Sonntag, 24. Februar 2013

Predigt von Norbert Wohlrab (24.02.13)

Ströme lebendigen Wassers
 

1. Die Bedeutung des Laubhüttenfestes

Wenn man eine Predigt vorbereitet, ist es manchmal so, dass man von vornherein etwas Bestimmtes auf dem Herzen hat, dass in einem brennt und man ist sich ganz sicher, dass Gott möchte, dass man das weiter gibt. Manchmal ist es auch so, dass man ein Predigtthema vorgegeben bekommt und dann forscht, was Gott der Gemeinde darin sagen möchte. Und manchmal ist es so, dass man Gott fragt über was man predigen soll und man hört dann eine relativ klare Antwort, bekommt einen Bibelvers und denkt sich dann: „Und darüber soll ich predigen?“ So erging es mir diesmal. Ich hatte sofort einen Vers vor Augen, den ich mir selber auf keinem Fall raus gesucht hätte.

Nein, er ist nicht aus den Geschlechtsregistern, sondern wir finden ihn im Johannes-Evangelium.

„Aber am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“ (Joh. 7, 37-39 Luther) 


Schauen wir uns zunächst mal die Situation an, in der Jesus diese Worte sprach. Es war das Laubhüttenfest. Der letzte Tag des Festes, der gleichzeitig auch der höchste, der wichtigste Tag war.

1.1 Das Erntefest

Das Laubhüttenfest (Sukkot) war das letzte von drei Wallfahrtsfesten (2. Mose 23, 14-17), an denen jeder männliche Israelit teilnehmen musste. Es war das Fest des Einsammelns der Ernte am Ende des Jahres, also der Obst- und Weinernte. Das Fest dauert eine Woche, aber nur der erste und der letzte Tag sind Feiertage.

„Und der HERR redete mit Mose und sprach: Sage zu den Israeliten: Am fünfzehnten Tage dieses siebenten Monats ist das Laubhüttenfest für den HERRN, sieben Tage lang. Am ersten Tage soll eine heilige Versammlung sein; keine Arbeit sollt ihr tun. Sieben Tage sollt ihr dem HERRN Feueropfer darbringen. Am achten Tage sollt ihr wieder eine heilige Versammlung halten und sollt Feueropfer dem HERRN darbringen. Es ist eine Festversammlung; keine Arbeit sollt ihr tun. Das sind die Feste des HERRN, die ihr als heilige Versammlungen ausrufen sollt, um dem HERRN Feueropfer darzubringen: Brandopfer, Speisopfer, Schlachtopfer und Trankopfer, ein jedes an seinem Tage, abgesehen von den Sabbaten des HERRN und euren andern Gaben und Gelübden und freiwilligen Gaben, die ihr dem HERRN gebt. Am fünfzehnten Tage des siebenten Monats, wenn ihr die Früchte des Landes einbringt, sollt ihr ein Fest des HERRN halten sieben Tage lang. Am ersten Tage ist Ruhetag und am achten Tage ist auch Ruhetag. Ihr sollt am ersten Tage Früchte nehmen von schönen Bäumen, Palmwedel und Zweige von Laubbäumen und Bachweiden und sieben Tage fröhlich sein vor dem HERRN, eurem Gott, und sollt das Fest dem HERRN halten jährlich sieben Tage lang. Das soll eine ewige Ordnung sein bei euren Nachkommen, dass sie im siebenten Monat so feiern. Sieben Tage sollt ihr in Laubhütten wohnen. Wer einheimisch ist in Israel, soll in Laubhütten wohnen, dass eure Nachkommen wissen, wie ich die Israeliten habe in Hütten wohnen lassen, als ich sie aus Ägyptenland führte. Ich bin der HERR, euer Gott. Und Mose tat den Israeliten die Feste des HERRN kund.“ (3. Mose 23, 33-44 Luther) 


Während dieser sieben Tage wohnt das Volk also in Laubhütten zur Erinnerung an die Nomadenzeit während der Wüstenwanderung, es soll an die Versorgung durch Gott erinnern, an die völlige Abhängigkeit von ihm und es soll als ein fröhliches Fest vor ihrem Gott gefeiert werden.

Es gibt ja Christen die denken, fröhlich zu sein, d.h. jetzt man isst zusammen Kuchen, klopft sich fröhlich auf die Schulter und spricht sich den Segen Gottes zu. Das ist natürlich auch sehr schön, aber ich persönlich glaube ja, wenn ich mir anschaue, welche Vorgabe Gott für den Zehnten gegeben hat:

„und gib das Geld für alles, woran dein Herz Lust hat, es sei für Rinder, Schafe, Wein, starkes Getränk oder für alles, was dein Herz wünscht, und iss dort vor dem HERRN, deinem Gott, und sei fröhlich, du und dein Haus“ (5. Mose 14,26 Luther)

dass es da ganz schön feuchtfröhlich zuging und der Alkohol nicht nur in homöopathischen Dosierungen genossen wurde. Aber vielleicht steht das ja in jeder Übersetzung anders......

Und am letzten Tag des Festes gab es nun eine besondere Tradition, die sog. Schoeva-Prozession (= Wasserschöpf-Prozession).  Ein Priester zog zu dem Teich Siloah bzw. zu der Gihon-Quelle, die den Teich gespeist hat, schöpfte dort Wasser in einem goldenen Gefäss um es dann auf dem Altar in ein Gefäss zu gießen. Da dieses aber Löcher hatte, ergoss sich das ganze Wasser über den Altar.

Dieses Ritual hatte mehrere Bedeutungen:

Zum einen ist das Laubhüttenfest ja ein Erntefest. Daher weiß man sich abhängig von der Versorgung Gottes mit Wasser, dankt ihm für die Ernte und bittet ihn um ausreichend Regen für das kommende Erntejahr. Dies wird durch das überfließende Wasser verdeutlicht. Die Idee für dieses Ritual - es gibt dafür keinen biblischen Auftrag - kommt aus dem Buch Jesaja. Dort steht:

„Und mit Freuden werdet ihr Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils.“ (Jes. 12,3 Rev. Elb.)
   
Für Heil steht hier im Hebr. „Je-schua“, also eigentlich JAHWE heilt, erlöst, hilft usw.
Hier ist also bereits ein erster Bezug zu Jesus vorhanden.

Zum Besprengen mit Wasser fällt mir ein Witz ein.

Ein Jude zieht in eine sehr katholische Gegend. Jeden Freitag sind die Katholiken sehr nervös, denn während sie ihren Fisch essen, sitzt der Jude im Garten und grillt Steaks. Also machen sie sich daran, ihn zu konvertieren. Schließlich, mit Bitten und Drohungen, gelingt es ihnen. Sie brachten ihn zu einem Priester, der besprenkelte ihn mit gesegnetem Wasser und sprach: "....geboren als Jude ....aufgewachsen als Jude ....jetzt ein Katholik." Die Katholiken sind begeistert, keine verführerischen Gerüche mehr am Freitag. Aber am nächsten Freitag zieht der Grillgeruch wieder durch die Nachbarschaft. Die Katholiken rennen schnell zum Haus des Juden, um ihn an seine neue Diät zu erinnern. Sie finden ihn am Grill stehend, wo er Wasser über das Fleisch sprenkelt und sagt: "....geboren als Kuh ....aufgewachsen als Kuh ....jetzt ein Fisch." 


1.2 Wasser aus dem Felsen 

Einen weiteren Ursprung dieses Schoeva-Rituals finden wir in einer Begebenheit während der Wüstenwanderung. Das Volk Israel ist in der Wüste und hat kein Wasser mehr und begehrt gegen Mose auf. Mose ist entnervt und verzweifelt und wendet sich an Gott. Dann heißt es:

„Der HERR sprach zu ihm: Tritt hin vor das Volk und nimm einige von den Ältesten Israels mit dir und nimm deinen Stab in deine Hand, mit dem du den Nil schlugst, und geh hin. Siehe, ich will dort vor dir stehen auf dem Fels am Horeb. Da sollst du an den Fels schlagen, so wird Wasser herauslaufen, dass das Volk trinke. Und Mose tat so vor den Augen der Ältesten von Israel.“ (2. Mose 17, 5.6 Luther)
An diese Begebenheit, diese hier erlebte Versorgung wird während des Rituals gedacht. Diese Begebenheit in der Wüste hat aber auch eine prophetische Dimension. Sie weist auf Jesus und das Kreuz hin.

Das Wort „Horeb“ wird wohl von dem hebräischen Wort für „Gericht“ abgeleitet. (Ganz sicher bin ich mir da nicht, ob meine Quellen da stimmen. Bei zehn jüdischen Kommentaren findet man manchmal 15 verschiedene Meinungen.) Tatsächlich wird aber der letzte Tag (Hoschanna Rabba) des Laubhüttenfestes, als ein Tag des Gerichts betrachtet, an dem die Erlösungsbedürftigkeit herausgestellt wird.

Mose schlug also auf den Felsen und es geschah wie Gott es verheißen hatte.

„Er spaltete Felsen in der Wüste und tränkte sie reichlich, wie mit Urfluten. Er ließ Bäche hervorkommen aus dem Felsen und Wasser herablaufen wie Flüsse.“ (Ps. 78, 15.16 Rev. Elb.)

Womit schlug er? Mit denselben Stab, mit den Mose den Nil geschlagen hatte. Mit denselben Stab, mit den er das Gericht über die Ägypter herabgerufen hatte. Dieser Stab ist ein Sinnbild für das Gericht Gottes.

Und wer war der Felsen? Christus! Paulus sagt:

„und alle tranken den gleichen gottgeschenkten Trank; denn sie tranken aus dem Leben spendenden Felsen, der mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus.“ (1. Kor. 10, 4 EÜ)

Der Felsen wurde am Ort des Gerichts mit dem Stab des Gerichts geschlagen. Christus wurde am Ort des Gerichts am Stab des Gerichts, am Kreuz, für uns geschlagen.
Wir haben hier also einen doppelten Hinweis auf Jesus: er ist der Fels der mit dem Gericht geschlagen wurde und er ist die Quelle des Heils, aus der geschöpft wird.

Und nun steht Jesus auf und sagt: „Wenn Ihr wirklich Durst habt nach lebendigen Wasser, nicht nur wie eure Vorväter nach physischen Bedürfnissen, wenn ihr eine Sehnsucht nach Leben habt, dann kommt zu mir und trinkt. Es wird euren Durst stillen und wird als lebendige Wasser aus Euch heraus strömen, so wie es den Altar überflutet hat.“

Die Juden sagten über ihr Laubhüttenfest, dass es ein Fest von großer Freude war. Es war laut und bunt und schrill und es wurde getanzt usw. und wer diese Freude nie erlebt hatte, wusste nicht was wahre Freude ist, trotzdem ist es nur fades Wasser im Vergleich zu dem lebendigen Wasser, das Jesus gibt.


2. Jesus gibt das Wasser des Geistes

In der Bibel ist Wasser oft ein Symbol für den Heiligen Geist. Und so auch hier: Jesus spricht von strömenden lebendigen Wasser des Geistes, das aus uns herausfließt.

Wer kommt in den Genuss dieser Verheißung? Das ist einfach. Jeder, der an Jesus glaubt, so wie die Schrift es sagt. Das AT stellt ihn vor, als den Messias, den Christus, den Erlöser. Jeder der glaubt, dass er der Christus, der für mich gesandte Erlöser ist.

Aber um an diesen Punkt zu kommen, muss ich erst mal Durst haben. Ich muss mir meiner Erlösungsbedürftigkeit bewusst sein, ich muss mich danach sehnen frei von meiner Schuld zu werden, ich muss mich danach sehnen gerechtfertigt zu werden von Gott. Ohne dies bleibt es beim intellektuellen Zustimmen - so wie ich der Wirkung eines Antibiotikums intellektuell zustimme „Ja, ich glaube, dass dieses Medikament gesund macht und diese und jene Wirkung hat“ ohne dass ich es jedoch einnehme - und wird nicht zum persönlichen Glauben.

Aber wenn ich diesen Glauben habe, dann habe ich die Verheißung, dass der Heilige Geist in mir (aus meinem Leib, aus meinem Inneren, aus meinem Bauch) zu einer überfließenden Quelle lebendigen Wassers wird.

Dr. Eckart von Hirschhausen fragt ja in seinem aktuellen Buch „Wo geht die Liebe hin, wenn sie durch den Magen durch ist?“, analog könnten wir hier fragen „Wo geht der Heilige Geist hin, wenn er aus meinem Bauch raus ist?“
Ich weiß nicht, ob Hirschhausen Antworten gibt, ich werde auf jeden Fall welche geben.

Zu dem Zeitpunkt des Auftretens Jesu auf dem Laubhüttenfest war der Heilige Geist noch nicht da. Wir leben jetzt nach Pfingsten und haben den Heiligen Geist. Wir haben ihn in Empfang genommen, haben unterschiedliche Erfahrungen der Erfüllung/Taufe/Freisetzung des Heiligen Geistes erlebt. Wir wissen also, wovon Johannes hier schreibt.

Trotzdem gibt es manchmal Differenzen zwischen unserer Erfahrung und der Verheißung Jesu. Manchmal fließt´s, manchmal strömt´s und manchmal tröpfelt´s auch nur. Woran könnte dies liegen?


 

3. Die verschiedenen Wirkungsweisen des Heiligen Geistes

Der Theologe Detmar Scheunemann differenziert vier verschiedene Dienste bzw. Wirkungsweisen des Heiligen Geistes, die ich für sehr hilfreich empfinde:
- der evangelistische Dienst: er überführt mich von Sünde, macht Jesus groß, führt mich zur Bekehrung
- der organisch-umgestaltende Dienst: er lässt die Früchte des Geistes in mir wachsen, lässt mich Christus-ähnlicher werden
- der charismatische Dienst: all die verschiedenen Geistesgaben und Kraftwirkungen (Prophetie, Heilung usw.) und
- der pädagogische Dienst: er lehrt mich durch das Wort, führt mich, tröstet mich usw.

Und ich denke diese vier Differenzierungen sind genauso auf die Ströme des Geistes anwendbar, die aus uns heraus fließen.

Wir charismatisch geprägten Christen haben oft nur die charismatische Seite des Wirkens des Heiligen Geistes im Blick oder sind zumindest etwas einseitig darauf fixiert. Wenn um uns herum oder durch uns die Kranken geheilt werden, die Prophetie fließt, die Dämonen weichen usw., dann sehen wir uns im Fluss des Heiligen Geistes. Dann bin ich da, wo der Geist Gottes ist und er strömt aus mir heraus und das Wasser fließt und alles ist bestens.

Aber wenn ich nur das charismatische Wirken im Blick habe, bin ich pneumatalogisch etwas restringiert. Dann bin ich in meiner Sicht der Dinge eingeschränkt, dann ist meine Wahrnehmung limitiert und dann ist auch meine Erwartungshaltung verkürzt.

Es könnte nämlich sein, dass der Heilige Geist gerade aus mir aktuell eher organisch-umgestaltend oder pädagogisch herausfließen möchte, weil es der Person neben mir einfach gut tut, wenn ich ihr bspw. mit Güte und Geduld begegne oder ihr einen Rat gebe. Und ich krieg es nicht mit, weil ich die falsche Brille aufgesetzt habe.


4. Hinderungsgründe für den Fluss des Geistes

Es gibt also tatsächlich Mechanismen, wie wir den Strom des Heiligen Geistes aus uns heraus behindern können.

Ich möchte Euch ein paar Strategien nennen, wie wir das möglichst „erfolgsversprechend“ schaffen könnten.

Eine habe ich schon erwähnt:
„1. Fokussiere Dich auf eine bestimmte Wirkungsweise des Heiligen Geistes und lass alles andere nicht in Dein Blickfeld!“

Im Gleichnis vom vierfachen Acker spricht Jesus davon, dass „die Sorgen des Alltags, die Verführung durch den Wohlstand und die Jagd nach den Freuden dieses Lebens“ (Lk. 8, 14 HfA) das geistliche Leben ersticken.

Auch dies ist eine sehr gute Strategie um den Strom des Heiligen Geistes abzutöten. Wir leben in einer Welt voller Freiheit und Möglichkeiten, aber auch voller Verpflichtungen und sozialer und medialer Einbindungen. Fluch und Segen liegen hier oft nah beieinander. Weniger ist hier oft mehr. „Simplify Your Life!“ ist das Schlagwort dazu.

Die erfolgsversprechende Strategie ist daher: „2. Versenke Dich in möglichst alle Anforderungen und Gelegenheiten des beruflichen, medialen und sozialen Lebens und sorge Dich stets um Deine Zukunft!“

Was kann den Fluss noch behindern? Ich habe vorhin erwähnt, dass das Laubhüttenfest ein Fest der Freude sein sollte. Und Freude hängt viel mit Freiheit zusammen. Paulus ruft uns zu:

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Gal. 5,1 Luther)

Obwohl die Hoch-Zeit des Pietismus mit seinen vielen Übertreibungen schon lange vorbei ist, setzen wir uns doch oft wieder selbst unter religiösen Druck oder lassen uns religiöse Erwartungen anderer aufladen. Wir haben irgendwelche Ideale, die wir erfüllen wollen; Vorbilder, denen wir nacheifern oder Prinzipien, nach denen wir zu leben trachten. Leider gibt es auch viele an sich gute christliche Bücher, die nur neuen Druck auf uns legen.

Daher lass Dir gesagt sein: Du musst gar nichts! Es ist vollbracht! Es ist vollständig erfüllt! Es ist vollendet! Es ist vollkommen vollkommen! Es gibt keine Verdammnis mehr. Gott liebt Dich, egal ob Du heute Plus- oder Minuspunkte in Deinem persönlichen Anspruchskatalog gesammelt hast.

Eine gute Verhinderungsstrategie ist daher: „3. Zweifle beständig und zuverlässig an Gottes persönlicher Liebe zu Dir und versuche Dir jeden Tag eine neue Pflicht aufzuerlegen!“

Man könnte noch ergänzen: „3a. Arbeite in mindestens so vielen gemeindlichen Gremien mit, dass es Dir schwer fällt Zeiten zur Entspannung und für Dinge, die Dir Spaß machen zu finden!“


5. Der Fluss des Geistes und seine Flussrichtung

Einen Punkt hab ich noch. Vielleicht sogar der Wichtigste. Jeder Fluss fließt immer von oben nach unten. Er entspringt irgendwo in den Bergen und fließt ins Meer.

Der Strom des Heiligen Geistes, der aus uns herausfließt, hat seinen Ursprung bei Gott und er will zu den Menschen fließen. Er ist nicht für mich bestimmt. Er ist nicht dazu da, dass ich mich gut fühle. Das ist ein wunderbarer Neben-Effekt, aber ich bin nicht das Ziel. (Es geht nicht um Individualismus und auch nicht um Gruppen-Egoismus.)

Gott ist Liebe (1. Joh. 4,8) und die Substanz dieses Stroms ist Liebe. Und diese Liebe will zu den Menschen. Dabei fließt sie heraus aus der Intimität mit Gott, aus den Zeiten der Gegenwart Gottes, der Ruhe vor Gott, der Anbetung zu den Menschen - und zwar in den verschiedensten Ausprägungen. Die Liebe will sich ausdrücken in Kraft, in Prophetie, in Heilung, aber genauso in Freundlichkeit und Güte, in Beratung und Hilfeleistung, in Dienen und Geben, in Verkündigung und Zeugnis, in Nähe und Zärtlichkeit, in Lachen und Feiern, Zuhören und gemeinsam Spaß haben....

Manchmal behindern wir den Strom des lebendigen Wassers, weil wir die Adressaten nicht im Blick haben oder weil wir sie vielleicht nur als Subjekt zur Bekehrung gesehen haben, weil wir vielleicht nicht über unsere Gemeinde- und Gottesdienstgrenzen hinaus geschaut haben.

Paulus schreibt:

„Ich habe euch vor Augen geführt, Geschwister, wie groß Gottes Erbarmen ist. Die einzige angemessene Antwort darauf ist die, dass ihr euch mit eurem ganzen Leben Gott zur Verfügung stellt und euch ihm als ein lebendiges und heiliges Opfer darbringt, an dem er Freude hat. Das ist der wahre Gottesdienst, und dazu fordere ich euch auf.“ (Röm. 12,1 NGÜ)

Wenn wir hier aus dem Saal gehen, dann hört der Gottesdienst nicht auf, dann fängt er erst an. Unser Arbeitsplatz, unsere Nachbarschaft, unsere Familie, unsere Stadt, unsere Gesellschaft, das sind die Plätze, an die der Strom Gottes hin fließen möchte. Das sind die Plätze wo er durch uns Reich Gottes bauen und gestalten möchte.

Wir haben in unserem Hauskreis gerade eine Aktion am Laufen, wo wir reihum an einem Hauskreisabend unsere Arbeitsplätze aufsuchen - alle paar Wochen an einem anderen - um dort zu beten, dass dort Reich Gottes durch das einzelne Hauskreismitglied gebaut werden kann. Das Gottes Gegenwart dort einziehen kann und sich die Atmosphäre verändert, dass die Werte Gottes, die Gerechtigkeit des Reiches Gottes sich dort ausbreiten.


6. Zusammenfassung

Ich möchte zum Schluss noch kurz zusammenfassen:

Manchmal sind wir blind für die Ströme des lebendigen Wassers, die aus uns heraus fließen, weil wir den falschen Fokus haben, weil wir nicht wahrnehmen, dass Gott gerade ganz anders wirken möchte.

Manchmal hindert uns unser Alltag.

Manchmal blockieren wir uns selbst durch überzogene Erwartungen und manchmal vergessen wir, dass wir Gottes geliebte Kinder sind.

Und manchmal ist es einfach so, dass wir den Blick abgewendet haben von den Menschen, zu denen die Liebe Gottes eigentlich hin fließen möchte.

Wichtig ist: Gott zieht seine Liebe und den Strom seines Heiligen Geist nie zurück und wird ihn nie zurückziehen.

Wir sind für immer die Gerechtfertigten, die Heiligen, seine Söhne und Töchter.

Christus lebt in uns und will sich durch uns ausdrücken.

Wenn wir in diesem Bewusstsein leben, dann sucht sich der Strom immer wieder seinen Weg zu den Menschen.



AMEN.

Freitag, 1. Februar 2013

Termine und Aktuelles Februar 2013

03.02. dezentrale Hausgottesdienste

10.02. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Hans Heidelberger, Thema: "Das Reich Gottes, die CGF und Du")


17.02. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Mathias Hühnerbein, Nehemia-Team, Thema: "Die Isaak-Generation")


24.02. 10.00 Uhr Gemeindehaus St. Paul, gemeinsamer Gottesdienst mit der "JG St. Paul" (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Ströme lebendigen Wassers")



Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.


LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50

Mittwoch, 23. Januar 2013

Predigt von Norbert Wohlrab (20.01.13)

Der barmherzige Samariter 

Hinter uns liegt wieder die Allianz-Gebetswoche mit ihrem Motto: „Unterwegs mit Gott“. Wir haben in dieser Woche viel für Menschen und ihre Nöte in Fürth gebetet (Arbeitslose und Geringverdiener, soziale Gerechtigkeit, sozialen Wohnungsbau, Schüler und Jugendliche, Greuther Fürth etc). Dies war auch ein Dienst am Nächsten, ein Ausdruck von Nächstenliebe, auch wenn vielfach noch weitere praktische Hilfe nötig ist.

Nicht jeder hat eine Position wo er sich politisch gestaltend einbringen kann, aber jeder kann beten.

Besonders hat mich der Mittwoch bewegt: wir haben im Rathaus stellvertretend um Vergebung gebeten für das Unrecht an den Juden im 3. Reich durch unsere Stadtvertreter, die sie im großen Umfang enteignet haben, ohne dass hier jemals Wiedergutmachung stattgefunden hätte.

Im Lauf der Woche ist mir so das Thema für heute gekommen. Und als ich am Freitag die Zeitung gelesen hab, dachte ich mir: das passt ja optimal zu meiner Predigt.

Eine junge Frau in Köln wurde mit Ko-Tropfen betäubt und missbraucht. Sie wird in der Notarztpraxis behandelt und dann weiter schickt zu weiteren gynäkologischen Untersuchungen in katholische Krankenhaus nebenan. Hier wird die Hilfe aus moralischen Gründen abgelehnt, angeblich weil man auch die Pille danach verabreichen müsste (wovon laut Notarztpraxis nie die rede war). Das gleiche geschieht in einem weiteren katholischen Krankenhaus. Ein unglaublicher Vorfall.

Nun kann man ja durchaus verschiedene Meinungen zum Beginn des Lebens haben und ob die Pille danach einer Abtreibung gleichzusetzen ist. (Bei Juden beginnt das Leben übrigens dann, wenn die Kinder aus dem Haus und der Hund tot ist.) Hier wurde aber auf jeden Fall die Moral - ob nun begründet oder nicht - über die Not eines Menschen gestellt. Das passt zu meinem heutigen Predigttext.

„Ein Gesetzeslehrer wollte Jesus auf die Probe stellen. »Meister«, fragte er, »was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?« Jesus entgegnete: »Was steht im Gesetz? Was liest du dort?«
Er antwortete: »›Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit aller deiner Kraft und mit deinem ganzen Verstand!‹ Und: ›Du sollst deine Mitmenschen lieben wie dich selbst!‹ « – »Du hast richtig geantwortet«, sagte Jesus. »Tu das, und du wirst leben.« Der Gesetzeslehrer wollte sich verteidigen; deshalb fragte er: »Und wer ist mein Mitmensch?«
Daraufhin erzählte Jesus folgende Geschichte: »Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab. Unterwegs wurde er von Wegelagerern überfallen. Sie plünderten ihn bis aufs Hemd aus, schlugen ihn zusammen und ließen ihn halbtot liegen; dann machten sie sich davon. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab. Er sah den Mann liegen, machte einen Bogen um ihn und ging weiter. Genauso verhielt sich ein Levit, der dort vorbeikam und den Mann liegen sah; auch er machte einen Bogen um ihn und ging weiter. Schließlich kam ein Reisender aus Samarien dort vorbei. Als er den Mann sah, hatte er Mitleid mit ihm. Er ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn in ein Gasthaus und versorgte ihn mit allem Nötigen. Am nächsten Morgen nahm er zwei Denare aus seinem Beutel und gab sie dem Wirt. ›Sorge für ihn!‹, sagte er. ›Und sollte das Geld nicht ausreichen, werde ich dir den Rest bezahlen, wenn ich auf der Rückreise hier vorbeikomme.‹« »Was meinst du?«, fragte Jesus den Gesetzeslehrer. »Wer von den dreien hat an dem, der den Wegelagerern in die Hände fiel, als Mitmensch gehandelt?« Er antwortete: »Der, der Erbarmen mit ihm hatte und ihm geholfen hat.« Da sagte Jesus zu ihm: »Dann geh und mach es ebenso!« (Lk. 10, 25 - 37 NGÜ)
 


Bei Luther beginnt dieser Textabschnitt mit „Und siehe...“. Dies bedeutet, dass ein Zusammenhang mit dem vorhergehenden Geschehen besteht. Dort jubiliert Jesus im Geist,  weil Evangelium den sogenannten Unmündigen offenbart wurde, aber den sogenannten Weisen und Klugen verborgen blieb (V. 21). So ein Weiser - bzw. jemand, der sich selbst für weise hält - ist nun dieser Schriftgelehrte. Dieser Lehrer des Gesetzes kennt sich aus in der Schrift. Er hat nun die Absicht Jesus eine Falle zu stellen. Er möchte ihn auf´s Glatteis führen. Er möchte, dass Jesus sich in Widersprüche verwickelt und er etwas gegen ihn in die Hand bekommt.

Dieser Mann fragt jetzt nicht, wie z.B. später der Kerkermeister in Philippi: „Was muss ich tun, damit ich gerettet werde?“ (Apg. 16,30). Wen man so fragt, dann hat man begriffen, dass man verloren ist und nur die Gnade Gottes mich erretten kann. Dieser Schriftgelehrte dagegen offenbart sich als selbstgerechter Mensch, der sich das ewige Leben verdienen will. Er betrachtet sich als kompetent genug um selbstverständlich das zu tun, was Gott von ihm möchte.

Der Kerkermeister bekommt auf seine ehrliche Frage die Antwort: „Glaube an Jesus, den Herrn, und du wirst gerettet werden, du und alle, die in deinem Haus leben!“ (Apg. 16,31).  Der Gesetzeslehrer erhält zwei Gegenfragen: „Was steht im Gesetz? Was liest du dort?“ Jesus bedient sich hier der normalen Form des theologischen Disputs der frommen Juden: Frage und Gegenfrage. Jesus geht auf ihn ein. Er lehnt ihn nicht gleich ab, weil er Jesus nur versuchen will. Er sagt nichts von „Ottern und Schlangengezücht“ o.ä., sondern er begibt sich auf seine Denk-Ebene.

Und nun gibt der Schriftgelehrte eine hervorragende Antwort. Er kombiniert eigenständig zwei verschiedene Schriftstellen des AT, des Gesetzes - 5. Mose 6,5 und 3. Mose 19,18 - und zeigt damit auf, worum es eigentlich geht: Gott lieben und den Nächsten lieben! Er hat aus über 600 Gesetzen die zwei herausgepickt, die den Kern des ganzen Gesetzes ausmachen. Dies zeigt, dass er vom Gesetz wirklich etwas verstanden hat.

Jesus sagt selbst an anderer Stelle:  „An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Mt. 22,40 Rev. Elb.)

Man muss sich das vorstellen wie einem Kleiderhaken. An einem Kleiderhaken hängt die Jacke. Die ganzen Gesetze hängen an diesem Haken des Doppelgebots der Liebe. Ohne den Haken, also ohne die Liebe verlieren die Gesetze ihre eigentliche Bedeutung.

Paulus schreibt dazu: „So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.“ (Röm. 13,10b Luther)

Soweit so gut. Theoretisch hat der Gelehrte was verstanden. Die Antwort von Jesus ist jetzt aber niederschmetternd. Es geht nicht um theoretisches Verständnis, es geht um praktische Anwendung: „Richtig! Tu das und du wirst leben!“  Das Gemeine ist: hier steht im Griechischen die Verbform, es heißt quasi: „Tu dies beständig, tu dies ununterbrochen, tu dies immer während!“ Nicht nur jedem dritten Dienstag im Monat, sondern einfach immer!

Kein Mensch kann dies immer tun. Das Problem für ihn und alle anderen, die nach dem Gesetz Gottes leben wollten und vielleicht auch noch wollen, ist folgender:

„Denn wer das ganze Gesetz hält, aber in einem strauchelt, ist aller Gebote schuldig geworden.“ (Jak. 2,10 Rev. Elb.)

Dies war seine Krux, sein Problem. Was bin ich froh, dass wir frei vom Gesetz sind und es für uns einfach gilt: in Gott zu bleiben. Denn wenn ich in Gott bleibe, werde ich automatisch lieben - ohne juristischen Zeigefinger.

Der Schriftgelehrte hat erkannt, dass er jetzt nicht so einfach raus kommt aus der Falle und fragt: „Ja, Moment, wer ist denn überhaupt mein Nächster?“ Unter den Schriftgelehrten herrschte damals die Vorstellung, dass nur Blutsverwandte und Gerechte überhaupt als Nächste in Frage kommen könnten, auf jeden Fall keine Ausländer und natürlich schon gar keine Samaritaner.

Jesus antwortet mit einer Geschichte, einer Beispiel-Erzählung. Auch das entsprach der damaligen Art des theologischen Disputs. Es ist eine erfundene Geschichte, die sich aber jederzeit hätte so ereignen können.

Ein Mann - höchstwahrscheinlich ein Jude - wurde auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho überfallen. Es war ein ca. 27 km langes Teilstück des damaligen Haupthandelsweges zwischen Afrika und Asien. Über 1000 Meter Höhenunterschied. Eine 7 Stunden-Wanderung. Es war ein steiniger und beschwerlicher Weg. V.a. für Händler mit ihren Lasten nicht einfach zu bewältigen. Und für Räuber und Wegelagerer ideal um einen Hinterhalt zu legen.

Der Mann wurde also überfallen, ausgeraubt und liegt nun halbtot am Boden. Nun kommen nacheinander ein Priester und ein Levit vorbei und wechseln die Straßenseite anstatt zu helfen. Zwei fromme Menschen, die regelmäßig Gottesdienst verüben im Tempel, ignorieren hier ihren Nächsten. Heutzutage wäre das unterlassene Hilfeleistung.

In einer Bibelschule in den USA gab es ein Predigtseminar. Als besonderes Highlight des Seminars sollten alle Teilnehmer die Chance bekommen eine Predigt zu halten, die im Radio übertragen wird. Das Thema der Predigt war vorgegeben, es war das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Der Tag der Radioübertragung war gekommen, sicherlich waren alle sehr aufgeregt als sie sich auf den Weg zur Radiostation machten. Allerdings hatte der Leiter des Seminars es so arrangiert, dass jedem Studenten auf dem Weg zur Radiostation ein Mann in den Weg gelegt wurde, der einen Herzinfarkt simulierte. Angeblich hat keiner der Studenten angehalten, um dem Mann zu helfen.

Was hätten wir getan? Ich kann mich an eine vergleichbare Situation erinnern: Es ist Winter. Sonntagvormittag. Ich habe am MTV-Parkplatz geparkt, laufe um die Ecke in Richtung CGF-Räume, bin spät dran (ich weiß nicht mehr genau, entweder musste ich Aufsperren oder Predigen - wie üblich halt). Dann spricht mich ein ausländisch Aussehender an und fragt, ob ich ihm überbrücken kann, weil sein Auto nicht anspringt. Was glaubt Ihr was ich gemacht hab? - „Sorry, ich bin spät dran und müsste jetzt das Auto auch noch holen.“ Soweit ich mich erinnern kann, hat ihn dann ein anderer Gottesdienstteilnehmer geholfen und alles war gut.

Das Problem bei den beiden Klerikern, die nicht geholfen haben, ist folgendes: sie hatten wirklich gute Gründe nicht zu helfen.


„Und der HERR sprach zu Mose: Rede zu den Priestern, den Söhnen Aarons, und sage zu ihnen: Keiner von ihnen darf sich an einer Leiche unrein machen unter seinen Volksgenossen, außer an seiner Blutsverwandtschaft, die ihm nahesteht: an seiner Mutter und an seinem Vater, seinem Sohn, seiner Tochter und seinem Bruder und an seiner Schwester, der Jungfrau, die ihm nahesteht, die noch keinem Mann zu eigen geworden ist; wegen dieser darf er sich unrein machen. Er darf sich nicht unrein machen als Herr unter seinen Volksgenossen, sich zu entweihen.“ (3. Mose 21, 1-4 Rev. Elb.)

Wäre der Verletzte bereits tot gewesen, hätte der Priester sich verunreinigt, er wäre untauglich geworden für den Tempeldienst. Er hat also gänzlich korrekt nach dem Gesetz gehandelt - nach dem Buchstaben des Gesetzes.

Ähnlich ist es bei dem Leviten.

„Wer einen Toten berührt, die Leiche irgendeines Menschen, der wird sieben Tage unrein sein.“ (4. Mose 19,11 Rev. Elb.)

Er wäre zumindest für 7 Tage vom Tempeldienst ausgeschlossen gewesen. Also auch er hatte einen guten Grund möglichst nicht in Kontakt mit dem vermeintlich Toten zu kommen.

Nun hätten die Zuhörer wahrscheinlich erwartet, dass in dieser Geschichte jetzt der gottesfürchtige Jude vorbei kommt. Aber Jesus macht hier etwas schier Unvorstellbares: er lässt einen Samaritaner erscheinen. Das geht eigentlich gar nicht! Das ist so, als würde er in Fürth einen Clubberer erscheinen lassen.

Was ist eigentlich so schlimm an diesem Samaritaner? Warum gab es so einen Hass auf sie?

Wir wissen, dass Israel geteilt war und die Bevölkerung des Nordreichs in die assyrische Gefangenschaft verschleppt wurde. Assyrien hat das Gebiet des Nordreichs (Samaria) mit Kolonisten aus Persien und Babylon bevölkert (2. Kön. 17, 24 - 41). Diese Kolonisten brachten ihre eigenen Religionen mit und vermischten sich mit der geringen jüdischen Restbevölkerung und bildeten dann die Bevölkerung Samarias (eigentlich Samarier). Sie hatten ihre eigenen Religionen, wurden aber auch im jüdischen Glauben unterwiesen. Ein teil von ihnen glaubte an den Gott Israels, sie hatten ihr eigenes Heiligtum und beteten in Garizim an. Sie bildeten die spezielle Gruppe der „Shamerim“ (= Bewahrer), also die Samaritaner. Sie verstehen sich als Bewahrer des jüdischen Glaubens und akzeptieren nur die fünf Bücher Mose, weil sie der Meinung waren, dass die Juden sich danach vom Gott Israels entfernt hätten. Von den Juden wurden sie aus diesen Gründen abgelehnt.
Diese Gruppe existiert übrigens noch heute (ca. 750 Mitglieder).

Ob es sich in diesem Gleichnis nun um einen Samarier oder Samaritaner handelt ist unklar, beides war auf jeden Fall gleichermaßen undenkbar. Sie wurden öffentlich verflucht, es war undenkbar mit ihnen zu essen oder Gemeinschaft zu haben oder sich von ihnen auch noch helfen zu lassen.

Der Samaritaner half nicht um eine Gesetzesnorm zu erfüllen, sondern aus Mitleid. Er wurde innerlich bewegt. Die Liebe trieb ihn. Erinnert Euch: das Gesetz hängt am Haken der Liebe.

Jesus dreht nun die Frage des Gelehrten um. Die Frage ist nicht, wen kann ich eindeutig als „Nächsten“ definieren, sondern an wem kann ich als „Nächster“, als Mitmensch handeln.

Die Geschichte verdeutlicht auch, dass das Gesetz niemanden helfen kann. Der Priester und der Levit verkörpern dieses Gesetz und zeigen die Unfähigkeit des Gesetzes auf. Religion kann nicht erretten. Nur der Heiland kann dies. Der Samaritaner ist ein Bild für Jesus, den Erretter.

Was bedeutet es für uns?

Zunächst mal: wir sind alle auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen. Keiner kann sich selbst erretten.

Aber auch: lasst uns aufmerksam sein für die Not und die Bedürfnisse der Mitmenschen um uns herum. Im Zweifelsfall kann man auch fragen: „Kann ich ihnen helfen?“ Lasst uns bereit sein unseren geplanten Tagesablauf auch mal zu unterbrechen.

AMEN

(Gebet in kleinen Gruppen, dass wir „Oasen“ der Barmherzigkeit für unsere Mitmenschen sind)

Dienstag, 1. Januar 2013

Termine und Aktuelles Januar 2013

06.01. dezentrale Hausgottesdienste (Orte bitte erfragen)

13. - 20.01. Gebetswoche der Evangelischen Allianz: "Unterwegs mit Gott"  
http://www.ead.de/allianzgebetswoche.html 
 
13.01. 10.00 Uhr LKG Gebetsgottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "...weil er sich gedmütigt hat")

14.01. Mo 19.00 Uhr Hardenberg-Gymnasium (Mensa)
15.01. Di 19.00 Uhr LKG Gebhardtstraße
16.01. Mi 19.00 Uhr Rathaus (Sitzungssaal)
17.01. Do 10.00 Uhr LKG Rosenstraße
17.01. Do 18.00 Uhr Klinikum Fürth (Kapelle)
18.01. Fr 20.00 Uhr FCGF (Jugendgottesdienst)
19.01. Sa 10.00 Uhr Heilsarmee
19.01. Sa 19.00 Uhr St. Johannis, Burgfarrrnbach (Gebetskonzert mit Jonny Pechstein) 

20.01. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Der barmherzige Samariter")


27.01. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst (Predigt Christiane Ahnert, Naomi Ruth e.V., Thema: "Weihnachten, die Ankunft des Messias")


Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.



LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50

Samstag, 1. Dezember 2012

Termine und Aktuelles Dezember 2012

02.12. 10.30 Uhr dezentrale Hausgottesdienste

09.12. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Frieder Schinkel, Diakon i. R.)

16.12. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Birgit Oechsle; Thema: "Vater Martin" nach Tolstoi)

24.12. 15.00 Atelier in der Alten Kirche (Blumenstr. 33 Rückgebäude) Familien-Gottesdienst (Predigt Norbert Wohlrab)

30.12. kein Gottesdienst


Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.

LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50

Sonntag, 18. November 2012

Predigt von Norbert Wohlrab (18.11.12)

Die erste Tempelreinigung (Joh. 2)


1. Einleitung

Ich möchte heute ein bisschen da weiter machen, wo ich letzte Woche aufgehört habe.
Letzte Woche haben wir gemeinsam das Gleichnis von den drei Türen und dem guten Hirten betrachtet. Aufgehört habe ich mit der Feststellung, dass wir oft im Laufe des Nachfolge-Prozesses etwas Patina oder Rost ansetzten, d.h. wir haben etwas verloren von der Freude über die Erlösung, von der Begeisterung über Jesus, von dem Eifer für unseren Herrn usw.

Heute möchte ich mit Euch wieder einen Text aus dem Johannes-Evangelium lesen und auch vielleicht schon einen ersten Hinweis liefern, wie sich unser Zustand wieder verändern kann.

„Kurz bevor die Juden ihr Passafest feierten, ging Jesus nach Jerusalem hinauf. Im Vorhof des Tempels stieß er auf die Händler, die ihre Rinder, Schafe und Tauben zum Verkauf anboten, und auf die Geldwechsler, die ´an ihren Tischen` saßen. Da machte er sich aus Stricken eine Peitsche und trieb sie alle mit ihren Schafen und Rindern aus dem Tempelbezirk hinaus. Er schüttete das Geld der Wechsler auf den Boden und stieß ihre Tische um, und den Taubenverkäufern befahl er: »Schafft das alles weg! Macht aus dem Haus meines Vaters kein Kaufhaus!« Seine Jünger erinnerten sich dabei an die Schriftstelle: »Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren.«Die führenden Männer des jüdischen Volkes stellten Jesus zur Rede: »Kannst du uns mit einem Wunder beweisen, dass du das Recht hast, so zu handeln?« Jesus gab ihnen zur Antwort: »Reißt diesen Tempel ab, und ich werde ihn in drei Tagen wieder aufbauen.« –  »Wie?«, entgegneten sie. »Sechsundvierzig Jahre lang wurde an diesem Tempel gebaut, und du willst ihn in drei Tagen wieder aufbauen?« Doch Jesus hatte mit dem Tempel seinen eigenen Körper gemeint. Später, als Jesus von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger an diesen Ausspruch, und sie glaubten ´den Voraussagen` der Schrift und dem, was Jesus selbst gesagt hatte.“ (Joh. 2, 13-22 NGÜ)


2. Abgrenzung zu den Bußpredigten 


Diese Stelle wird gerne als Allegorie verstanden und verwendet, wenn man der Gemeinde bzw. einzelnen Gliedern so richtig nahe bringen will, dass es unbedingt notwendig ist, dass sie sich reinigen von allerlei Sünde, dass sie wieder umkehren auf dem richtigen Weg, dass sie Buße tun über ihren schlimmen Zustand, dass es nötig ist sich vom Heiligen Geist neu reinigen, neu läutern zu lassen, weil wir ja dieser Tempel sind, den Jesus hier reinigen muss.

„Wir sind der Tempel des lebendigen Gottes“ (2.Kor. 6,16b Rev. Elb.) 


schreibt der Paulus. Jesus könnte ja auch was anderes machen, aber er muss uns reinigen, weil wir so verlottert sind. Also trennt Euch bitte doch von aller Sünde!

Es gibt solche Bußpredigten und ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie ich als junger Christ, so mit 19-20 so eine Predigt gehört habe - ich glaube es war ein Baptistenprediger - und ich hatte danach so ein schlechtes Gewissen, das mich dann umgetrieben hat, ich hab es fast nicht mehr ausgehalten, mein Herz schien mir regelrecht zu zerspringen.

Das Problem war nur, ich wusste überhaupt nicht von was ich umkehren sollte, worüber ich Buße tun sollte. Ich lebte ja kein Larifari-Christsein, ich  hatte mich ja bereits bemüht mein Leben mit meiner ganzen Kraft nach den Willen Gottes auszurichten, ich hatte meinen Glauben sehr ernst genommen, ich hatte ja bereits ein bußfertiges Herz und war immer bereit auch Dinge in meinem Leben zu ändern, wenn der Heilige Geist mir etwas gezeigt hatte. Aber diese Predigt hatte in mir - wohl durch rhetorisches Geschick - ein schlechtes Gewissen erzeugt, einfach um des schlechten Gewissens willen. Denn zur Umkehr treibt uns nicht der Zorn Gottes, und auch keine Predigt über den Zorn Gottes, vermutlich auch keine Predigt über die Hölle, sondern die Güte Gottes.

„Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“ (Röm. 2,5 Luther) 


Damit will ich jetzt nicht sagen, dass es unnötig ist sich zu prüfen und zu reinigen. Ganz im Gegenteil! Es gibt Zeiten, in denen uns der Heilige Geist ganz besonders Dinge über uns offenbart, die wir ändern oder angehen müssen. Nicht immer sind dies Sünden, manchmal sind dies auch nur Schwächen, wo Veränderung nötig und möglich ist. Wir haben uns jetzt bspw. auch im Hauskreis entschieden demnächst eine Art Beichtabend zu machen, wo wir einander unsere Schuld bekennen. Auch um unserer Gemeinschaft noch eine neue Tiefe zu geben.

Hier bei dieser Tempelreinigung geht es aber um etwas anderes. Schauen wir uns das noch mal genau an.


3. Die Tempelreinigung bei Johannes 


Johannes hat ja in seinem Evangelium v.a. die Begebenheiten im Leben Jesu aufgeschrieben, die die Synoptiker nicht geschrieben haben. Die Tempelreinigung findet man jedoch auch bei den anderen Evangelisten, jedoch an einer ganz anderen Stelle. Während sie bei ihnen am Ende des Wirkens Jesu vorkommt, steht sie bei Johannes ganz am Anfang. Man geht daher davon aus, dass es sich um zwei verschiedene Begebenheiten handelt.

Das erste Wunder, von dem Johannes berichtet, ist die Hochzeit zu Kana, bei der Jesus Wasser in Wein verwandelt. Dieses Wunder bewirkte nicht nur vor Ort große Freude, weil der Hochzeitsgesellschaft zuvor der Wein ausgegangen war, sondern es ist auch ein Bild für die Freude, die Gott schenkt. Hier in der sich anschließenden Begebenheit, zeigt Jesus auf, was die Freude in der Gottesbeziehung trüben kann.

Die Händler im Tempel waren nicht zufällig dort, sondern sie waren dort um Opfertiere (Rinder, Schafe, Ziegen, Tauben) zu verkaufen und um Geld zu tauschen. Wir wissen aus den Opfergesetzen des Alten Bundes, dass nur besonders reine Tiere geopfert werden durften. Da es die Zeit des Passah-Festes war, wurde besonders viel geopfert. Zusätzlich zu all den Brand-, Speis- Heils-, Sünd- und Schuldopfern brauchte jede Familie (oder Nachbarsgemeinschaft) noch ein Lamm als Opfertier für das Passahfest.

Nun konnte man diese Opfertiere entweder über eine sehr lange Wegstrecke nach Jerusalem treiben um sie dort zu opfern (oder um festzustellen, dass sie der Prüfung nicht stand hielten, weil sie doch einen Makel hatten) oder sich vor Ort geprüfte Opfertier kaufen.
Diese Geschäfte fanden mit Genehmigung (und natürlich unter Gewinnbeteiligung) der Hohenpriesterschaft im Tempelvorhof statt. Dort wurde auch Geld getauscht, da die Tempelsteuer nur in bestimmten jüdischen Geldstücken gezahlt werden durften (vermutlich weil nur bestimmte Münzen einen ausreichend hohen Silberanteil hatten).

Bei der Menge an Tieren, die gehandelt wurden, können wir uns vorstellen, dass im Tempelvorhof ein ganz schönes „Gwerch“ war. Nicht nur die Tiere haben wahrscheinlich nicht in aller Stille auf ihr baldiges Ende gewartet, sondern auch die Menschen haben gelärmt beim Handeln und Feilschen. Bei der zweiten Tempelreinigung spricht Jesus sogar von einer „Räuberhöhle“, daher ist anzunehmen, dass die Händler und die dahinter stehende Hohepriesterschaft ihre Machtposition und ihr Monopol ausgenutzt hat und extreme Wucherpreise verlangt hat.

Eigentlich sollte dieser Raum, aber ein Raum der Stille und Anbetung sein, ein Raum der Sammlung, ein Raum des Verharrens in der Gegenwart Gottes.

„Der Herr aber wohnt in seinem heiligen Tempel. Alle Welt schweige in seiner Gegenwart.“  (Hab. 2,20 EÜ)


Stattdessen war da Schachern um Gewinn und Blöken von Schafen. Es stand nirgendwo in den Opfergesetzen, dass der Verkauf der Opfertiere im Tempel stattzufinden hat. Dies war eine Entscheidung der Verantwortlichen. Hier haben sich Glaube und Geschäft gemischt. Hier wurde ein religiöses System genährt. Und hier „rastet“ Jesus aus.

Eigentlich passt dieses Vorgehen Jesu nicht ganz in unsere Vorstellung von christlichen Leben oder in unsere Vorstellung von Jesus. Das würde doch eher zu einem Che Guevara passen, aber zu Jesus?! Heißt Christsein nicht eher Kuschen und Ja-Sagen und dem Anderen Recht geben, die linke Backe hinhalten, die zweite Meile gehen, tolerant sein?

Religiöse Toleranz (eine Errungenschaft des 30jährigen Krieges) bedeutet ja nicht mit dem Anderen übereinzustimmen, sondern ihn nicht zu erschlagen, wenn er eine andere Meinung hat, als die eigene.

Jesus war hier auch tolerant, weil er hat niemanden erschlagen. Weder Mensch noch Tier. Er war nur ordentlich. Er hat aufgeräumt. Aus Eifer für seinen Vater. Aus Liebe zu seinem Vater. Er hat es nicht ertragen können, nicht dulden wollen, dass der Tempel des lebendigen Gottes auf so eine Art missbraucht wird.

Nun kann man dieses Verhalten nicht als Legitimation verstehen, um künftig selbst draufzuschlagen, wenn Gott irgendwo gelästert wird. So wie die Inquisition im Mittelalter.

Bei Jesus war die Situation anders. Er hatte das Hausrecht. Er war der Messias. Er war in seines Vaters Haus. Und noch mehr: er selbst war der Tempel. Er konnte sich identifizieren mit dem Wohnsitz Gottes auf Erden. Weil Gott im Tempel in Jerusalem genauso gegenwärtig sein sollte, wie er ihn ihm selbst gegenwärtig war.

Dass jmd. auf so drastische Weise Gottes Willen durchsetzte, wie Jesus es hier getan hat, war dem Volk Israel nicht gänzlich unbekannt. Auch die Propheten hatten manchmal ähnliches getan (z.B. Jeremia). Aber sie waren legitimiert dazu. Daher die Frage an Jesus: „Aus welchem Recht heraus tust Du das?“ Sie wollten einen Beleg für sein Tun, ein Wunder. Jesus antwortete mit einem prophetischen Wort. Er sagte voraus, dass er sterben wird und nach drei Tagen selbständig wieder ins Leben zurück kehren wird. Niemand hat dies verstanden, auch die Jünger haben erst hinterher kapiert, was Jesus meinte.


4. Religiosität hindert die Glaubensbeziehung 


Bei der zweiten Tempelreinigung, von der in den anderen Evangelien berichtet wird, sagt Jesus:

„Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker“ (Mk. 11,17a Luther) 


Ich denke Jesus geht es um mehr, als nur darum, dass das Haus seines Vaters nicht entweiht wird. Sein Eifer, sein Zorn richtet sich hier gegen die religiösen Strukturen, die entstanden sind und letztlich die Beziehung zu Gott verhindern oder erschweren.

Gewiss, die Opfergesetze stammten von Gott selbst und waren ein Hauptbestandteil des Alten Bundes. Aber es ist etwas anderes, ob ich sage: „Mein bestes Rind für Gott“ oder wenn ich arm bin „Meine beste Taube für Gott“ und sie dann im Glauben opfere und mein Anliegen (sei es das Bekennen von Schuld oder der Dank für eine Heilung usw.) vor Gott bringe oder ob mir durch ein kompliziertes religiöses und kommerzielles System dieser Zugang erschwert wird und eigentlich nicht nur persifliert wird, sondern sinnentleert wird.

Die Gemeinschaft mit Gott im Tempel geht dabei unter oder spielt nur noch eine Nebenrolle. Wogegen sich Jesus hier wehrt, ist - wie er es oft kritisiert hat - wieder das Auflegen von Lasten auf die Gläubigen und Suchenden.

„Wehe auch euch Gesetzesgelehrten! Denn ihr ladet den Menschen unerträgliche Bürden auf“ (Lk. 11,46a Schlachter)

Auch wir laden uns manchmal selbst solche Lasten auf oder bekommen sie aufgeladen. Und diese Lasten rauben uns die Freude an Gott. Gott ist der Quell unerschöpflicher Freude. Er ist voller Liebe. Er hat uns schon geliebt, als er uns noch sowas von scheißegal war (1. Joh. 4,19; Röm. 5,8), als wir noch Sünder waren und uns nicht um seinen Willen geschert haben.

Heute lassen wir uns - von wem auch immer - unter Druck setzen, z.B. wenn wir zuwenig gebetet haben, zu wenig in der Bibel gelesen, zu wenig von der sog. „Stillen Zeit“ gemacht haben, zu wenig evangelisiert, zu wenig „Zehnten“ gegeben, zu wenig „Salbung“ haben, zu wenig Kranke geheilt usw.

Versteht mich nicht falsch, das sind alles wichtige Dinge für unser Glaubensleben, die es wert sind kultiviert und gepflegt zu werden. Aber wie perfekt oder unperfekt wir darin sind, hat überhaupt nichts mit der Liebe zu tun, die Gott für uns empfindet. Wenn wir das denken, dann ist das Religiosität. Und so ein religiöser Druck raubt meinem Christsein jede Freude.

Sei entspannt! Gott hat schon alles getan! Schmeiß die religiösen Erwartungen anderer an Dich über Bord! Und lebe in der Freiheit, die Dir Gott schenkt. (Dann verschwindet auch die Patina.) Gottes Gnade reicht für Mörder, dann reicht sie auch für unsere „Möchtegern-Sünden.“
Eine andere Form der Religiosität kann sein, wenn wir uns mehr um die Gemeinde drehen, als um Gott. Das kann man sich zwar bei uns kaum vorstellen, aber man kann auch um seinen Mangel kreisen.

Ich hab vor kurzem eine Online-Predigt von Stefan Driess gehört und da fand ich etwas ganz interessant. Und zwar hat er erzählt, dass einige ehemalige Esoteriker, die durch ihn zum Glauben gekommen sind und mittlerweile in Gemeinden integriert sind, zu ihm gesagt  haben: „Stefan, Du hast zu uns immer über Jesus gesprochen. Jetzt wird nur noch über die Gemeinde gesprochen.“
Wie viel reden wir über Jesus und wie viel über Gemeinden und Theologie? Da kann sich jeder selber mal beobachten. Mir hat es auf jeden Fall zu Denken gegeben.

Gebete und Lobpreis sind Ausdruck einer Beziehung und nicht leere Rituale. Gott liebt uns so sehr, dass er sich gesagt hat, es reicht nicht aus, wenn sie mein Wort haben und darin immer wieder lesen können: „Gott hat mich zuerst geliebt“, nein, sie brauchen auch noch den Heiligen Geist, der es ihnen lebendig bezeugt, dass sie meine Kinder sind.

„Denn der Geist Gottes, den ihr empfangen habt, führt euch nicht in eine neue Sklaverei, in der ihr wieder Angst haben müsstet. Er macht euch vielmehr zu Gottes Kindern. Jetzt können wir zu Gott kommen und zu ihm sagen: "Vater, lieber Vater!" Gottes Geist selbst gibt uns die innere Gewissheit, dass wir Gottes Kinder sind.“ (Röm. 8, 15.16 HfA)

Nur manchmal tut er sich schwer unsere religiöse Hülle zu durchbrechen, weil wir auf stur schalten. Da will der Heilige Geist mir mitteilen: „Ach Norbert, Du bist mein liebes Kind“ und ich denk mir „Ich hab heut aber noch nicht gebetet!“ oder „Ich hab jetzt aber drei Tage nicht in der Bibel gelesen“ o.ä. Versteht Ihr?

Wir sind zur Freiheit berufen!

Für die Freiheit hat Christus uns freigemacht.“ (Gal. 5,1a Rev. Elb.)

„Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“ (Gal. 5,1a Luther)

„Durch Christus sind wir frei geworden, damit wir als Befreite leben. Jetzt kommt es darauf an, dass ihr euch nicht wieder vom Gesetz versklaven lasst.“ (Gal. 5,1 HfA)

„Ihr braucht nicht mehr unter der Fuchtel von Gesetzen zu stehen.“ (Gal. 5,1b Volx)
 


Und Paulus meint hier nicht die Freiheit von Bindungen! Dann könnte man sich wieder neu Druck machen: „Ja, aber, hier und dort, da ist noch nicht alles in Ordnung in meinem Leben. Da muss ich noch dran arbeiten. Da brauch ich noch Befreiung.“ Paulus meint hier Freiheit vom Gesetz und davon sich nicht wieder unter irgendein neues religiöses Gesetz zu stellen.

Wenn wir immer wieder neu verstehen, wie frei wir wirklich sind, wie geliebt wir wirklich sind, werden wir auch ganz neue Freude für unser Leben mit Gott bekommen.


AMEN.

Sonntag, 11. November 2012

Predigt von Norbert Wohlrab (11.11.12)

Das Gleichnis von der dreifachen Tür und vom guten Hirten (Joh. 10, 1-18)

1. Einleitung

Ich möchte zu Euch heute über ein Gleichnis sprechen, dass wir alle kennen: ich nenne es mal das Gleichnis von der dreifachen Tür. Ihr kennt es ganz bestimmt, nur vielleicht nicht unter diesem Namen. Bevor wir es aber zusammen lesen, möchte ich kurz auf den Kontext eingehen, in dem Jesus dieses Gleichnis erzählt.

Es ist die Zeit des Laubhüttenfests. Jesus ist in Jerusalem und lehrt. Hierbei kommt es zu einer Reihe von Konflikten und Auseinandersetzungen mit den Pharisäern und Schriftgelehrten (z.B. bei der Ehebrecherin, die gesteinigt werden sollte und der Heilung des Blindgeborenen). Dabei überführt Jesus seine Kritiker ihrer falschen Frömmigkeit. Er deckt auf, wo sie das Gesetz in ihrem eigenen Interesse beugen und zeigt, wo die Traditionen der Mischna (Auslegungen zum Gesetz des Mose und weiterführende Gesetze) sich von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes entfernt hatten. Als Folge dieser Konflikte wird Jesus von ihnen abgelehnt. Sie treffen Aussagen, wie: „Du hast einen Dämon.“ (V. 49) und versuchen ihn zu töten (V. 59).

Jesus trifft dann Aussagen über sie wie: „Ihr kennt weder mich noch meinen Vater; wenn ihr mich gekannt hättet, so würdet ihr auch meinen Vater gekannt haben“ (Joh. 8,19 Rev. Elb.), „Ihr sucht mich zu töten, weil mein Wort nicht Raum in euch findet“ (V. 37b) oder „Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun.“ (V. 44a)

Gleichzeitig stellt Jesus ganz klar heraus, dass er der gesandte Messias ist: „ich bin nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat“ (V. 16b), „der Vater, der mich gesandt hat, zeugt von mir“ (V. 18b), „ich bin von dem, was oben ist“ (V. 23a), „Wenn ihr nicht glauben werdet, dass ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben“ (V. 24b), „mein Vater ist es...von dem ihr sagt: Er ist unser Gott.“ (V. 54) „Abraham, euer Vater, frohlockte, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich...Ehe Abraham war, bin ich.“ (V. 56.58b)

Zusätzlich zu seine Worten, tat er noch ein Wunder, dass nach der jüdischen Überlieferung nur der Messias tun konnte und noch nie geschehen ist in Israel (Joh. 9,32): er heilte einen Blindgeborenen (und dann auch noch am Sabbat und mit Brei, was nach der Mischna strengstens verboten war.)

Obwohl Jesus also klare Worte sprach und entsprechende Werke tat, wurde er von ihnen abgelehnt. In diesen Zusammenhang spricht er nun das Gleichnis von den drei Türen, uns eher bekannt als Gleichnis vom guten Hirten, wobei der Hirte eigentlich in diesem Gleichnis nur ein Teilaspekt ist. Ich möchte es jetzt Vers für Vers mit Euch lesen (Joh. 10 Rev. Elb.).


2. Das Gleichnis von den drei Türen

Jesus beginnt mit:

„1 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch:“

Wenn Jesus so beginnt, ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Es ist wie ein Schwur, wie eine Tatsachenbekundung, die von Ewigkeit zu Ewigkeit gilt.

„Wer nicht durch die Tür in den Hof der Schafe hineingeht, sondern anderswo hinübersteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber.“

Hier müssen wir wissen, dass die Schafe nachts in eine Art Hof geführt wurden. In eine sog. Schafhürde. Dies war ein ummauerter Weideplatz, in dem sie nachts geschützt sein sollten. Zu diesen Weideplatz gab es einen Eingang, der mit einem Gatter oder einer Tür versehen war.
Wenn jmd. unlautere Absichten hatte, z.B. Schafe stehlen wollte, der musste über die Mauer in diese Hürde einsteigen. Der Hirte dagegen kommt durch die Tür.

„2 Wer aber durch die Tür hineingeht, ist Hirte der Schafe.“ 


Hier haben wir jetzt die erste Tür. Durch diese Tür kommt Jesus zu seinen Schafen.
Sie wird als die Tür der Schriften bezeichnet. Viele Schriftstellen des Alten Testaments weisen auf Jesus hin: er ist der Nachkomme Davids, die verheißene Jungfrauengeburt, Bethlehem als Geburtsort usw.
Das ganze Volk Israel wartete auf den Messias. Es war fokussiert durch die verschiedenen Prophetien. Es richtete seinen Blick auf die Türöffnung und wartete auf den angekündigten Hirten über den es heißt:

„Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte, die Lämmer wird er in seinen Arm nehmen und in seinem Gewandbausch tragen, die säugenden Muttertiere wird er fürsorglich leiten.“ (Jes. 40, 11 Rev. Elb.)

Weil Jesus, der angekündigte Hirte ist, öffnet ihm der Türhüter.

„3 Diesem öffnet der Türhüter, und die Schafe hören seine Stimme, und er ruft die eigenen Schafe mit Namen und führt sie heraus.“

Wer ist nun der Türhüter? Ich denke Gott selbst ist der Türhüter. Er öffnet den Zugang zu seinen Schafen, zum Volk Israel nur für den von ihm gesandten Sohn und Retter.
Wie öffnet er die Tür? Ich denke, in dem er die alttestamentlichen Prophetien bestätigt und Jesus als den versprochenen Retter ankündigen lässt. Durch die Engel bei Maria und bei den Hirten, durch die Magier aus dem Osten, durch Simon im Tempel, durch Johannes dem Täufer, durch die Zusage bei der Taufe Jesus: „Du bist mein geliebter Sohn!“ So wird er angekündigt, so wird die Tür zum Volk Gottes geöffnet.

Nun tritt er ein und ruft seine Schafe mit Namen. „Simon und Andreas, kommt mir nach!“, „Matthäus, folge mir nach!“, „Zachäus, steig herab!“

In so einer Schafhürde waren nachts die Schafe von mehreren Herden untergebracht. Die Schafe haben sich natürlich dann im Laufe der Nacht munter gemischt. Absolutes Chaos. Aber die Schafe kennen die Stimme ihres Hirten und so können die Hirten jeden Morgen ihre Schafe wieder separieren und aus der Hürde hinaus führen, so dass wieder Ordnung in das Durcheinander kommt und jedes Schaf wieder beim richtigen Hirten landet.

Die Pharisäer und Schriftgelehrten waren zwar auch Schafe, weil sie zum Volk Israel gehörten, aber sie ließen sich nicht von ihm herausrufen. (Sie gehörten bildlich gesprochen zu denn 99 Schafen in der Wüste, die nicht Buße taten, wie wir in einem anderen Gleichnis lesen können. Man kann das Gleichnis von dem verlorenen Schaf nämlich auch so interpretieren.)

Von Spurgeon wird berichtet, dass er alle 6000 Mitglieder seiner Gemeinde mit Namen kannte. Nur wenn neue Ehen geschlossen wurden, ist er manchmal durcheinander gekommen.
Jesus kennt jedes seiner Millionen Schafe mit Namen. Er rief Zachäus schon mit Namen, bevor dieser ihn persönlich kennen gelernt hat. Ja, Zachäus wusste selbst noch nicht mal, dass er in Kürze zur Gemeinde Gottes gehören wird.

D.h. er weiß nicht nur, wie wir heißen, er kennt uns durch und durch. Er kennt unsere Persönlichkeit, unsere Stärken und Schwächen, unser Wünsche und Träume, unsere Schrullen, unseren ganzen Charakter und unser bußfertiges Herz.
Das soll uns keine Angst machen, das ist keine Ermahnung, sondern wir können dadurch wissen, dass wir ihn grenzenlos vertrauen können.

„4 Wenn er die eigenen Schafe alle herausgebracht hat, geht er vor ihnen her, und die Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen.“

Das beschreibt hier zuerst mal den Prozess der Nachfolge, aber noch viel mehr.
Woraus führt er die Schafe eigentlich? Er führt sie heraus aus der Ummauerung des Gesetzes. Das Gesetz zeigt die Sünde auf. Es tötet (2. Kor. 3,6). Es bringt keine Freiheit. Hinzu kommen noch die Lasten der Mischna. Jesus wirft den Schriftgelehrten an anderer Stelle vor, dass sie dem Volk harte Lasten aufladen (Lk. 11,46). Seine Last dagegen ist leicht (Mt. 11,30). Er führt in die Freiheit:

„Die Wahrheit wird euch frei machen...Wenn nun der Sohn euch frei machen wird, so werdet ihr wirklich frei sein.“ (Joh. 8,32.36 Rev. Elb.)

Diese Freiheit konnte nur der Sohn Gottes erwirken. Kein Israelit konnte sie selbst erwirken. Kein Schaf konnte in Eigenregie durch das Tor die Hürde verlassen.

Gleichzeitig wendet er sich durch diesen Auszug von denen ab, die ihm nicht folgen wollen. Nicht nur von denen, die ihn angegriffen haben, sondern von der ganzen Umzäunung des Gesetzes. Der Weg der Gnade und der Weg des Gesetzes sind nicht kompatibel.

Hier wird die zweite Tür (oder die zweite Funktion der Tür) deutlich. Durch die erste Tür kam Jesus hinein, durch die zweite Tür führt er die heraus, die ihm nachfolgen wollen und auf seinen Ruf antworten. Es ist die Tür der Schafe (V. 7).

Dann geht der Hirte vor ihnen her. Schafe hüten im Orient erfolgt nach anderen Vorgehensweisen, als in Europa. Bei uns werden die Schafe meist durch den Hirtenhund getrieben, im Nahen Osten werden sie durch die Stimme des Hirten gelockt.
Hier zeigt sich, dass der Weg des Schafes ein Weg in der vertrauten Beziehung mit seinem Herrn ist. Es ist kein eigenmächtiger Weg, sondern ein Weg ihm nach.

John Stott erzählt, wie er einmal eine Reise in den Nahen Osten unternahm. Er saß mit einer Gruppe im Bus. Der arabische Touristenführer berichtete von den unterschiedlichen Führungsmethoden der Hirten im Westen und im Osten. Während er den Touristen wissen ließ, dass in seiner Gegend die Hirten ihrer Herde vorangehen und die Schafe seiner Stimme folgen, schaute ein Teilnehmer aus dem Busfenster und sah genau das Gegenteil. Er sah, wie ein Mann mit einem Stock in der Hand eine Schafherde vor sich hertrieb. Der Tourist meldete sich und wies auf die Situation auf der anderen Straßenseite hin. Der Touristenführer ließ den Bus anhalten und lief über die Straße, um den Mann mit dem Stock in der Hand zu befragen. Dann kam er mit einem Strahlen auf dem Gesicht zurück und sagte: „Das war nicht der Hirte. Das war der Schlachter!“ (aus Quelle: Gemeinde- und Missionswerk Arche e.V., Christian Wegert, „Ich bin der gute Hirte“, 04.12.11)

„5 Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen...

7 Jesus sprach nun wieder zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich bin die Tür der Schafe. 8 Alle, die vor mir gekommen sind, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe hörten nicht auf sie.“

In Großbritannien gibt es sportliche Wettbewerbe, bei denen man fremde Schafherden weiden muss. Die größte Herausforderung dabei ist es die fremden Schafe ohne Hilfsmittel erst einmal aus dem Pferch herauszubekommen.

Vor Jesus gab es mehrere falsche Propheten, die sich als Messias ausgegeben hatten. Aber sie hatten keinen Bestand. Auch die Pharisäer sind solche Diebe und Räuber. Ihr Interesse war es sich selbst zu weiden.

„Und das Wort des HERRN geschah zu mir so: Menschensohn, weissage über die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen, den Hirten: So spricht der Herr, HERR: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? Die Milch genießt ihr, und mit der Wolle kleidet ihr euch, das fette Vieh schlachtet ihr - die Herde weidet ihr nicht. Die Schwachen habt ihr nicht gestärkt und das Kranke nicht geheilt und das Gebrochene nicht verbunden und das Versprengte nicht zurückgebracht und das Verlorene nicht gesucht, sondern mit Härte habt ihr über sie geherrscht und mit Gewalt.“ (Hes. 34, 1-4 Rev. Elb.)

Wir kommen jetzt zur dritten Tür: der Tür der Errettung!

„9 Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, so wird er gerettet werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden.“
Jesus selbst ist diese Tür. Er ist die Tür der Errettung! Hier weitet sich das Bild nochmals. Waren es bei der Tür der Schafe, diejenigen, die er berufen hat und durch die Tür gingen, gilt dieses Angebot jetzt allen. Einem jeden der durch ihn eingeht! Jesus spricht hier von einem einmaligen Eingehen, einer einmaligen Handlung, dem einmaligen Eintreten in die Gemeinschaft der Schafe (Konjunktiv Aorist!).
Er ist der Weg! Er ist die Tür! Und nur er! Kein spirituelles Erlebnis hat irgendeine errettende Bedeutung, wenn es nicht Jesus-zentriert ist, wenn es nicht auf Jesus weist, man kann sagen, wenn man dabei nicht durch Jesus geht!

Vielleicht wird man die gegenwärtigen Jahrzehnte mal rückwirkend als die spirituell-esoterische Epoche bezeichnen. Und tatsächlich sind auch manche Menschen offen für Gott. Aber das Erleben von geistlichen Erfahrungen lässt sie noch keine Christus-Nachfolger werden. Sie müssen erst Jesus erkennen und durch ihn eingehen! Nur in ihm ist das Heil (Apg. 4,12).

Etwas schwer zu verstehen, ist hier „ein- und ausgehen und Weide finden.“ Ich vermute hier ein Bild für die christliche Freiheit und nicht für ein wechselhaftes zu-Gott-hinwenden und von-Gott-abwenden.
Die Juden waren eingesperrt, sie waren verwahrt im Gesetz. Sie hatten zwar Sicherheit, aber die eines Gefängnisses. Sie hatten keinen Zugang zu Gott, der Weg ins Allerheiligste war verwehrt.

„Bevor aber der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetz verwahrt, eingeschlossen auf den Glauben hin, der offenbart werden sollte.“ (Gal. 3,23 Rev. Elb.) 


Nun war es möglich sich frei zu bewegen. Der Weg zum Vater wird möglich. Auch der Weg zu den Heiden wird später möglich.

Während im Alten Bund unter geistlicher Nahrung v.a. das Meditieren über dem Gesetz zu verstehen ist, ist nun Jesus selbst diese Nahrung. Er ist das Brot. Er gibt die Weide. In ihm wird das Wort Gottes lebendig, durch seine Gegenwart wird Kraft gespendet. Er versorgt auch mit Weideland in Ewigkeit, mit Wohnraum in Ewigkeit, mit ewigem Leben.

„10 Der Dieb kommt nur, um zu stehlen und zu schlachten und zu verderben. Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Überfluss haben.“

Das Interesse der falschen Hirten habe ich vorhin bereits erwähnt. Jesus stellt jetzt hierzu im Gegensatz noch einmal dar, was er bringt: Leben! Erfülltes Leben, Leben im Überfluss, volle Genüge (Luther), in ganzer Fülle (NGÜ), alles reichlich dazu (Neue evangelistische Übersetzung).

Dies ist ein Vers, der gerne falsch verstanden und fehl interpretiert wird. Jesus redet hier nicht davon, dass uns ein Leben verheißen wird, in dem man alles bekommt, was man sich so wünscht. Nicht von einem Leben im Schlaraffenland, von einem Leben in Hülle und Fülle und auch nicht in Saus und Braus (so wie Gun´s´Roses es in einem moralisch eher zweifelhaften Rocksong postulieren „Take me down to the paradise city, where the grass is green and the girls are pretty“). Jesus redet hier nämlich nicht vom bios (vom körperlichen Leben) und nicht vom psychos (vom seelischen Leben), sondern von zoe (vom geistlichen Leben).

Dieses geistliche Leben, das er schenkt ist ein überfließendes Leben, denn es gibt Gnade ohne Ende, ohne Abwinken, all you can eat!

„Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade.“ (Joh. 1,16 Rev. Elb.)

Die Fülle die darin steckt ist überfließende Gnade. Sie fließt vom Thron Gottes und fließt und fließt und fließt....und wenn wir schon gestorben sind, dann fließt sie immer noch weiter. Diese Gnade kannten sie nicht im Alten Bund, dieses Leben kannten sie nicht, dies wurde erst möglich durch den Tod Jesu.

Vielleicht kann man den Begriff auch noch weiter fassen. Jeder von uns, der den persönlichen Ruf Jesu in seinem Leben gehört hat, brauchte sich nie wieder Gedanken darüber machen, wo er her kommt und wo er hin geht. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist für alle Zeiten gestillt. Es gibt keine Suche mehr, die mich antreibt. Ich hab´s gefunden! Das Vakuum ist ausgefüllt, das Loch in meiner Seele gestopft. Zumindest in dieser existenziellen Fragestellung. Manch andere kleine Löcher haben wir schon noch, so wie in Socken manchmal unverständlicherweise Löcher auftreten.

Auch der Heilige Geist, der uns gegeben ist, würde in dieses Bild passen. Die Früchte des Geistes, die Früchte der Liebe, die aus uns heraus wachsen. Aber das würde heute den Rahmen dieser Predigt sprengen.


3. Das Bild vom guten Hirten

Jetzt endlich kommt der Vers, den wir doch alle so lieben, bei dem es uns wohl ums Herz wird.

„11 Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.“

Der Beruf des Hirten war jetzt nicht wirklich ein Job, dem man großen Respekt zollte. Man wollte vielleicht auch nicht unbedingt mit Schafen vergleichen werden. Aber Gott wählte diese Bilder bereits im Alten Bund. Vielleicht weil sie so klar und unmissverständlich sind.

Jesus hat kein Problem sich mit diesem Berufsstand zu identifizieren. Er hatte nie ein Problem damit bei den Entrechteten und den am Rande stehenden Glieder der Gesellschaft zu sein.

Er lässt sein Leben, nicht aus Zwang, sondern aus freien Stücken. Nicht einfach so allgemein und universell, sondern für die Schafe. Für die Schafe, die er mit Namen kennt, ganz persönlich.

„12 Wer Lohnarbeiter und nicht Hirte ist, wer die Schafe nicht zu eigen hat, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht - und der Wolf raubt und zerstreut sie -, 

13 weil er ein Lohnarbeiter ist und sich um die Schafe nicht kümmert.“

Hier wird das Problem aller Arbeitgeber beschrieben: der Lohnarbeiter hat nur eine begrenzte Motivation. Wenn es ans Leben geht, dann steckt er lieber zurück. Der Eigentümer der Herde dagegen kämpft für seine Schafe. Hier ist kein moralischer Unterton, sondern es wird einfach ein gegebener Sachverhalt beschrieben.

Der Wolf ist ein Bild für den Teufel. Er raubt einzelne Schafe und zerstreut die Herde.
Wie viel Zerstreuung in der heutigen Gemeindelandschaft ist doch durch das „Durcheinanderwirbeln“ des Wolfes entstanden? Nicht das ich meine es dürfte nur eine Gemeinde am Ort geben. Zur Zeit der Urchristen gab es z. T. auch mehrere Versammlungen am Ort, anders war es logistisch gar nicht möglich. Und nicht jeder wird sich in der Anonymität einer großen Gemeinde wohl fühlen. Aber manche Separation, die wir heute erleben, ist auf diese Weise entstanden.

„14 Ich bin der gute Hirte; und ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich,
15 wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe.“
 


Hier wird noch mal bestätigt, was ich bereits vermutet habe. Er kennt nicht nur unsere Namen, er kennt uns selbst. Nicht weil er uns bespitzelt, sondern weil er uns liebt, so wie eine Mutter ihr Kind liebt. Der Hirte kennt die Schafe von Anfang an und er begleitet sie bis zum Tod.

„16 Und ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein.“

Hier ist jetzt von den Heidenchristen die Rede. Auch sie, also auch wir, die wir nicht aus diesem Hof sind, die nicht zum Volk Israel gehören, dürfen zum Vater kommen. Und nun sind wir eine große Herde: Heidenchristen und Judenchristen. 


„17 Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, um es wiederzunehmen. 
18 Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Vollmacht, es zu lassen, und habe Vollmacht, es wiederzunehmen. Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen.“ 

Jesus hat sein Leben gegeben. Er ist nicht an den Folgen der Kreuzigung gestorben, sondern er hat es aus freien Stücken Gott hingegeben. Und er hat es selbst wieder genommen, da er über den Tod gesiegt hat.

Hier schließt sich in gewisser Weise der Kreis. Das erfüllte Leben, das Jesus uns verheißt ist nur möglich durch das Leben, das er gibt. Er gibt ewiges Leben und niemand geht verloren in Ewigkeit (V. 28).


4. Abschluss

Diese Worte Jesu, diese Auseinandersetzung mit den Pharisäern und Schriftgelehrten, dieses Gleichnis, sein Tod am Kreuz sind ja jetzt schon an die 2000 Jahre her. Und auch wenn wir nicht so alt sind, haben wir doch etliche Jahrzehnte des Lebens im Glauben an Jesus hinter uns. Und so ist manches einfach selbstverständlich geworden: die Gnade Gottes, das Leben das er gibt. Und mit den Jahren hat sich dann so manche Patina oder mancher Rost angesetzt. Bei Dekorationsartikeln hat dies ja oft einen besonderen Charme, aber im Prozess der Nachfolge ist es nicht unbedingt zweckmäßig, wenn der Eifer, die Freude, die Hingabe auf der langen Wegstrecke verloren geht.

Mein Gebet für mich persönlich und für uns als Gemeinschaft ist es, dass wir immer wieder neu überwältigt werden von einer Begeisterung für unseren Hirten.

AMEN.