Die kanaanäische Frau
Ich möchte heute mit Euch einen Text betrachten, über den ich neulich gestolpert bin. Und zwar die Begegnung von Jesus mit der kanaanäischen Frau, von der uns bei Matthäus und bei Markus berichtet wird.
„21 Und Jesus ging weg von dort und entwich in die Gegend von Tyrus und Sidon.
22 Und siehe, eine kanaanäische Frau kam aus diesem Gebiet und schrie: Ach, Herr, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt….
28 Da antwortete Jesus und sprach zu ihr: Frau, dein Glaube ist groß. Dir geschehe, wie du willst! Und ihre Tochter wurde gesund zu derselben Stunde.“ (Mt. 15, 21-28 Luther)
So kennen wir Jesus. Er heilt und befreit und begegnet den Nöten der Menschen. Aber den Bibelkennern unter uns ist vielleicht etwas aufgefallen?
Genau, hier fehlt der Mittelteil des Abschnittes. Da passiert nämlich noch etwas dazwischen. Der Mittelteil lautet nämlich. (Meine Tochter wird von einem bösen Geist übel geplagt….)
„23 Er aber antwortete ihr kein Wort. Da traten seine Jünger zu ihm, baten ihn und sprachen: Lass sie doch gehen, denn sie schreit uns nach.
24 Er antwortete aber und sprach: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.
25 Sie aber kam und fiel vor ihm nieder und sprach: Herr, hilf mir!
26 Aber er antwortete und sprach: Es ist nicht recht, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde.
27 Sie sprach: Ja, Herr; aber doch essen die Hunde von den Brosamen, die vom Tisch ihrer Herren fallen.“
Äh, Moment, so kennen wir Jesus eigentlich nicht. Jesus sagt doch: „wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“ (Joh. 6,37). Und jetzt hier, dieses schroffe Ignorieren und Abweisen dieser leidenden Frau?!
Den Jüngern ging es hier wohl so ähnlich, wie wenn man auf einer Party jmd. vorstellt, den man meint sehr gut zu kennen und dann verhält sich der auf einmal völlig anders.
Aber schauen wir uns die Begebenheit mal der Reihe nach an.
Jesus war in Galiläa unterwegs. Er speiste die Fünftausend, rettete Petrus aus Seenot, heilte viele Menschen in Genezareth und setzte sich mit Pharisäern und Schriftgelehrten auseinander. Und dann wollte er ihnen entkommen und „entwich in die Gegend von Tyrus und Sidon“.
Im Paralleltext bei Markus steht: „Und er ging in ein Haus und wollte es niemanden wissen lassen“ (Mk. 7,24).
Die Beweggründe sind nicht ganz klar. Aber auf jeden Fall hat sich Jesus zurückgezogen. Von Galiläa rund 60 - 90 km nach Tyrus und Sidon. 2-3 Tagesmärsche. Nur er mit seinen Jüngern. Es scheint, als wollte Jesus einfach seine Ruhe. Vielleicht dem Massenandrang entkommen. Vielleicht sich der Verfolgung entziehen. Vielleicht einfach auftanken. Einfach Ruhe. Das versteh ich. Ich will im Urlaub auch keinen Trubel um mich rum.
Keine Juden, keine Pharisäer, keine Schriftgelehrten. Keine Menschen die was von ihm wollten und auch keine Menschen die ihn etwas Böses tun wollten. Niemand, der sich für ihn interessiert hat, denn Tyrus und Sidon sind zwei Städte in Syro-Phönizien, dem heutigen Libanon, weit außerhalb des jüdischen Staatsgebietes, tief im Heidenland.
Kurz vorher hatte er den Pharisäern noch klar gemacht, dass nicht das Äußerliche den Menschen verunreinigt. Er hatte keine Berührungsängste mit den Heiden.
Jesus hatte sich also eine Art von Urlaub, eine Art Auszeit genommen. Aber das mit der Ruhe hat nicht ganz geklappt, denn er „konnte doch nicht verborgen bleiben“ (Mk. 7,24) heißt es. Auch im Ausland hatte man schon von seinen Wundertaten gehört.
Dann kommt eben diese kanaanäische Frau zu ihm. Markus beschreibt sie als „Griechin aus Syrophönizien“ (Mk. 7,26), deren Tochter dämonisiert ist.
Kanaan ist die alte Bezeichnung für die Region, Syro-Phönizien die gegenwärtige, also kein Widerspruch. Aber Griechin? Das bedeutet wohl die Zugehörigkeit zur hellenistischen Kultur der Oberschicht in dieser Region. Tyrus und Sidon waren reiche Handelsstädte, hellenistisch und multireligiöse geprägte Städte.
Die Frau spricht Jesus an als Sohn Davids. Und Jesus reagiert erstmal gar nicht. Er sagt nichts. Kein Wort. Das schmerzt richtig beim Lesen.
Die Jünger sind schon genervt von ihrem Geschrei und bitten ihn, dass er etwas macht. Und dann erklärt Jesus - eigentlich den Jüngern - seine Haltung. „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“
Jesus hatte eine klare Mission von seinem Vater bekommen. Er war der Messias Israels. Ja, er war der Sohn Davids. Aber diese Frau war keine Tochter Davids. Sie war eine Heidin.
Er war zu den verlorenen Schafen Israels gesandt. Zum Volk Israel. Er sollte die loskaufen, die unter dem Gesetz waren (Gal. 4,4). Gott ist zunächst „nur“ der Gott Israels, nicht der Gott anderer Völker.
Es gab natürlich von Anfang an den Plan, dass dies nicht das Endziel ist. Zu Abraham sagte Gott: „und in dir und in deiner Nachkommenschaft sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde“ (1. Mose 28,14 Rev. Elb.) und es gab Verheißungen im AT, dass die Schranke zu den Heiden einmal weggerissen werden wird. Aber das war zu dieser Zeit noch Zukunftsmusik.
„Geht nicht den Weg zu den Heiden und zieht nicht in eine Stadt der Samariter“ (Mt. 10,5 Luther), sagte Jesus, als er die Zwölf vorher ausgesandt hatte. Die Schranke zu den Heiden war noch nicht niedergerissen. Das geschah ja erst am Kreuz.
Jesus war also nicht auf Missionsreise in Syro-Phönizien unterwegs, wie später die Apostel. Die Frau kam zur falschen Zeit aus einer falschen Nation. Sie kam einfach heilgeschichtlich betrachtet zu früh. Sie hätte sozusagen auf Paulus warten müssen.
Aber sie lässt nicht locker. Jesus hat ja auch nicht gesagt, dass er nichts tun wird. Er hat nur den Jüngern sein Verhalten erklärt.
„Herr, hilf mir!“ sagt sie. Und dann kommt diese barsche Antwort:
„Doch er erwiderte: »Es ist nicht recht, den Kindern das Brot zu nehmen und es den Hündlein hinzuwerfen.«“ (Mt. 15, 26 Menge)
Uff! Harter Tobak.
Bei Markus heißt es noch etwas anders:
„Lass zuvor die Kinder satt werden; denn es ist nicht recht, dass man den Kindern das Brot nehme und werfe es vor die Hunde“ (Mk. 7,27)
Markus fügt hier noch da Wort „zuvor“ ein. Damit werden die anderen nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern nur hinten angestellt. Markus schrieb sein Evangelium ja auch für die Heiden und Matthäus dagegen für die Juden.
Dieser Satz ist jetzt eigentlich mehrdeutig:
Zunächst Hunde ist die hebräische Bezeichnung für die Heiden, auch wenn Jesus hier abgemildert Hündchen sagt. Und Jesus ist das Brot des Lebens (Joh. 6,48) und ist zuerst zu den Kindern Israels gesandt. Zunächst sollen die Kinder Israels satt werden. Ihr geistlicher Hunger und Durst soll gestillt werden, ihre Erlösung soll bewirkt werden. Dies ist eigentlich eine Wiederholung der Erklärung, die Jesus den Jüngern gegeben hat, nur mit anderen Worten.
Aber dieser Satz hat auch noch eine andere Dimension. Eine sozialkritische Dimension. Tyrus und Sidon waren - wie bereist erwähnt - reiche Handelsstädte. Die tyrische Währung war eine der härtesten Währungen des Altertums, so wie die DM bspw.
Wegen des gebirgigen Hinterlands konnte dort aber nur wenig Landwirtschaft betrieben werden - im Gegensatz zu Galiläa. Und so importierte Tyrus schon zu Zeiten Salomons Getreide und weitere Lebensmittel aus Israel (1. Kön. 5, 22-25; Hes. 27,17; Apg. 12,20) und eben auch damals in neutestamentlicher Zeit. Was zur Folge hatte, dass die arme Bevölkerung Galiläas Hunger leiden musste.
Und so könnte Brot in diesem Vers auch ganz wörtlich als Brot zu verstehen sein.
„Lass zuerst die armen Leute im jüdischen Hinterland satt werden. Denn es ist nicht gut, das Brot der armen Leute zu nehmen und es den reichen Heiden in den Städten hinzuwerfen.“ (Gerd Theißen)
Damit wäre dies ein Gerichtswort gegen die Ausbeutung der Armen in guter prophetischer Tradition, wie wir es von den Propheten des AT kennen.
Welche der beiden Interpretationen auch die richtige sein mag oder ob beide gleichzeitig richtig sind. Die Frau hat verstanden. Sie rechtfertigt sich nicht, wie man es so gerne tut: „Oh Herr, die Umstände….und ich kann doch nichts dafür….und die anderen….und du weißt doch….man muss doch sehen, wo man bleibt….es sind schwierige Zeiten….und die Steuern“, sondern sie sagt einfach: „Ja, Herr“. Sie stimmt zu. Sie stimmt mit Jesus überein:
Ja, ich bin keine Israelitin.
Ja, ich habe keinen Anspruch an Dich.
Ja, Du bist nur zum Volk Israel gesandt.
Und vielleicht auch: Ja, wegen uns müssen die Galiläer hungern.
Sie stimmt mit Jesus überein. Die Bibel nennt das Bekennen. Mit Gott einer Meinung sein.
Und demütig sagt sie dann: Ja, aber für die Hunde fällt doch auch ein bisschen was ab bei Tisch. Ein paar Krümel. Und die gewährt man ihnen.
Ein bisschen Segen, ein bisschen Gnade, ein bisschen vom Brot des Lebens muss doch auch für mich Heiden-Hündchen übrig bleiben.
Und Jesus gewährt ihr daraufhin ihre Bitte, heilt ihre Tochter und lobt ihren großen Glauben.
Interessant ist, dass er dies nur bei zwei Menschen tut. Bei ihr und bei dem Hauptmann von Kapernaum, der für seinen kranken Diener bittet (Mt. 8, 5-13). Ebenfalls ein Heide.
Was hat sich geändert? Oder hat sich überhaupt etwas geändert?
Die Bibel erklärt ja bspw., dass Jesus bis zu seinen letzten Stunden durch sein Leiden Gehorsam lernen musste (Hebr. 5,8). Hat Jesus hier umgelernt? Nein, ich denke nicht. Oder hat die Frau ihn überredet? Das wäre so die feministische Interpretation dieser Stelle. Nein, das denke ich auch nicht.
Jesus hat ja nie gesagt, dass er ihr nicht helfen wird, Er hat nur erklärt, dass er zuerst zum Volk Israel geschickt ist. Ich denke, dass es von Anfang an in Gottes Willen war, dass er hier eingreift. Vielleicht ist Jesus auch durch die Leitung seines Vaters extra dorthin gegangen um dieser Frau zu begegnen. Wir wissen es nicht.
Aber es wird trotzdem etwas deutlich, nämlich dass das Einreißen der Mauer zu den Heiden bevorsteht. Insofern hat diese Begegnung mit der syro-phönizischen Frau eine symbolische und auch prophetische Bedeutung. Es dauert ja auch nicht mehr lange dann werden die Jünger ausgesandt nach Samaria und an die Enden der Erde zu allen Völkern.
Die Begegnung mit der syro-phönizischen Frau ist eingebettet in die zwei Wunder der Brotvermehrung. Beim ersten mal blieben 12 Körbe übrig. Das ist jetzt ein bisschen was für die Numerologen. 12 Körbe für die 12 Stämme Israels. Überfließende Gnade für Israel.
Beim zweiten blieben 7 Körbe übrig. 7 ist die Zahl für das umfassende Wirken an der ganzen Schöpfung. Überfließende Gnade für die Welt. Ich weiß nicht ob das wirklich so ist, aber es ist zumindest mal ganz interessant.
Gut, aber was kann uns dieser Text heute sagen? Was können wir von dieser Frau lernen? Wir haben den Bibeltext jetzt verstanden, aber was sagt er uns heute?
Martin Luther hat die Frau als Mutter des Glaubens bezeichnet. Eine Frau die nichts hat, außer ihren Glauben an Jesus. Sie weiß, dass sie keinen Anspruch hat und nichts zu bieten hat. Sie weiß, dass sie sündig ist.
Wenn wir heute Jesus bitten, dann tun wir das zwar als Gerechtfertigte, aber trotzdem als schwache, unvollkommene, sündige Menschen, die nichts zu bieten haben. In Demut können wir sagen: „Ja Herr, ich bin schwach, ich habe nichts, ich brauche Dein Eingreifen.“
Die Frau bleibt bei Jesus. Sie lässt sich weder von seinem Schweigen irritieren, noch von seiner Belehrung. Sie bleibt da. Sie harrt aus. Sie bleibt in seiner Gegenwart. Wenn wir beten und keine Antwort erhalten, ist das nicht automatisch ein Nein.
Das NT ist voll von Beispielen und Aufforderungen, in denen das nachhaltige Bitten belohnt wird und auch erwartet wird. Z. B. bei der bittenden Witwe beim ungerechten Richter oder bei dem Freund, der um Mitternacht klopft. Beiden wird wegen ihrer Hartnäckigkeit und Unverschämtheit gegeben. Gott will aus Güte geben.
Könnte es sein, dass wir oft zu schnell aufgeben? Dass wir denken, Gott will unser Bitten nicht erhören, nur weil es noch nicht geschehen ist?
Von der Frau können wir lernen im Glauben an der Sache dranzubleiben, weiter zu bitten, nicht aufzugeben, nicht nachzulassen, beharrlich zu sein.
Betet allezeit, betet ohne Unterlass, mit aller Beharrlichkeit etc. So können wir es oft lesen im NT.
Weder die Frau, noch der Hauptmann von Kapernaum baten für sich selbst, sondern für ihnen nahestehende Menschen.
Wer sind unsere nahestehenden Menschen, die unsere Fürbitte nötig haben? Familie, Freunde, Nachbarn. Oft haben sie gar keinen anderen Beter, außer uns (wenn man nicht gerade in so Ballungszentren mit lauter Christen wohnt). Wenn wir dann nicht beten, betet vielleicht gar keiner. Und wie schnell wird man müde und zermürbt und bequem, wenn es sich über Jahre und Jahrzehnte hinzieht und nichts geschieht.
Im AT können wir an vielen Beispielen lernen weiter zu beten oder mit Gott weiter zu reden, wenn er schweigt.
„Steh auf, HERR! Gott, erhebe deine Hand! Vergiss die Elenden nicht!“ (Ps. 10,12 Luther)
Die Psalmen sind dabei wunderbare Beispiele dafür anhaltend im Gebet zu bleiben.
Eine Frage, die sich stellt, ist: Ist Beten Gott überreden? Ist Beten eine Art von Gott weichklopfen?
Man könnte jetzt ganz einfach sagen: Du bekommst nicht, was nicht Gottes Wille ist. Aber die Geschichte Israels zeigt, dass Gott seinem Volk öfters Dinge gegeben hat, die sie wollten, auch wenn sie nicht in seinem Willen waren. Z.B. Fleisch in der Wüste zusätzlich zum Manna (4. Mo. 11), das östliche Gebiet am Jordan für zweieinhalb Stämme, die nicht über den Jordan ziehen wollten (4. Mo. 32), einen König (1. Sam. 8). Mit meistens negativem Ausgang. Also es gibt Beispiele wo Gott überredet werden konnte. Trotzdem denke ich, dass dies nicht das ntl. Regelprinzip von Gebet und Fürbitte ist.
Gebet und Fürbitte bewegt sich in den Parametern zwischen:
Ihr habt nicht, weil ihr nicht bittet (Jak. 4,2) und Euer Vater weiß was ihr braucht bevor ihr ihn bittet (Mt. 6,8);
zwischen den Willen Gottes vom Himmel auf die Erde bringen (charismatisch-pfingstkirchliches Verständnis) und „Abhängen“ mit Gott. Aus irgendwelchen Gründen hat sich Gott von unserem Beten abhängig gemacht. Und wir tun es viel zu wenig.
AMEN.
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Sonntag, 9. Dezember 2018
Sonntag, 9. Juni 2013
Predigt von Norbert Wohlrab (09.06.2013)
Die Freiheit des Evangeliums, Teil 3: Die Liebe zu Gott
1. Zusammenfassung der ersten Predigt
1.1 Teil 1: Vergebung
Ich möchte heute meine Predigtreihe über die Freiheit des Evangeliums zum Abschluss bringen. Zunächst möchte ich die beiden vorangegangenen Predigten kurz zusammenfassen und noch auf ein paar offene Fragen, die sich in Gesprächen ergeben haben eingehen.
Im ersten Teil habe ich dargestellt, dass Jesus Christus ein Opfer gebracht hat, dass für alle Zeiten gilt (Hebr.7,27).
„In diesem Willen sind wir geheiligt durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi...Dieser aber hat ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht und sich für immer gesetzt zur Rechten Gottes....Denn mit einem Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer vollkommen gemacht....Wo aber Vergebung dieser Sünden ist, gibt es kein Opfer für Sünde mehr.“ (Hebr. 10, 10.12.14.18 Rev. Elb.)
Und deshalb leben wir immer im Zustand der Vergebung Gottes.
„Ich schreibe euch, Kinder, weil euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen.“ (1. Joh. 2,12)
oder
„In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Eph. 1,7)
Vergebung ist etwas, das wir haben. Etwas, das ein für alle mal geschehen ist. Etwas das Gott mit seinem Blut unterschrieben hat. Jesus muss nicht wieder neu ans Kreuz um für unsere Verfehlungen zu sterben. Das Opfer Jesu war vollkommen, der Auftrag ist vollbracht, der Gerechtigkeit wurde Genüge getan. Es gibt kein weiteres Opfer.
„Wo aber Vergebung dieser Sünden ist, gibt es kein Opfer für Sünde mehr.“ (Hebr. 10,18 Rev. Elb.)
Wir wechseln daher nicht wie bei facebook unseren Beziehungsstatus von „in einer Beziehung“ zu „Single“, wenn wir wieder neu sündigen, sondern wir bleiben immer im Zustand der „Beziehung“, also des „vergebenen“ Kind Gottes. Genauso wie Ehepaare nicht nach jedem Streit neu heiraten müssen.
Die einzige Bibelstelle, die auf eine andere Praxis hinweist, finden wir im 1. Johannesbrief. Dort heißt es:
„Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.“ (1. Joh. 1,9 Rev. Elb.)
Ich habe versucht darzustellen, dass sich Johannes hier in den ersten Versen seines Briefes an die Gnostiker wendet, die versucht haben in die Gemeinden Kleinasiens einzudringen. Sie behaupteten, dass Jesus a) kein Mensch war und b) es überhaupt keine Sünde gibt. Deshalb betont Johannes eingangs, dass er Jesus a) persönlich als Mensch gekannt hat und b) wer sagt, dass er ohne Sünde ist, die Wahrheit nicht erkannt hat und daher - logische Schlussfolgerung - noch kein Christ sein kann.
Ich kann nur empfehlen: prüft die Schriftstellen und dann kommt Ihr entweder zum gleichen oder zu einem anderen Ergebnis.
1.2 Missverständnis 1: Kein Bekennen?
Was ich aber nicht sagen wollte ist, dass wir Sünden jetzt bagatellisieren sollen. Ich habe es erwähnt, aber vielleicht wurde es bei all der inneren Empörung nicht wahrgenommen.
Wenn die Bibel davon spricht, dass wir Sünden „bekennen“ sollen (Jak. 5,16), dann bedeutet dies, dass wir mit Gott übereinstimmen in der Bewertung eines Sachverhalts, denn das gr. „exomologeo“ bedeutet „übereinstimmend aussagen“. Und das setzt auch Umkehr voraus, da ich sonst zu keiner Übereinstimmung komme.
Wenn ich lüge um mir einen Vorteil zu verschaffen oder wenn ich die Ehe breche, dann darf ich das Gott gegenüber bekennen und ihm mein Fehlverhalten eingestehen. Genauso wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn der Sohn bei seiner Heimkehr sagt: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir“ (Lk. 15,22).
Der Unterschied zu uns ist nur der, dass wir, bereits im Vorfeld die Gewissheit haben dürfen, dass uns immer vergeben ist.
Auch das Zusprechen von Vergebung kann seinen Platz haben, da es dabei nicht um das Gewähren von Vergebung geht - das hat Jesus am Kreuz vollbracht - , sondern um das Erlangen eines guten Gewissens.
2. Zusammenfassung der zweiten Predigt
2.1 Teil 2: Der Neue Bund
In der zweiten Predigt habe ich dargestellt, dass wir in einem „Neuen Bund“ leben und das dieser Bund ganz anders geartet ist als der alte Bund. Dieser „Neue Bund“ begann zeitlich gesehen mit dem Opfer Jesu am Kreuz, erst durch den Tod Jesu bekam er seine Gültigkeit.
„Denn wo ein Testament ist, da muss notwendig der Tod dessen eintreten, der das Testament gemacht hat. Denn ein Testament ist gültig, wenn der Tod eingetreten ist, weil es niemals Kraft hat, solange der lebt, der das Testament gemacht hat.“ (Hebr. 9, 16.17 Rev. Elb.)
Ihr erinnert Euch an das Beispiel mit dem Oldtimer-Traktor, der erst nach dem Tod von Fritz in das Eigentum von Johannes übergeht. Das bedeutet, dass das „Neue Testament“ eigentlich heilsgeschichtlich betrachtet erst nach dem Tod Jesu beginnt und nicht an Weihnachten.
Einige Aussagen Jesu sind daher eingebettet in das Gesetz des Mose und können nur in diesem Zusammenhang verstanden werden, weil Jesus unter Gesetz geboren wurde, um die zu befreien, die unter Gesetz waren (Gal. 4, 4.5). Jesus hob daher die Anforderungen des Gesetzes noch ein paar Stufen höher, um es noch heiliger, um sie noch unerfüllbarer zu machen („Euch ist gesagt, ich aber sage euch...“) und natürlich auch um den wahren Kern der Gebote aufzuzeigen.
Für uns gilt jedoch das Gesetz nicht, weil wir dem Gesetz gestorben sind. Und auch das Update des Gesetzes in der Bergpredigt gilt für uns nicht, da wir keine Juden sind. Daher muss sich weder zur Zeit des Paulus, noch heute, jedermann und jederfrau die Augen ausreißen.
„In Wirklichkeit jedoch ´habe ich mit dem Gesetz nichts mehr zu tun;` ich bin durch das Urteil des Gesetzes dem Gesetz gegenüber gestorben, um ´von jetzt an` für Gott zu leben; ich bin mit Christus gekreuzigt.“ (Gal. 2,19 NGÜ)
Und da ein Toter keinen Ernährungsplan mehr benötigt, brauchen wir an Jesus Gläubigen kein Gesetz.
Für Christen gilt daher, „dass für einen Gerechten das Gesetz nicht bestimmt ist“ (1. Tim. 1,9 Rev. Elb.)
Unser moralischer Leitfaden für die Gestaltung des Lebens wird nicht durch zehn oder 613 Gebote bestimmt (Gesetz zu halten bedeutet immer alle Gebote halten zu müssen, nicht wahlweise!, Jak. 2,10), sondern durch: lieben.
„Seid niemand irgendetwas schuldig, als nur einander zu lieben! Denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn das: "Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren", und wenn es ein anderes Gebot gibt, ist in diesem Wort zusammengefasst: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Die Erfüllung des Gesetzes ist also die Liebe. (Röm. 13, 8-10)“
Dies ist uns möglich, weil der Geist Gottes in uns lebt, weil die Gebote Jesu in unser Herz geschrieben sind (Hebr. 8,10). Wir dienen nun nicht mehr nach dem Wort, sondern nach dem Geist.
„Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, worin wir festgehalten wurden, so dass wir in dem Neuen des Geistes dienen und nicht in dem Alten des Buchstabens.“ (Röm. 7,6 Rev. Elb.)
Dies ist natürlich kein Automatismus, wir können immer den Geist Gottes blockieren und seine Liebesbemühungen ersticken.
Menschen, die den Geist Gottes nicht haben, benötigen dagegen ein Gesetz,
„denn durchs Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.“ (Röm. 3,20b Rev. Elb.)
2.2 Missverständnis 2: „schwammig“
„Einfach nur lieben?! Das ist mir zu schwammig!“ So ungefähr lautete ein Kritikpunkt an meiner letzten Predigt von einem Hauskreis-Mitglied.
Liebe ist der Überbegriff. Und in einer idealen Welt wäre es wahrscheinlich ausreichend, aber da ein Merkmal der Menschen auch schon zu Zeiten des Paulus, eher ein gewisser Egoismus und ein Mangel an emotionaler Intelligenz war, füllt er Zeile um Zeile seiner Briefe mit praktischen Erläuterungen, was man unter „lieben“ versteht: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Langmut, einander ertragen und sich gegenseitig vergeben, herzliches Mitleid, den anderen höher achten, nicht nachtragend sein, gastfrei sein usw.
Das NT enthält also noch viele Erklärungen wie Liebe praktisch wird. Der Unterschied zum Gesetz ist: Du verspielst nicht Dein ewiges Leben, wenn Du in einem einzigen Bereich versagst.
2.3 Missverständnis 3: Ist alles erlaubt?
Wenn es kein Gesetz mehr für Christen gibt, ist dann jetzt alles erlaubt? Kann ich dann machen was ich will? Dieses Problem hatten auch schon die Korinther.
Paulus antwortet mit: „Alles ist mir erlaubt; aber nicht alles frommt!“ (1. Kor. 6,12 Schlachter 1951)
Oder anders ausgedrückt: wir haben Jesus Christus angezogen (Gal. 3,27) und dann passt vieles nicht mehr zu unserem Wesen. Und dann gehören viele Verhaltensweisen eben nur noch zum Leben der unerlösten Menschen, aber nicht mehr zum Leben der Gerechten (Kol. 3, 1-17) und ich bin daher überzeugt, dass niemand, der die Wahrheit erkannt hat, dauerhaft mutwillig die Freiheit des Evangeliums ausnutzen kann um in einer Kultur der Sünde zu verharren.
Andererseits hat mal jmd. gesagt, dass diese Fragestellung der beste Beleg dafür ist, dass das Evangelium richtig verkündigt wurde, da sie bei einem gesetzlichen Evangelium erst gar nicht entstehen kann.
3. Das größte Gebot
Der Vorteil von einer Predigtreihe ist, dass man beim dritten Teil schon die Hälfte der Zeit damit rum bringt, dass man die vorherigen Teile zusammen fasst und damit weniger Arbeit hat.
Im letzten Teil geht es mir heute um eine Veränderung in der Liebe zu Gott, die wir im NT finden. Wir kennen alle die Erläuterungen Jesu zu den beiden größten Geboten:
„Und es fragte einer von ihnen, ein Gesetzesgelehrter, und versuchte ihn und sprach: Lehrer, welches ist das größte Gebot im Gesetz? Er aber sprach zu ihm: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand." Dies ist das größte und erste Gebot. Das zweite aber ist ihm gleich: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Mt. 22, 35-40 Rev. Elb.)
Also, auch wenn hier steht, dass das jetzt die Zusammenfassung des Gesetzes ist, so gilt doch auf auch für uns: Gott lieben und den Nächsten lieben! Darum geht es ja doch im Leben als Christ. Und ich habe ja auch gesagt, dass es um „lieben“ geht im Neuen Bund.
Soweit so gut, aber wir machen einen Fehler, wenn wir diese Verse lesen, nämlich wir setzen wieder unsere christliche Brille auf. Um zu verstehen, was Jesus hier wirklich sagt, brauchen wir aber eine jüdische Brille.
Lesen wir mal den Text im Zusammenhang, den Jesus hier zitiert. Dort spricht Gott zu Mose:
„Möge doch diese ihre Gesinnung bleiben, mich allezeit zu fürchten und alle meine Gebote zu halten, damit es ihnen und ihren Kindern ewig gut geht! Geh, sage zu ihnen: Kehrt in eure Zelte zurück! Du aber bleibe hier bei mir stehen! Und ich will all die Gebote und die Ordnungen und die Rechtsbestimmungen zu dir reden, die du sie lehren sollst, damit sie sie tun in dem Land, das ich ihnen gebe, es in Besitz zu nehmen. Achtet nun darauf, zu tun, wie der HERR, euer Gott, es euch geboten hat! Weicht nicht davon ab zur Rechten noch zur Linken! Auf dem ganzen Weg, den der HERR, euer Gott, euch geboten hat, sollt ihr gehen, damit ihr lebt und es euch gut geht und ihr eure Tage verlängert in dem Land, das ihr in Besitz nehmen werdet. Und dies ist das Gebot, die Ordnungen und die Rechtsbestimmungen, die der HERR, euer Gott, geboten hat, euch zu lehren, damit ihr sie tut in dem Land, in das ihr hinüberzieht, um es in Besitz zu nehmen, damit du den HERRN, deinen Gott, fürchtest alle Tage deines Lebens, um alle seine Ordnungen und seine Gebote zu bewahren, die ich dir gebiete - du und dein Sohn und deines Sohnes Sohn -, und damit deine Tage lange währen. Höre nun, Israel, und achte darauf, sie zu tun, damit es dir gut geht und ihr sehr zahlreich werdet - wie der HERR, der Gott deiner Väter, zu dir geredet hat - in einem Land, das von Milch und Honig überfließt! Höre, Israel: Der HERR ist unser Gott, der HERR allein! Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen in deinem Herzen sein. Und du sollst sie deinen Kindern einschärfen, und du sollst davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt und wenn du auf dem Weg gehst, wenn du dich hinlegst und wenn du aufstehst.“ (5. Mose 5,29 - 6,7 Rev. Elb.)
Das Gebot Gott „mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzer Kraft zu lieben“ ist die Quintessenz all der Ordnungen und Gesetze und Gebote des Gesetzes, die sich auf Gott beziehen.
Wenn wir das erste Gebot im Doppelgebot der Liebe lesen, dann denken wir: ja ok, wir sollen mit all unserem Wesen und Fühlen und Denken Gott lieben. Genau!
Wenn ein Jude, der unter dem Gesetz lebt, das hört, dann weiß er, dass er in allem was er tut, darauf achten soll, dass Gott in seiner Heiligkeit geachtet werden soll, z.B. dadurch dass beim Kochen nicht Milch- und Fleischprodukte gemeinsam verwendet werden, oder dass keine Kleidungsstücke aus verschiedenen Stoffen getragen werden, der Sabbat geheiligt wird, die Feste gefeiert, die Opfer dargebracht werden, sein Name nicht missbraucht wird, kein Götze angebetet wird, der Zehnte gegeben wird, die Kanaaniter erschlagen werden uvm.
Dies meint Jesus hier in seiner Zusammenfassung. Daran hängt das Gesetz! Das ist der Kern des Gesetzes.
Was macht Jesus hier also: er zitiert aus dem Gesetz das den Juden gegeben wurde, zu einer Zeit als das Gesetz noch volle Gültigkeit hatte, im Disput mit einem Menschen, der unter dem Gesetz steht, an einem Ort, an dem das Gesetz galt.
Nun wissen wir aber, dass wir Christen, wir Nicht-Juden mit dem Gesetz nichts zu schaffen haben.
„Denn Christus ist des Gesetzes Ende“ (Röm. 10,4a Luther)
Daher die Frage: Hat das jetzt eigentlich etwas mit uns zu tun? Gewiss, Gott zu lieben hat mit uns etwas zu tun, aber formaljuristisch betrachtet, so wie es hier im Kontext des Gesetzes dargestellt wird, lautet die Antwort: nein!
Juristisch betrachtet, hat es mit uns erst mal gar nichts zu tun, da uns nie ein Gesetz gegeben wurde und wir uns dann auch nicht fragen müssen, welches denn die größten Gebote im Gesetz sind.
Aber mit der Liebe haben wir schon etwas zu tun. Von Paulus wissen wir, dass das Gebot der Nächstenliebe der Kern unseres moralischen Lebens als Christen ist. Wie ist es mit der Liebe zu Gott? Darum muss es doch auch gehen im Leben als Christ. Ja, darum geht es auch, aber es gibt im Neuen Bund ein paar Modifikationen zu dem Gebot des Alten Bundes. Die Parameter haben sich etwas verändert. Die Rahmenbedingungen sind jetzt andere geworden.
1. Es ist tatsächlich so, dass diese Formulierung des Gesetzes: „mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft“, nirgends mehr auftaucht im NT. Es wurde weder auf dem Konzil in Jerusalem Paulus damit beauftragt es den Heiden zu verkünden, noch hat er es in den Briefen irgendwo vermittelt. Was immer es auch konkret bedeutet haben mag, es scheint eine spezifische Formulierung des Gesetzes zu sein. Es heißt nun einfach: „Wir lieben ihn, weil er uns zuerst geliebt hat.“ (1. Joh. 4,19 Schlachter)
2. Und das ist auch schon die nächste Modifikation: Geht es im Gesetz um unsere Bemühungen, geht es im Neuen Bund v.a. um Gottes Liebe zu uns. „Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat. Gott ist Liebe...“ (1. Joh. 4,16 Rev. Elb.) Die meisten Stellen in den Briefen handeln von seiner Liebe zu uns.
3. Geht es im Gesetz darum Gott zu fürchten und daraus resultierend ihn mit ganzer Kraft zu lieben, heißt es im Neuen Bund nun: „Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater!“ (Röm. 8,15 Rev. Elb.) oder „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus, denn die Furcht hat es mit Strafe zu tun. Wer sich aber fürchtet, ist nicht vollendet in der Liebe.“ (1. Joh. 4,18 Rev. Elb.)
4. Haben wir im Gesetz Gott lieben und den Nächsten lieben, finden wir im Neuen Bund stattdessen: „Und dies ist sein Gebot: dass wir an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander lieben, wie er es uns als Gebot gegeben hat.“ (1. Joh. 3,23 Rev. Elb.) Also an Jesus glauben und den anderen lieben. Es ist fast so, als ob der Vater sagt: „Wenn ihr an meinen geliebten Sohn glaubt, dann ist das die größte Liebe, die ihr zu mir haben könnt. Denn ihr seid dann die Braut meines Sohnes!“
5. Und noch einen weiteren Unterschied mag es geben. Ist im Alten Bund das Leben im Segen Gottes, im Shalom, das Ziel aller Bemühungen, ist es jetzt der Ausgang. Gott hat uns bereits alles gegeben (Eph. 1,3). Ist es im Alten Bund das Ziel, in die Gegenwart Gottes zu kommen, ist es im Neuen Bund der Ausgang: der Vorhang im Allerheiligsten ist zerrissen. Ist es im Alten Bund das Ziel, Gott zu nahen, ist Gott im Neuen Bund gegenwärtig: „Oder erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist?“ (2. Kor. 13,5 Rev. Elb.) Wir haben schon viel, viel mehr an der Nähe, der Gegenwart Gottes in unserem Leben, in uns, als die Bundesmenschen des Alten Bundes überhaupt mit „ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzer Kraft“ jemals erreichen konnten.
Ich versuche es noch mal mit ein paar Bildern zu verdeutlichen: der Aufwand, die Hingabe, der Einsatz, den man aufbringt um die Champions League zu gewinnen, ist ein anderer, als die Gefühle, die man hat, wenn man sie gewonnen hat. Das Werben um einen Partner ist anders, als die Gefühle beim Gang zum Traualtar. Ein Soldat hat andere Aufgaben im Krieg, als im Frieden. Wer sich bemüht ins „Weiße Haus“ zu kommen, muss anders auftreten, als die Kids der Obamas usw. Wir sind bereits im Zustand der Ruhe bei Gott! Unsere Liebe ist nun eine andere!
4. Schluss
Ich komme jetzt zum Ende der Predigtreihe. Ich denke, dass ich Euch mit diesen drei Predigten einiges zum „Knappern“ gegeben habe. Bei manchen Aussagen könnt Ihr eher „bekennen“, also mit mir übereinstimmen, bei anderen weniger. Das ist ok.
Ich glaube, dass die meisten Gemeinden/Kirchen und die meisten Christen ein Problem haben im Umgang mit Neuem und Alten Bund und dazu neigen vieles zu vermischen. Dabei geht einiges von der Leichtigkeit und Freude des Evangeliums verloren.
Wenn ich mich unter dem Druck sehe, Gott mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzer Kraft lieben zu müssen (und nicht einmal weiß, was es überhaupt bedeutet), dann muss ich sagen, dass kann ich nicht - und ich habe auch noch nie jmd. kennen gelernt, der dies kann - und ich komme unter eine Schwere, unter eine Last; wenn ich mir aber vergegenwärtige, dass er mich zuerst geliebt hat und ich nur diese Liebe erwidern darf, in all meiner Schwachheit, was auch noch der Heilige Geist in mir vollbringen möchte, dann wird es wieder leicht als Christ zu leben.
„Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und "ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen"“ (Mt. 11, 28.29 Rev. Elb.)
AMEN.
1. Zusammenfassung der ersten Predigt
1.1 Teil 1: Vergebung
Ich möchte heute meine Predigtreihe über die Freiheit des Evangeliums zum Abschluss bringen. Zunächst möchte ich die beiden vorangegangenen Predigten kurz zusammenfassen und noch auf ein paar offene Fragen, die sich in Gesprächen ergeben haben eingehen.
Im ersten Teil habe ich dargestellt, dass Jesus Christus ein Opfer gebracht hat, dass für alle Zeiten gilt (Hebr.7,27).
„In diesem Willen sind wir geheiligt durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi...Dieser aber hat ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht und sich für immer gesetzt zur Rechten Gottes....Denn mit einem Opfer hat er die, die geheiligt werden, für immer vollkommen gemacht....Wo aber Vergebung dieser Sünden ist, gibt es kein Opfer für Sünde mehr.“ (Hebr. 10, 10.12.14.18 Rev. Elb.)
Und deshalb leben wir immer im Zustand der Vergebung Gottes.
„Ich schreibe euch, Kinder, weil euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen.“ (1. Joh. 2,12)
oder
„In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Eph. 1,7)
Vergebung ist etwas, das wir haben. Etwas, das ein für alle mal geschehen ist. Etwas das Gott mit seinem Blut unterschrieben hat. Jesus muss nicht wieder neu ans Kreuz um für unsere Verfehlungen zu sterben. Das Opfer Jesu war vollkommen, der Auftrag ist vollbracht, der Gerechtigkeit wurde Genüge getan. Es gibt kein weiteres Opfer.
„Wo aber Vergebung dieser Sünden ist, gibt es kein Opfer für Sünde mehr.“ (Hebr. 10,18 Rev. Elb.)
Wir wechseln daher nicht wie bei facebook unseren Beziehungsstatus von „in einer Beziehung“ zu „Single“, wenn wir wieder neu sündigen, sondern wir bleiben immer im Zustand der „Beziehung“, also des „vergebenen“ Kind Gottes. Genauso wie Ehepaare nicht nach jedem Streit neu heiraten müssen.
Die einzige Bibelstelle, die auf eine andere Praxis hinweist, finden wir im 1. Johannesbrief. Dort heißt es:
„Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von jeder Ungerechtigkeit.“ (1. Joh. 1,9 Rev. Elb.)
Ich habe versucht darzustellen, dass sich Johannes hier in den ersten Versen seines Briefes an die Gnostiker wendet, die versucht haben in die Gemeinden Kleinasiens einzudringen. Sie behaupteten, dass Jesus a) kein Mensch war und b) es überhaupt keine Sünde gibt. Deshalb betont Johannes eingangs, dass er Jesus a) persönlich als Mensch gekannt hat und b) wer sagt, dass er ohne Sünde ist, die Wahrheit nicht erkannt hat und daher - logische Schlussfolgerung - noch kein Christ sein kann.
Ich kann nur empfehlen: prüft die Schriftstellen und dann kommt Ihr entweder zum gleichen oder zu einem anderen Ergebnis.
1.2 Missverständnis 1: Kein Bekennen?
Was ich aber nicht sagen wollte ist, dass wir Sünden jetzt bagatellisieren sollen. Ich habe es erwähnt, aber vielleicht wurde es bei all der inneren Empörung nicht wahrgenommen.
Wenn die Bibel davon spricht, dass wir Sünden „bekennen“ sollen (Jak. 5,16), dann bedeutet dies, dass wir mit Gott übereinstimmen in der Bewertung eines Sachverhalts, denn das gr. „exomologeo“ bedeutet „übereinstimmend aussagen“. Und das setzt auch Umkehr voraus, da ich sonst zu keiner Übereinstimmung komme.
Wenn ich lüge um mir einen Vorteil zu verschaffen oder wenn ich die Ehe breche, dann darf ich das Gott gegenüber bekennen und ihm mein Fehlverhalten eingestehen. Genauso wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn der Sohn bei seiner Heimkehr sagt: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir“ (Lk. 15,22).
Der Unterschied zu uns ist nur der, dass wir, bereits im Vorfeld die Gewissheit haben dürfen, dass uns immer vergeben ist.
Auch das Zusprechen von Vergebung kann seinen Platz haben, da es dabei nicht um das Gewähren von Vergebung geht - das hat Jesus am Kreuz vollbracht - , sondern um das Erlangen eines guten Gewissens.
2. Zusammenfassung der zweiten Predigt
2.1 Teil 2: Der Neue Bund
In der zweiten Predigt habe ich dargestellt, dass wir in einem „Neuen Bund“ leben und das dieser Bund ganz anders geartet ist als der alte Bund. Dieser „Neue Bund“ begann zeitlich gesehen mit dem Opfer Jesu am Kreuz, erst durch den Tod Jesu bekam er seine Gültigkeit.
„Denn wo ein Testament ist, da muss notwendig der Tod dessen eintreten, der das Testament gemacht hat. Denn ein Testament ist gültig, wenn der Tod eingetreten ist, weil es niemals Kraft hat, solange der lebt, der das Testament gemacht hat.“ (Hebr. 9, 16.17 Rev. Elb.)
Ihr erinnert Euch an das Beispiel mit dem Oldtimer-Traktor, der erst nach dem Tod von Fritz in das Eigentum von Johannes übergeht. Das bedeutet, dass das „Neue Testament“ eigentlich heilsgeschichtlich betrachtet erst nach dem Tod Jesu beginnt und nicht an Weihnachten.
Einige Aussagen Jesu sind daher eingebettet in das Gesetz des Mose und können nur in diesem Zusammenhang verstanden werden, weil Jesus unter Gesetz geboren wurde, um die zu befreien, die unter Gesetz waren (Gal. 4, 4.5). Jesus hob daher die Anforderungen des Gesetzes noch ein paar Stufen höher, um es noch heiliger, um sie noch unerfüllbarer zu machen („Euch ist gesagt, ich aber sage euch...“) und natürlich auch um den wahren Kern der Gebote aufzuzeigen.
Für uns gilt jedoch das Gesetz nicht, weil wir dem Gesetz gestorben sind. Und auch das Update des Gesetzes in der Bergpredigt gilt für uns nicht, da wir keine Juden sind. Daher muss sich weder zur Zeit des Paulus, noch heute, jedermann und jederfrau die Augen ausreißen.
„In Wirklichkeit jedoch ´habe ich mit dem Gesetz nichts mehr zu tun;` ich bin durch das Urteil des Gesetzes dem Gesetz gegenüber gestorben, um ´von jetzt an` für Gott zu leben; ich bin mit Christus gekreuzigt.“ (Gal. 2,19 NGÜ)
Und da ein Toter keinen Ernährungsplan mehr benötigt, brauchen wir an Jesus Gläubigen kein Gesetz.
Für Christen gilt daher, „dass für einen Gerechten das Gesetz nicht bestimmt ist“ (1. Tim. 1,9 Rev. Elb.)
Unser moralischer Leitfaden für die Gestaltung des Lebens wird nicht durch zehn oder 613 Gebote bestimmt (Gesetz zu halten bedeutet immer alle Gebote halten zu müssen, nicht wahlweise!, Jak. 2,10), sondern durch: lieben.
„Seid niemand irgendetwas schuldig, als nur einander zu lieben! Denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn das: "Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren", und wenn es ein anderes Gebot gibt, ist in diesem Wort zusammengefasst: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Die Erfüllung des Gesetzes ist also die Liebe. (Röm. 13, 8-10)“
Dies ist uns möglich, weil der Geist Gottes in uns lebt, weil die Gebote Jesu in unser Herz geschrieben sind (Hebr. 8,10). Wir dienen nun nicht mehr nach dem Wort, sondern nach dem Geist.
„Jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, worin wir festgehalten wurden, so dass wir in dem Neuen des Geistes dienen und nicht in dem Alten des Buchstabens.“ (Röm. 7,6 Rev. Elb.)
Dies ist natürlich kein Automatismus, wir können immer den Geist Gottes blockieren und seine Liebesbemühungen ersticken.
Menschen, die den Geist Gottes nicht haben, benötigen dagegen ein Gesetz,
„denn durchs Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde.“ (Röm. 3,20b Rev. Elb.)
2.2 Missverständnis 2: „schwammig“
„Einfach nur lieben?! Das ist mir zu schwammig!“ So ungefähr lautete ein Kritikpunkt an meiner letzten Predigt von einem Hauskreis-Mitglied.
Liebe ist der Überbegriff. Und in einer idealen Welt wäre es wahrscheinlich ausreichend, aber da ein Merkmal der Menschen auch schon zu Zeiten des Paulus, eher ein gewisser Egoismus und ein Mangel an emotionaler Intelligenz war, füllt er Zeile um Zeile seiner Briefe mit praktischen Erläuterungen, was man unter „lieben“ versteht: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Langmut, einander ertragen und sich gegenseitig vergeben, herzliches Mitleid, den anderen höher achten, nicht nachtragend sein, gastfrei sein usw.
Das NT enthält also noch viele Erklärungen wie Liebe praktisch wird. Der Unterschied zum Gesetz ist: Du verspielst nicht Dein ewiges Leben, wenn Du in einem einzigen Bereich versagst.
2.3 Missverständnis 3: Ist alles erlaubt?
Wenn es kein Gesetz mehr für Christen gibt, ist dann jetzt alles erlaubt? Kann ich dann machen was ich will? Dieses Problem hatten auch schon die Korinther.
Paulus antwortet mit: „Alles ist mir erlaubt; aber nicht alles frommt!“ (1. Kor. 6,12 Schlachter 1951)
Oder anders ausgedrückt: wir haben Jesus Christus angezogen (Gal. 3,27) und dann passt vieles nicht mehr zu unserem Wesen. Und dann gehören viele Verhaltensweisen eben nur noch zum Leben der unerlösten Menschen, aber nicht mehr zum Leben der Gerechten (Kol. 3, 1-17) und ich bin daher überzeugt, dass niemand, der die Wahrheit erkannt hat, dauerhaft mutwillig die Freiheit des Evangeliums ausnutzen kann um in einer Kultur der Sünde zu verharren.
Andererseits hat mal jmd. gesagt, dass diese Fragestellung der beste Beleg dafür ist, dass das Evangelium richtig verkündigt wurde, da sie bei einem gesetzlichen Evangelium erst gar nicht entstehen kann.
3. Das größte Gebot
Der Vorteil von einer Predigtreihe ist, dass man beim dritten Teil schon die Hälfte der Zeit damit rum bringt, dass man die vorherigen Teile zusammen fasst und damit weniger Arbeit hat.
Im letzten Teil geht es mir heute um eine Veränderung in der Liebe zu Gott, die wir im NT finden. Wir kennen alle die Erläuterungen Jesu zu den beiden größten Geboten:
„Und es fragte einer von ihnen, ein Gesetzesgelehrter, und versuchte ihn und sprach: Lehrer, welches ist das größte Gebot im Gesetz? Er aber sprach zu ihm: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand." Dies ist das größte und erste Gebot. Das zweite aber ist ihm gleich: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ (Mt. 22, 35-40 Rev. Elb.)
Also, auch wenn hier steht, dass das jetzt die Zusammenfassung des Gesetzes ist, so gilt doch auf auch für uns: Gott lieben und den Nächsten lieben! Darum geht es ja doch im Leben als Christ. Und ich habe ja auch gesagt, dass es um „lieben“ geht im Neuen Bund.
Soweit so gut, aber wir machen einen Fehler, wenn wir diese Verse lesen, nämlich wir setzen wieder unsere christliche Brille auf. Um zu verstehen, was Jesus hier wirklich sagt, brauchen wir aber eine jüdische Brille.
Lesen wir mal den Text im Zusammenhang, den Jesus hier zitiert. Dort spricht Gott zu Mose:
„Möge doch diese ihre Gesinnung bleiben, mich allezeit zu fürchten und alle meine Gebote zu halten, damit es ihnen und ihren Kindern ewig gut geht! Geh, sage zu ihnen: Kehrt in eure Zelte zurück! Du aber bleibe hier bei mir stehen! Und ich will all die Gebote und die Ordnungen und die Rechtsbestimmungen zu dir reden, die du sie lehren sollst, damit sie sie tun in dem Land, das ich ihnen gebe, es in Besitz zu nehmen. Achtet nun darauf, zu tun, wie der HERR, euer Gott, es euch geboten hat! Weicht nicht davon ab zur Rechten noch zur Linken! Auf dem ganzen Weg, den der HERR, euer Gott, euch geboten hat, sollt ihr gehen, damit ihr lebt und es euch gut geht und ihr eure Tage verlängert in dem Land, das ihr in Besitz nehmen werdet. Und dies ist das Gebot, die Ordnungen und die Rechtsbestimmungen, die der HERR, euer Gott, geboten hat, euch zu lehren, damit ihr sie tut in dem Land, in das ihr hinüberzieht, um es in Besitz zu nehmen, damit du den HERRN, deinen Gott, fürchtest alle Tage deines Lebens, um alle seine Ordnungen und seine Gebote zu bewahren, die ich dir gebiete - du und dein Sohn und deines Sohnes Sohn -, und damit deine Tage lange währen. Höre nun, Israel, und achte darauf, sie zu tun, damit es dir gut geht und ihr sehr zahlreich werdet - wie der HERR, der Gott deiner Väter, zu dir geredet hat - in einem Land, das von Milch und Honig überfließt! Höre, Israel: Der HERR ist unser Gott, der HERR allein! Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft. Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen in deinem Herzen sein. Und du sollst sie deinen Kindern einschärfen, und du sollst davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt und wenn du auf dem Weg gehst, wenn du dich hinlegst und wenn du aufstehst.“ (5. Mose 5,29 - 6,7 Rev. Elb.)
Das Gebot Gott „mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzer Kraft zu lieben“ ist die Quintessenz all der Ordnungen und Gesetze und Gebote des Gesetzes, die sich auf Gott beziehen.
Wenn wir das erste Gebot im Doppelgebot der Liebe lesen, dann denken wir: ja ok, wir sollen mit all unserem Wesen und Fühlen und Denken Gott lieben. Genau!
Wenn ein Jude, der unter dem Gesetz lebt, das hört, dann weiß er, dass er in allem was er tut, darauf achten soll, dass Gott in seiner Heiligkeit geachtet werden soll, z.B. dadurch dass beim Kochen nicht Milch- und Fleischprodukte gemeinsam verwendet werden, oder dass keine Kleidungsstücke aus verschiedenen Stoffen getragen werden, der Sabbat geheiligt wird, die Feste gefeiert, die Opfer dargebracht werden, sein Name nicht missbraucht wird, kein Götze angebetet wird, der Zehnte gegeben wird, die Kanaaniter erschlagen werden uvm.
Dies meint Jesus hier in seiner Zusammenfassung. Daran hängt das Gesetz! Das ist der Kern des Gesetzes.
Was macht Jesus hier also: er zitiert aus dem Gesetz das den Juden gegeben wurde, zu einer Zeit als das Gesetz noch volle Gültigkeit hatte, im Disput mit einem Menschen, der unter dem Gesetz steht, an einem Ort, an dem das Gesetz galt.
Nun wissen wir aber, dass wir Christen, wir Nicht-Juden mit dem Gesetz nichts zu schaffen haben.
„Denn Christus ist des Gesetzes Ende“ (Röm. 10,4a Luther)
Daher die Frage: Hat das jetzt eigentlich etwas mit uns zu tun? Gewiss, Gott zu lieben hat mit uns etwas zu tun, aber formaljuristisch betrachtet, so wie es hier im Kontext des Gesetzes dargestellt wird, lautet die Antwort: nein!
Juristisch betrachtet, hat es mit uns erst mal gar nichts zu tun, da uns nie ein Gesetz gegeben wurde und wir uns dann auch nicht fragen müssen, welches denn die größten Gebote im Gesetz sind.
Aber mit der Liebe haben wir schon etwas zu tun. Von Paulus wissen wir, dass das Gebot der Nächstenliebe der Kern unseres moralischen Lebens als Christen ist. Wie ist es mit der Liebe zu Gott? Darum muss es doch auch gehen im Leben als Christ. Ja, darum geht es auch, aber es gibt im Neuen Bund ein paar Modifikationen zu dem Gebot des Alten Bundes. Die Parameter haben sich etwas verändert. Die Rahmenbedingungen sind jetzt andere geworden.
1. Es ist tatsächlich so, dass diese Formulierung des Gesetzes: „mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft“, nirgends mehr auftaucht im NT. Es wurde weder auf dem Konzil in Jerusalem Paulus damit beauftragt es den Heiden zu verkünden, noch hat er es in den Briefen irgendwo vermittelt. Was immer es auch konkret bedeutet haben mag, es scheint eine spezifische Formulierung des Gesetzes zu sein. Es heißt nun einfach: „Wir lieben ihn, weil er uns zuerst geliebt hat.“ (1. Joh. 4,19 Schlachter)
2. Und das ist auch schon die nächste Modifikation: Geht es im Gesetz um unsere Bemühungen, geht es im Neuen Bund v.a. um Gottes Liebe zu uns. „Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat. Gott ist Liebe...“ (1. Joh. 4,16 Rev. Elb.) Die meisten Stellen in den Briefen handeln von seiner Liebe zu uns.
3. Geht es im Gesetz darum Gott zu fürchten und daraus resultierend ihn mit ganzer Kraft zu lieben, heißt es im Neuen Bund nun: „Denn ihr habt nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, wieder zur Furcht, sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater!“ (Röm. 8,15 Rev. Elb.) oder „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus, denn die Furcht hat es mit Strafe zu tun. Wer sich aber fürchtet, ist nicht vollendet in der Liebe.“ (1. Joh. 4,18 Rev. Elb.)
4. Haben wir im Gesetz Gott lieben und den Nächsten lieben, finden wir im Neuen Bund stattdessen: „Und dies ist sein Gebot: dass wir an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander lieben, wie er es uns als Gebot gegeben hat.“ (1. Joh. 3,23 Rev. Elb.) Also an Jesus glauben und den anderen lieben. Es ist fast so, als ob der Vater sagt: „Wenn ihr an meinen geliebten Sohn glaubt, dann ist das die größte Liebe, die ihr zu mir haben könnt. Denn ihr seid dann die Braut meines Sohnes!“
5. Und noch einen weiteren Unterschied mag es geben. Ist im Alten Bund das Leben im Segen Gottes, im Shalom, das Ziel aller Bemühungen, ist es jetzt der Ausgang. Gott hat uns bereits alles gegeben (Eph. 1,3). Ist es im Alten Bund das Ziel, in die Gegenwart Gottes zu kommen, ist es im Neuen Bund der Ausgang: der Vorhang im Allerheiligsten ist zerrissen. Ist es im Alten Bund das Ziel, Gott zu nahen, ist Gott im Neuen Bund gegenwärtig: „Oder erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist?“ (2. Kor. 13,5 Rev. Elb.) Wir haben schon viel, viel mehr an der Nähe, der Gegenwart Gottes in unserem Leben, in uns, als die Bundesmenschen des Alten Bundes überhaupt mit „ganzem Herzen, ganzer Seele, ganzer Kraft“ jemals erreichen konnten.
Ich versuche es noch mal mit ein paar Bildern zu verdeutlichen: der Aufwand, die Hingabe, der Einsatz, den man aufbringt um die Champions League zu gewinnen, ist ein anderer, als die Gefühle, die man hat, wenn man sie gewonnen hat. Das Werben um einen Partner ist anders, als die Gefühle beim Gang zum Traualtar. Ein Soldat hat andere Aufgaben im Krieg, als im Frieden. Wer sich bemüht ins „Weiße Haus“ zu kommen, muss anders auftreten, als die Kids der Obamas usw. Wir sind bereits im Zustand der Ruhe bei Gott! Unsere Liebe ist nun eine andere!
4. Schluss
Ich komme jetzt zum Ende der Predigtreihe. Ich denke, dass ich Euch mit diesen drei Predigten einiges zum „Knappern“ gegeben habe. Bei manchen Aussagen könnt Ihr eher „bekennen“, also mit mir übereinstimmen, bei anderen weniger. Das ist ok.
Ich glaube, dass die meisten Gemeinden/Kirchen und die meisten Christen ein Problem haben im Umgang mit Neuem und Alten Bund und dazu neigen vieles zu vermischen. Dabei geht einiges von der Leichtigkeit und Freude des Evangeliums verloren.
Wenn ich mich unter dem Druck sehe, Gott mit ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzer Kraft lieben zu müssen (und nicht einmal weiß, was es überhaupt bedeutet), dann muss ich sagen, dass kann ich nicht - und ich habe auch noch nie jmd. kennen gelernt, der dies kann - und ich komme unter eine Schwere, unter eine Last; wenn ich mir aber vergegenwärtige, dass er mich zuerst geliebt hat und ich nur diese Liebe erwidern darf, in all meiner Schwachheit, was auch noch der Heilige Geist in mir vollbringen möchte, dann wird es wieder leicht als Christ zu leben.
„Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen! Und ich werde euch Ruhe geben. Nehmt auf euch mein Joch, und lernt von mir! Denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und "ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen"“ (Mt. 11, 28.29 Rev. Elb.)
AMEN.
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