Jahreslosung „Gott nahe zu sein ist mein Glück“ (Ps. 73,28a EÜ)
1. Einleitung
Ich möchte heute - passend zum Jahresbeginn - zu Euch über die Jahreslosung sprechen. Ein sehr schöner Vers, der sowohl ermutigend, als auch herausfordernd ist: „Gott nahe zu sein ist mein Glück“ (Ps. 73,28a EÜ). Gott nahe zu sein ist mein Glück! So jedenfalls steht es in der Einheitsübersetzung, die für die diesjährige Jahreslosung gewählt wurde. In anderen Übersetzungen steht es etwas anders, aber dazu später.
Bei der diesjährigen Jahreslosung ist etwas passiert, dass es in der ganzen Geschichte der Jahreslosungen noch nie gegeben hat. Die Jahreslosung entsteht ja nicht von selbst, sondern sie wird gewählt und zwar von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen (ÖAB). Da gibt es einen komplizierten Modus, in dem diskutiert, ausgewählt, gebetet und abgestimmt wird und an dessen Ende dann die neue Jahreslosung steht. So weit so gut. Nur diesmal war es so, dass die ausgewählte Losung in einem zweiten Treffen noch einmal nachträglich modifiziert werden musste, weil nämlich die Verlage protestiert hatten, die die Losung auf Tasse, Kugelschreiber und Kalender drucken wollten.
Was war der Anlass? Eigentlich lautet der Vers nämlich: „Ich aber - Gott nahe zu sein ist mein Glück“. Aber das war ihnen zu sperrig und so musste nachträglich die Losung um dieses „Ich aber -„ gekürzt werden.
Nun kann man sagen: was soll´s? Es ist immer noch Wort Gottes…und außerdem steht sowieso oft nur ein Teil eines Verses in den Losungen…und die Jahreslosung ist ja ohnehin kein Orakel, aus dem ich meine Zukunft, mein Leben im Jahre 2014 ablesen kann. Also egal, alles nicht so schlimm.
Schlimm ist es sicherlich nicht, aber zumindest schade, denn dieses „Ich aber“ ist ein Bekenntnis, dass im Gesamtzusammenhang des Psalms eine sehr wichtige Bedeutung hat.
Lesen wir ihn mal zusammen.
2. Psalm 73 (EÜ)
Der Psalm ist von Asaf. Asaf war ein Levit und der führende Lobpreismusiker Davids. Er wird auch als Seher bezeichnet, also ein Mann, der von Gott Visionen empfangen hat und sein Reden vernommen hat (2. Chr. 29,30).
[Ein Psalm Asafs.] Lauter Güte ist Gott für Israel, für alle Menschen mit reinem Herzen.
2 Ich aber - fast wären meine Füße gestrauchelt, beinahe wäre ich gefallen.
3 Denn ich habe mich über die Prahler ereifert, als ich sah, dass es diesen Frevlern so gut ging.
4 Sie leiden ja keine Qualen, ihr Leib ist gesund und wohlgenährt.
5 Sie kennen nicht die Mühsal der Sterblichen, sind nicht geplagt wie andere Menschen.
6 Darum ist Hochmut ihr Halsschmuck, wie ein Gewand umhüllt sie Gewalttat.
7 Sie sehen kaum aus den Augen vor Fett, ihr Herz läuft über von bösen Plänen.
8 Sie höhnen, und was sie sagen, ist schlecht; sie sind falsch und reden von oben herab.
9 Sie reißen ihr Maul bis zum Himmel auf und lassen auf Erden ihrer Zunge freien Lauf.
10 Darum wendet sich das Volk ihnen zu und schlürft ihre Worte in vollen Zügen.
11 Sie sagen: «Wie sollte Gott das merken? Wie kann der Höchste das wissen?»
12 Wahrhaftig, so sind die Frevler: Immer im Glück, häufen sie Reichtum auf Reichtum.
13 Also hielt ich umsonst mein Herz rein und wusch meine Hände in Unschuld.
14 Und doch war ich alle Tage geplagt und wurde jeden Morgen gezüchtigt.
15 Hätte ich gesagt: «Ich will reden wie sie», dann hätte ich an deinen Kindern Verrat geübt.
16 Da sann ich nach, um das zu begreifen; es war eine Qual für mich,
17 bis ich dann eintrat ins Heiligtum Gottes und begriff, wie sie enden.
18 Ja, du stellst sie auf schlüpfrigen Grund, du stürzt sie in Täuschung und Trug.
19 Sie werden plötzlich zunichte, werden dahingerafft und nehmen ein schreckliches Ende,
20 wie ein Traum, der beim Erwachen verblasst, dessen Bild man vergisst, wenn man aufsteht.
21 Mein Herz war verbittert, mir bohrte der Schmerz in den Nieren;
22 ich war töricht und ohne Verstand, war wie ein Stück Vieh vor dir.
23 Ich aber bleibe immer bei dir, du hältst mich an meiner Rechten.
24 Du leitest mich nach deinem Ratschluss und nimmst mich am Ende auf in Herr-lichkeit.
25 Was habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde.
26 Auch wenn mein Leib und mein Herz verschmachten, Gott ist der Fels meines Herzens und mein Anteil auf ewig.
27 Ja, wer dir fern ist, geht zugrunde; du vernichtest alle, die dich treulos verlassen.
28 Ich aber - Gott nahe zu sein ist mein Glück. Ich setze auf Gott, den Herrn, mein Vertrauen. Ich will all deine Taten verkünden.
Wie Ihr den Versen entnehmen konntet, hat Asaf ein Problem. Von klein auf hat er gelernt, derjenige, der nach den Gesetzen Gottes lebt, ist gesegnet, dem geht es gut. Nun muss er feststellen, dass es in seinem Umfeld genau andersrum ist: die Gottlosen scheinen gesegnet zu sein, sie sind es, die in Überfluss leben und Gott scheint es gleichgültig zu sein, sie scheinen keinerlei Strafe befürchten zu müssen. Sie sind fern von jeder Moral, kümmern sich nicht um das Gesetz, lügen und betrügen, lästern Gott, sind hochmütig und eingebildet…und leben trotzdem im Reichtum, sind gesund und wohlernährt und kennen weder Schmerz noch Qual.
„Oh Gott, was ist hier los? Das ist ungerecht! Ich lebe nach deinen Geboten und mir geht es beschissen!“ Und Asaf ist neidisch und bitter geworden, er war in einem Zustand durchdringender Verzweiflung und er hat angefangen an Gott und seiner Gerechtigkeit zu zweifeln. Seine ganze Theologie, seine Weltsicht hat nicht mehr gestimmt.
Wir wissen nicht, welche Qualen Asaf erleiden musste, wenn er schreibt, dass er alle Tage geplagt war und jeden Morgen gezüchtigt worden ist (V. 14). War er krank, litt er Mangel, wurde er depressiv oder schreibt er hier vielleicht auch nur stellvertretend für all die Gottesfürchtigen, die die verschiedensten Entbehrungen zu tragen haben?
Und schreibt er damit nicht auch für uns: hier tut´s weh und da bin ich krank, auf meiner Arbeitsstelle läuft´s bescheiden oder vielleicht hab ich ja gar keine mehr, in meiner Familie gibt es die und die Probleme oder vielleicht ist ja gar keine Familie (mehr) da. Aber dem Kollegen oder dem Nachbarn usw, der kann alles, dem gelingt alles, der verdient massig Kohle, ist topgesund, hat eine super Familie und interessiert sich nicht die Bohne für Gott. Im Gegenteil, der ist bekennender Atheist, betrügt und lügt den ganzen Tag und schert sich überhaupt nicht um die Weisungen Gottes. Wie kann das sein?
Ich weiß nicht, ob jmd. unter uns ab und zu so denkt, aber es sind zumindest gesellschaftliche Realitäten. Denen, denen es augenscheinlich gut geht, das sind nicht immer die gottesfürchtigen Menschen.
Aber so ein Denken offenbart auch noch etwas anderes: es offenbart Religion. Wenn ich dieses und jenes für Gott tue, dann hat er mich (gefälligst) hier und dort zu segnen. Aber so ist Gott nicht. So einen Handel geht er mit uns nicht ein. Mal davon abgesehen, dass wir unseren Part nie erfüllen könnten.
Wenn wir versprechen könnten: „Wenn Du an Jesus Christus glaubst, dann bist du nur noch glücklich und alles gelingt Dir, von früh bis spät!“, hätten wir wahrscheinlich immer volle Gottesdienste, aber so läuft der Hase nicht.
Asaf hat dann ein Aha-Erlebnis. Er kam in die Gegenwart Gottes, er betrat das Heiligtum (V. 17) und hat erkannt, dass sein bisheriges Denken dumm wahr, dass er nicht richtig nachgedacht hatte, dass er nur natürlich gedacht hatte, dass seine Wahrnehmung die, eines Tieres war (V. 22).
Er hat dann zwei Dinge erkannt: zum einen war seine Wahrnehmung wohl etwas einseitig, denn auch die Gottlosen ernten oft in ihrem Leben, das was sie säen und zum anderen, das Entscheidende kommt am Schluss: es geht nicht darum, ob man hier immer und überall erfolgreich ist, sondern es geht darum, ob man am Schluss erfolgreich bei Gott in seiner Herrlichkeit ist (V. 24) und dann hat das Diesseits auf einmal nicht mehr so viel Gewicht.
Und dann kommt Asaf zu dieser starken Aussage: „Soll es den anderen, den Gottlosen doch gut ergehen, egal, ich mache es ihnen nicht nach, ich folge ihnen nicht in ihrem Treiben, ich aber entscheide mich Gott nahe zu sein, denn das allein ist mein Glück.“
3. Glück
Glück?! Glück ist jetzt ja kein Begriff, der oft in der Bibel vorkommt.
Ist jetzt hier Glück im Sinne von einem positiven Ausgang bei einem zufälligen Geschehen gemeint? Würfelglück, Glück beim Pokern oder Glück in der Liebe? Oder hat jetzt etwa der neuzeitliche Glückswahn Einzug in die Bibelübersetzungen gehalten. Alle müssen immer glücklich sein, alles wird dem persönlichen Glück untergeordnet, egal ob es den anderen vielleicht schadet, ich muss glücklich sein, ich habe ein Recht auf mein Glück, auch wenn es die Ehe kostet oder sonst etwas. Das Recht nach seinem Glück zu streben, ist ja sogar Teil der amerikanischen Verfassung.
Das ist alles nicht damit gemeint. Und es ist tatsächlich so, dass man diese Stelle auch ganz anders übersetzen kann. Aber was ist hier gemeint?
Interessant finde ich, dass Glück vom mittelhochdeutschen „gelücken“ abgeleitet eigentlich bedeutet, dass eine Sache gut ausgeht bzw. gut ausgegangen ist. Also auch ein Betrachten vom Ende her, das passt schon zu der Sichtweise des Asafs. Wenn ich am Schluss bei Gott in der Herrlichkeit bin, dann ist es „gelücket“, dann ist es geglückt, dann ist es gut ausgegangen.
Wir Christen dürfen heute immer in dieser Gewissheit leben, dass es - durch Jesus - nicht nur glücken wird, also gut ausgehen wird, sondern vielmehr schon geglückt ist, schon gut ausgegangen ist, weil er schon alles getan hat. Wer den Sohn hat, der hat das Leben! (1. Joh. 5,12a)
Aber wie gesagt, man kann den Vers auch anders übersetzen. Im Hebräischen steht hier nämlich kein Substantiv, sondern ein Adjektiv. Dort steht nämlich einfach das Wörtchen „gut“. Und so heißt es bspw. in der Elberfelder Bibel, die hier wie immer sehr nahe am Urtext ist:
„Ich aber: Gott zu nahen ist mir gut.“ (Rev. Elb.)
Gott zu nahen ist mir gut. So redet bloß keiner. Man könnte dann etwas moderner formulieren: Gott zu nahen tut mir gut. (Bsp. vom Zivi „Knut tut gut!“) Gott tut gut! Gott nahe zu sein, tut mir wohl. Gottes Nähe macht mich froh. Gott zu nahen beglückt mich. Gott nahe zu sein, macht mich heil. Und noch viele andere Übersetzungsvarianten gibt es, die allesamt gültig wären und doch jeweils andere Aspekte verdeutlichen.
Und es wird deutlich, dass es hier nicht nur um Glück vom Ende her betrachtet geht - das ist der eine Aspekt, sondern auch um Auswirkungen auf das Hier und Jetzt. Denn leben tue ich ja immer im Jetzt, - es sei denn ich habe die Gabe der Zeitreise - und so brauche ich ja auch gerade im Jetzt die Erfahrungen der Gegenwart Gottes.
Gott zu nahen tut mir gut. Gottes Nähe ist mein Glück.
Und ich denke uns ist allen klar, dass wenn hier von Glück die Rede ist, dann ist damit nicht eine unbegrenzte Ausschüttung von Endorphinen gemeint, die einen dann nur noch dümmlich grinsend durch die Gegend laufen lässt, wie es vielleicht bei manchen Sektenmitgliedern von „Wort und Geist“ oder von Scientology der Fall ist.
4. Gottes Nähe
Asaf wurde verändert durch die Nähe Gottes, dadurch dass er Gott nahe war. Und ich denke es ist jetzt irrelevant, ob man übersetzt „Gott zu nahen“, also als ein aktiver Prozess, der von mir ausgeht oder „Gottes Nähe“ als Ergebnis, denn entscheidend ist das Ergebnis, die Nähe Gottes. Und hier sind wir endlich an dem Punkt, an dem dieser Vers für uns neutestamentliche und neuzeitliche Gläubige im Hier und Jetzt seinen stärksten Bezug bekommt.
„Ich aber - entscheide mich in diesem Jahr 2014 ganz besonders, mich (immer wieder neu) in die Nähe Gottes zu begeben!“
Und das ist bei den vielfältigen Zerstreuungen und Verpflichtungen des Alltags gar nicht immer so einfach. Albert Frey hat letzten Sonntag bei seinem Konzert in der Früher Stadthalle ganz offen erzählt, dass er - obwohl er ja jmd. ist, der unheimlich tief gehende Lobpreislieder schreibt und komponiert - kein Mensch ist, der sich mit Nähe im Allgemeinen und mit der Nähe Gottes im Speziellen, leicht tut.
Es gibt viele verschiedene Wege, wie ich Gott nahe sein kann:
- wenn ich ihm im Gebet mein Herz ausschütte
- wenn ich anbete oder Lobpreislieder singe
- wenn ich ihm danke
- wenn ich Lobpreismusik höre oder soake
- in der Stille
- beim Bibellesen
- beim Aussprechen von biblischen Wahrheiten
- in der Gemeinschaft mit Geschwistern
- wenn mich sein Heiliger Geist im Alltag leitet
- wenn ich seinen Segen empfange oder weiter gebe
- wenn ich mich neu mit Heiligen Geist erfüllen lasse
- im Abendmahl
- wenn ich anderen Gutes tue oder mir Gutes tuen lasse
- beim Staunen über die Schönheit der Natur
uvm. ……
Der Weg zur Nähe Gottes steht uns offen durch Jesus. Trotzdem ist sie kein willkürlich verfügbares Gut. Vor 100 und vor 75 Jahren wurden von Deutschland aus Soldaten in zwei Weltkriege geschickt und jedes mal begleitet von der vermessenen Zusage „Gott mit uns“.
Falsche Wege lassen sich nicht heiligen. Man kann Gottes Nähe nicht manipulieren um eigene Interessen durchzusetzen.
Mein Wunsch für uns alle ist, dass wir dieses Jahr immer wieder neu und beständig die Nähe und Gegenwart Gottes suchen und finden.
AMEN.Hier das Lied zur Jahreslosung von Arne Kopfermann:
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