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Mittwoch, 16. November 2022

Predigt von Norbert Wohlrab (13.11.2022)

Das Gleichnis vom Richter und der Witwe

Für die heutige Predigt greife ich wieder auf den offiziellen Predigttextes des Kirchenjahres zurück. Und zwar steht er diesmal in Lukas 18, 1-8: das Gleichnis vom Richter und der Witwe.

Es ist ein uns relativ bekanntes Gleichnis. Ein kurzes Gleichnis. Ein Gleichnis mit eigentlich klaren Aussagen und doch ein paar unklaren Elementen. Ein Gleichnis, dass manche Nuancen enthält, die man auf den ersten Blick überliest und ich muss zugeben, manches davon habe ist mir jetzt auch erst beim Vorbereiten dieser Predigt aufgefallen.

Lesen wir es erst einmal zusammen:

„1 Er sagte ihnen aber auch ein Gleichnis dafür, dass sie allezeit beten und nicht ermatten sollten,
2 und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der Gott nicht fürchtete und vor keinem Menschen sich scheute.
3 Es war aber eine Witwe in jener Stadt; und sie kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegenüber meinem Widersacher!
4 Und eine Zeit lang wollte er nicht; danach aber sprach er bei sich selbst: Wenn ich auch Gott nicht fürchte und vor keinem Menschen mich scheue,
5 so will ich doch, weil diese Witwe mir Mühe macht, ihr Recht verschaffen, damit sie nicht am Ende kommt und handgreiflich wird.
6 Der Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt!
7 Gott aber, sollte er das Recht seiner Auserwählten nicht ausführen, die Tag und Nacht zu ihm schreien, und sollte er es bei ihnen lange hinziehen?
8 Ich sage euch, dass er ihr Recht ohne Verzug ausführen wird. Doch wird wohl der Sohn des Menschen, wenn er kommt, den Glauben finden auf der Erde?“
(Lk. 18, 1 - 8 ELB)


Der Anfang ist ja schon einmal ganz klar. Die Zielsetzung dieses Gleichnisses ist es, die Jünger zum anhaltenden Beten zu ermutigen. Sie sollen - also wir sollen - „allezeit beten und darin nicht nachlassen“ (EÜ), „beständig…beten und nicht auf(zu)geben“ (NLB) oder „unablässig beten…ohne sich entmutigen zu lassen“ (NGÜ). So heißt es in den verschiedenen Bibelübersetzungen. Dieser Vers ist quasi wie eine Überschrift und gleichzeitig auch die Hauptaussage dieser Verse.

Dann lesen wir zunächst von einem Richter. Wie war das damals in Israel mit den Richtern? Im 5. Buch Mose 16, 18-20 lesen wir:

„Richter und Aufseher sollst du dir einsetzen in allen deinen Toren, die der HERR, dein Gott, dir nach deinen Stämmen gibt, damit sie das Volk richten mit gerechtem Gericht. Du sollst das Recht nicht beugen, du sollst die Person nicht ansehen und kein Bestechungsgeschenk nehmen. Denn das Bestechungsgeschenk macht die Augen der Weisen blind und verdreht die Sache der Gerechten. Der Gerechtigkeit ⟨und nur⟩ der Gerechtigkeit sollst du nachjagen, damit du lebst und das Land in Besitz nimmst, das der HERR, dein Gott, dir gibt. (ELB)“

Es waren also in allen Städten (Toren) Richter eingesetzt um Rechtsstreitigkeiten zu regeln und zwar sollten sie dies tun
  • ohne das Recht zu beugen,
  • ohne Ansehen der Person und
  • ohne Bestechungsgeschenke zu nehmen.
Sie sollten vielmehr der Gerechtigkeit nachjagen.

Anders jedoch unser Richter hier in dem Gleichnis. Ihm waren die Maßstäbe der Bibel egal, ihm war Gott egal und die Menschen waren ihm auch egal. Er fragte nicht nach Gott und nahm auf keinen Menschen Rücksicht. Ihm war es egal, was andere über ihn sagten. Er kümmerte sich nicht um Recht und Unrecht. Seine Empathie ging gegen Null. Er dachte nur an seine eigenen Interessen.

Das war wohl nicht der Normalzustand des Rechtswesens zur damaligen Zeit, sondern vermutlich eher eine Ausnahme. Aber Jesus bedient sich in diesem Gleichnis dieser Ausnahme.

Dann haben wir in dieser Stadt auch eine Witwe, der scheinbar Unrecht geschehen ist. Sie kommt zu dem Richter und will ihr Recht: „Verhilf mir in der Auseinandersetzung mit meinem Gegner zu meinem Recht!“ (V. 3 NGÜ)

Dazu müssen wir uns vor Augen halten, dass eine Witwe zu dieser Zeit eine schutz- und wehrlose Frau war, die keinen natürlichen Beschützer mehr hatte. Ohne Mann, ohne Haupt hatte sie niemanden mehr, der sie versorgte und sie verteidigte. V.a. wenn sie noch keine erwachsenen Söhne hatte.

Deshalb gebührt den Witwen und zwei anderen Gruppen, die ähnlich benachteiligt waren, nämlich den Waisen und den Fremdlingen, ganz besonders der Schutz Gottes.

„Den Fremden sollst du weder unterdrücken noch bedrängen, denn Fremde seid ihr im Land Ägypten gewesen. Keine Witwe oder Waise dürft ihr bedrücken. Falls du sie in irgendeiner Weise bedrückst, dann werde ich, wenn sie wirklich zu mir schreien ⟨muss⟩, ihr Geschrei gewiss erhören, und mein Zorn wird entbrennen, und ich werde euch mit dem Schwert umbringen, sodass eure Frauen Witwen und eure Kinder Waisen werden.“ (5. Mose 22, 20 - 23 ELB)

Gott stellt sich hier als Rächer der Unterdrückten dar. „Wenn Du die Witwe bedrückst dann mach ich Deine Frau zur Witwe und Deine Kinder zu Waisen!“ Das ist schon mal eine starke Drohung.

Eine Witwe war also in einer prekären Lebenssituation und hatte nur wenige rechtliche Möglichkeiten, dem abzuhelfen. Es gab ein paar Schutzvorschriften:
  • wenn sie noch kinderlos war, hatte sie das Recht der Schwagerehe (5. Mose 25, 5-10) (so war sie wieder versorgt und die Schmach der Kinderlosigkeit konnte getilgt werden)
  • man durfte sie nicht übervorteilen und es gab eine Art Pfändungsfreigrenze (5. Mose 24,17) (man durfte ihr bspw. das Kleid nicht pfänden)
  • sie hatte bei bestimmten religiösen Festen Anspruch auf den Zehnten oder Teilnahme an den Mahlzeiten (5. Mose 14,28; 16, 11.14) (bspw. Beim Wochen- und beim Laubhüttenfest; Ereignisse in größeren Abständen, Zehnten alle drei Jahre) und
  • sie hatte das Recht der Nachlese bei der Ernte (5. Mose, 24, 19 - 22).

Als dies war im Gesetz geregelt. Aber ich denke mir, dass dies vermutlich trotzdem nicht besonders viel war.
Wie oft im Jahr wurde geerntet?
Wie oft im Jahr konnte sie sich am Tisch beim Laubhüttenfest oder Wochenfest satt essen?
Viele Witwen waren vermutlich auf weitere Almosen angewiesen. Deshalb haben sich auch die jungen christlichen Gemeinden ganz besonders der Witwen angenommen.

Aus so einer Situation heraus kommt jetzt unsere Witwe und ihr wurde Unrecht angetan. 

Vielleicht verweigerte ihr der Schwager die Ehe?
Vielleicht hinderte ein Bauer sie an der Nachlese?
Vielleicht wollte ein Gläubiger ihr ihre Kleidung pfänden?
Vielleicht wurde sie auch nur bei einem Handel übervorteilt?
Wir wissen es nicht. Es war ein Unrecht und nur der Richter kann ihr zu ihrem Recht verhelfen. Aber er tut nichts.

Aber unsere Witwe ist penetrant. Sie hat Ausdauer. Sie kommt immer und immer und immer wieder und irgendwann hat der Richter die Schnauze voll und hat Angst vor ihr geschlagen zu werden - sie war wohl besonders energisch im Auftreten - und gibt endlich nach und verhilft ihr zu ihrem Recht. Nicht weil er auf einmal der Gerechtigkeit nachjagt, sondern weil er einfach kein blaues Auge will.

Und dann sagt Jesus: Hört was der ungerechte Richter sagt! Schaut auf den ungerechten Richter! Der ungerechte Richter verschafft Recht!

Aber Jesus sagt jetzt nicht: so ist Gott! Niemals hat dieses Gleichnis die Intention Gott mit einem ungerechten Richter zu vergleichen, der genötigt werden muss um Recht zu sprechen. Der Richter ist vielmehr das Gegenteil von Gott, die Antipode sozusagen. Schaut auf den Richter, denn so ist Gott eben nicht. „Gott aber“ sagt Jesus, „wie viel mehr wird Gott“ im Gegensatz zu diesem Richter….

Was eigentlich? Was wird Gott? Geht es um Gebetserhörungen? Da erleben wir manchmal etwas anderes. Und jetzt muss man dieses Gleichnis genau lesen.

„Ich sage euch, dass er ihr Recht ohne Verzug ausführen wird. “ (V. 8 ELB)

Es heißt „ihr Recht“! Es geht hier wieder ums Recht! Die Witwe hat ihr Recht gefordert. Was ist denn unser Recht? Haben wir ein Recht auf die Erhörung all unserer Gebete, die Erfüllung all unserer Wünsche, ein schönes Leben in Kraft und Gesundheit, die Verwirklichung unseres Glückes? (Das gilt nur für Amerikaner.) Um all das dürfen wir beten, aber in diesem Gleichnis geht es um unser Recht. Die Zusage der schnellen Umsetzung bezieht sich auf unser Recht! Was ist denn unser Recht?

„Da wir nun gerechtfertigt worden sind aus Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesus Christus“ (Röm. 5,1 ELB)

und weiter

„die er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht.“ (Röm. 8,30 ELB)

Das ist unser Recht: unsere Erlösung! Durch das vollkommen Opfer Jesu haben wir jetzt ein Recht auf unser Heil! Die Gnade Gottes wurde am Kreuz zu einem mit Blut geschriebenen Bund, der unauflösbar ist. Das ist unser Recht!

„Rechtmäßig um Jesu willen - steht uns die Gnade Gottes zu und der Trost, der mit dieser Gnade verbunden ist.
Rechtmäßig um Jesu willen - steht uns Gottes Vergebung zu und der Frieden, der mit dieser Vergebung verbunden ist.
Rechtmäßig um Jesu willen - steht uns das ewige Leben zu und die Hoffnung, die damit verbunden ist.“ (Pfr. Rainer Trischmann)


Es geht also um unser Recht auf Herrlichkeit, auf Ewigkeit, auf Erlösung, auf Heil durch das Wirken Jesu.

Aber es wird noch konkreter. Es gibt nämlich noch einen ganz bestimmten Vorgang auf den hier Bezug genommen wird. Bei genauer Analyse dieses Textes entfremdet er sich mehr und mehr von dem, was man darin oberflächlich betrachtet vermutet. Es geht hier nämlich um das Geschehen bei der Wiederkunft Christi:

„Doch wenn der Menschensohn wiederkommt“ (V. 8 NLB)

heißt es am Ende dieses Abschnitts. Das allein ist noch nicht so aussagekräftig, aber wenn wir uns den Kontext anschauen, stellen wir fest, dass Jesus direkt davor den Jüngern das Geschehen bei der Wiederkunft schildert. Er erklärt ihnen auf was sie vorbereitet sein müssen. Und er spricht davon, dass dieses Geschehen blitzartig sein wird.

„Denn wie der Blitz aufleuchtet und den Himmel von einem Ende zum anderen erhellt, so wird es an dem Tag sein, an dem der Menschensohn kommt“ (Lk. 24,17 NGÜ)

Dieses Gleichnis ist also thematisch eingebettet in Reden über die Wiederkunft Christi.

Und wenn man das jetzt weiß, dass es

  • um das Recht auf Heil und Erlösung und
  • um die Wiederkunft Christi geht,

dann bekommen die Verse 7 und 8 eine etwas andere Richtung.

„Gott aber, wird er nicht seinen Auserwählten Recht schaffen, die Tag und Nacht zu ihm rufen, wenn er auch lange zuwartet mit ihnen? Ich sage euch: Er wird ihnen schnell Recht schaffen!“ (V.7.8a SLT)

Gott wartet bis er das Recht der Auserwählten offenbar werden lässt. Er wartet immer noch. Schon 2000 Jahre. Aber wenn dieser Tag anbricht, dann wird es schnell gehen, unverzüglich, in Eile, wie der Blitz.
Diese Aussage über das sehr schnelle Handeln und Recht schaffen bezieht sich nicht auf die Gesamtdauer (2000), sondern auf den Vorgang des Handelns am Tag des Herrn (Blitz).
Und dann kommt die Abschlussfrage dieses Abschnitts:

„Doch wenn der Sohn des Menschen kommt, wird er auch den Glauben finden auf Erden?“ (V. 8b SLT)

Hier steht nicht einfach Glauben finden, sondern wird er „den Glauben finden“ oder „solch einen Glauben finden.“

Es geht um eine ganz besondere Art von Glauben. Hier müssen wir uns den Anfang und das Ende dieser Rede als Klammer vorstellen. Es geht um einen Glauben, der unermüdlich betet, beständig betet, ein Schreien zu Gott Tag und Nacht!

Und um was soll gebetet werden? Die Auserwählten haben auf die Wiederkunft Jesu gewartet, sie haben darauf gewartet erlöst zu werden von dem Bösen in dieser Welt, von der Verfolgung und Bedrückung, sie haben darauf gewartet in das Reich des Herrn versetzt zu werden. Das Gebet um das es hier geht, heißt kurz ausgedrückt „Dein Reich komme“.

Wird Jesus, wenn er wiederkommt diese Art von Glauben vorfinden in Deutschland, in Fürth, in der CGF, bei den Wohlrabs? Findet er hier Gläubige, die beten: „Herr, wann kommst Du? Wann kommst Du endlich? Lass Deine Herrschaft und Herrlichkeit sichtbar werden in dieser Welt. Herr, komme  bald!“

Ich glaube ehrlich gesagt, er wird nicht viele finden. Weil es uns einfach viel zu gut geht, weil wir in vielen Bereichen gesegnet sind, weil wir uns des Lebens und unserer Lieben freuen und ja auch danach streben das Reich Gottes in unserem Leben umzusetzen.

Wir halten keine Ausschau nach seiner Wiederkunft und beten nicht darum. Wir wünschen uns eines Tages alt und lebenssatt zu sterben und dann irgendwann in den Himmel oder die neue Erde kommen. Oder? Ist es nicht so?

Ist das falsch? Nun ich glaube nicht. Unser Leben ist ein Geschenk Gottes und das Ziel eines jeden Lebens ist es ja mit Gott zu leben, seine Werke zu tun, nach seinem Willen zu leben.

Wenn ich bete „Dein Reich komme“ denke ich daran, dass sich sein Reich mehr und mehr in mir und durch mich und um mich verwirklicht, dass ich dazu beitrage es Gestalt werden zu lassen. So spricht ja auch Jesus - gerade im Kapitel vorher - dass das Reich Gottes mitten unter uns ist (Lk. 17,21).

Ich will jetzt aber diese Spannung nicht auflösen und den Text seine Dramaturgie nehmen.

Trotzdem ist es wichtig, dass wir nicht nur das gegenwärtige Reich Gottes, sondern auch das kommende Reich Gottes im Blick haben, erstreben, erbeten, nicht nur den Christus in uns Gestalt werden lassen, sondern auch den wiederkommenden Christus erwarten. Ich denke, nur so können wir gleichzeitig „in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt“ leben. Es ist manchmal eine Korrektur nötig, wenn man im Sattel zu sehr auf einer Seite runter rutscht.

Ich komme zum Schluss. Zusammenfassend lehrt uns dieses Gleichnis drei Dinge:

  1. die allgemein gültige Aussage ist: anhaltend zu beten und nicht nachzulassen. Das ist immer richtig und gilt für alle Belange.
  2. speziell für das kommende Reich Gottes zu beten, das Ewige nicht aus dem Fokus zu verlieren oder wieder in den Fokus zu bekommen (Advent ist hier vielleicht eine thematische Hilfe) und
  3. hat es auch eine sozialkritische Dimension. Vielleicht hat Jesus bewusst eine Frau in prekären Verhältnissen ausgesucht. Wir können uns daher fragen: Wo sind Benachteiligte in unserer Gesellschaft oder praktischer in meinem privaten Lebensumfeld, für die ich eintreten kann?


AMEN.

Montag, 15. April 2013

Predigt Von Norbert Wohlrab (14.04.2013)

Die Freiheit des Evangeliums, Teil 1: Vergebung 
Link zur mp3-Version von "Vergebung" 

Nachdem ich mich vor rund 30 Jahren bekehrt hatte, besuchte ich die ersten Jahre die Jugendgruppe der Brüdergemeinde in meiner Heimatstadt Selb. Dort war es so üblich, dass man reihum ein Thema für den Abend vorbereitet hat. Das erste oder zumindest eines der ersten Themen, das ich damals vorbereitet hatte, war „Freiheit und Heiligung“. Auch nach so vielen Jahren des Lebens als Christ, ist die christliche Freiheit, Freiheit und Evangelium, die Freiheit vom Gesetz usw. immer noch oder wieder ein sehr wichtiges Thema für mich.
Inspiriert von zwei Büchern von Andrew Farley („Das nackte Evangelium“ und „Gott ohne Religion“), die ich in den letzten Wochen mehrmals gelesen habe und mir eine völlig neue Sicht auf manche Aspekte dieser Freiheit eröffnet haben und die ich sehr empfehlen kann, möchte ich heute eine Predigtreihe beginnen zum Thema „Die Freiheit des Evangeliums“. Heute wird es zunächst um Vergebung gehen.

Vergebung ist das zentrale Thema des christlichen Glaubens. Darum geht es letztlich. Alle sind Sünder und brauchen Vergebung. Darum ist Jesus in die Welt gekommen. Dies ist alles klar wie Kloßbrühe. Trotzdem ist unser theologischer Umgang damit nicht immer so klar. Doch dazu später.

Für den Reformator Luther hat sich eine Frage besonders gestellt: „Wie bekomme ich Sünder einen gnädigen Gott?“ Luther war sehr streng mit sich selbst und war sich bewusst, dass er ein Sünder war und diese Frage hat ihn umgetrieben und gequält. Und dann hat er den Römerbrief ganz neu entdeckt und verstanden: Ich werde umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade!

„und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist.“ (Röm. 3,24 Rev. Elb.)

Nicht durch irgendwelche Gesetzes-Werke, sondern allein durch den Glauben (Röm. 3,28).

Mit der Gnade ist das jedoch so eine Sache. Denn der Begriff „Gnade“ beinhaltet - zumindest in unserem Wortverständnis - etwas von Willkür, von der Möglichkeit der Rücknahme, des Verweigerns. Gnade ist ja etwas Freiwilliges. In der Geschichte setzt Gnade immer milde und großmütige Autoritäten voraus, was nicht zwingend gegeben war.

Natürlich wissen wir, dass Gottes Gnade unumstößlich ist. Es heißt ja:

„Denn ich werde gegenüber ihren Ungerechtigkeiten gnädig sein, und ihrer Sünden werde ich nie mehr gedenken." (Hebr. 8,12 Rev. Elb.)

Und ich weiß nicht, wie es bei Euch ist, aber wenn ich an etwas nicht mehr denke, dann habe ich es vergessen. Gott spricht also aus, dass er unsere Sünden für immer vergessen wird.

Aber trotzdem, wie können wir wissen, dass wir uns auf die Gnade Gottes verlassen können? Wenn Gnade doch eigentlich etwas Freiwilliges ist?
Die Antwort ist, weil sich die Gnade Gottes am Kreuz manifestiert hat. Dort am Kreuz hat Gott einen Bund mit uns gemacht, den er selbst mit seinem Blut unterschrieben hat, den er selbst durch sein Blut festgemacht hat. Und dieser Bund ist unauflöslich. Durch diesen Bund wurde die Gnade Gottes sozusagen festgenagelt. Es ist, als ob Gott mit sich selbst einen Vertrag abgeschlossen hat.
Mit wem eigentlich sonst? Mit uns? Der Vertrag hätte nicht lange gehalten.

„Christus hingegen brachte sich selbst als Opfer dar, und er brauchte das nur ein einziges Mal zu tun. Andernfalls hätte er ja seit der Erschaffung der Welt schon viele Male leiden ´und sterben` müssen. Tatsache jedoch ist, dass er nur einmal in die Welt kam – jetzt, am Ende der Zeiten –, um uns durch das Opfer seines eigenen Leibes von der Sünde zu befreien....Und weil Jesus Christus den Willen Gottes erfüllt und seinen eigenen Leib als Opfer dargebracht hat, sind wir jetzt ein für alle Mal geheiligt. Jeder andere Priester steht Tag für Tag ´am Altar`, um seinen Dienst zu verrichten, und bringt unzählige Male die gleichen Opfer dar, die doch niemals imstande sind, Sünden wegzunehmen. Christus dagegen hat sich, nachdem er ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht hat, für immer auf den Ehrenplatz an Gottes rechter Seite gesetzt. Denn mit diesem einen Opfer hat er alle, die sich von ihm heiligen lassen, völlig und für immer von ihrer Schuld befreit...Das bestätigt uns auch der Heilige Geist. In der Schrift heißt es nämlich zunächst: »Der zukünftige Bund, den ich mit ihnen schließen werde, wird so aussehen: Ich werde – sagt der Herr – meine Gesetze in ihre Herzen legen und werde sie in ihr Innerstes schreiben.« Und dann heißt es weiter: »Ich werde nie mehr an ihre Sünden und an ihren Ungehorsam gegenüber meinen Geboten denken.« Wo aber die Sünden vergeben sind, ist kein weiteres Opfer mehr dafür nötig.“ (Hebr. 9,25b.26...10,10-12.14-18 NGÜ)

Dieser Bund, dieser Vertrag wurde vollzogen durch das Opfer Jesu, er hat Gültigkeit erlangt durch seinen Tod. Und er gilt seitdem, weil das Opfer ein für alle Mal geschehen ist, weil es für alle Zeiten Gültigkeit hat.

Johannes schreibt: „Ich schreibe euch, Kinder, weil euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen.“ (1. Joh. 2,12)

oder Paulus: „...so wie auch Gott in Christus euch vergeben hat!“ (Eph. 4,32b)

oder

„In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Eph. 1,7)

Die Apostel drücken es ganz deutlich aus: Vergebung ist etwas, das wir haben. Etwas, das ein für alle mal geschehen ist. Etwas das Gott mit seinem Blut unterschrieben hat. Etwas, worum wir uns nie mehr Gedanken machen müssen.

Es gibt nur eine Voraussetzung, ich muss mit Gott darin übereinstimmen, dass ich ein Sünder bin und im Glauben in Anspruch nehmen, dass Jesus mein Erlöser ist, dass er für mich gestorben ist und meine Schuld getragen hat. Dann habe ich Vergebung für alle Zeiten. Denn das Opfer Jesu war vollständig vollständig. Es ist vollbracht, erledigt. Deshalb kann Jesus jetzt zur Rechten Gottes sitzen. Ich könnte mir vorstellen, dass er dort im völligen Frieden ist.

Denn, er muss nichts mehr tun. Gott ist zufrieden gestellt. Der Gerechtigkeit ist genüge getan. Er muss nicht mehr neu ans Kreuz, wenn wir wieder neu sündigen. Sein Opfer gilt weiterhin.

Luther hat im Gegensatz zu den anderen Reformatoren ein Problem gehabt (ich hab übrigens kein Problem mit Luther, es war nur so dass die verschiedenen Reformatoren - Calvin, Zwingli oder die Täufer - alle ihre theologischen Mängel hatten, zusammen wären sie wahrscheinlich perfekt gewesen), er hat nämlich nicht wirklich erkannt, dass wir mit diesem Tausch am Kreuz, mit dieser Inanspruchnahme des Erlösungswerkes, auch eine neue Identität bekommen haben, dass unsere natürliche Existenz des Sünders mit der geistlichen Existenz des Gerechten getauscht wurde, dass eine neue Kreatur, eine neue Schöpfung entstanden ist.

„Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist er eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“ (2. Kor. 5,17 Rev. Elb.)

Luther sah den Christen immer noch als Sünder an und lehrte dementsprechend. Seine Sicht war in diesem Punkt verkürzt.

Ich mag noch sündigen, aber ich bin kein Sünder mehr, weil ich von neuem geboren bin und der alte Mensch begraben wurde.

Wir sind der Sünde gestorben, wir sind frei von ihr, wir sind nun Gerechte, Gerechtfertigte (Röm. 5,8; 6,2.7). Und wir leben als solche, denen beständig vergeben ist.

Beständig vergeben?! Ist das wirklich unsere Theologie? Ist das wirklich unser Verständnis des Neuen Bundes?

Während meiner Studentenzeit engagierte ich mich bei „Campus für Christus“. Und eines der Prinzipien, das ich da gelernt hatte, nannte sich „Geistliches Atmen“. Wenn man gesündigt hatte, musste man Gott im Gebet wieder um Vergebung bitten und dann war man wieder im grünen, im geistlichen Bereich. Dann war alles wieder im Lot.
So oder so ähnlich haben es alle die, die pietistisch oder evangelikal geprägt wurden, gelernt. Aber ist das eigentlich biblisch? Muss ich als an Jesus Christus glaubender Mensch Gott um Vergebung bitten, wenn ich gesündigt habe?

(kurze Umfrage per Handhebung)

Fassen wir noch mal zusammen. Die Schrift sagt: Ihr habt Vergebung! Euch ist vergeben! Gott gedenkt unserer Sünden nicht! Das einmalige Opfer Christi ist für alle Zeiten einmalig gültig!

Brauche ich neue Vergebung, wenn ich gesündigt habe? Habe ich eine Pauschal-Vergebung für alle meine Sünden vor der Bekehrung, aber danach muss ich jede neu zu Gott bringen?

Bei den meisten der hier Anwesenden waren alle Sünden zeitlich gesehen nach dem Erlösungswerk auf Golgatha. Besteht ein Unterschied hinsichtlich seiner Wirkung bis 1983 (Jahr meiner Bekehrung) und nach 1983? Würde das Sinn machen? Oder was ist mit all den Sünden, die ich gar nicht bemerkt habe oder vergessen habe? Wie kann ich damit zu Gott gehen und um Vergebung bitten? Oder was ist wenn ich sterbe bevor ich um Vergebung beten konnte?

Liebe Geschwister, ich hoffe Ihr merkt wie kompliziert das alles wäre. Die Botschaft des Evangeliums ist: Ihr habt Vergebung! Diese Vergebung basiert auf keinen personalen geistlichen Akt des Bekennens und Vergebens, sie basiert auf dem Blut Jesu! 


Die Währung in der Schweiz sind Franken und in der Euro-Zone ist es der Euro. Die Währung in Gottes Vergebungs-Wirtschaft ist Blut! Denn „ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung“ (Hebr. 9, 22)!

„Nein, Jesus hat nur ein einziges Mal ein Opfer dargebracht, nämlich sich selbst, und dieses Opfer gilt für immer.“ (Hebr. 7,27b NGÜ)

Deshalb findet sich auch im NT keine einzige Stelle, in der Christen (!) dazu ermutigt werden, zu Gott um Vergebung für ihre Schuld zu bitten. Prüft das mal nach. Auf einige der strittigen Stellen werde ich gleich noch eingehen. Wir finden nur solche Stellen, die sich an Ungläubige oder an Menschen zeitlich vor dem Erlösungswerk Christi wenden oder lediglich vom Bekennen sprechen. Den Gläubigen dagegen wird gesagt: Euch ist vergeben!

Wir sind aber anders geprägt. Wir leben aus frommer Demut gedanklich in einem Hin- und Her. Und übersehen dabei, dass bereits alles getan ist. Wenn wir Gott neu um Vergebung bitten, wird Jesus nicht neu für uns sterben, sondern er sagt: Mein Bruder, meine Schwester, es ist vollbracht!
Bedenkt, die Währungseinheit ist Blut! Er muss nicht mehr neu ans Kreuz, wenn wir sündigen.

Genauso wie Michael seiner Regine in den rund 30 Jahren Ehe, nicht immer wieder sagen muss, dass er sie heiraten will, weil sie diesen Ehe-Bund bereits vollzogen haben. Er darf ihr seine Liebe bekunden, aber der Ehe-Bund gilt davon unabhängig, selbst wenn er am Standesamt nicht mit Blut unterschrieben wurde.
Am Anfang wäre das vielleicht noch witzig oder süß, aber irgendwann würde es ziemlich nerven.

Und liebe Gemeinde, auch wenn wir wissen, dass unsere menschlichen Ehe-Versprechen nicht immer automatisch bis zum Ende halten, wissen wir doch: Gott hält sein Ehe-Versprechen, sein Bundes-Versprechen.

Denn „wenn wir untreu sind - er bleibt treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen.“ (2. Tim. 2,13 Rev. Elb.) 


Aber jetzt kommt die Stellen, die ihr alle im Kopf habt. Was ist mit Bibelstellen wie

„Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.“ (1. Joh. 1,9 Rev. Elb.)

oder mit dem Vaterunser?

Wenn wir die Bibel lesen, tappen wir manchmal in zwei Fallen: zum einen berücksichtigen wir nicht, an wen sich der Autor bzw. der Redner sich wendet und zum anderen setzen wir manchmal nicht die richtige Brille auf. Wir brauchen nämlich eine besondere Brille, sagen wir mal eine 3D-Gleitsichtbrille. Ohne dies sehen wir verzerrt. Wir müssen zum einen die ganze Bibel aus der Perspektive des Evangeliums betrachten und zum anderen aus der Perspektive der Heiden-Christen.
Was wir aber machen ist, dass wir oft Aussagen, die an Juden oder Nicht-Juden, an Christen oder Nicht-Christen, an Erlöste oder Nicht-Erlöste, an unter-Gesetz-Stehende oder nicht unter-Gesetz-Stehende gerichtet sind, gleichrangig nebeneinander stellen und dann verwirrt sind, weil sie sich diametral widersprechen.

Und der Johannesbrief ist hier besonders gemein, weil Johannes nicht systematisch ein Thema abhandelt wie Paulus, der sehr strukturiert an die Sache ran geht, sondern er springt recht wüst hin und her. Wir haben ihn gerade im Hauskreis gelesen und sind mehrmals an ihm verzweifelt.

Da schreibt Johannes noch in einem Vers, dass man seine Sünde bekennen soll, damit man Vergebung bekommt und ein paar Verse weiter schreibt er, dass man Vergebung hat.  Hallo!? Wie passt das zusammen?

Johannes würde heute wohl Probleme mit jedem Lektor bekommen, wenn er seinen Brief veröffentlichen möchte. Aber was er da macht, ist eigentlich etwas, dass man auch in einer Predigt manchmal macht, wenn sich die Hörerschaft unterschiedlich zusammensetzt: er spricht verschiedene Leute an. Und ich muss zugeben, man hat keine Chance drauf zukommen, wenn man nicht verschiedene Kommentare und Bücher dazu wälzt.

Wenn ich jetzt predige: „Komm zum Kreuz und Du wirst Vergebung für Deine Schuld bekommen!“, dann macht diese Aussage für die meisten hier überhaupt keinen Sinn, weil sie schon einmal am Kreuz - in welcher Form auch immer - Jesus ihr Leben übergeben haben. Aber für diejenigen Anwesenden, die das noch nicht getan haben, würde sie Sinn machen, unabhängig ob sie der Aufforderung folgen oder nicht.

Dort in Kleinasien, wo die Gemeinden angesiedelt waren, an die sich Johannes hier wendet, gab es ein spezielles Problem. Es gab viele Gnostiker, die sich zu den christlichen Gemeinden gehalten haben und versucht haben dort Einfluss zu gewinnen. Und sie haben zwei Dinge gelehrt, nämlich zum einen, dass Jesus Christus nicht physisch auf der Erde gelebt hat und zum anderen, dass es keine Sünde gibt, weil Sünde nur körperlich stattfindet, wir aber Geistwesen sind.

Und dieser Gruppe von Menschen spricht Johannes jetzt zu: „Moment mal, ich habe Jesus gesehen und angefasst. Ich kannte ihn persönlich. Er war sehr wohl im Leib auf Erden! (1. Joh. 1,1)“ und zum anderen sagt er:

„Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.“ (1. Joh. 1,8 Rev. Elb.)

Und wenn jmd. sagt, dass er keine Sünde hat und daher keine Vergebung braucht, wenn er es dann also auch nicht braucht, dass ein physischer Jesus für seine Sünde gestorben ist, wenn die Wahrheit nicht in ihm ist, dann ist er was nicht? Er ist kein Christ!

Johannes wendet sich hier an Nicht-Christen, an die Gnostiker und sagt ihnen, dass sie Vergebung bekommen können, wenn sie ihre Sünde bekennen (1. Joh. 1,9). Dann haben sie genauso Vergebung wie die Kinder Gottes (1. Joh. 2,12).

Diese Stelle im ersten Johannesbrief ist keine Aufforderung an Christen, Gott immer wieder neu um Vergebung für ihre Schuld zu bitten, weil sie diese, weil wir diese ja bereits haben. Es gibt keine apostolische Lehre für diese Praxis. Wenn dies so wichtig für unser geistliches Leben wäre, würden wir es in weiteren Briefen der Apostel finden.

Im Jakobusbrief lesen wir zwar vom Bekennen von Schuld im Zusammenhang mit Krankheit und vom Zusprechen der Vergebung (Jak. 5, 13-16), aber nichts von einer Bitte um Vergebung zu erlangen. Wir finden keine Aufforderung diesbezüglich im NT mit Ausnahme des Vaterunsers. Dort lehrt Jesus seine Jünger, dass sie Gott regelmäßig um Vergebung bitten sollen. Wie passt das jetzt zusammen?

Ich möchte da heute noch keine abschließende Antwort darauf geben, da ich mich im nächsten Teil der Predigtreihe mit der heilsgeschichtlichen Einordnung verschiedener Aussagen Jesu beschäftigen möchte und da gehört das dann auch mit dazu. 


Nur ein paar Fragen zum Nachdenken:
Finden wir das Vaterunser in den apostolischen Schriften?
Paulus hatte den Auftrag den Heiden (= uns) das Evangelium zu bringen. Hat er es vergessen?
Wann hat Jesus das Vaterunser gelehrt. Vor oder nach seiner Kreuzigung?
Zu welcher Art von Menschen hat er gesprochen (Juden - Nicht-Juden, unter Gesetz - nicht unter Gesetz)?
Stimmt die Bedingung „wie auch wir vergeben“ eigentlich mit dem Evangelium überein?
Könnte es sein, dass das Vaterunser eigentlich ein Beispielgebet für Menschen vor der Erlösung ist?
Wenn man diese Fragen beantworten kann, kommt man bei der Einordnung des „Vaterunsers“ etwas weiter.

Wie gehen wir dann mit Sünde um? Wir sind uns wohl alle einig, dass wir hin und wieder sündigen.

Natürlich soll und darf man Reue zeigen, wenn man sündigt. Es ist allein schon aus seelsorgerlicher Sicht wichtig, seine Sünden zu bekennen (vgl. Jak. 5). Sünde zu bekennen, heißt mit Gott in der Bewertung übereinzustimmen. Es geht ja nicht darum meine Lieblosigkeiten und mein Fehlverhalten einfach zu ignorieren!

Und Du darfst das dann Gott gegenüber ausdrücken, wie Du möchtest, aber nicht um neu Vergebung zu erlangen, sondern aus Dankbarkeit, weil Du sie bereits erlangt hast.

Warum ist das wichtig? Spielt es wirklich eine Rolle, wie ich meine Gebete formuliere, wie ich meine Reue, mein Bedauern zum Ausdruck bringe? Ob ich jetzt um Vergebung bitte oder Vergebung in Anspruch nehme?

Vielleicht spielt die Formulierung nicht die entscheidende Rolle. Aber wir wissen, dass wir oft Probleme damit haben, dass unser Glaube vom Kopf ins Herz kommt. Wie viel schwieriger wird es, wenn wir in unserem Kopf schon falsch denken?!

Luther hielt sich zeitlebens für einen Sünder, deshalb hatte er mangels besserer Erkenntnis das NT an manchen Stellen auch falsch übersetzt, wo er aus dem Verb „sündigen“ das Substantiv „Sünder“ gemacht hat.
Aber wir wechseln nicht unser Leben lang zwischen Sünder und Gerechter, wir sind Gerecht(fertigt)e!
Wir wechseln nicht zwischen Verlorenen und Erlösten, wir sind erlöste Kinder Gottes!
Wir wechseln nicht ständig von nicht vergeben zu vergeben, uns ist vergeben!

Wenn wir hier denken, wir müssten immer wieder neu die Vergebung Gottes erlangen, zweifeln wir letztlich daran, - wenn wir das jetzt mal theologisch zu Ende denken - dass das Werk Jesu für uns wirklich vollkommen vollkommen war und schaffen ein neues religiöses System: Gerechtfertigt aus Gnade und meinem regelmäßigen Bitten um Vergebung. Und damit zweifeln wir an Gottes Zusagen. Und der Zweifler hat Probleme im Glauben.

„Er bitte aber im Glauben, ohne irgend zu zweifeln; denn der Zweifler gleicht einer Meereswoge, die vom Wind bewegt und hin und her getrieben wird. Denn jener Mensch denke nicht, dass er etwas von dem Herrn empfangen werde, ist er doch ein wankelmütiger Mann, unbeständig in allen seinen Wegen.“ (Jak. 1, 6-8 Rev. Elb.)

Und Johannes drückt es so aus:

„Geliebte, wenn das Herz uns nicht verurteilt, haben wir Freimütigkeit zu Gott, und was immer wir bitten, empfangen wir von ihm.“ (1. Joh. 3, 21.22a Rev. Elb.)

 
Daher hatte die Taufe der Gläubigen auch die Funktion ein Symbol für die vollzogene Vergebung Gottes zu sein. Damit man ein gutes Gewissen haben konnte und leichter Gewissheit im Glauben haben konnte.

„Das Abbild davon errettet jetzt auch euch, das ist die Taufe - nicht ein Ablegen der Unreinheit des Fleisches, sondern die Bitte an Gott um ein gutes Gewissen - durch die Auferstehung Jesu Christi.“(1. Petr. 3,21 Rev. Elb.)

Deshalb heißt es in den Briefen des NT auch nicht mehr wie im Vaterunser: vergebt einander, damit auch Euch vergeben wird, sondern genau umgekehrt, vergebt einander, weil Euch vergeben ist.

„Seid aber zueinander gütig, mitleidig, und vergebt einander, so wie auch Gott in Christus euch vergeben hat!“ (Eph. 4,32 Rev. Elb.)

Dies ist jetzt die andere Seite der Vergebung. Auch wir sollen einander vergeben. Aus Dankbarkeit, weil uns vergeben ist.


AMEN.