Die Freiheit des Evangeliums, Teil 1: Vergebung
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Nachdem ich mich vor rund 30 Jahren bekehrt hatte, besuchte ich die ersten Jahre die Jugendgruppe der Brüdergemeinde in meiner Heimatstadt Selb. Dort war es so üblich, dass man reihum ein Thema für den Abend vorbereitet hat. Das erste oder zumindest eines der ersten Themen, das ich damals vorbereitet hatte, war „Freiheit und Heiligung“. Auch nach so vielen Jahren des Lebens als Christ, ist die christliche Freiheit, Freiheit und Evangelium, die Freiheit vom Gesetz usw. immer noch oder wieder ein sehr wichtiges Thema für mich.
Inspiriert von zwei Büchern von Andrew Farley („Das nackte Evangelium“ und „Gott ohne Religion“), die ich in den letzten Wochen mehrmals gelesen habe und mir eine völlig neue Sicht auf manche Aspekte dieser Freiheit eröffnet haben und die ich sehr empfehlen kann, möchte ich heute eine Predigtreihe beginnen zum Thema „Die Freiheit des Evangeliums“. Heute wird es zunächst um Vergebung gehen.
Vergebung ist das zentrale Thema des christlichen Glaubens. Darum geht es letztlich. Alle sind Sünder und brauchen Vergebung. Darum ist Jesus in die Welt gekommen. Dies ist alles klar wie Kloßbrühe. Trotzdem ist unser theologischer Umgang damit nicht immer so klar. Doch dazu später.
Für den Reformator Luther hat sich eine Frage besonders gestellt: „Wie bekomme ich Sünder einen gnädigen Gott?“ Luther war sehr streng mit sich selbst und war sich bewusst, dass er ein Sünder war und diese Frage hat ihn umgetrieben und gequält. Und dann hat er den Römerbrief ganz neu entdeckt und verstanden: Ich werde umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade!
„und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist.“ (Röm. 3,24 Rev. Elb.)
Nicht durch irgendwelche Gesetzes-Werke, sondern allein durch den Glauben (Röm. 3,28).
Mit der Gnade ist das jedoch so eine Sache. Denn der Begriff „Gnade“ beinhaltet - zumindest in unserem Wortverständnis - etwas von Willkür, von der Möglichkeit der Rücknahme, des Verweigerns. Gnade ist ja etwas Freiwilliges. In der Geschichte setzt Gnade immer milde und großmütige Autoritäten voraus, was nicht zwingend gegeben war.
Natürlich wissen wir, dass Gottes Gnade unumstößlich ist. Es heißt ja:
„Denn ich werde gegenüber ihren Ungerechtigkeiten gnädig sein, und ihrer Sünden werde ich nie mehr gedenken." (Hebr. 8,12 Rev. Elb.)
Und ich weiß nicht, wie es bei Euch ist, aber wenn ich an etwas nicht mehr denke, dann habe ich es vergessen. Gott spricht also aus, dass er unsere Sünden für immer vergessen wird.
Aber trotzdem, wie können wir wissen, dass wir uns auf die Gnade Gottes verlassen können? Wenn Gnade doch eigentlich etwas Freiwilliges ist?
Die Antwort ist, weil sich die Gnade Gottes am Kreuz manifestiert hat. Dort am Kreuz hat Gott einen Bund mit uns gemacht, den er selbst mit seinem Blut unterschrieben hat, den er selbst durch sein Blut festgemacht hat. Und dieser Bund ist unauflöslich. Durch diesen Bund wurde die Gnade Gottes sozusagen festgenagelt. Es ist, als ob Gott mit sich selbst einen Vertrag abgeschlossen hat.
Mit wem eigentlich sonst? Mit uns? Der Vertrag hätte nicht lange gehalten.
„Christus hingegen brachte sich selbst als Opfer dar, und er brauchte das nur ein einziges Mal zu tun. Andernfalls hätte er ja seit der Erschaffung der Welt schon viele Male leiden ´und sterben` müssen. Tatsache jedoch ist, dass er nur einmal in die Welt kam – jetzt, am Ende der Zeiten –, um uns durch das Opfer seines eigenen Leibes von der Sünde zu befreien....Und weil Jesus Christus den Willen Gottes erfüllt und seinen eigenen Leib als Opfer dargebracht hat, sind wir jetzt ein für alle Mal geheiligt. Jeder andere Priester steht Tag für Tag ´am Altar`, um seinen Dienst zu verrichten, und bringt unzählige Male die gleichen Opfer dar, die doch niemals imstande sind, Sünden wegzunehmen. Christus dagegen hat sich, nachdem er ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht hat, für immer auf den Ehrenplatz an Gottes rechter Seite gesetzt. Denn mit diesem einen Opfer hat er alle, die sich von ihm heiligen lassen, völlig und für immer von ihrer Schuld befreit...Das bestätigt uns auch der Heilige Geist. In der Schrift heißt es nämlich zunächst: »Der zukünftige Bund, den ich mit ihnen schließen werde, wird so aussehen: Ich werde – sagt der Herr – meine Gesetze in ihre Herzen legen und werde sie in ihr Innerstes schreiben.« Und dann heißt es weiter: »Ich werde nie mehr an ihre Sünden und an ihren Ungehorsam gegenüber meinen Geboten denken.« Wo aber die Sünden vergeben sind, ist kein weiteres Opfer mehr dafür nötig.“ (Hebr. 9,25b.26...10,10-12.14-18 NGÜ)
Dieser Bund, dieser Vertrag wurde vollzogen durch das Opfer Jesu, er hat Gültigkeit erlangt durch seinen Tod. Und er gilt seitdem, weil das Opfer ein für alle Mal geschehen ist, weil es für alle Zeiten Gültigkeit hat.
Johannes schreibt: „Ich schreibe euch, Kinder, weil euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen.“ (1. Joh. 2,12)
oder Paulus: „...so wie auch Gott in Christus euch vergeben hat!“ (Eph. 4,32b)
oder
„In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Eph. 1,7)
Die Apostel drücken es ganz deutlich aus: Vergebung ist etwas, das wir haben. Etwas, das ein für alle mal geschehen ist. Etwas das Gott mit seinem Blut unterschrieben hat. Etwas, worum wir uns nie mehr Gedanken machen müssen.
Es gibt nur eine Voraussetzung, ich muss mit Gott darin übereinstimmen, dass ich ein Sünder bin und im Glauben in Anspruch nehmen, dass Jesus mein Erlöser ist, dass er für mich gestorben ist und meine Schuld getragen hat. Dann habe ich Vergebung für alle Zeiten. Denn das Opfer Jesu war vollständig vollständig. Es ist vollbracht, erledigt. Deshalb kann Jesus jetzt zur Rechten Gottes sitzen. Ich könnte mir vorstellen, dass er dort im völligen Frieden ist.
Denn, er muss nichts mehr tun. Gott ist zufrieden gestellt. Der Gerechtigkeit ist genüge getan. Er muss nicht mehr neu ans Kreuz, wenn wir wieder neu sündigen. Sein Opfer gilt weiterhin.
Luther hat im Gegensatz zu den anderen Reformatoren ein Problem gehabt (ich hab übrigens kein Problem mit Luther, es war nur so dass die verschiedenen Reformatoren - Calvin, Zwingli oder die Täufer - alle ihre theologischen Mängel hatten, zusammen wären sie wahrscheinlich perfekt gewesen), er hat nämlich nicht wirklich erkannt, dass wir mit diesem Tausch am Kreuz, mit dieser Inanspruchnahme des Erlösungswerkes, auch eine neue Identität bekommen haben, dass unsere natürliche Existenz des Sünders mit der geistlichen Existenz des Gerechten getauscht wurde, dass eine neue Kreatur, eine neue Schöpfung entstanden ist.
„Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ (2. Kor. 5,17 Rev. Elb.)
Luther sah den Christen immer noch als Sünder an und lehrte dementsprechend. Seine Sicht war in diesem Punkt verkürzt.
Ich mag noch sündigen, aber ich bin kein Sünder mehr, weil ich von neuem geboren bin und der alte Mensch begraben wurde.
Wir sind der Sünde gestorben, wir sind frei von ihr, wir sind nun Gerechte, Gerechtfertigte (Röm. 5,8; 6,2.7). Und wir leben als solche, denen beständig vergeben ist.
Beständig vergeben?! Ist das wirklich unsere Theologie? Ist das wirklich unser Verständnis des Neuen Bundes?
Während meiner Studentenzeit engagierte ich mich bei „Campus für Christus“. Und eines der Prinzipien, das ich da gelernt hatte, nannte sich „Geistliches Atmen“. Wenn man gesündigt hatte, musste man Gott im Gebet wieder um Vergebung bitten und dann war man wieder im grünen, im geistlichen Bereich. Dann war alles wieder im Lot.
So oder so ähnlich haben es alle die, die pietistisch oder evangelikal geprägt wurden, gelernt. Aber ist das eigentlich biblisch? Muss ich als an Jesus Christus glaubender Mensch Gott um Vergebung bitten, wenn ich gesündigt habe?
(kurze Umfrage per Handhebung)
Fassen wir noch mal zusammen. Die Schrift sagt: Ihr habt Vergebung! Euch ist vergeben! Gott gedenkt unserer Sünden nicht! Das einmalige Opfer Christi ist für alle Zeiten einmalig gültig!
Brauche ich neue Vergebung, wenn ich gesündigt habe? Habe ich eine Pauschal-Vergebung für alle meine Sünden vor der Bekehrung, aber danach muss ich jede neu zu Gott bringen?
Bei den meisten der hier Anwesenden waren alle Sünden zeitlich gesehen nach dem Erlösungswerk auf Golgatha. Besteht ein Unterschied hinsichtlich seiner Wirkung bis 1983 (Jahr meiner Bekehrung) und nach 1983? Würde das Sinn machen? Oder was ist mit all den Sünden, die ich gar nicht bemerkt habe oder vergessen habe? Wie kann ich damit zu Gott gehen und um Vergebung bitten? Oder was ist wenn ich sterbe bevor ich um Vergebung beten konnte?
Liebe Geschwister, ich hoffe Ihr merkt wie kompliziert das alles wäre. Die Botschaft des Evangeliums ist: Ihr habt Vergebung! Diese Vergebung basiert auf keinen personalen geistlichen Akt des Bekennens und Vergebens, sie basiert auf dem Blut Jesu!
Die Währung in der Schweiz sind Franken und in der Euro-Zone ist es der Euro. Die Währung in Gottes Vergebungs-Wirtschaft ist Blut! Denn „ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung“ (Hebr. 9, 22)!
„Nein, Jesus hat nur ein einziges Mal ein Opfer dargebracht, nämlich sich selbst, und dieses Opfer gilt für immer.“ (Hebr. 7,27b NGÜ)
Deshalb findet sich auch im NT keine einzige Stelle, in der Christen (!) dazu ermutigt werden, zu Gott um Vergebung für ihre Schuld zu bitten. Prüft das mal nach. Auf einige der strittigen Stellen werde ich gleich noch eingehen. Wir finden nur solche Stellen, die sich an Ungläubige oder an Menschen zeitlich vor dem Erlösungswerk Christi wenden oder lediglich vom Bekennen sprechen. Den Gläubigen dagegen wird gesagt: Euch ist vergeben!
Wir sind aber anders geprägt. Wir leben aus frommer Demut gedanklich in einem Hin- und Her. Und übersehen dabei, dass bereits alles getan ist. Wenn wir Gott neu um Vergebung bitten, wird Jesus nicht neu für uns sterben, sondern er sagt: Mein Bruder, meine Schwester, es ist vollbracht!
Bedenkt, die Währungseinheit ist Blut! Er muss nicht mehr neu ans Kreuz, wenn wir sündigen.
Genauso wie Michael seiner Regine in den rund 30 Jahren Ehe, nicht immer wieder sagen muss, dass er sie heiraten will, weil sie diesen Ehe-Bund bereits vollzogen haben. Er darf ihr seine Liebe bekunden, aber der Ehe-Bund gilt davon unabhängig, selbst wenn er am Standesamt nicht mit Blut unterschrieben wurde.
Am Anfang wäre das vielleicht noch witzig oder süß, aber irgendwann würde es ziemlich nerven.
Und liebe Gemeinde, auch wenn wir wissen, dass unsere menschlichen Ehe-Versprechen nicht immer automatisch bis zum Ende halten, wissen wir doch: Gott hält sein Ehe-Versprechen, sein Bundes-Versprechen.
Denn „wenn wir untreu sind - er bleibt treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen.“ (2. Tim. 2,13 Rev. Elb.)
Aber jetzt kommt die Stellen, die ihr alle im Kopf habt. Was ist mit Bibelstellen wie
„Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.“ (1. Joh. 1,9 Rev. Elb.)
oder mit dem Vaterunser?
Wenn wir die Bibel lesen, tappen wir manchmal in zwei Fallen: zum einen berücksichtigen wir nicht, an wen sich der Autor bzw. der Redner sich wendet und zum anderen setzen wir manchmal nicht die richtige Brille auf. Wir brauchen nämlich eine besondere Brille, sagen wir mal eine 3D-Gleitsichtbrille. Ohne dies sehen wir verzerrt. Wir müssen zum einen die ganze Bibel aus der Perspektive des Evangeliums betrachten und zum anderen aus der Perspektive der Heiden-Christen.
Was wir aber machen ist, dass wir oft Aussagen, die an Juden oder Nicht-Juden, an Christen oder Nicht-Christen, an Erlöste oder Nicht-Erlöste, an unter-Gesetz-Stehende oder nicht unter-Gesetz-Stehende gerichtet sind, gleichrangig nebeneinander stellen und dann verwirrt sind, weil sie sich diametral widersprechen.
Und der Johannesbrief ist hier besonders gemein, weil Johannes nicht systematisch ein Thema abhandelt wie Paulus, der sehr strukturiert an die Sache ran geht, sondern er springt recht wüst hin und her. Wir haben ihn gerade im Hauskreis gelesen und sind mehrmals an ihm verzweifelt.
Da schreibt Johannes noch in einem Vers, dass man seine Sünde bekennen soll, damit man Vergebung bekommt und ein paar Verse weiter schreibt er, dass man Vergebung hat. Hallo!? Wie passt das zusammen?
Johannes würde heute wohl Probleme mit jedem Lektor bekommen, wenn er seinen Brief veröffentlichen möchte. Aber was er da macht, ist eigentlich etwas, dass man auch in einer Predigt manchmal macht, wenn sich die Hörerschaft unterschiedlich zusammensetzt: er spricht verschiedene Leute an. Und ich muss zugeben, man hat keine Chance drauf zukommen, wenn man nicht verschiedene Kommentare und Bücher dazu wälzt.
Wenn ich jetzt predige: „Komm zum Kreuz und Du wirst Vergebung für Deine Schuld bekommen!“, dann macht diese Aussage für die meisten hier überhaupt keinen Sinn, weil sie schon einmal am Kreuz - in welcher Form auch immer - Jesus ihr Leben übergeben haben. Aber für diejenigen Anwesenden, die das noch nicht getan haben, würde sie Sinn machen, unabhängig ob sie der Aufforderung folgen oder nicht.
Dort in Kleinasien, wo die Gemeinden angesiedelt waren, an die sich Johannes hier wendet, gab es ein spezielles Problem. Es gab viele Gnostiker, die sich zu den christlichen Gemeinden gehalten haben und versucht haben dort Einfluss zu gewinnen. Und sie haben zwei Dinge gelehrt, nämlich zum einen, dass Jesus Christus nicht physisch auf der Erde gelebt hat und zum anderen, dass es keine Sünde gibt, weil Sünde nur körperlich stattfindet, wir aber Geistwesen sind.
Und dieser Gruppe von Menschen spricht Johannes jetzt zu: „Moment mal, ich habe Jesus gesehen und angefasst. Ich kannte ihn persönlich. Er war sehr wohl im Leib auf Erden! (1. Joh. 1,1)“ und zum anderen sagt er:
„Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“ (1. Joh. 1,8 Rev. Elb.)
Und wenn jmd. sagt, dass er keine Sünde hat und daher keine Vergebung braucht, wenn er es dann also auch nicht braucht, dass ein physischer Jesus für seine Sünde gestorben ist, wenn die Wahrheit nicht in ihm ist, dann ist er was nicht? Er ist kein Christ!
Johannes wendet sich hier an Nicht-Christen, an die Gnostiker und sagt ihnen, dass sie Vergebung bekommen können, wenn sie ihre Sünde bekennen (1. Joh. 1,9). Dann haben sie genauso Vergebung wie die Kinder Gottes (1. Joh. 2,12).
Diese Stelle im ersten Johannesbrief ist keine Aufforderung an Christen, Gott immer wieder neu um Vergebung für ihre Schuld zu bitten, weil sie diese, weil wir diese ja bereits haben. Es gibt keine apostolische Lehre für diese Praxis. Wenn dies so wichtig für unser geistliches Leben wäre, würden wir es in weiteren Briefen der Apostel finden.
Im Jakobusbrief lesen wir zwar vom Bekennen von Schuld im Zusammenhang mit Krankheit und vom Zusprechen der Vergebung (Jak. 5, 13-16), aber nichts von einer Bitte um Vergebung zu erlangen. Wir finden keine Aufforderung diesbezüglich im NT mit Ausnahme des Vaterunsers. Dort lehrt Jesus seine Jünger, dass sie Gott regelmäßig um Vergebung bitten sollen. Wie passt das jetzt zusammen?
Ich möchte da heute noch keine abschließende Antwort darauf geben, da ich mich im nächsten Teil der Predigtreihe mit der heilsgeschichtlichen Einordnung verschiedener Aussagen Jesu beschäftigen möchte und da gehört das dann auch mit dazu.
Nur ein paar Fragen zum Nachdenken:
Finden wir das Vaterunser in den apostolischen Schriften?
Paulus hatte den Auftrag den Heiden (= uns) das Evangelium zu bringen. Hat er es vergessen?
Wann hat Jesus das Vaterunser gelehrt. Vor oder nach seiner Kreuzigung?
Zu welcher Art von Menschen hat er gesprochen (Juden - Nicht-Juden, unter Gesetz - nicht unter Gesetz)?
Stimmt die Bedingung „wie auch wir vergeben“ eigentlich mit dem Evangelium überein?
Könnte es sein, dass das Vaterunser eigentlich ein Beispielgebet für Menschen vor der Erlösung ist?
Wenn man diese Fragen beantworten kann, kommt man bei der Einordnung des „Vaterunsers“ etwas weiter.
Wie gehen wir dann mit Sünde um? Wir sind uns wohl alle einig, dass wir hin und wieder sündigen.
Natürlich soll und darf man Reue zeigen, wenn man sündigt. Es ist allein schon aus seelsorgerlicher Sicht wichtig, seine Sünden zu bekennen (vgl. Jak. 5). Sünde zu bekennen, heißt mit Gott in der Bewertung übereinzustimmen. Es geht ja nicht darum meine Lieblosigkeiten und mein Fehlverhalten einfach zu ignorieren!
Und Du darfst das dann Gott gegenüber ausdrücken, wie Du möchtest, aber nicht um neu Vergebung zu erlangen, sondern aus Dankbarkeit, weil Du sie bereits erlangt hast.
Warum ist das wichtig? Spielt es wirklich eine Rolle, wie ich meine Gebete formuliere, wie ich meine Reue, mein Bedauern zum Ausdruck bringe? Ob ich jetzt um Vergebung bitte oder Vergebung in Anspruch nehme?
Vielleicht spielt die Formulierung nicht die entscheidende Rolle. Aber wir wissen, dass wir oft Probleme damit haben, dass unser Glaube vom Kopf ins Herz kommt. Wie viel schwieriger wird es, wenn wir in unserem Kopf schon falsch denken?!
Luther hielt sich zeitlebens für einen Sünder, deshalb hatte er mangels besserer Erkenntnis das NT an manchen Stellen auch falsch übersetzt, wo er aus dem Verb „sündigen“ das Substantiv „Sünder“ gemacht hat.
Aber wir wechseln nicht unser Leben lang zwischen Sünder und Gerechter, wir sind Gerecht(fertigt)e!
Wir wechseln nicht zwischen Verlorenen und Erlösten, wir sind erlöste Kinder Gottes!
Wir wechseln nicht ständig von nicht vergeben zu vergeben, uns ist vergeben!
Wenn wir hier denken, wir müssten immer wieder neu die Vergebung Gottes erlangen, zweifeln wir letztlich daran, - wenn wir das jetzt mal theologisch zu Ende denken - dass das Werk Jesu für uns wirklich vollkommen vollkommen war und schaffen ein neues religiöses System: Gerechtfertigt aus Gnade und meinem regelmäßigen Bitten um Vergebung. Und damit zweifeln wir an Gottes Zusagen. Und der Zweifler hat Probleme im Glauben.
„Er bitte aber im Glauben, ohne irgend zu zweifeln; denn der Zweifler gleicht einer Meereswoge, die vom Wind bewegt und hin und her getrieben wird. Denn jener Mensch denke nicht, dass er etwas von dem Herrn empfangen werde, ist er doch ein wankelmütiger Mann, unbeständig in allen seinen Wegen.“ (Jak. 1, 6-8 Rev. Elb.)
Und Johannes drückt es so aus:
„Geliebte, wenn das Herz uns nicht verurteilt, haben wir Freimütigkeit zu Gott, und was immer wir bitten, empfangen wir von ihm.“ (1. Joh. 3, 21.22a Rev. Elb.)
Daher hatte die Taufe der Gläubigen auch die Funktion ein Symbol für die vollzogene Vergebung Gottes zu sein. Damit man ein gutes Gewissen haben konnte und leichter Gewissheit im Glauben haben konnte.
„Das Abbild davon errettet jetzt auch euch, das ist die Taufe - nicht ein Ablegen der Unreinheit des Fleisches, sondern die Bitte an Gott um ein gutes Gewissen - durch die Auferstehung Jesu Christi.“(1. Petr. 3,21 Rev. Elb.)
Deshalb heißt es in den Briefen des NT auch nicht mehr wie im Vaterunser: vergebt einander, damit auch Euch vergeben wird, sondern genau umgekehrt, vergebt einander, weil Euch vergeben ist.
„Seid aber zueinander gütig, mitleidig, und vergebt einander, so wie auch Gott in Christus euch vergeben hat!“ (Eph. 4,32 Rev. Elb.)
Dies ist jetzt die andere Seite der Vergebung. Auch wir sollen einander vergeben. Aus Dankbarkeit, weil uns vergeben ist.
AMEN.
Montag, 15. April 2013
Montag, 1. April 2013
Termine und Aktuelles April 2013
07.04. dezentrale Haus-Gottesdienste
14.04. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Die Freiheit des Evangeliums, Teil 1: Vergebung")
21.04. 19.30 Uhr LKG Lobpreis & Segnung
28.04. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Stefan Thieme, LKG Gebhardtstr.)
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
14.04. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Die Freiheit des Evangeliums, Teil 1: Vergebung")
21.04. 19.30 Uhr LKG Lobpreis & Segnung
28.04. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Stefan Thieme, LKG Gebhardtstr.)
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
Freitag, 1. März 2013
Termine und Aktuelle März 2013
03.03. dezentrale Hausgottesdienste
10.03. kein Gottesdienst
17.03. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Fritz Stimpfig)
24.03. 10.00 Uhr LKG Gemeindeversammlung & Jahreshauptversammlung Verein (nicht öffentlich)
31.03. dezentrale Haus-Osterfeiern
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
10.03. kein Gottesdienst
17.03. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Fritz Stimpfig)
24.03. 10.00 Uhr LKG Gemeindeversammlung & Jahreshauptversammlung Verein (nicht öffentlich)
31.03. dezentrale Haus-Osterfeiern
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
Sonntag, 24. Februar 2013
Predigt von Norbert Wohlrab (24.02.13)
Ströme lebendigen Wassers
1. Die Bedeutung des Laubhüttenfestes
Wenn man eine Predigt vorbereitet, ist es manchmal so, dass man von vornherein etwas Bestimmtes auf dem Herzen hat, dass in einem brennt und man ist sich ganz sicher, dass Gott möchte, dass man das weiter gibt. Manchmal ist es auch so, dass man ein Predigtthema vorgegeben bekommt und dann forscht, was Gott der Gemeinde darin sagen möchte. Und manchmal ist es so, dass man Gott fragt über was man predigen soll und man hört dann eine relativ klare Antwort, bekommt einen Bibelvers und denkt sich dann: „Und darüber soll ich predigen?“ So erging es mir diesmal. Ich hatte sofort einen Vers vor Augen, den ich mir selber auf keinem Fall raus gesucht hätte.
Nein, er ist nicht aus den Geschlechtsregistern, sondern wir finden ihn im Johannes-Evangelium.
„Aber am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“ (Joh. 7, 37-39 Luther)
Schauen wir uns zunächst mal die Situation an, in der Jesus diese Worte sprach. Es war das Laubhüttenfest. Der letzte Tag des Festes, der gleichzeitig auch der höchste, der wichtigste Tag war.
1.1 Das Erntefest
Das Laubhüttenfest (Sukkot) war das letzte von drei Wallfahrtsfesten (2. Mose 23, 14-17), an denen jeder männliche Israelit teilnehmen musste. Es war das Fest des Einsammelns der Ernte am Ende des Jahres, also der Obst- und Weinernte. Das Fest dauert eine Woche, aber nur der erste und der letzte Tag sind Feiertage.
„Und der HERR redete mit Mose und sprach: Sage zu den Israeliten: Am fünfzehnten Tage dieses siebenten Monats ist das Laubhüttenfest für den HERRN, sieben Tage lang. Am ersten Tage soll eine heilige Versammlung sein; keine Arbeit sollt ihr tun. Sieben Tage sollt ihr dem HERRN Feueropfer darbringen. Am achten Tage sollt ihr wieder eine heilige Versammlung halten und sollt Feueropfer dem HERRN darbringen. Es ist eine Festversammlung; keine Arbeit sollt ihr tun. Das sind die Feste des HERRN, die ihr als heilige Versammlungen ausrufen sollt, um dem HERRN Feueropfer darzubringen: Brandopfer, Speisopfer, Schlachtopfer und Trankopfer, ein jedes an seinem Tage, abgesehen von den Sabbaten des HERRN und euren andern Gaben und Gelübden und freiwilligen Gaben, die ihr dem HERRN gebt. Am fünfzehnten Tage des siebenten Monats, wenn ihr die Früchte des Landes einbringt, sollt ihr ein Fest des HERRN halten sieben Tage lang. Am ersten Tage ist Ruhetag und am achten Tage ist auch Ruhetag. Ihr sollt am ersten Tage Früchte nehmen von schönen Bäumen, Palmwedel und Zweige von Laubbäumen und Bachweiden und sieben Tage fröhlich sein vor dem HERRN, eurem Gott, und sollt das Fest dem HERRN halten jährlich sieben Tage lang. Das soll eine ewige Ordnung sein bei euren Nachkommen, dass sie im siebenten Monat so feiern. Sieben Tage sollt ihr in Laubhütten wohnen. Wer einheimisch ist in Israel, soll in Laubhütten wohnen, dass eure Nachkommen wissen, wie ich die Israeliten habe in Hütten wohnen lassen, als ich sie aus Ägyptenland führte. Ich bin der HERR, euer Gott. Und Mose tat den Israeliten die Feste des HERRN kund.“ (3. Mose 23, 33-44 Luther)
Während dieser sieben Tage wohnt das Volk also in Laubhütten zur Erinnerung an die Nomadenzeit während der Wüstenwanderung, es soll an die Versorgung durch Gott erinnern, an die völlige Abhängigkeit von ihm und es soll als ein fröhliches Fest vor ihrem Gott gefeiert werden.
Es gibt ja Christen die denken, fröhlich zu sein, d.h. jetzt man isst zusammen Kuchen, klopft sich fröhlich auf die Schulter und spricht sich den Segen Gottes zu. Das ist natürlich auch sehr schön, aber ich persönlich glaube ja, wenn ich mir anschaue, welche Vorgabe Gott für den Zehnten gegeben hat:
„und gib das Geld für alles, woran dein Herz Lust hat, es sei für Rinder, Schafe, Wein, starkes Getränk oder für alles, was dein Herz wünscht, und iss dort vor dem HERRN, deinem Gott, und sei fröhlich, du und dein Haus“ (5. Mose 14,26 Luther)
dass es da ganz schön feuchtfröhlich zuging und der Alkohol nicht nur in homöopathischen Dosierungen genossen wurde. Aber vielleicht steht das ja in jeder Übersetzung anders......
Und am letzten Tag des Festes gab es nun eine besondere Tradition, die sog. Schoeva-Prozession (= Wasserschöpf-Prozession). Ein Priester zog zu dem Teich Siloah bzw. zu der Gihon-Quelle, die den Teich gespeist hat, schöpfte dort Wasser in einem goldenen Gefäss um es dann auf dem Altar in ein Gefäss zu gießen. Da dieses aber Löcher hatte, ergoss sich das ganze Wasser über den Altar.
Dieses Ritual hatte mehrere Bedeutungen:
Zum einen ist das Laubhüttenfest ja ein Erntefest. Daher weiß man sich abhängig von der Versorgung Gottes mit Wasser, dankt ihm für die Ernte und bittet ihn um ausreichend Regen für das kommende Erntejahr. Dies wird durch das überfließende Wasser verdeutlicht. Die Idee für dieses Ritual - es gibt dafür keinen biblischen Auftrag - kommt aus dem Buch Jesaja. Dort steht:
„Und mit Freuden werdet ihr Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils.“ (Jes. 12,3 Rev. Elb.)
Für Heil steht hier im Hebr. „Je-schua“, also eigentlich JAHWE heilt, erlöst, hilft usw.
Hier ist also bereits ein erster Bezug zu Jesus vorhanden.
Zum Besprengen mit Wasser fällt mir ein Witz ein.
Ein Jude zieht in eine sehr katholische Gegend. Jeden Freitag sind die Katholiken sehr nervös, denn während sie ihren Fisch essen, sitzt der Jude im Garten und grillt Steaks. Also machen sie sich daran, ihn zu konvertieren. Schließlich, mit Bitten und Drohungen, gelingt es ihnen. Sie brachten ihn zu einem Priester, der besprenkelte ihn mit gesegnetem Wasser und sprach: "....geboren als Jude ....aufgewachsen als Jude ....jetzt ein Katholik." Die Katholiken sind begeistert, keine verführerischen Gerüche mehr am Freitag. Aber am nächsten Freitag zieht der Grillgeruch wieder durch die Nachbarschaft. Die Katholiken rennen schnell zum Haus des Juden, um ihn an seine neue Diät zu erinnern. Sie finden ihn am Grill stehend, wo er Wasser über das Fleisch sprenkelt und sagt: "....geboren als Kuh ....aufgewachsen als Kuh ....jetzt ein Fisch."
1.2 Wasser aus dem Felsen
Einen weiteren Ursprung dieses Schoeva-Rituals finden wir in einer Begebenheit während der Wüstenwanderung. Das Volk Israel ist in der Wüste und hat kein Wasser mehr und begehrt gegen Mose auf. Mose ist entnervt und verzweifelt und wendet sich an Gott. Dann heißt es:
„Der HERR sprach zu ihm: Tritt hin vor das Volk und nimm einige von den Ältesten Israels mit dir und nimm deinen Stab in deine Hand, mit dem du den Nil schlugst, und geh hin. Siehe, ich will dort vor dir stehen auf dem Fels am Horeb. Da sollst du an den Fels schlagen, so wird Wasser herauslaufen, dass das Volk trinke. Und Mose tat so vor den Augen der Ältesten von Israel.“ (2. Mose 17, 5.6 Luther)
An diese Begebenheit, diese hier erlebte Versorgung wird während des Rituals gedacht. Diese Begebenheit in der Wüste hat aber auch eine prophetische Dimension. Sie weist auf Jesus und das Kreuz hin.
Das Wort „Horeb“ wird wohl von dem hebräischen Wort für „Gericht“ abgeleitet. (Ganz sicher bin ich mir da nicht, ob meine Quellen da stimmen. Bei zehn jüdischen Kommentaren findet man manchmal 15 verschiedene Meinungen.) Tatsächlich wird aber der letzte Tag (Hoschanna Rabba) des Laubhüttenfestes, als ein Tag des Gerichts betrachtet, an dem die Erlösungsbedürftigkeit herausgestellt wird.
Mose schlug also auf den Felsen und es geschah wie Gott es verheißen hatte.
„Er spaltete Felsen in der Wüste und tränkte sie reichlich, wie mit Urfluten. Er ließ Bäche hervorkommen aus dem Felsen und Wasser herablaufen wie Flüsse.“ (Ps. 78, 15.16 Rev. Elb.)
Womit schlug er? Mit denselben Stab, mit den Mose den Nil geschlagen hatte. Mit denselben Stab, mit den er das Gericht über die Ägypter herabgerufen hatte. Dieser Stab ist ein Sinnbild für das Gericht Gottes.
Und wer war der Felsen? Christus! Paulus sagt:
„und alle tranken den gleichen gottgeschenkten Trank; denn sie tranken aus dem Leben spendenden Felsen, der mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus.“ (1. Kor. 10, 4 EÜ)
Der Felsen wurde am Ort des Gerichts mit dem Stab des Gerichts geschlagen. Christus wurde am Ort des Gerichts am Stab des Gerichts, am Kreuz, für uns geschlagen.
Wir haben hier also einen doppelten Hinweis auf Jesus: er ist der Fels der mit dem Gericht geschlagen wurde und er ist die Quelle des Heils, aus der geschöpft wird.
Und nun steht Jesus auf und sagt: „Wenn Ihr wirklich Durst habt nach lebendigen Wasser, nicht nur wie eure Vorväter nach physischen Bedürfnissen, wenn ihr eine Sehnsucht nach Leben habt, dann kommt zu mir und trinkt. Es wird euren Durst stillen und wird als lebendige Wasser aus Euch heraus strömen, so wie es den Altar überflutet hat.“
Die Juden sagten über ihr Laubhüttenfest, dass es ein Fest von großer Freude war. Es war laut und bunt und schrill und es wurde getanzt usw. und wer diese Freude nie erlebt hatte, wusste nicht was wahre Freude ist, trotzdem ist es nur fades Wasser im Vergleich zu dem lebendigen Wasser, das Jesus gibt.
2. Jesus gibt das Wasser des Geistes
In der Bibel ist Wasser oft ein Symbol für den Heiligen Geist. Und so auch hier: Jesus spricht von strömenden lebendigen Wasser des Geistes, das aus uns herausfließt.
Wer kommt in den Genuss dieser Verheißung? Das ist einfach. Jeder, der an Jesus glaubt, so wie die Schrift es sagt. Das AT stellt ihn vor, als den Messias, den Christus, den Erlöser. Jeder der glaubt, dass er der Christus, der für mich gesandte Erlöser ist.
Aber um an diesen Punkt zu kommen, muss ich erst mal Durst haben. Ich muss mir meiner Erlösungsbedürftigkeit bewusst sein, ich muss mich danach sehnen frei von meiner Schuld zu werden, ich muss mich danach sehnen gerechtfertigt zu werden von Gott. Ohne dies bleibt es beim intellektuellen Zustimmen - so wie ich der Wirkung eines Antibiotikums intellektuell zustimme „Ja, ich glaube, dass dieses Medikament gesund macht und diese und jene Wirkung hat“ ohne dass ich es jedoch einnehme - und wird nicht zum persönlichen Glauben.
Aber wenn ich diesen Glauben habe, dann habe ich die Verheißung, dass der Heilige Geist in mir (aus meinem Leib, aus meinem Inneren, aus meinem Bauch) zu einer überfließenden Quelle lebendigen Wassers wird.
Dr. Eckart von Hirschhausen fragt ja in seinem aktuellen Buch „Wo geht die Liebe hin, wenn sie durch den Magen durch ist?“, analog könnten wir hier fragen „Wo geht der Heilige Geist hin, wenn er aus meinem Bauch raus ist?“
Ich weiß nicht, ob Hirschhausen Antworten gibt, ich werde auf jeden Fall welche geben.
Zu dem Zeitpunkt des Auftretens Jesu auf dem Laubhüttenfest war der Heilige Geist noch nicht da. Wir leben jetzt nach Pfingsten und haben den Heiligen Geist. Wir haben ihn in Empfang genommen, haben unterschiedliche Erfahrungen der Erfüllung/Taufe/Freisetzung des Heiligen Geistes erlebt. Wir wissen also, wovon Johannes hier schreibt.
Trotzdem gibt es manchmal Differenzen zwischen unserer Erfahrung und der Verheißung Jesu. Manchmal fließt´s, manchmal strömt´s und manchmal tröpfelt´s auch nur. Woran könnte dies liegen?
3. Die verschiedenen Wirkungsweisen des Heiligen Geistes
Der Theologe Detmar Scheunemann differenziert vier verschiedene Dienste bzw. Wirkungsweisen des Heiligen Geistes, die ich für sehr hilfreich empfinde:
- der evangelistische Dienst: er überführt mich von Sünde, macht Jesus groß, führt mich zur Bekehrung
- der organisch-umgestaltende Dienst: er lässt die Früchte des Geistes in mir wachsen, lässt mich Christus-ähnlicher werden
- der charismatische Dienst: all die verschiedenen Geistesgaben und Kraftwirkungen (Prophetie, Heilung usw.) und
- der pädagogische Dienst: er lehrt mich durch das Wort, führt mich, tröstet mich usw.
Und ich denke diese vier Differenzierungen sind genauso auf die Ströme des Geistes anwendbar, die aus uns heraus fließen.
Wir charismatisch geprägten Christen haben oft nur die charismatische Seite des Wirkens des Heiligen Geistes im Blick oder sind zumindest etwas einseitig darauf fixiert. Wenn um uns herum oder durch uns die Kranken geheilt werden, die Prophetie fließt, die Dämonen weichen usw., dann sehen wir uns im Fluss des Heiligen Geistes. Dann bin ich da, wo der Geist Gottes ist und er strömt aus mir heraus und das Wasser fließt und alles ist bestens.
Aber wenn ich nur das charismatische Wirken im Blick habe, bin ich pneumatalogisch etwas restringiert. Dann bin ich in meiner Sicht der Dinge eingeschränkt, dann ist meine Wahrnehmung limitiert und dann ist auch meine Erwartungshaltung verkürzt.
Es könnte nämlich sein, dass der Heilige Geist gerade aus mir aktuell eher organisch-umgestaltend oder pädagogisch herausfließen möchte, weil es der Person neben mir einfach gut tut, wenn ich ihr bspw. mit Güte und Geduld begegne oder ihr einen Rat gebe. Und ich krieg es nicht mit, weil ich die falsche Brille aufgesetzt habe.
4. Hinderungsgründe für den Fluss des Geistes
Es gibt also tatsächlich Mechanismen, wie wir den Strom des Heiligen Geistes aus uns heraus behindern können.
Ich möchte Euch ein paar Strategien nennen, wie wir das möglichst „erfolgsversprechend“ schaffen könnten.
Eine habe ich schon erwähnt:
„1. Fokussiere Dich auf eine bestimmte Wirkungsweise des Heiligen Geistes und lass alles andere nicht in Dein Blickfeld!“
Im Gleichnis vom vierfachen Acker spricht Jesus davon, dass „die Sorgen des Alltags, die Verführung durch den Wohlstand und die Jagd nach den Freuden dieses Lebens“ (Lk. 8, 14 HfA) das geistliche Leben ersticken.
Auch dies ist eine sehr gute Strategie um den Strom des Heiligen Geistes abzutöten. Wir leben in einer Welt voller Freiheit und Möglichkeiten, aber auch voller Verpflichtungen und sozialer und medialer Einbindungen. Fluch und Segen liegen hier oft nah beieinander. Weniger ist hier oft mehr. „Simplify Your Life!“ ist das Schlagwort dazu.
Die erfolgsversprechende Strategie ist daher: „2. Versenke Dich in möglichst alle Anforderungen und Gelegenheiten des beruflichen, medialen und sozialen Lebens und sorge Dich stets um Deine Zukunft!“
Was kann den Fluss noch behindern? Ich habe vorhin erwähnt, dass das Laubhüttenfest ein Fest der Freude sein sollte. Und Freude hängt viel mit Freiheit zusammen. Paulus ruft uns zu:
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Gal. 5,1 Luther)
Obwohl die Hoch-Zeit des Pietismus mit seinen vielen Übertreibungen schon lange vorbei ist, setzen wir uns doch oft wieder selbst unter religiösen Druck oder lassen uns religiöse Erwartungen anderer aufladen. Wir haben irgendwelche Ideale, die wir erfüllen wollen; Vorbilder, denen wir nacheifern oder Prinzipien, nach denen wir zu leben trachten. Leider gibt es auch viele an sich gute christliche Bücher, die nur neuen Druck auf uns legen.
Daher lass Dir gesagt sein: Du musst gar nichts! Es ist vollbracht! Es ist vollständig erfüllt! Es ist vollendet! Es ist vollkommen vollkommen! Es gibt keine Verdammnis mehr. Gott liebt Dich, egal ob Du heute Plus- oder Minuspunkte in Deinem persönlichen Anspruchskatalog gesammelt hast.
Eine gute Verhinderungsstrategie ist daher: „3. Zweifle beständig und zuverlässig an Gottes persönlicher Liebe zu Dir und versuche Dir jeden Tag eine neue Pflicht aufzuerlegen!“
Man könnte noch ergänzen: „3a. Arbeite in mindestens so vielen gemeindlichen Gremien mit, dass es Dir schwer fällt Zeiten zur Entspannung und für Dinge, die Dir Spaß machen zu finden!“
5. Der Fluss des Geistes und seine Flussrichtung
Einen Punkt hab ich noch. Vielleicht sogar der Wichtigste. Jeder Fluss fließt immer von oben nach unten. Er entspringt irgendwo in den Bergen und fließt ins Meer.
Der Strom des Heiligen Geistes, der aus uns herausfließt, hat seinen Ursprung bei Gott und er will zu den Menschen fließen. Er ist nicht für mich bestimmt. Er ist nicht dazu da, dass ich mich gut fühle. Das ist ein wunderbarer Neben-Effekt, aber ich bin nicht das Ziel. (Es geht nicht um Individualismus und auch nicht um Gruppen-Egoismus.)
Gott ist Liebe (1. Joh. 4,8) und die Substanz dieses Stroms ist Liebe. Und diese Liebe will zu den Menschen. Dabei fließt sie heraus aus der Intimität mit Gott, aus den Zeiten der Gegenwart Gottes, der Ruhe vor Gott, der Anbetung zu den Menschen - und zwar in den verschiedensten Ausprägungen. Die Liebe will sich ausdrücken in Kraft, in Prophetie, in Heilung, aber genauso in Freundlichkeit und Güte, in Beratung und Hilfeleistung, in Dienen und Geben, in Verkündigung und Zeugnis, in Nähe und Zärtlichkeit, in Lachen und Feiern, Zuhören und gemeinsam Spaß haben....
Manchmal behindern wir den Strom des lebendigen Wassers, weil wir die Adressaten nicht im Blick haben oder weil wir sie vielleicht nur als Subjekt zur Bekehrung gesehen haben, weil wir vielleicht nicht über unsere Gemeinde- und Gottesdienstgrenzen hinaus geschaut haben.
Paulus schreibt:
„Ich habe euch vor Augen geführt, Geschwister, wie groß Gottes Erbarmen ist. Die einzige angemessene Antwort darauf ist die, dass ihr euch mit eurem ganzen Leben Gott zur Verfügung stellt und euch ihm als ein lebendiges und heiliges Opfer darbringt, an dem er Freude hat. Das ist der wahre Gottesdienst, und dazu fordere ich euch auf.“ (Röm. 12,1 NGÜ)
Wenn wir hier aus dem Saal gehen, dann hört der Gottesdienst nicht auf, dann fängt er erst an. Unser Arbeitsplatz, unsere Nachbarschaft, unsere Familie, unsere Stadt, unsere Gesellschaft, das sind die Plätze, an die der Strom Gottes hin fließen möchte. Das sind die Plätze wo er durch uns Reich Gottes bauen und gestalten möchte.
Wir haben in unserem Hauskreis gerade eine Aktion am Laufen, wo wir reihum an einem Hauskreisabend unsere Arbeitsplätze aufsuchen - alle paar Wochen an einem anderen - um dort zu beten, dass dort Reich Gottes durch das einzelne Hauskreismitglied gebaut werden kann. Das Gottes Gegenwart dort einziehen kann und sich die Atmosphäre verändert, dass die Werte Gottes, die Gerechtigkeit des Reiches Gottes sich dort ausbreiten.
6. Zusammenfassung
Ich möchte zum Schluss noch kurz zusammenfassen:
Manchmal sind wir blind für die Ströme des lebendigen Wassers, die aus uns heraus fließen, weil wir den falschen Fokus haben, weil wir nicht wahrnehmen, dass Gott gerade ganz anders wirken möchte.
Manchmal hindert uns unser Alltag.
Manchmal blockieren wir uns selbst durch überzogene Erwartungen und manchmal vergessen wir, dass wir Gottes geliebte Kinder sind.
Und manchmal ist es einfach so, dass wir den Blick abgewendet haben von den Menschen, zu denen die Liebe Gottes eigentlich hin fließen möchte.
Wichtig ist: Gott zieht seine Liebe und den Strom seines Heiligen Geist nie zurück und wird ihn nie zurückziehen.
Wir sind für immer die Gerechtfertigten, die Heiligen, seine Söhne und Töchter.
Christus lebt in uns und will sich durch uns ausdrücken.
Wenn wir in diesem Bewusstsein leben, dann sucht sich der Strom immer wieder seinen Weg zu den Menschen.
AMEN.
1. Die Bedeutung des Laubhüttenfestes
Wenn man eine Predigt vorbereitet, ist es manchmal so, dass man von vornherein etwas Bestimmtes auf dem Herzen hat, dass in einem brennt und man ist sich ganz sicher, dass Gott möchte, dass man das weiter gibt. Manchmal ist es auch so, dass man ein Predigtthema vorgegeben bekommt und dann forscht, was Gott der Gemeinde darin sagen möchte. Und manchmal ist es so, dass man Gott fragt über was man predigen soll und man hört dann eine relativ klare Antwort, bekommt einen Bibelvers und denkt sich dann: „Und darüber soll ich predigen?“ So erging es mir diesmal. Ich hatte sofort einen Vers vor Augen, den ich mir selber auf keinem Fall raus gesucht hätte.
Nein, er ist nicht aus den Geschlechtsregistern, sondern wir finden ihn im Johannes-Evangelium.
„Aber am letzten Tag des Festes, der der höchste war, trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“ (Joh. 7, 37-39 Luther)
Schauen wir uns zunächst mal die Situation an, in der Jesus diese Worte sprach. Es war das Laubhüttenfest. Der letzte Tag des Festes, der gleichzeitig auch der höchste, der wichtigste Tag war.
1.1 Das Erntefest
Das Laubhüttenfest (Sukkot) war das letzte von drei Wallfahrtsfesten (2. Mose 23, 14-17), an denen jeder männliche Israelit teilnehmen musste. Es war das Fest des Einsammelns der Ernte am Ende des Jahres, also der Obst- und Weinernte. Das Fest dauert eine Woche, aber nur der erste und der letzte Tag sind Feiertage.
„Und der HERR redete mit Mose und sprach: Sage zu den Israeliten: Am fünfzehnten Tage dieses siebenten Monats ist das Laubhüttenfest für den HERRN, sieben Tage lang. Am ersten Tage soll eine heilige Versammlung sein; keine Arbeit sollt ihr tun. Sieben Tage sollt ihr dem HERRN Feueropfer darbringen. Am achten Tage sollt ihr wieder eine heilige Versammlung halten und sollt Feueropfer dem HERRN darbringen. Es ist eine Festversammlung; keine Arbeit sollt ihr tun. Das sind die Feste des HERRN, die ihr als heilige Versammlungen ausrufen sollt, um dem HERRN Feueropfer darzubringen: Brandopfer, Speisopfer, Schlachtopfer und Trankopfer, ein jedes an seinem Tage, abgesehen von den Sabbaten des HERRN und euren andern Gaben und Gelübden und freiwilligen Gaben, die ihr dem HERRN gebt. Am fünfzehnten Tage des siebenten Monats, wenn ihr die Früchte des Landes einbringt, sollt ihr ein Fest des HERRN halten sieben Tage lang. Am ersten Tage ist Ruhetag und am achten Tage ist auch Ruhetag. Ihr sollt am ersten Tage Früchte nehmen von schönen Bäumen, Palmwedel und Zweige von Laubbäumen und Bachweiden und sieben Tage fröhlich sein vor dem HERRN, eurem Gott, und sollt das Fest dem HERRN halten jährlich sieben Tage lang. Das soll eine ewige Ordnung sein bei euren Nachkommen, dass sie im siebenten Monat so feiern. Sieben Tage sollt ihr in Laubhütten wohnen. Wer einheimisch ist in Israel, soll in Laubhütten wohnen, dass eure Nachkommen wissen, wie ich die Israeliten habe in Hütten wohnen lassen, als ich sie aus Ägyptenland führte. Ich bin der HERR, euer Gott. Und Mose tat den Israeliten die Feste des HERRN kund.“ (3. Mose 23, 33-44 Luther)
Während dieser sieben Tage wohnt das Volk also in Laubhütten zur Erinnerung an die Nomadenzeit während der Wüstenwanderung, es soll an die Versorgung durch Gott erinnern, an die völlige Abhängigkeit von ihm und es soll als ein fröhliches Fest vor ihrem Gott gefeiert werden.
Es gibt ja Christen die denken, fröhlich zu sein, d.h. jetzt man isst zusammen Kuchen, klopft sich fröhlich auf die Schulter und spricht sich den Segen Gottes zu. Das ist natürlich auch sehr schön, aber ich persönlich glaube ja, wenn ich mir anschaue, welche Vorgabe Gott für den Zehnten gegeben hat:
„und gib das Geld für alles, woran dein Herz Lust hat, es sei für Rinder, Schafe, Wein, starkes Getränk oder für alles, was dein Herz wünscht, und iss dort vor dem HERRN, deinem Gott, und sei fröhlich, du und dein Haus“ (5. Mose 14,26 Luther)
dass es da ganz schön feuchtfröhlich zuging und der Alkohol nicht nur in homöopathischen Dosierungen genossen wurde. Aber vielleicht steht das ja in jeder Übersetzung anders......
Und am letzten Tag des Festes gab es nun eine besondere Tradition, die sog. Schoeva-Prozession (= Wasserschöpf-Prozession). Ein Priester zog zu dem Teich Siloah bzw. zu der Gihon-Quelle, die den Teich gespeist hat, schöpfte dort Wasser in einem goldenen Gefäss um es dann auf dem Altar in ein Gefäss zu gießen. Da dieses aber Löcher hatte, ergoss sich das ganze Wasser über den Altar.
Dieses Ritual hatte mehrere Bedeutungen:
Zum einen ist das Laubhüttenfest ja ein Erntefest. Daher weiß man sich abhängig von der Versorgung Gottes mit Wasser, dankt ihm für die Ernte und bittet ihn um ausreichend Regen für das kommende Erntejahr. Dies wird durch das überfließende Wasser verdeutlicht. Die Idee für dieses Ritual - es gibt dafür keinen biblischen Auftrag - kommt aus dem Buch Jesaja. Dort steht:
„Und mit Freuden werdet ihr Wasser schöpfen aus den Quellen des Heils.“ (Jes. 12,3 Rev. Elb.)
Für Heil steht hier im Hebr. „Je-schua“, also eigentlich JAHWE heilt, erlöst, hilft usw.
Hier ist also bereits ein erster Bezug zu Jesus vorhanden.
Zum Besprengen mit Wasser fällt mir ein Witz ein.
Ein Jude zieht in eine sehr katholische Gegend. Jeden Freitag sind die Katholiken sehr nervös, denn während sie ihren Fisch essen, sitzt der Jude im Garten und grillt Steaks. Also machen sie sich daran, ihn zu konvertieren. Schließlich, mit Bitten und Drohungen, gelingt es ihnen. Sie brachten ihn zu einem Priester, der besprenkelte ihn mit gesegnetem Wasser und sprach: "....geboren als Jude ....aufgewachsen als Jude ....jetzt ein Katholik." Die Katholiken sind begeistert, keine verführerischen Gerüche mehr am Freitag. Aber am nächsten Freitag zieht der Grillgeruch wieder durch die Nachbarschaft. Die Katholiken rennen schnell zum Haus des Juden, um ihn an seine neue Diät zu erinnern. Sie finden ihn am Grill stehend, wo er Wasser über das Fleisch sprenkelt und sagt: "....geboren als Kuh ....aufgewachsen als Kuh ....jetzt ein Fisch."
1.2 Wasser aus dem Felsen
Einen weiteren Ursprung dieses Schoeva-Rituals finden wir in einer Begebenheit während der Wüstenwanderung. Das Volk Israel ist in der Wüste und hat kein Wasser mehr und begehrt gegen Mose auf. Mose ist entnervt und verzweifelt und wendet sich an Gott. Dann heißt es:
„Der HERR sprach zu ihm: Tritt hin vor das Volk und nimm einige von den Ältesten Israels mit dir und nimm deinen Stab in deine Hand, mit dem du den Nil schlugst, und geh hin. Siehe, ich will dort vor dir stehen auf dem Fels am Horeb. Da sollst du an den Fels schlagen, so wird Wasser herauslaufen, dass das Volk trinke. Und Mose tat so vor den Augen der Ältesten von Israel.“ (2. Mose 17, 5.6 Luther)
An diese Begebenheit, diese hier erlebte Versorgung wird während des Rituals gedacht. Diese Begebenheit in der Wüste hat aber auch eine prophetische Dimension. Sie weist auf Jesus und das Kreuz hin.
Das Wort „Horeb“ wird wohl von dem hebräischen Wort für „Gericht“ abgeleitet. (Ganz sicher bin ich mir da nicht, ob meine Quellen da stimmen. Bei zehn jüdischen Kommentaren findet man manchmal 15 verschiedene Meinungen.) Tatsächlich wird aber der letzte Tag (Hoschanna Rabba) des Laubhüttenfestes, als ein Tag des Gerichts betrachtet, an dem die Erlösungsbedürftigkeit herausgestellt wird.
Mose schlug also auf den Felsen und es geschah wie Gott es verheißen hatte.
„Er spaltete Felsen in der Wüste und tränkte sie reichlich, wie mit Urfluten. Er ließ Bäche hervorkommen aus dem Felsen und Wasser herablaufen wie Flüsse.“ (Ps. 78, 15.16 Rev. Elb.)
Womit schlug er? Mit denselben Stab, mit den Mose den Nil geschlagen hatte. Mit denselben Stab, mit den er das Gericht über die Ägypter herabgerufen hatte. Dieser Stab ist ein Sinnbild für das Gericht Gottes.
Und wer war der Felsen? Christus! Paulus sagt:
„und alle tranken den gleichen gottgeschenkten Trank; denn sie tranken aus dem Leben spendenden Felsen, der mit ihnen zog. Und dieser Fels war Christus.“ (1. Kor. 10, 4 EÜ)
Der Felsen wurde am Ort des Gerichts mit dem Stab des Gerichts geschlagen. Christus wurde am Ort des Gerichts am Stab des Gerichts, am Kreuz, für uns geschlagen.
Wir haben hier also einen doppelten Hinweis auf Jesus: er ist der Fels der mit dem Gericht geschlagen wurde und er ist die Quelle des Heils, aus der geschöpft wird.
Und nun steht Jesus auf und sagt: „Wenn Ihr wirklich Durst habt nach lebendigen Wasser, nicht nur wie eure Vorväter nach physischen Bedürfnissen, wenn ihr eine Sehnsucht nach Leben habt, dann kommt zu mir und trinkt. Es wird euren Durst stillen und wird als lebendige Wasser aus Euch heraus strömen, so wie es den Altar überflutet hat.“
Die Juden sagten über ihr Laubhüttenfest, dass es ein Fest von großer Freude war. Es war laut und bunt und schrill und es wurde getanzt usw. und wer diese Freude nie erlebt hatte, wusste nicht was wahre Freude ist, trotzdem ist es nur fades Wasser im Vergleich zu dem lebendigen Wasser, das Jesus gibt.
2. Jesus gibt das Wasser des Geistes
In der Bibel ist Wasser oft ein Symbol für den Heiligen Geist. Und so auch hier: Jesus spricht von strömenden lebendigen Wasser des Geistes, das aus uns herausfließt.
Wer kommt in den Genuss dieser Verheißung? Das ist einfach. Jeder, der an Jesus glaubt, so wie die Schrift es sagt. Das AT stellt ihn vor, als den Messias, den Christus, den Erlöser. Jeder der glaubt, dass er der Christus, der für mich gesandte Erlöser ist.
Aber um an diesen Punkt zu kommen, muss ich erst mal Durst haben. Ich muss mir meiner Erlösungsbedürftigkeit bewusst sein, ich muss mich danach sehnen frei von meiner Schuld zu werden, ich muss mich danach sehnen gerechtfertigt zu werden von Gott. Ohne dies bleibt es beim intellektuellen Zustimmen - so wie ich der Wirkung eines Antibiotikums intellektuell zustimme „Ja, ich glaube, dass dieses Medikament gesund macht und diese und jene Wirkung hat“ ohne dass ich es jedoch einnehme - und wird nicht zum persönlichen Glauben.
Aber wenn ich diesen Glauben habe, dann habe ich die Verheißung, dass der Heilige Geist in mir (aus meinem Leib, aus meinem Inneren, aus meinem Bauch) zu einer überfließenden Quelle lebendigen Wassers wird.
Dr. Eckart von Hirschhausen fragt ja in seinem aktuellen Buch „Wo geht die Liebe hin, wenn sie durch den Magen durch ist?“, analog könnten wir hier fragen „Wo geht der Heilige Geist hin, wenn er aus meinem Bauch raus ist?“
Ich weiß nicht, ob Hirschhausen Antworten gibt, ich werde auf jeden Fall welche geben.
Zu dem Zeitpunkt des Auftretens Jesu auf dem Laubhüttenfest war der Heilige Geist noch nicht da. Wir leben jetzt nach Pfingsten und haben den Heiligen Geist. Wir haben ihn in Empfang genommen, haben unterschiedliche Erfahrungen der Erfüllung/Taufe/Freisetzung des Heiligen Geistes erlebt. Wir wissen also, wovon Johannes hier schreibt.
Trotzdem gibt es manchmal Differenzen zwischen unserer Erfahrung und der Verheißung Jesu. Manchmal fließt´s, manchmal strömt´s und manchmal tröpfelt´s auch nur. Woran könnte dies liegen?
3. Die verschiedenen Wirkungsweisen des Heiligen Geistes
Der Theologe Detmar Scheunemann differenziert vier verschiedene Dienste bzw. Wirkungsweisen des Heiligen Geistes, die ich für sehr hilfreich empfinde:
- der evangelistische Dienst: er überführt mich von Sünde, macht Jesus groß, führt mich zur Bekehrung
- der organisch-umgestaltende Dienst: er lässt die Früchte des Geistes in mir wachsen, lässt mich Christus-ähnlicher werden
- der charismatische Dienst: all die verschiedenen Geistesgaben und Kraftwirkungen (Prophetie, Heilung usw.) und
- der pädagogische Dienst: er lehrt mich durch das Wort, führt mich, tröstet mich usw.
Und ich denke diese vier Differenzierungen sind genauso auf die Ströme des Geistes anwendbar, die aus uns heraus fließen.
Wir charismatisch geprägten Christen haben oft nur die charismatische Seite des Wirkens des Heiligen Geistes im Blick oder sind zumindest etwas einseitig darauf fixiert. Wenn um uns herum oder durch uns die Kranken geheilt werden, die Prophetie fließt, die Dämonen weichen usw., dann sehen wir uns im Fluss des Heiligen Geistes. Dann bin ich da, wo der Geist Gottes ist und er strömt aus mir heraus und das Wasser fließt und alles ist bestens.
Aber wenn ich nur das charismatische Wirken im Blick habe, bin ich pneumatalogisch etwas restringiert. Dann bin ich in meiner Sicht der Dinge eingeschränkt, dann ist meine Wahrnehmung limitiert und dann ist auch meine Erwartungshaltung verkürzt.
Es könnte nämlich sein, dass der Heilige Geist gerade aus mir aktuell eher organisch-umgestaltend oder pädagogisch herausfließen möchte, weil es der Person neben mir einfach gut tut, wenn ich ihr bspw. mit Güte und Geduld begegne oder ihr einen Rat gebe. Und ich krieg es nicht mit, weil ich die falsche Brille aufgesetzt habe.
4. Hinderungsgründe für den Fluss des Geistes
Es gibt also tatsächlich Mechanismen, wie wir den Strom des Heiligen Geistes aus uns heraus behindern können.
Ich möchte Euch ein paar Strategien nennen, wie wir das möglichst „erfolgsversprechend“ schaffen könnten.
Eine habe ich schon erwähnt:
„1. Fokussiere Dich auf eine bestimmte Wirkungsweise des Heiligen Geistes und lass alles andere nicht in Dein Blickfeld!“
Im Gleichnis vom vierfachen Acker spricht Jesus davon, dass „die Sorgen des Alltags, die Verführung durch den Wohlstand und die Jagd nach den Freuden dieses Lebens“ (Lk. 8, 14 HfA) das geistliche Leben ersticken.
Auch dies ist eine sehr gute Strategie um den Strom des Heiligen Geistes abzutöten. Wir leben in einer Welt voller Freiheit und Möglichkeiten, aber auch voller Verpflichtungen und sozialer und medialer Einbindungen. Fluch und Segen liegen hier oft nah beieinander. Weniger ist hier oft mehr. „Simplify Your Life!“ ist das Schlagwort dazu.
Die erfolgsversprechende Strategie ist daher: „2. Versenke Dich in möglichst alle Anforderungen und Gelegenheiten des beruflichen, medialen und sozialen Lebens und sorge Dich stets um Deine Zukunft!“
Was kann den Fluss noch behindern? Ich habe vorhin erwähnt, dass das Laubhüttenfest ein Fest der Freude sein sollte. Und Freude hängt viel mit Freiheit zusammen. Paulus ruft uns zu:
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Gal. 5,1 Luther)
Obwohl die Hoch-Zeit des Pietismus mit seinen vielen Übertreibungen schon lange vorbei ist, setzen wir uns doch oft wieder selbst unter religiösen Druck oder lassen uns religiöse Erwartungen anderer aufladen. Wir haben irgendwelche Ideale, die wir erfüllen wollen; Vorbilder, denen wir nacheifern oder Prinzipien, nach denen wir zu leben trachten. Leider gibt es auch viele an sich gute christliche Bücher, die nur neuen Druck auf uns legen.
Daher lass Dir gesagt sein: Du musst gar nichts! Es ist vollbracht! Es ist vollständig erfüllt! Es ist vollendet! Es ist vollkommen vollkommen! Es gibt keine Verdammnis mehr. Gott liebt Dich, egal ob Du heute Plus- oder Minuspunkte in Deinem persönlichen Anspruchskatalog gesammelt hast.
Eine gute Verhinderungsstrategie ist daher: „3. Zweifle beständig und zuverlässig an Gottes persönlicher Liebe zu Dir und versuche Dir jeden Tag eine neue Pflicht aufzuerlegen!“
Man könnte noch ergänzen: „3a. Arbeite in mindestens so vielen gemeindlichen Gremien mit, dass es Dir schwer fällt Zeiten zur Entspannung und für Dinge, die Dir Spaß machen zu finden!“
5. Der Fluss des Geistes und seine Flussrichtung
Einen Punkt hab ich noch. Vielleicht sogar der Wichtigste. Jeder Fluss fließt immer von oben nach unten. Er entspringt irgendwo in den Bergen und fließt ins Meer.
Der Strom des Heiligen Geistes, der aus uns herausfließt, hat seinen Ursprung bei Gott und er will zu den Menschen fließen. Er ist nicht für mich bestimmt. Er ist nicht dazu da, dass ich mich gut fühle. Das ist ein wunderbarer Neben-Effekt, aber ich bin nicht das Ziel. (Es geht nicht um Individualismus und auch nicht um Gruppen-Egoismus.)
Gott ist Liebe (1. Joh. 4,8) und die Substanz dieses Stroms ist Liebe. Und diese Liebe will zu den Menschen. Dabei fließt sie heraus aus der Intimität mit Gott, aus den Zeiten der Gegenwart Gottes, der Ruhe vor Gott, der Anbetung zu den Menschen - und zwar in den verschiedensten Ausprägungen. Die Liebe will sich ausdrücken in Kraft, in Prophetie, in Heilung, aber genauso in Freundlichkeit und Güte, in Beratung und Hilfeleistung, in Dienen und Geben, in Verkündigung und Zeugnis, in Nähe und Zärtlichkeit, in Lachen und Feiern, Zuhören und gemeinsam Spaß haben....
Manchmal behindern wir den Strom des lebendigen Wassers, weil wir die Adressaten nicht im Blick haben oder weil wir sie vielleicht nur als Subjekt zur Bekehrung gesehen haben, weil wir vielleicht nicht über unsere Gemeinde- und Gottesdienstgrenzen hinaus geschaut haben.
Paulus schreibt:
„Ich habe euch vor Augen geführt, Geschwister, wie groß Gottes Erbarmen ist. Die einzige angemessene Antwort darauf ist die, dass ihr euch mit eurem ganzen Leben Gott zur Verfügung stellt und euch ihm als ein lebendiges und heiliges Opfer darbringt, an dem er Freude hat. Das ist der wahre Gottesdienst, und dazu fordere ich euch auf.“ (Röm. 12,1 NGÜ)
Wenn wir hier aus dem Saal gehen, dann hört der Gottesdienst nicht auf, dann fängt er erst an. Unser Arbeitsplatz, unsere Nachbarschaft, unsere Familie, unsere Stadt, unsere Gesellschaft, das sind die Plätze, an die der Strom Gottes hin fließen möchte. Das sind die Plätze wo er durch uns Reich Gottes bauen und gestalten möchte.
Wir haben in unserem Hauskreis gerade eine Aktion am Laufen, wo wir reihum an einem Hauskreisabend unsere Arbeitsplätze aufsuchen - alle paar Wochen an einem anderen - um dort zu beten, dass dort Reich Gottes durch das einzelne Hauskreismitglied gebaut werden kann. Das Gottes Gegenwart dort einziehen kann und sich die Atmosphäre verändert, dass die Werte Gottes, die Gerechtigkeit des Reiches Gottes sich dort ausbreiten.
6. Zusammenfassung
Ich möchte zum Schluss noch kurz zusammenfassen:
Manchmal sind wir blind für die Ströme des lebendigen Wassers, die aus uns heraus fließen, weil wir den falschen Fokus haben, weil wir nicht wahrnehmen, dass Gott gerade ganz anders wirken möchte.
Manchmal hindert uns unser Alltag.
Manchmal blockieren wir uns selbst durch überzogene Erwartungen und manchmal vergessen wir, dass wir Gottes geliebte Kinder sind.
Und manchmal ist es einfach so, dass wir den Blick abgewendet haben von den Menschen, zu denen die Liebe Gottes eigentlich hin fließen möchte.
Wichtig ist: Gott zieht seine Liebe und den Strom seines Heiligen Geist nie zurück und wird ihn nie zurückziehen.
Wir sind für immer die Gerechtfertigten, die Heiligen, seine Söhne und Töchter.
Christus lebt in uns und will sich durch uns ausdrücken.
Wenn wir in diesem Bewusstsein leben, dann sucht sich der Strom immer wieder seinen Weg zu den Menschen.
AMEN.
Freitag, 1. Februar 2013
Termine und Aktuelles Februar 2013
03.02. dezentrale Hausgottesdienste
10.02. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Hans Heidelberger, Thema: "Das Reich Gottes, die CGF und Du")
17.02. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Mathias Hühnerbein, Nehemia-Team, Thema: "Die Isaak-Generation")
24.02. 10.00 Uhr Gemeindehaus St. Paul, gemeinsamer Gottesdienst mit der "JG St. Paul" (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Ströme lebendigen Wassers")
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
10.02. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Hans Heidelberger, Thema: "Das Reich Gottes, die CGF und Du")
17.02. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Mathias Hühnerbein, Nehemia-Team, Thema: "Die Isaak-Generation")
24.02. 10.00 Uhr Gemeindehaus St. Paul, gemeinsamer Gottesdienst mit der "JG St. Paul" (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Ströme lebendigen Wassers")
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
Mittwoch, 23. Januar 2013
Predigt von Norbert Wohlrab (20.01.13)
Der barmherzige Samariter
Hinter uns liegt wieder die Allianz-Gebetswoche mit ihrem Motto: „Unterwegs mit Gott“. Wir haben in dieser Woche viel für Menschen und ihre Nöte in Fürth gebetet (Arbeitslose und Geringverdiener, soziale Gerechtigkeit, sozialen Wohnungsbau, Schüler und Jugendliche, Greuther Fürth etc). Dies war auch ein Dienst am Nächsten, ein Ausdruck von Nächstenliebe, auch wenn vielfach noch weitere praktische Hilfe nötig ist.
Nicht jeder hat eine Position wo er sich politisch gestaltend einbringen kann, aber jeder kann beten.
Besonders hat mich der Mittwoch bewegt: wir haben im Rathaus stellvertretend um Vergebung gebeten für das Unrecht an den Juden im 3. Reich durch unsere Stadtvertreter, die sie im großen Umfang enteignet haben, ohne dass hier jemals Wiedergutmachung stattgefunden hätte.
Im Lauf der Woche ist mir so das Thema für heute gekommen. Und als ich am Freitag die Zeitung gelesen hab, dachte ich mir: das passt ja optimal zu meiner Predigt.
Eine junge Frau in Köln wurde mit Ko-Tropfen betäubt und missbraucht. Sie wird in der Notarztpraxis behandelt und dann weiter schickt zu weiteren gynäkologischen Untersuchungen in katholische Krankenhaus nebenan. Hier wird die Hilfe aus moralischen Gründen abgelehnt, angeblich weil man auch die Pille danach verabreichen müsste (wovon laut Notarztpraxis nie die rede war). Das gleiche geschieht in einem weiteren katholischen Krankenhaus. Ein unglaublicher Vorfall.
Nun kann man ja durchaus verschiedene Meinungen zum Beginn des Lebens haben und ob die Pille danach einer Abtreibung gleichzusetzen ist. (Bei Juden beginnt das Leben übrigens dann, wenn die Kinder aus dem Haus und der Hund tot ist.) Hier wurde aber auf jeden Fall die Moral - ob nun begründet oder nicht - über die Not eines Menschen gestellt. Das passt zu meinem heutigen Predigttext.
„Ein Gesetzeslehrer wollte Jesus auf die Probe stellen. »Meister«, fragte er, »was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?« Jesus entgegnete: »Was steht im Gesetz? Was liest du dort?«
Er antwortete: »›Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit aller deiner Kraft und mit deinem ganzen Verstand!‹ Und: ›Du sollst deine Mitmenschen lieben wie dich selbst!‹ « – »Du hast richtig geantwortet«, sagte Jesus. »Tu das, und du wirst leben.« Der Gesetzeslehrer wollte sich verteidigen; deshalb fragte er: »Und wer ist mein Mitmensch?«
Daraufhin erzählte Jesus folgende Geschichte: »Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab. Unterwegs wurde er von Wegelagerern überfallen. Sie plünderten ihn bis aufs Hemd aus, schlugen ihn zusammen und ließen ihn halbtot liegen; dann machten sie sich davon. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab. Er sah den Mann liegen, machte einen Bogen um ihn und ging weiter. Genauso verhielt sich ein Levit, der dort vorbeikam und den Mann liegen sah; auch er machte einen Bogen um ihn und ging weiter. Schließlich kam ein Reisender aus Samarien dort vorbei. Als er den Mann sah, hatte er Mitleid mit ihm. Er ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn in ein Gasthaus und versorgte ihn mit allem Nötigen. Am nächsten Morgen nahm er zwei Denare aus seinem Beutel und gab sie dem Wirt. ›Sorge für ihn!‹, sagte er. ›Und sollte das Geld nicht ausreichen, werde ich dir den Rest bezahlen, wenn ich auf der Rückreise hier vorbeikomme.‹« »Was meinst du?«, fragte Jesus den Gesetzeslehrer. »Wer von den dreien hat an dem, der den Wegelagerern in die Hände fiel, als Mitmensch gehandelt?« Er antwortete: »Der, der Erbarmen mit ihm hatte und ihm geholfen hat.« Da sagte Jesus zu ihm: »Dann geh und mach es ebenso!« (Lk. 10, 25 - 37 NGÜ)
Bei Luther beginnt dieser Textabschnitt mit „Und siehe...“. Dies bedeutet, dass ein Zusammenhang mit dem vorhergehenden Geschehen besteht. Dort jubiliert Jesus im Geist, weil Evangelium den sogenannten Unmündigen offenbart wurde, aber den sogenannten Weisen und Klugen verborgen blieb (V. 21). So ein Weiser - bzw. jemand, der sich selbst für weise hält - ist nun dieser Schriftgelehrte. Dieser Lehrer des Gesetzes kennt sich aus in der Schrift. Er hat nun die Absicht Jesus eine Falle zu stellen. Er möchte ihn auf´s Glatteis führen. Er möchte, dass Jesus sich in Widersprüche verwickelt und er etwas gegen ihn in die Hand bekommt.
Dieser Mann fragt jetzt nicht, wie z.B. später der Kerkermeister in Philippi: „Was muss ich tun, damit ich gerettet werde?“ (Apg. 16,30). Wen man so fragt, dann hat man begriffen, dass man verloren ist und nur die Gnade Gottes mich erretten kann. Dieser Schriftgelehrte dagegen offenbart sich als selbstgerechter Mensch, der sich das ewige Leben verdienen will. Er betrachtet sich als kompetent genug um selbstverständlich das zu tun, was Gott von ihm möchte.
Der Kerkermeister bekommt auf seine ehrliche Frage die Antwort: „Glaube an Jesus, den Herrn, und du wirst gerettet werden, du und alle, die in deinem Haus leben!“ (Apg. 16,31). Der Gesetzeslehrer erhält zwei Gegenfragen: „Was steht im Gesetz? Was liest du dort?“ Jesus bedient sich hier der normalen Form des theologischen Disputs der frommen Juden: Frage und Gegenfrage. Jesus geht auf ihn ein. Er lehnt ihn nicht gleich ab, weil er Jesus nur versuchen will. Er sagt nichts von „Ottern und Schlangengezücht“ o.ä., sondern er begibt sich auf seine Denk-Ebene.
Und nun gibt der Schriftgelehrte eine hervorragende Antwort. Er kombiniert eigenständig zwei verschiedene Schriftstellen des AT, des Gesetzes - 5. Mose 6,5 und 3. Mose 19,18 - und zeigt damit auf, worum es eigentlich geht: Gott lieben und den Nächsten lieben! Er hat aus über 600 Gesetzen die zwei herausgepickt, die den Kern des ganzen Gesetzes ausmachen. Dies zeigt, dass er vom Gesetz wirklich etwas verstanden hat.
Jesus sagt selbst an anderer Stelle: „An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Mt. 22,40 Rev. Elb.)
Man muss sich das vorstellen wie einem Kleiderhaken. An einem Kleiderhaken hängt die Jacke. Die ganzen Gesetze hängen an diesem Haken des Doppelgebots der Liebe. Ohne den Haken, also ohne die Liebe verlieren die Gesetze ihre eigentliche Bedeutung.
Paulus schreibt dazu: „So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.“ (Röm. 13,10b Luther)
Soweit so gut. Theoretisch hat der Gelehrte was verstanden. Die Antwort von Jesus ist jetzt aber niederschmetternd. Es geht nicht um theoretisches Verständnis, es geht um praktische Anwendung: „Richtig! Tu das und du wirst leben!“ Das Gemeine ist: hier steht im Griechischen die Verbform, es heißt quasi: „Tu dies beständig, tu dies ununterbrochen, tu dies immer während!“ Nicht nur jedem dritten Dienstag im Monat, sondern einfach immer!
Kein Mensch kann dies immer tun. Das Problem für ihn und alle anderen, die nach dem Gesetz Gottes leben wollten und vielleicht auch noch wollen, ist folgender:
„Denn wer das ganze Gesetz hält, aber in einem strauchelt, ist aller Gebote schuldig geworden.“ (Jak. 2,10 Rev. Elb.)
Dies war seine Krux, sein Problem. Was bin ich froh, dass wir frei vom Gesetz sind und es für uns einfach gilt: in Gott zu bleiben. Denn wenn ich in Gott bleibe, werde ich automatisch lieben - ohne juristischen Zeigefinger.
Der Schriftgelehrte hat erkannt, dass er jetzt nicht so einfach raus kommt aus der Falle und fragt: „Ja, Moment, wer ist denn überhaupt mein Nächster?“ Unter den Schriftgelehrten herrschte damals die Vorstellung, dass nur Blutsverwandte und Gerechte überhaupt als Nächste in Frage kommen könnten, auf jeden Fall keine Ausländer und natürlich schon gar keine Samaritaner.
Jesus antwortet mit einer Geschichte, einer Beispiel-Erzählung. Auch das entsprach der damaligen Art des theologischen Disputs. Es ist eine erfundene Geschichte, die sich aber jederzeit hätte so ereignen können.
Ein Mann - höchstwahrscheinlich ein Jude - wurde auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho überfallen. Es war ein ca. 27 km langes Teilstück des damaligen Haupthandelsweges zwischen Afrika und Asien. Über 1000 Meter Höhenunterschied. Eine 7 Stunden-Wanderung. Es war ein steiniger und beschwerlicher Weg. V.a. für Händler mit ihren Lasten nicht einfach zu bewältigen. Und für Räuber und Wegelagerer ideal um einen Hinterhalt zu legen.
Der Mann wurde also überfallen, ausgeraubt und liegt nun halbtot am Boden. Nun kommen nacheinander ein Priester und ein Levit vorbei und wechseln die Straßenseite anstatt zu helfen. Zwei fromme Menschen, die regelmäßig Gottesdienst verüben im Tempel, ignorieren hier ihren Nächsten. Heutzutage wäre das unterlassene Hilfeleistung.
In einer Bibelschule in den USA gab es ein Predigtseminar. Als besonderes Highlight des Seminars sollten alle Teilnehmer die Chance bekommen eine Predigt zu halten, die im Radio übertragen wird. Das Thema der Predigt war vorgegeben, es war das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Der Tag der Radioübertragung war gekommen, sicherlich waren alle sehr aufgeregt als sie sich auf den Weg zur Radiostation machten. Allerdings hatte der Leiter des Seminars es so arrangiert, dass jedem Studenten auf dem Weg zur Radiostation ein Mann in den Weg gelegt wurde, der einen Herzinfarkt simulierte. Angeblich hat keiner der Studenten angehalten, um dem Mann zu helfen.
Was hätten wir getan? Ich kann mich an eine vergleichbare Situation erinnern: Es ist Winter. Sonntagvormittag. Ich habe am MTV-Parkplatz geparkt, laufe um die Ecke in Richtung CGF-Räume, bin spät dran (ich weiß nicht mehr genau, entweder musste ich Aufsperren oder Predigen - wie üblich halt). Dann spricht mich ein ausländisch Aussehender an und fragt, ob ich ihm überbrücken kann, weil sein Auto nicht anspringt. Was glaubt Ihr was ich gemacht hab? - „Sorry, ich bin spät dran und müsste jetzt das Auto auch noch holen.“ Soweit ich mich erinnern kann, hat ihn dann ein anderer Gottesdienstteilnehmer geholfen und alles war gut.
Das Problem bei den beiden Klerikern, die nicht geholfen haben, ist folgendes: sie hatten wirklich gute Gründe nicht zu helfen.
„Und der HERR sprach zu Mose: Rede zu den Priestern, den Söhnen Aarons, und sage zu ihnen: Keiner von ihnen darf sich an einer Leiche unrein machen unter seinen Volksgenossen, außer an seiner Blutsverwandtschaft, die ihm nahesteht: an seiner Mutter und an seinem Vater, seinem Sohn, seiner Tochter und seinem Bruder und an seiner Schwester, der Jungfrau, die ihm nahesteht, die noch keinem Mann zu eigen geworden ist; wegen dieser darf er sich unrein machen. Er darf sich nicht unrein machen als Herr unter seinen Volksgenossen, sich zu entweihen.“ (3. Mose 21, 1-4 Rev. Elb.)
Wäre der Verletzte bereits tot gewesen, hätte der Priester sich verunreinigt, er wäre untauglich geworden für den Tempeldienst. Er hat also gänzlich korrekt nach dem Gesetz gehandelt - nach dem Buchstaben des Gesetzes.
Ähnlich ist es bei dem Leviten.
„Wer einen Toten berührt, die Leiche irgendeines Menschen, der wird sieben Tage unrein sein.“ (4. Mose 19,11 Rev. Elb.)
Er wäre zumindest für 7 Tage vom Tempeldienst ausgeschlossen gewesen. Also auch er hatte einen guten Grund möglichst nicht in Kontakt mit dem vermeintlich Toten zu kommen.
Nun hätten die Zuhörer wahrscheinlich erwartet, dass in dieser Geschichte jetzt der gottesfürchtige Jude vorbei kommt. Aber Jesus macht hier etwas schier Unvorstellbares: er lässt einen Samaritaner erscheinen. Das geht eigentlich gar nicht! Das ist so, als würde er in Fürth einen Clubberer erscheinen lassen.
Was ist eigentlich so schlimm an diesem Samaritaner? Warum gab es so einen Hass auf sie?
Wir wissen, dass Israel geteilt war und die Bevölkerung des Nordreichs in die assyrische Gefangenschaft verschleppt wurde. Assyrien hat das Gebiet des Nordreichs (Samaria) mit Kolonisten aus Persien und Babylon bevölkert (2. Kön. 17, 24 - 41). Diese Kolonisten brachten ihre eigenen Religionen mit und vermischten sich mit der geringen jüdischen Restbevölkerung und bildeten dann die Bevölkerung Samarias (eigentlich Samarier). Sie hatten ihre eigenen Religionen, wurden aber auch im jüdischen Glauben unterwiesen. Ein teil von ihnen glaubte an den Gott Israels, sie hatten ihr eigenes Heiligtum und beteten in Garizim an. Sie bildeten die spezielle Gruppe der „Shamerim“ (= Bewahrer), also die Samaritaner. Sie verstehen sich als Bewahrer des jüdischen Glaubens und akzeptieren nur die fünf Bücher Mose, weil sie der Meinung waren, dass die Juden sich danach vom Gott Israels entfernt hätten. Von den Juden wurden sie aus diesen Gründen abgelehnt.
Diese Gruppe existiert übrigens noch heute (ca. 750 Mitglieder).
Ob es sich in diesem Gleichnis nun um einen Samarier oder Samaritaner handelt ist unklar, beides war auf jeden Fall gleichermaßen undenkbar. Sie wurden öffentlich verflucht, es war undenkbar mit ihnen zu essen oder Gemeinschaft zu haben oder sich von ihnen auch noch helfen zu lassen.
Der Samaritaner half nicht um eine Gesetzesnorm zu erfüllen, sondern aus Mitleid. Er wurde innerlich bewegt. Die Liebe trieb ihn. Erinnert Euch: das Gesetz hängt am Haken der Liebe.
Jesus dreht nun die Frage des Gelehrten um. Die Frage ist nicht, wen kann ich eindeutig als „Nächsten“ definieren, sondern an wem kann ich als „Nächster“, als Mitmensch handeln.
Die Geschichte verdeutlicht auch, dass das Gesetz niemanden helfen kann. Der Priester und der Levit verkörpern dieses Gesetz und zeigen die Unfähigkeit des Gesetzes auf. Religion kann nicht erretten. Nur der Heiland kann dies. Der Samaritaner ist ein Bild für Jesus, den Erretter.
Was bedeutet es für uns?
Zunächst mal: wir sind alle auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen. Keiner kann sich selbst erretten.
Aber auch: lasst uns aufmerksam sein für die Not und die Bedürfnisse der Mitmenschen um uns herum. Im Zweifelsfall kann man auch fragen: „Kann ich ihnen helfen?“ Lasst uns bereit sein unseren geplanten Tagesablauf auch mal zu unterbrechen.
AMEN
(Gebet in kleinen Gruppen, dass wir „Oasen“ der Barmherzigkeit für unsere Mitmenschen sind)
Hinter uns liegt wieder die Allianz-Gebetswoche mit ihrem Motto: „Unterwegs mit Gott“. Wir haben in dieser Woche viel für Menschen und ihre Nöte in Fürth gebetet (Arbeitslose und Geringverdiener, soziale Gerechtigkeit, sozialen Wohnungsbau, Schüler und Jugendliche, Greuther Fürth etc). Dies war auch ein Dienst am Nächsten, ein Ausdruck von Nächstenliebe, auch wenn vielfach noch weitere praktische Hilfe nötig ist.
Nicht jeder hat eine Position wo er sich politisch gestaltend einbringen kann, aber jeder kann beten.
Besonders hat mich der Mittwoch bewegt: wir haben im Rathaus stellvertretend um Vergebung gebeten für das Unrecht an den Juden im 3. Reich durch unsere Stadtvertreter, die sie im großen Umfang enteignet haben, ohne dass hier jemals Wiedergutmachung stattgefunden hätte.
Im Lauf der Woche ist mir so das Thema für heute gekommen. Und als ich am Freitag die Zeitung gelesen hab, dachte ich mir: das passt ja optimal zu meiner Predigt.
Eine junge Frau in Köln wurde mit Ko-Tropfen betäubt und missbraucht. Sie wird in der Notarztpraxis behandelt und dann weiter schickt zu weiteren gynäkologischen Untersuchungen in katholische Krankenhaus nebenan. Hier wird die Hilfe aus moralischen Gründen abgelehnt, angeblich weil man auch die Pille danach verabreichen müsste (wovon laut Notarztpraxis nie die rede war). Das gleiche geschieht in einem weiteren katholischen Krankenhaus. Ein unglaublicher Vorfall.
Nun kann man ja durchaus verschiedene Meinungen zum Beginn des Lebens haben und ob die Pille danach einer Abtreibung gleichzusetzen ist. (Bei Juden beginnt das Leben übrigens dann, wenn die Kinder aus dem Haus und der Hund tot ist.) Hier wurde aber auf jeden Fall die Moral - ob nun begründet oder nicht - über die Not eines Menschen gestellt. Das passt zu meinem heutigen Predigttext.
„Ein Gesetzeslehrer wollte Jesus auf die Probe stellen. »Meister«, fragte er, »was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?« Jesus entgegnete: »Was steht im Gesetz? Was liest du dort?«
Er antwortete: »›Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit aller deiner Kraft und mit deinem ganzen Verstand!‹ Und: ›Du sollst deine Mitmenschen lieben wie dich selbst!‹ « – »Du hast richtig geantwortet«, sagte Jesus. »Tu das, und du wirst leben.« Der Gesetzeslehrer wollte sich verteidigen; deshalb fragte er: »Und wer ist mein Mitmensch?«
Daraufhin erzählte Jesus folgende Geschichte: »Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab. Unterwegs wurde er von Wegelagerern überfallen. Sie plünderten ihn bis aufs Hemd aus, schlugen ihn zusammen und ließen ihn halbtot liegen; dann machten sie sich davon. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab. Er sah den Mann liegen, machte einen Bogen um ihn und ging weiter. Genauso verhielt sich ein Levit, der dort vorbeikam und den Mann liegen sah; auch er machte einen Bogen um ihn und ging weiter. Schließlich kam ein Reisender aus Samarien dort vorbei. Als er den Mann sah, hatte er Mitleid mit ihm. Er ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann setzte er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn in ein Gasthaus und versorgte ihn mit allem Nötigen. Am nächsten Morgen nahm er zwei Denare aus seinem Beutel und gab sie dem Wirt. ›Sorge für ihn!‹, sagte er. ›Und sollte das Geld nicht ausreichen, werde ich dir den Rest bezahlen, wenn ich auf der Rückreise hier vorbeikomme.‹« »Was meinst du?«, fragte Jesus den Gesetzeslehrer. »Wer von den dreien hat an dem, der den Wegelagerern in die Hände fiel, als Mitmensch gehandelt?« Er antwortete: »Der, der Erbarmen mit ihm hatte und ihm geholfen hat.« Da sagte Jesus zu ihm: »Dann geh und mach es ebenso!« (Lk. 10, 25 - 37 NGÜ)
Bei Luther beginnt dieser Textabschnitt mit „Und siehe...“. Dies bedeutet, dass ein Zusammenhang mit dem vorhergehenden Geschehen besteht. Dort jubiliert Jesus im Geist, weil Evangelium den sogenannten Unmündigen offenbart wurde, aber den sogenannten Weisen und Klugen verborgen blieb (V. 21). So ein Weiser - bzw. jemand, der sich selbst für weise hält - ist nun dieser Schriftgelehrte. Dieser Lehrer des Gesetzes kennt sich aus in der Schrift. Er hat nun die Absicht Jesus eine Falle zu stellen. Er möchte ihn auf´s Glatteis führen. Er möchte, dass Jesus sich in Widersprüche verwickelt und er etwas gegen ihn in die Hand bekommt.
Dieser Mann fragt jetzt nicht, wie z.B. später der Kerkermeister in Philippi: „Was muss ich tun, damit ich gerettet werde?“ (Apg. 16,30). Wen man so fragt, dann hat man begriffen, dass man verloren ist und nur die Gnade Gottes mich erretten kann. Dieser Schriftgelehrte dagegen offenbart sich als selbstgerechter Mensch, der sich das ewige Leben verdienen will. Er betrachtet sich als kompetent genug um selbstverständlich das zu tun, was Gott von ihm möchte.
Der Kerkermeister bekommt auf seine ehrliche Frage die Antwort: „Glaube an Jesus, den Herrn, und du wirst gerettet werden, du und alle, die in deinem Haus leben!“ (Apg. 16,31). Der Gesetzeslehrer erhält zwei Gegenfragen: „Was steht im Gesetz? Was liest du dort?“ Jesus bedient sich hier der normalen Form des theologischen Disputs der frommen Juden: Frage und Gegenfrage. Jesus geht auf ihn ein. Er lehnt ihn nicht gleich ab, weil er Jesus nur versuchen will. Er sagt nichts von „Ottern und Schlangengezücht“ o.ä., sondern er begibt sich auf seine Denk-Ebene.
Und nun gibt der Schriftgelehrte eine hervorragende Antwort. Er kombiniert eigenständig zwei verschiedene Schriftstellen des AT, des Gesetzes - 5. Mose 6,5 und 3. Mose 19,18 - und zeigt damit auf, worum es eigentlich geht: Gott lieben und den Nächsten lieben! Er hat aus über 600 Gesetzen die zwei herausgepickt, die den Kern des ganzen Gesetzes ausmachen. Dies zeigt, dass er vom Gesetz wirklich etwas verstanden hat.
Jesus sagt selbst an anderer Stelle: „An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Mt. 22,40 Rev. Elb.)
Man muss sich das vorstellen wie einem Kleiderhaken. An einem Kleiderhaken hängt die Jacke. Die ganzen Gesetze hängen an diesem Haken des Doppelgebots der Liebe. Ohne den Haken, also ohne die Liebe verlieren die Gesetze ihre eigentliche Bedeutung.
Paulus schreibt dazu: „So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung.“ (Röm. 13,10b Luther)
Soweit so gut. Theoretisch hat der Gelehrte was verstanden. Die Antwort von Jesus ist jetzt aber niederschmetternd. Es geht nicht um theoretisches Verständnis, es geht um praktische Anwendung: „Richtig! Tu das und du wirst leben!“ Das Gemeine ist: hier steht im Griechischen die Verbform, es heißt quasi: „Tu dies beständig, tu dies ununterbrochen, tu dies immer während!“ Nicht nur jedem dritten Dienstag im Monat, sondern einfach immer!
Kein Mensch kann dies immer tun. Das Problem für ihn und alle anderen, die nach dem Gesetz Gottes leben wollten und vielleicht auch noch wollen, ist folgender:
„Denn wer das ganze Gesetz hält, aber in einem strauchelt, ist aller Gebote schuldig geworden.“ (Jak. 2,10 Rev. Elb.)
Dies war seine Krux, sein Problem. Was bin ich froh, dass wir frei vom Gesetz sind und es für uns einfach gilt: in Gott zu bleiben. Denn wenn ich in Gott bleibe, werde ich automatisch lieben - ohne juristischen Zeigefinger.
Der Schriftgelehrte hat erkannt, dass er jetzt nicht so einfach raus kommt aus der Falle und fragt: „Ja, Moment, wer ist denn überhaupt mein Nächster?“ Unter den Schriftgelehrten herrschte damals die Vorstellung, dass nur Blutsverwandte und Gerechte überhaupt als Nächste in Frage kommen könnten, auf jeden Fall keine Ausländer und natürlich schon gar keine Samaritaner.
Jesus antwortet mit einer Geschichte, einer Beispiel-Erzählung. Auch das entsprach der damaligen Art des theologischen Disputs. Es ist eine erfundene Geschichte, die sich aber jederzeit hätte so ereignen können.
Ein Mann - höchstwahrscheinlich ein Jude - wurde auf dem Weg von Jerusalem nach Jericho überfallen. Es war ein ca. 27 km langes Teilstück des damaligen Haupthandelsweges zwischen Afrika und Asien. Über 1000 Meter Höhenunterschied. Eine 7 Stunden-Wanderung. Es war ein steiniger und beschwerlicher Weg. V.a. für Händler mit ihren Lasten nicht einfach zu bewältigen. Und für Räuber und Wegelagerer ideal um einen Hinterhalt zu legen.
Der Mann wurde also überfallen, ausgeraubt und liegt nun halbtot am Boden. Nun kommen nacheinander ein Priester und ein Levit vorbei und wechseln die Straßenseite anstatt zu helfen. Zwei fromme Menschen, die regelmäßig Gottesdienst verüben im Tempel, ignorieren hier ihren Nächsten. Heutzutage wäre das unterlassene Hilfeleistung.
In einer Bibelschule in den USA gab es ein Predigtseminar. Als besonderes Highlight des Seminars sollten alle Teilnehmer die Chance bekommen eine Predigt zu halten, die im Radio übertragen wird. Das Thema der Predigt war vorgegeben, es war das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Der Tag der Radioübertragung war gekommen, sicherlich waren alle sehr aufgeregt als sie sich auf den Weg zur Radiostation machten. Allerdings hatte der Leiter des Seminars es so arrangiert, dass jedem Studenten auf dem Weg zur Radiostation ein Mann in den Weg gelegt wurde, der einen Herzinfarkt simulierte. Angeblich hat keiner der Studenten angehalten, um dem Mann zu helfen.
Was hätten wir getan? Ich kann mich an eine vergleichbare Situation erinnern: Es ist Winter. Sonntagvormittag. Ich habe am MTV-Parkplatz geparkt, laufe um die Ecke in Richtung CGF-Räume, bin spät dran (ich weiß nicht mehr genau, entweder musste ich Aufsperren oder Predigen - wie üblich halt). Dann spricht mich ein ausländisch Aussehender an und fragt, ob ich ihm überbrücken kann, weil sein Auto nicht anspringt. Was glaubt Ihr was ich gemacht hab? - „Sorry, ich bin spät dran und müsste jetzt das Auto auch noch holen.“ Soweit ich mich erinnern kann, hat ihn dann ein anderer Gottesdienstteilnehmer geholfen und alles war gut.
Das Problem bei den beiden Klerikern, die nicht geholfen haben, ist folgendes: sie hatten wirklich gute Gründe nicht zu helfen.
„Und der HERR sprach zu Mose: Rede zu den Priestern, den Söhnen Aarons, und sage zu ihnen: Keiner von ihnen darf sich an einer Leiche unrein machen unter seinen Volksgenossen, außer an seiner Blutsverwandtschaft, die ihm nahesteht: an seiner Mutter und an seinem Vater, seinem Sohn, seiner Tochter und seinem Bruder und an seiner Schwester, der Jungfrau, die ihm nahesteht, die noch keinem Mann zu eigen geworden ist; wegen dieser darf er sich unrein machen. Er darf sich nicht unrein machen als Herr unter seinen Volksgenossen, sich zu entweihen.“ (3. Mose 21, 1-4 Rev. Elb.)
Wäre der Verletzte bereits tot gewesen, hätte der Priester sich verunreinigt, er wäre untauglich geworden für den Tempeldienst. Er hat also gänzlich korrekt nach dem Gesetz gehandelt - nach dem Buchstaben des Gesetzes.
Ähnlich ist es bei dem Leviten.
„Wer einen Toten berührt, die Leiche irgendeines Menschen, der wird sieben Tage unrein sein.“ (4. Mose 19,11 Rev. Elb.)
Er wäre zumindest für 7 Tage vom Tempeldienst ausgeschlossen gewesen. Also auch er hatte einen guten Grund möglichst nicht in Kontakt mit dem vermeintlich Toten zu kommen.
Nun hätten die Zuhörer wahrscheinlich erwartet, dass in dieser Geschichte jetzt der gottesfürchtige Jude vorbei kommt. Aber Jesus macht hier etwas schier Unvorstellbares: er lässt einen Samaritaner erscheinen. Das geht eigentlich gar nicht! Das ist so, als würde er in Fürth einen Clubberer erscheinen lassen.
Was ist eigentlich so schlimm an diesem Samaritaner? Warum gab es so einen Hass auf sie?
Wir wissen, dass Israel geteilt war und die Bevölkerung des Nordreichs in die assyrische Gefangenschaft verschleppt wurde. Assyrien hat das Gebiet des Nordreichs (Samaria) mit Kolonisten aus Persien und Babylon bevölkert (2. Kön. 17, 24 - 41). Diese Kolonisten brachten ihre eigenen Religionen mit und vermischten sich mit der geringen jüdischen Restbevölkerung und bildeten dann die Bevölkerung Samarias (eigentlich Samarier). Sie hatten ihre eigenen Religionen, wurden aber auch im jüdischen Glauben unterwiesen. Ein teil von ihnen glaubte an den Gott Israels, sie hatten ihr eigenes Heiligtum und beteten in Garizim an. Sie bildeten die spezielle Gruppe der „Shamerim“ (= Bewahrer), also die Samaritaner. Sie verstehen sich als Bewahrer des jüdischen Glaubens und akzeptieren nur die fünf Bücher Mose, weil sie der Meinung waren, dass die Juden sich danach vom Gott Israels entfernt hätten. Von den Juden wurden sie aus diesen Gründen abgelehnt.
Diese Gruppe existiert übrigens noch heute (ca. 750 Mitglieder).
Ob es sich in diesem Gleichnis nun um einen Samarier oder Samaritaner handelt ist unklar, beides war auf jeden Fall gleichermaßen undenkbar. Sie wurden öffentlich verflucht, es war undenkbar mit ihnen zu essen oder Gemeinschaft zu haben oder sich von ihnen auch noch helfen zu lassen.
Der Samaritaner half nicht um eine Gesetzesnorm zu erfüllen, sondern aus Mitleid. Er wurde innerlich bewegt. Die Liebe trieb ihn. Erinnert Euch: das Gesetz hängt am Haken der Liebe.
Jesus dreht nun die Frage des Gelehrten um. Die Frage ist nicht, wen kann ich eindeutig als „Nächsten“ definieren, sondern an wem kann ich als „Nächster“, als Mitmensch handeln.
Die Geschichte verdeutlicht auch, dass das Gesetz niemanden helfen kann. Der Priester und der Levit verkörpern dieses Gesetz und zeigen die Unfähigkeit des Gesetzes auf. Religion kann nicht erretten. Nur der Heiland kann dies. Der Samaritaner ist ein Bild für Jesus, den Erretter.
Was bedeutet es für uns?
Zunächst mal: wir sind alle auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen. Keiner kann sich selbst erretten.
Aber auch: lasst uns aufmerksam sein für die Not und die Bedürfnisse der Mitmenschen um uns herum. Im Zweifelsfall kann man auch fragen: „Kann ich ihnen helfen?“ Lasst uns bereit sein unseren geplanten Tagesablauf auch mal zu unterbrechen.
AMEN
(Gebet in kleinen Gruppen, dass wir „Oasen“ der Barmherzigkeit für unsere Mitmenschen sind)
Dienstag, 1. Januar 2013
Termine und Aktuelles Januar 2013
06.01. dezentrale Hausgottesdienste (Orte bitte erfragen)
13. - 20.01. Gebetswoche der Evangelischen Allianz: "Unterwegs mit Gott"
http://www.ead.de/allianzgebetswoche.html
13.01. 10.00 Uhr LKG Gebetsgottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "...weil er sich gedmütigt hat")
14.01. Mo 19.00 Uhr Hardenberg-Gymnasium (Mensa)
15.01. Di 19.00 Uhr LKG Gebhardtstraße
16.01. Mi 19.00 Uhr Rathaus (Sitzungssaal)
17.01. Do 10.00 Uhr LKG Rosenstraße
17.01. Do 18.00 Uhr Klinikum Fürth (Kapelle)
18.01. Fr 20.00 Uhr FCGF (Jugendgottesdienst)
19.01. Sa 10.00 Uhr Heilsarmee
19.01. Sa 19.00 Uhr St. Johannis, Burgfarrrnbach (Gebetskonzert mit Jonny Pechstein)
20.01. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Der barmherzige Samariter")
27.01. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst (Predigt Christiane Ahnert, Naomi Ruth e.V., Thema: "Weihnachten, die Ankunft des Messias")
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
13. - 20.01. Gebetswoche der Evangelischen Allianz: "Unterwegs mit Gott"
http://www.ead.de/allianzgebetswoche.html
13.01. 10.00 Uhr LKG Gebetsgottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "...weil er sich gedmütigt hat")
14.01. Mo 19.00 Uhr Hardenberg-Gymnasium (Mensa)
15.01. Di 19.00 Uhr LKG Gebhardtstraße
16.01. Mi 19.00 Uhr Rathaus (Sitzungssaal)
17.01. Do 10.00 Uhr LKG Rosenstraße
17.01. Do 18.00 Uhr Klinikum Fürth (Kapelle)
18.01. Fr 20.00 Uhr FCGF (Jugendgottesdienst)
19.01. Sa 10.00 Uhr Heilsarmee
19.01. Sa 19.00 Uhr St. Johannis, Burgfarrrnbach (Gebetskonzert mit Jonny Pechstein)
20.01. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Der barmherzige Samariter")
27.01. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst (Predigt Christiane Ahnert, Naomi Ruth e.V., Thema: "Weihnachten, die Ankunft des Messias")
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
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