf meinem Unglauben!
25 Als Jesus nun sah, dass das Volk zusammenlief, schrie er den unreinen Geist an und sagte zu ihm: Stummer und tauber Geist! Ich befehle dir, fahr aus und fahr nie wieder in ihn hinein!
26 Der schrie und zerrte ihn heftig hin und her und fuhr aus. Da lag er da wie tot, so dass alle sagten: Er ist gestorben.
27 Jesus aber ergriff seine Hand und richtete ihn auf. Und er stand auf.
28 Dann ging er in ein Haus; und seine Jünger fragten ihn, als sie mit ihm allein waren: Warum konnten wir ihn nicht austreiben?
29 Und er sagte zu ihnen: Diese Art lässt sich nicht anders austreiben als durch Gebet." (Mk. 9, 14 - 29 ZB)


Jesus kam also vom Berg herab und wurde gleich mit der Situation konfrontiert, dass ein Vater seinen Sohn zu den Jüngern gebracht hatte, aber diese ihm nicht helfen konnten. Die bisherige Ausbildung und Bevollmächtigung hat noch nicht ausgereicht. Es heißt, dass der Junge dämonisiert war und zwar von einem stummen Geist.

Nun muss man folgendes wissen. Dämonenaustreibung war damals ganz normal. Das war jetzt nichts Neues, was Jesus eingeführt hatte.
Die Schriftgelehrten trieben Dämonen aus, die Pharisäer trieben Dämonen aus, die Jünger der Rabbiner trieben Dämonen aus und auch die Jünger Jesu machten dies. Es gab ein bestimmtes Ritual, das wohl ganz gut funktionierte.

Das Ritual beinhaltete drei Schritte: 

  1. Man musste die Kommunikation mit dem Dämon aufnehmen,
  2. man musste seinen Namen herausfinden und
  3. dadurch bekam man Autorität über den Dämon, konnte ihn beim Namen ansprechen und ihm befehlen die Person zu verlassen.

Das war die übliche jüdische Praxis. Problematisch wird es da, wo der Dämon stumm war.
Diesen Fall haben wir hier: ein stummer Geist. Da funktionierte dieses Ritual nicht. Ohne den Namen zu kennen, hatte man keine Autorität über den Dämon. Man brauchte daher eine andere Autorität. Die Autorität des Messias.
Die Pharisäer hatten angekündigt, dass es ein Zeichen des kommenden Messias sein wird, dass er die Autorität haben wird auch die stummen Geister auszutreiben. Dies ist der Grund, warum die Volksmengen, wenn sie Jesus da erlebt haben, wo er genau dies getan hat, fragten: »Ist er denn etwa der Sohn Davids?« (Mt. 12,23)

Welches Ritual auch immer, die Jünger versuchten hier anzuwenden, es funktionierte nicht. Sie waren mit der Situation überfordert.

Der Vater wendet sich dann also direkt an Jesus und die Menge ist gespannt, ob der Meister hier etwas tun kann, ob der Meister mehr kann, als seine Gefolgsleute.
Jesus befragt dann den Vater sehr intensiv nach der Vorgeschiche. Er erstellt sozusagen eine Anamnese. Vielleicht um Vertrauen aufzubauen, eine Beziehung zum Vater aufzubauen, Glauben zu wecken.

Und dann kommt dieser Satz des Vaters: „Wenn du etwas vermagst…hilf uns…hab Mitleid.“

„Wenn Du etwas kannst“ sagt er. Das klingt so, als würde der verzweifelte Vater den nächsten Wunderheiler aufsuchen und aus seiner Resignation heraus sagen „Naja, bis jetzt hat nichts geklappt, Deine Leute konnten es nicht, aber sonst auch keiner, wenn Du meinst dass Du was drauf hast, Du kannst es ja ruhig mal probieren.“ So in etwa stell ich mir das vor. Aber Glaube geht anders.

Jesus wirkt hier nicht begeistert und gibt die Frage an den Vater zurück:

„»Wenn es dir möglich ist, sagst du?«, entgegnete Jesus. »Für den, der glaubt, ist alles möglich.«“ (Mk. 9. 23 NGÜ)

„Jesus antwortete ihm: »Was dein ›Wenn du es vermagst‹ betrifft, so wisse: Alles ist dem möglich, der Glauben hat.«“ (Menge) 


Er macht aus: „Wenn Du etwas kannst?“ ein „Wenn Du glauben kannst?“.

Alles ist möglich dem, der glaubt! Liebe Geschwister, diese Aussage ist gleichzeitig eine Wahnsinns-Verheißung und echt herausfordernd und außerdem auch noch missverständlich.

Vielleicht ist es hilfreich zunächst zu sehen, was dieser Satz nicht bedeutet:

1. Es bedeutet nicht, dass der Mensch allmächtig ist. Nur Gott ist allmächtig. Ein starker Glaube macht mich nicht zum Supermenschen. Es findet hier kein Rollentausch statt zwischen Gott und Mensch. Gott ist Gott und Mensch bleibt Mensch.

2. Es bedeutet nicht, dass Glauben an sich schon alle Möglichkeiten frei setzt. So wie es vielleicht im Positiven Denken oder in der Esoterik der Fall ist. Es geht nicht um Glauben an den Glauben. Es geht hier nicht um irgendeine Art von systemimmanente Kraft im Glauben, sowas gibt es natürlich in gewissem Umfang in der Psychologie des Menschen. Biblisches Glauben meint immer Glauben an Jesus.

Das hebräische Wort für „glauben“ heißt „aman“ und bedeutet „sich an etwas festmachen“. Davon wird auch das Wort „Amen“ abgeleitet. Es bedeutet also im hebräischen Denken sein Leben, sein Herz an Gott festmachen.
Nicht der Glaube allein verändert Dinge, sondern der Glaube an den Gott, der Dinge verändern kann.

3. Das für den Menschen Mögliche ist niemals größer als das, was Gott an Möglichkeiten zulässt. Wenn ich in einem Kreisverkehr bin und vier Ausfahrtmöglichkeiten habe, habe ich eben keine fünfte. Gott muss das Mögliche zulassen.
So wie Jesus auf dem Wasser ging und Petrus aufforderte aus dem Boot zu steigen. Petrus stieg im Glauben aus und ging auf dem Wasser. Aber Jesus rief ihn und erst dann konnte er gehen. Ohne das Rufen Jesu hätte es nicht funktioniert.

Jesus sagt:

„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich selbst tun, außer was er den Vater tun sieht; denn was der tut, das tut ebenso auch der Sohn.“ (Joh. 5,19 Rev. Elb.)

Auch Jesus war mit dem was er tat abhängig vom Willen des Vaters.

„ihr bittet und empfangt nichts, weil ihr übel bittet, um es in euren Lüsten zu vergeuden.“ (Jak. 4,3 Rev. Elb.)
Der Wille Gottes begrenzt das Mögliche.

Zusammenfassend kann man sagen, dieser Zuspruch Jesu gilt innerhalb des guten Willen Gottes innerhalb der Beziehung zu Jesus. Dann ist alles möglich!

Und spätestens jetzt sind wir an den Punkt, wo wir sagen müssen: Wow!. Das ist immer noch ein ganz schön steiler Zuspruch. Und er steht ja nicht nur hier. Es gibt ja auch noch ähnliche Verheißungen, wie bspw.

„Wahrlich, ich sage euch: Wer zu diesem Berg sagen wird: Hebe dich empor und wirf dich ins Meer!, und nicht zweifeln wird in seinem Herzen, sondern glauben, dass geschieht, was er sagt, dem wird es werden. Darum sage ich euch: Alles, um was ihr auch betet und bittet, glaubt, dass ihr es empfangen habt, und es wird euch werden.“ (Mk. 11, 23.24 Rev. Elb)
Bittet! Glaubt! Und es wird euch werden.

Und wenn ich zurück blicke in meinem Leben, stelle ich fest: ja, manchmal habe ich genau das erlebt. Wenn ich daran denke, wie ... damals Heilung von ihrer Trigeminusneuralgie zugesprochen wurde und sich nichts getan hat und ich dann zwei Wochen lang tagtäglich fast rund um die Uhr gebetet und bekannt und ihre Heilung im Glauben in Anspruch genommen und fest gemacht habe, bis sie dann in die Wirklichkeit gekommen ist.
Oder wie Gott mir zugesagt hat, dass ... von ihrer Essstörung frei werden wird, und ich viele Jahre im Glauben daran festgehalten habe.

Manches ging schnell, manches dauerte sehr lange. Und manches dauert vielleicht immer noch. Ich denke, wir haben hier alle viele positive Glaubenserfahrungen gemacht.

Aber wir haben alle auch erlebt, wie unser Beten und Glauben nichts bewirkt hat und wir in dieser Diskrepanz leben müssen - zwischen biblischer Wahrheit und unserer Wirklichkeit.

Der Vater in unserem Text hatte so gut wie keinen Glauben, aber Jesus wirkte trotzdem.
Er war ehrlich: „Hilf mir, ich will ja glauben, hilf meinen Unglauben!“ Allein, dass er sich an Jesus gewendet hat, war schon ein kleiner Glaubensschritt. Und dieser Schritt hat gereicht. Schon der kleine Senfkorn-Glauben ist ausreichend.

Er war ehrlich vor sich und vor Gott. Authentisch. Das macht ihn mir so sympathisch. Er hat seinen Unglauben nicht versteckt. Und da ist er ganz nahe bei uns. Denn genauso wie es bei ihm der Fall war, steckt in uns auch beides: Glaube und Zweifel, Glaube und Unglauben.
Wir haben die Phasen voller Glaubensstärke und die Phasen, wo wir uns am liebsten verkriechen möchten und dies auch tun und uns denken, sollen die anderen doch feste glauben und beten, ich setzt jetzt erstmal ein paar Runden aus.

Es gibt ein Gedicht von Robert Gernhardt:

„Ich sprach nachts: Es werde Licht! Aber heller wurd‘ es nicht.
Ich sprach: Wasser werde Wein! Doch das Wasser ließ es sein.
Ich sprach: Lahmer, du kannst gehen! Doch er blieb auf Krücken stehn.
Da war auch dem Dümmsten klar, dass ich nicht der Heiland war.“
(Quelle: Robert Gernhardt, Gesammelte Gedichte. 1954-2004 (2006), S. 51f.)


Wir müssen nicht der Heiland, nicht Jesus sein. Wir dürfen echt sein und rufen: „Wir glauben. Hilf unseren Unglauben! Ja, wir glauben an Dich und Deine Möglichkeiten, aber manchmal dann eben doch nicht! Hilf uns!“

Das Frustrierende ist: wir können ja keinen Glauben produzieren. Wir glauben so viel, wie wir eben glauben. Aber allein die Hinwendung an Jesus, ist schon ein bisschen Glauben.

Und wir können im Glauben wachsen. Hier können wir das Wachstum vielleicht fördern und auch blockieren. So wie im Gleichnis mit dem Unkraut im Acker. Hier haben wir Gestaltungsmöglichkeiten und auch Verantwortung.

Am Schluss wird noch deutlich, warum die Jünger ihn nicht austreiben konnten. Sie hatten nicht gebetet. Sie haben sich vielleicht auf ihre Rituale und Erfahrungen und Methoden und zugesagte Autorität verlassen, aber das Gebet, das Hinwenden zu Gott vergessen. Auch unser Glaube braucht das Gebet, das Hinwenden an Gott, das Anker auswerfen bei Gott.

Die Jahreslosung soll uns Mut machen, dass wir uns neu und mehr danach ausstrecken im Glauben zu wachsen. Nicht still stehen, nicht resignieren, sondern zu Gott schreien. „Hilf meinen Unglauben.“

AMEN.

Sonntag, 26. Januar 2014

Predigt von Norbert Wohlrab (26.01.14)

Jahreslosung „Gott nahe zu sein ist mein Glück“ (Ps. 73,28a EÜ)


1. Einleitung

Ich möchte heute - passend zum Jahresbeginn - zu Euch über die Jahreslosung sprechen. Ein sehr schöner Vers, der sowohl ermutigend, als auch herausfordernd ist: „Gott nahe zu sein ist mein Glück“ (Ps. 73,28a EÜ). Gott nahe zu sein ist mein Glück! So jedenfalls steht es in der Einheitsübersetzung, die für die diesjährige Jahreslosung gewählt wurde. In anderen Übersetzungen steht es etwas anders, aber dazu später.

Bei der diesjährigen Jahreslosung ist etwas passiert, dass es in der ganzen Geschichte der Jahreslosungen noch nie gegeben hat. Die Jahreslosung entsteht ja nicht von selbst, sondern sie wird gewählt und zwar von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB). Da gibt es einen komplizierten Modus, in dem diskutiert, ausgewählt, gebetet und abgestimmt wird und an dessen Ende dann die neue Jahreslosung steht. So weit so gut. Nur diesmal war es so, dass die ausgewählte Losung in einem zweiten Treffen noch einmal nachträglich modifiziert werden musste, weil nämlich die Verlage protestiert hatten, die die Losung auf Tasse, Kugelschreiber und Kalender drucken wollten.

Was war der Anlass? Eigentlich lautet der Vers nämlich: „Ich aber - Gott nahe zu sein ist mein Glück“. Aber das war ihnen zu sperrig und so musste nachträglich die Losung um dieses „Ich aber -„ gekürzt werden.

Nun kann man sagen: was soll´s? Es ist immer noch Wort Gottes…und außerdem steht sowieso oft nur ein Teil eines Verses in den Losungen…und die Jahreslosung ist ja ohnehin kein Orakel, aus dem ich meine Zukunft, mein Leben im Jahre 2014 ablesen kann. Also egal, alles nicht so schlimm.

Schlimm ist es sicherlich nicht, aber zumindest schade, denn dieses „Ich aber“ ist ein Bekenntnis, dass im Gesamtzusammenhang des Psalms eine sehr wichtige Bedeutung hat.
Lesen wir ihn mal zusammen.


2. Psalm 73 (EÜ)

Der Psalm ist von Asaf. Asaf war ein Levit und der führende Lobpreismusiker Davids. Er wird auch als Seher bezeichnet, also ein Mann, der von Gott Visionen empfangen hat und sein Reden vernommen hat (2. Chr. 29,30).

[Ein Psalm Asafs.] Lauter Güte ist Gott für Israel, für alle Menschen mit reinem Herzen.
2 Ich aber - fast wären meine Füße gestrauchelt, beinahe wäre ich gefallen.
3 Denn ich habe mich über die Prahler ereifert, als ich sah, dass es diesen Frevlern so gut ging.
4 Sie leiden ja keine Qualen, ihr Leib ist gesund und wohlgenährt.
5 Sie kennen nicht die Mühsal der Sterblichen, sind nicht geplagt wie andere Menschen.
6 Darum ist Hochmut ihr Halsschmuck, wie ein Gewand umhüllt sie Gewalttat.
7 Sie sehen kaum aus den Augen vor Fett, ihr Herz läuft über von bösen Plänen.
8 Sie höhnen, und was sie sagen, ist schlecht; sie sind falsch und reden von oben herab.
9 Sie reißen ihr Maul bis zum Himmel auf und lassen auf Erden ihrer Zunge freien Lauf.
10 Darum wendet sich das Volk ihnen zu und schlürft ihre Worte in vollen Zügen.
11 Sie sagen: «Wie sollte Gott das merken? Wie kann der Höchste das wissen?»
12 Wahrhaftig, so sind die Frevler: Immer im Glück, häufen sie Reichtum auf Reichtum.
13 Also hielt ich umsonst mein Herz rein und wusch meine Hände in Unschuld.
14 Und doch war ich alle Tage geplagt und wurde jeden Morgen gezüchtigt.
15 Hätte ich gesagt: «Ich will reden wie sie», dann hätte ich an deinen Kindern Verrat geübt.
16 Da sann ich nach, um das zu begreifen; es war eine Qual für mich,
17 bis ich dann eintrat ins Heiligtum Gottes und begriff, wie sie enden.
18 Ja, du stellst sie auf schlüpfrigen Grund, du stürzt sie in Täuschung und Trug.
19 Sie werden plötzlich zunichte, werden dahingerafft und nehmen ein schreckliches Ende,
20 wie ein Traum, der beim Erwachen verblasst, dessen Bild man vergisst, wenn man aufsteht.
21 Mein Herz war verbittert, mir bohrte der Schmerz in den Nieren;
22 ich war töricht und ohne Verstand, war wie ein Stück Vieh vor dir.
23 Ich aber bleibe immer bei dir, du hältst mich an meiner Rechten.
24 Du leitest mich nach deinem Ratschluss und nimmst mich am Ende auf in Herr-lichkeit.
25 Was habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde.
26 Auch wenn mein Leib und mein Herz verschmachten, Gott ist der Fels meines Herzens und mein Anteil auf ewig.
27 Ja, wer dir fern ist, geht zugrunde; du vernichtest alle, die dich treulos verlassen.
28 Ich aber - Gott nahe zu sein ist mein Glück. Ich setze auf Gott, den Herrn, mein Vertrauen. Ich will all deine Taten verkünden.


Wie Ihr den Versen entnehmen konntet, hat Asaf ein Problem. Von klein auf hat er gelernt, derjenige, der nach den Gesetzen Gottes lebt, ist gesegnet, dem geht es gut. Nun muss er feststellen, dass es in seinem Umfeld genau andersrum ist: die Gottlosen scheinen gesegnet zu sein, sie sind es, die in Überfluss leben und Gott scheint es gleichgültig zu sein, sie scheinen keinerlei Strafe befürchten zu müssen. Sie sind fern von jeder Moral, kümmern sich nicht um das Gesetz, lügen und betrügen, lästern Gott, sind hochmütig und eingebildet…und leben trotzdem im Reichtum, sind gesund und wohlernährt und kennen weder Schmerz noch Qual.

„Oh Gott, was ist hier los? Das ist ungerecht! Ich lebe nach deinen Geboten und mir geht es beschissen!“ Und Asaf ist neidisch und bitter geworden, er war in einem Zustand durchdringender Verzweiflung und er hat angefangen an Gott und seiner Gerechtigkeit zu zweifeln. Seine ganze Theologie, seine Weltsicht hat nicht mehr gestimmt.

Wir wissen nicht, welche Qualen Asaf erleiden musste, wenn er schreibt, dass er alle Tage geplagt war und jeden Morgen gezüchtigt worden ist (V. 14). War er krank, litt er Mangel, wurde er depressiv oder schreibt er hier vielleicht auch nur stellvertretend für all die Gottesfürchtigen, die die verschiedensten Entbehrungen zu tragen haben?
Und schreibt er damit nicht auch für uns: hier tut´s weh und da bin ich krank, auf meiner Arbeitsstelle läuft´s bescheiden oder vielleicht hab ich ja gar keine mehr, in meiner Familie gibt es die und die Probleme oder vielleicht ist ja gar keine Familie (mehr) da. Aber dem Kollegen oder dem Nachbarn usw, der kann alles, dem gelingt alles, der verdient massig Kohle, ist topgesund, hat eine super Familie und interessiert sich nicht die Bohne für Gott. Im Gegenteil, der ist bekennender Atheist, betrügt und lügt den ganzen Tag und schert sich überhaupt nicht um die Weisungen Gottes. Wie kann das sein?

Ich weiß nicht, ob jmd. unter uns ab und zu so denkt, aber es sind zumindest gesellschaftliche Realitäten. Denen, denen es augenscheinlich gut geht, das sind nicht immer die gottesfürchtigen Menschen.

Aber so ein Denken offenbart auch noch etwas anderes: es offenbart Religion. Wenn ich dieses und jenes für Gott tue, dann hat er mich (gefälligst) hier und dort zu segnen. Aber so ist Gott nicht. So einen Handel geht er mit uns nicht ein. Mal davon abgesehen, dass wir unseren Part nie erfüllen könnten.

Wenn wir versprechen könnten: „Wenn Du an Jesus Christus glaubst, dann bist du nur noch glücklich und alles gelingt Dir, von früh bis spät!“, hätten wir wahrscheinlich immer volle Gottesdienste, aber so läuft der Hase nicht.

Asaf hat dann ein Aha-Erlebnis. Er kam in die Gegenwart Gottes, er betrat das Heiligtum (V. 17) und hat erkannt, dass sein bisheriges Denken dumm wahr, dass er nicht richtig nachgedacht hatte, dass er nur natürlich gedacht hatte, dass seine Wahrnehmung die, eines Tieres war (V. 22).

Er hat dann zwei Dinge erkannt: zum einen war seine Wahrnehmung wohl etwas einseitig, denn auch die Gottlosen ernten oft in ihrem Leben, das was sie säen und zum anderen, das Entscheidende kommt am Schluss: es geht nicht darum, ob man hier immer und überall erfolgreich ist, sondern es geht darum, ob man am Schluss erfolgreich bei Gott in seiner Herrlichkeit ist (V. 24) und dann hat das Diesseits auf einmal nicht mehr so viel Gewicht.

Und dann kommt Asaf zu dieser starken Aussage: „Soll es den anderen, den Gottlosen doch gut ergehen, egal, ich mache es ihnen nicht nach, ich folge ihnen nicht in ihrem Treiben, ich aber entscheide mich Gott nahe zu sein, denn das allein ist mein Glück.“


3. Glück

Glück?! Glück ist jetzt ja kein Begriff, der oft in der Bibel vorkommt.

Ist jetzt hier Glück im Sinne von einem positiven Ausgang bei einem zufälligen Geschehen gemeint? Würfelglück, Glück beim Pokern oder Glück in der Liebe? Oder hat jetzt etwa der neuzeitliche Glückswahn Einzug in die Bibelübersetzungen gehalten. Alle müssen immer glücklich sein, alles wird dem persönlichen Glück untergeordnet, egal ob es den anderen vielleicht schadet, ich muss glücklich sein, ich habe ein Recht auf mein Glück, auch wenn es die Ehe kostet oder sonst etwas. Das Recht nach seinem Glück zu streben, ist ja sogar Teil der amerikanischen Verfassung.

Das ist alles nicht damit gemeint. Und es ist tatsächlich so, dass man diese Stelle auch ganz anders übersetzen kann. Aber was ist hier gemeint?
Interessant finde ich, dass Glück vom mittelhochdeutschen „gelücken“ abgeleitet eigentlich bedeutet, dass eine Sache gut ausgeht bzw. gut ausgegangen ist. Also auch ein Betrachten vom Ende her, das passt schon zu der Sichtweise des Asafs. Wenn ich am Schluss bei Gott in der Herrlichkeit bin, dann ist es „gelücket“, dann ist es geglückt, dann ist es gut ausgegangen.

Wir Christen dürfen heute immer in dieser Gewissheit leben, dass es - durch Jesus - nicht nur glücken wird, also gut ausgehen wird, sondern vielmehr schon geglückt ist, schon gut ausgegangen ist, weil er schon alles getan hat. Wer den Sohn hat, der hat das Leben! (1. Joh. 5,12a)

Aber wie gesagt, man kann den Vers auch anders übersetzen. Im Hebräischen steht hier nämlich kein Substantiv, sondern ein Adjektiv. Dort steht nämlich einfach das Wörtchen „gut“. Und so heißt es bspw. in der Elberfelder Bibel, die hier wie immer sehr nahe am Urtext ist:

„Ich aber: Gott zu nahen ist mir gut.“ (Rev. Elb.)

Gott zu nahen ist mir gut. So redet bloß keiner. Man könnte dann etwas moderner formulieren: Gott zu nahen tut mir gut. (Bsp. vom Zivi „Knut tut gut!“) Gott tut gut! Gott nahe zu sein, tut mir wohl. Gottes Nähe macht mich froh. Gott zu nahen beglückt mich. Gott nahe zu sein, macht mich heil. Und noch viele andere Übersetzungsvarianten gibt es, die allesamt gültig wären und doch jeweils andere Aspekte verdeutlichen.

Und es wird deutlich, dass es hier nicht nur um Glück vom Ende her betrachtet geht - das ist der eine Aspekt, sondern auch um Auswirkungen auf das Hier und Jetzt. Denn leben tue ich ja immer im Jetzt, -  es sei denn ich habe die Gabe der Zeitreise - und so brauche ich ja auch gerade im Jetzt die Erfahrungen der Gegenwart Gottes.

Gott zu nahen tut mir gut. Gottes Nähe ist mein Glück.

Und ich denke uns ist allen klar, dass wenn hier von Glück die Rede ist, dann ist damit nicht eine unbegrenzte Ausschüttung von Endorphinen gemeint, die einen dann nur noch dümmlich grinsend durch die Gegend laufen lässt, wie es vielleicht bei manchen Sektenmitgliedern von „Wort und Geist“ oder von Scientology der Fall ist.


4. Gottes Nähe

Asaf wurde verändert durch die Nähe Gottes, dadurch dass er Gott nahe war. Und ich denke es ist jetzt irrelevant, ob man übersetzt „Gott zu nahen“, also als ein aktiver Prozess, der von mir ausgeht oder „Gottes Nähe“ als Ergebnis, denn entscheidend ist das Ergebnis, die Nähe Gottes. Und hier sind wir endlich an dem Punkt, an dem dieser Vers für uns neutestamentliche und neuzeitliche Gläubige im Hier und Jetzt seinen stärksten Bezug bekommt.

„Ich aber - entscheide mich in diesem Jahr 2014 ganz besonders, mich (immer wieder neu) in die Nähe Gottes zu begeben!“

Und das ist bei den vielfältigen Zerstreuungen und Verpflichtungen des Alltags gar nicht immer so einfach. Albert Frey hat letzten Sonntag bei seinem Konzert in der Früher Stadthalle ganz offen erzählt, dass er - obwohl er ja jmd. ist, der unheimlich tief gehende Lobpreislieder schreibt und komponiert - kein Mensch ist, der sich mit Nähe im Allgemeinen und mit der Nähe Gottes im Speziellen, leicht tut.

Es gibt viele verschiedene Wege, wie ich Gott nahe sein kann:

- wenn ich ihm im Gebet mein Herz ausschütte
- wenn ich anbete oder Lobpreislieder singe
- wenn ich ihm danke
- wenn ich Lobpreismusik höre oder soake
- in der Stille
- beim Bibellesen
- beim Aussprechen von biblischen Wahrheiten
- in der Gemeinschaft mit Geschwistern
- wenn mich sein Heiliger Geist im Alltag leitet
- wenn ich seinen Segen empfange oder weiter gebe
- wenn ich mich neu mit Heiligen Geist erfüllen lasse
- im Abendmahl
- wenn ich anderen Gutes tue oder mir Gutes tuen lasse
- beim Staunen über die Schönheit der Natur
uvm. ……

Der Weg zur Nähe Gottes steht uns offen durch Jesus. Trotzdem ist sie kein willkürlich verfügbares Gut. Vor 100 und vor 75 Jahren wurden von Deutschland aus Soldaten in zwei Weltkriege geschickt und jedes mal begleitet von der vermessenen Zusage „Gott mit uns“.
Falsche Wege lassen sich nicht heiligen. Man kann Gottes Nähe nicht manipulieren um eigene Interessen durchzusetzen.

Mein Wunsch für uns alle ist, dass wir dieses Jahr immer wieder neu und beständig die Nähe und Gegenwart Gottes suchen und finden.

AMEN.
Hier das Lied zur Jahreslosung von Arne Kopfermann:

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