02.12. 10.30 Uhr dezentrale Hausgottesdienste
09.12. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Frieder Schinkel, Diakon i. R.)
16.12. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Birgit Oechsle; Thema: "Vater Martin" nach Tolstoi)
24.12. 15.00 Atelier in der Alten Kirche (Blumenstr. 33 Rückgebäude) Familien-Gottesdienst (Predigt Norbert Wohlrab)
30.12. kein Gottesdienst
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
Samstag, 1. Dezember 2012
Sonntag, 18. November 2012
Predigt von Norbert Wohlrab (18.11.12)
Die erste Tempelreinigung (Joh. 2)
1. Einleitung
Ich möchte heute ein bisschen da weiter machen, wo ich letzte Woche aufgehört habe.
Letzte Woche haben wir gemeinsam das Gleichnis von den drei Türen und dem guten Hirten betrachtet. Aufgehört habe ich mit der Feststellung, dass wir oft im Laufe des Nachfolge-Prozesses etwas Patina oder Rost ansetzten, d.h. wir haben etwas verloren von der Freude über die Erlösung, von der Begeisterung über Jesus, von dem Eifer für unseren Herrn usw.
Heute möchte ich mit Euch wieder einen Text aus dem Johannes-Evangelium lesen und auch vielleicht schon einen ersten Hinweis liefern, wie sich unser Zustand wieder verändern kann.
„Kurz bevor die Juden ihr Passafest feierten, ging Jesus nach Jerusalem hinauf. Im Vorhof des Tempels stieß er auf die Händler, die ihre Rinder, Schafe und Tauben zum Verkauf anboten, und auf die Geldwechsler, die ´an ihren Tischen` saßen. Da machte er sich aus Stricken eine Peitsche und trieb sie alle mit ihren Schafen und Rindern aus dem Tempelbezirk hinaus. Er schüttete das Geld der Wechsler auf den Boden und stieß ihre Tische um, und den Taubenverkäufern befahl er: »Schafft das alles weg! Macht aus dem Haus meines Vaters kein Kaufhaus!« Seine Jünger erinnerten sich dabei an die Schriftstelle: »Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren.«Die führenden Männer des jüdischen Volkes stellten Jesus zur Rede: »Kannst du uns mit einem Wunder beweisen, dass du das Recht hast, so zu handeln?« Jesus gab ihnen zur Antwort: »Reißt diesen Tempel ab, und ich werde ihn in drei Tagen wieder aufbauen.« – »Wie?«, entgegneten sie. »Sechsundvierzig Jahre lang wurde an diesem Tempel gebaut, und du willst ihn in drei Tagen wieder aufbauen?« Doch Jesus hatte mit dem Tempel seinen eigenen Körper gemeint. Später, als Jesus von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger an diesen Ausspruch, und sie glaubten ´den Voraussagen` der Schrift und dem, was Jesus selbst gesagt hatte.“ (Joh. 2, 13-22 NGÜ)
2. Abgrenzung zu den Bußpredigten
Diese Stelle wird gerne als Allegorie verstanden und verwendet, wenn man der Gemeinde bzw. einzelnen Gliedern so richtig nahe bringen will, dass es unbedingt notwendig ist, dass sie sich reinigen von allerlei Sünde, dass sie wieder umkehren auf dem richtigen Weg, dass sie Buße tun über ihren schlimmen Zustand, dass es nötig ist sich vom Heiligen Geist neu reinigen, neu läutern zu lassen, weil wir ja dieser Tempel sind, den Jesus hier reinigen muss.
„Wir sind der Tempel des lebendigen Gottes“ (2.Kor. 6,16b Rev. Elb.)
schreibt der Paulus. Jesus könnte ja auch was anderes machen, aber er muss uns reinigen, weil wir so verlottert sind. Also trennt Euch bitte doch von aller Sünde!
Es gibt solche Bußpredigten und ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie ich als junger Christ, so mit 19-20 so eine Predigt gehört habe - ich glaube es war ein Baptistenprediger - und ich hatte danach so ein schlechtes Gewissen, das mich dann umgetrieben hat, ich hab es fast nicht mehr ausgehalten, mein Herz schien mir regelrecht zu zerspringen.
Das Problem war nur, ich wusste überhaupt nicht von was ich umkehren sollte, worüber ich Buße tun sollte. Ich lebte ja kein Larifari-Christsein, ich hatte mich ja bereits bemüht mein Leben mit meiner ganzen Kraft nach den Willen Gottes auszurichten, ich hatte meinen Glauben sehr ernst genommen, ich hatte ja bereits ein bußfertiges Herz und war immer bereit auch Dinge in meinem Leben zu ändern, wenn der Heilige Geist mir etwas gezeigt hatte. Aber diese Predigt hatte in mir - wohl durch rhetorisches Geschick - ein schlechtes Gewissen erzeugt, einfach um des schlechten Gewissens willen. Denn zur Umkehr treibt uns nicht der Zorn Gottes, und auch keine Predigt über den Zorn Gottes, vermutlich auch keine Predigt über die Hölle, sondern die Güte Gottes.
„Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“ (Röm. 2,5 Luther)
Damit will ich jetzt nicht sagen, dass es unnötig ist sich zu prüfen und zu reinigen. Ganz im Gegenteil! Es gibt Zeiten, in denen uns der Heilige Geist ganz besonders Dinge über uns offenbart, die wir ändern oder angehen müssen. Nicht immer sind dies Sünden, manchmal sind dies auch nur Schwächen, wo Veränderung nötig und möglich ist. Wir haben uns jetzt bspw. auch im Hauskreis entschieden demnächst eine Art Beichtabend zu machen, wo wir einander unsere Schuld bekennen. Auch um unserer Gemeinschaft noch eine neue Tiefe zu geben.
Hier bei dieser Tempelreinigung geht es aber um etwas anderes. Schauen wir uns das noch mal genau an.
3. Die Tempelreinigung bei Johannes
Johannes hat ja in seinem Evangelium v.a. die Begebenheiten im Leben Jesu aufgeschrieben, die die Synoptiker nicht geschrieben haben. Die Tempelreinigung findet man jedoch auch bei den anderen Evangelisten, jedoch an einer ganz anderen Stelle. Während sie bei ihnen am Ende des Wirkens Jesu vorkommt, steht sie bei Johannes ganz am Anfang. Man geht daher davon aus, dass es sich um zwei verschiedene Begebenheiten handelt.
Das erste Wunder, von dem Johannes berichtet, ist die Hochzeit zu Kana, bei der Jesus Wasser in Wein verwandelt. Dieses Wunder bewirkte nicht nur vor Ort große Freude, weil der Hochzeitsgesellschaft zuvor der Wein ausgegangen war, sondern es ist auch ein Bild für die Freude, die Gott schenkt. Hier in der sich anschließenden Begebenheit, zeigt Jesus auf, was die Freude in der Gottesbeziehung trüben kann.
Die Händler im Tempel waren nicht zufällig dort, sondern sie waren dort um Opfertiere (Rinder, Schafe, Ziegen, Tauben) zu verkaufen und um Geld zu tauschen. Wir wissen aus den Opfergesetzen des Alten Bundes, dass nur besonders reine Tiere geopfert werden durften. Da es die Zeit des Passah-Festes war, wurde besonders viel geopfert. Zusätzlich zu all den Brand-, Speis- Heils-, Sünd- und Schuldopfern brauchte jede Familie (oder Nachbarsgemeinschaft) noch ein Lamm als Opfertier für das Passahfest.
Nun konnte man diese Opfertiere entweder über eine sehr lange Wegstrecke nach Jerusalem treiben um sie dort zu opfern (oder um festzustellen, dass sie der Prüfung nicht stand hielten, weil sie doch einen Makel hatten) oder sich vor Ort geprüfte Opfertier kaufen.
Diese Geschäfte fanden mit Genehmigung (und natürlich unter Gewinnbeteiligung) der Hohenpriesterschaft im Tempelvorhof statt. Dort wurde auch Geld getauscht, da die Tempelsteuer nur in bestimmten jüdischen Geldstücken gezahlt werden durften (vermutlich weil nur bestimmte Münzen einen ausreichend hohen Silberanteil hatten).
Bei der Menge an Tieren, die gehandelt wurden, können wir uns vorstellen, dass im Tempelvorhof ein ganz schönes „Gwerch“ war. Nicht nur die Tiere haben wahrscheinlich nicht in aller Stille auf ihr baldiges Ende gewartet, sondern auch die Menschen haben gelärmt beim Handeln und Feilschen. Bei der zweiten Tempelreinigung spricht Jesus sogar von einer „Räuberhöhle“, daher ist anzunehmen, dass die Händler und die dahinter stehende Hohepriesterschaft ihre Machtposition und ihr Monopol ausgenutzt hat und extreme Wucherpreise verlangt hat.
Eigentlich sollte dieser Raum, aber ein Raum der Stille und Anbetung sein, ein Raum der Sammlung, ein Raum des Verharrens in der Gegenwart Gottes.
„Der Herr aber wohnt in seinem heiligen Tempel. Alle Welt schweige in seiner Gegenwart.“ (Hab. 2,20 EÜ)
Stattdessen war da Schachern um Gewinn und Blöken von Schafen. Es stand nirgendwo in den Opfergesetzen, dass der Verkauf der Opfertiere im Tempel stattzufinden hat. Dies war eine Entscheidung der Verantwortlichen. Hier haben sich Glaube und Geschäft gemischt. Hier wurde ein religiöses System genährt. Und hier „rastet“ Jesus aus.
Eigentlich passt dieses Vorgehen Jesu nicht ganz in unsere Vorstellung von christlichen Leben oder in unsere Vorstellung von Jesus. Das würde doch eher zu einem Che Guevara passen, aber zu Jesus?! Heißt Christsein nicht eher Kuschen und Ja-Sagen und dem Anderen Recht geben, die linke Backe hinhalten, die zweite Meile gehen, tolerant sein?
Religiöse Toleranz (eine Errungenschaft des 30jährigen Krieges) bedeutet ja nicht mit dem Anderen übereinzustimmen, sondern ihn nicht zu erschlagen, wenn er eine andere Meinung hat, als die eigene.
Jesus war hier auch tolerant, weil er hat niemanden erschlagen. Weder Mensch noch Tier. Er war nur ordentlich. Er hat aufgeräumt. Aus Eifer für seinen Vater. Aus Liebe zu seinem Vater. Er hat es nicht ertragen können, nicht dulden wollen, dass der Tempel des lebendigen Gottes auf so eine Art missbraucht wird.
Nun kann man dieses Verhalten nicht als Legitimation verstehen, um künftig selbst draufzuschlagen, wenn Gott irgendwo gelästert wird. So wie die Inquisition im Mittelalter.
Bei Jesus war die Situation anders. Er hatte das Hausrecht. Er war der Messias. Er war in seines Vaters Haus. Und noch mehr: er selbst war der Tempel. Er konnte sich identifizieren mit dem Wohnsitz Gottes auf Erden. Weil Gott im Tempel in Jerusalem genauso gegenwärtig sein sollte, wie er ihn ihm selbst gegenwärtig war.
Dass jmd. auf so drastische Weise Gottes Willen durchsetzte, wie Jesus es hier getan hat, war dem Volk Israel nicht gänzlich unbekannt. Auch die Propheten hatten manchmal ähnliches getan (z.B. Jeremia). Aber sie waren legitimiert dazu. Daher die Frage an Jesus: „Aus welchem Recht heraus tust Du das?“ Sie wollten einen Beleg für sein Tun, ein Wunder. Jesus antwortete mit einem prophetischen Wort. Er sagte voraus, dass er sterben wird und nach drei Tagen selbständig wieder ins Leben zurück kehren wird. Niemand hat dies verstanden, auch die Jünger haben erst hinterher kapiert, was Jesus meinte.
4. Religiosität hindert die Glaubensbeziehung
Bei der zweiten Tempelreinigung, von der in den anderen Evangelien berichtet wird, sagt Jesus:
„Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker“ (Mk. 11,17a Luther)
Ich denke Jesus geht es um mehr, als nur darum, dass das Haus seines Vaters nicht entweiht wird. Sein Eifer, sein Zorn richtet sich hier gegen die religiösen Strukturen, die entstanden sind und letztlich die Beziehung zu Gott verhindern oder erschweren.
Gewiss, die Opfergesetze stammten von Gott selbst und waren ein Hauptbestandteil des Alten Bundes. Aber es ist etwas anderes, ob ich sage: „Mein bestes Rind für Gott“ oder wenn ich arm bin „Meine beste Taube für Gott“ und sie dann im Glauben opfere und mein Anliegen (sei es das Bekennen von Schuld oder der Dank für eine Heilung usw.) vor Gott bringe oder ob mir durch ein kompliziertes religiöses und kommerzielles System dieser Zugang erschwert wird und eigentlich nicht nur persifliert wird, sondern sinnentleert wird.
Die Gemeinschaft mit Gott im Tempel geht dabei unter oder spielt nur noch eine Nebenrolle. Wogegen sich Jesus hier wehrt, ist - wie er es oft kritisiert hat - wieder das Auflegen von Lasten auf die Gläubigen und Suchenden.
„Wehe auch euch Gesetzesgelehrten! Denn ihr ladet den Menschen unerträgliche Bürden auf“ (Lk. 11,46a Schlachter)
Auch wir laden uns manchmal selbst solche Lasten auf oder bekommen sie aufgeladen. Und diese Lasten rauben uns die Freude an Gott. Gott ist der Quell unerschöpflicher Freude. Er ist voller Liebe. Er hat uns schon geliebt, als er uns noch sowas von scheißegal war (1. Joh. 4,19; Röm. 5,8), als wir noch Sünder waren und uns nicht um seinen Willen geschert haben.
Heute lassen wir uns - von wem auch immer - unter Druck setzen, z.B. wenn wir zuwenig gebetet haben, zu wenig in der Bibel gelesen, zu wenig von der sog. „Stillen Zeit“ gemacht haben, zu wenig evangelisiert, zu wenig „Zehnten“ gegeben, zu wenig „Salbung“ haben, zu wenig Kranke geheilt usw.
Versteht mich nicht falsch, das sind alles wichtige Dinge für unser Glaubensleben, die es wert sind kultiviert und gepflegt zu werden. Aber wie perfekt oder unperfekt wir darin sind, hat überhaupt nichts mit der Liebe zu tun, die Gott für uns empfindet. Wenn wir das denken, dann ist das Religiosität. Und so ein religiöser Druck raubt meinem Christsein jede Freude.
Sei entspannt! Gott hat schon alles getan! Schmeiß die religiösen Erwartungen anderer an Dich über Bord! Und lebe in der Freiheit, die Dir Gott schenkt. (Dann verschwindet auch die Patina.) Gottes Gnade reicht für Mörder, dann reicht sie auch für unsere „Möchtegern-Sünden.“
Eine andere Form der Religiosität kann sein, wenn wir uns mehr um die Gemeinde drehen, als um Gott. Das kann man sich zwar bei uns kaum vorstellen, aber man kann auch um seinen Mangel kreisen.
Ich hab vor kurzem eine Online-Predigt von Stefan Driess gehört und da fand ich etwas ganz interessant. Und zwar hat er erzählt, dass einige ehemalige Esoteriker, die durch ihn zum Glauben gekommen sind und mittlerweile in Gemeinden integriert sind, zu ihm gesagt haben: „Stefan, Du hast zu uns immer über Jesus gesprochen. Jetzt wird nur noch über die Gemeinde gesprochen.“
Wie viel reden wir über Jesus und wie viel über Gemeinden und Theologie? Da kann sich jeder selber mal beobachten. Mir hat es auf jeden Fall zu Denken gegeben.
Gebete und Lobpreis sind Ausdruck einer Beziehung und nicht leere Rituale. Gott liebt uns so sehr, dass er sich gesagt hat, es reicht nicht aus, wenn sie mein Wort haben und darin immer wieder lesen können: „Gott hat mich zuerst geliebt“, nein, sie brauchen auch noch den Heiligen Geist, der es ihnen lebendig bezeugt, dass sie meine Kinder sind.
„Denn der Geist Gottes, den ihr empfangen habt, führt euch nicht in eine neue Sklaverei, in der ihr wieder Angst haben müsstet. Er macht euch vielmehr zu Gottes Kindern. Jetzt können wir zu Gott kommen und zu ihm sagen: "Vater, lieber Vater!" Gottes Geist selbst gibt uns die innere Gewissheit, dass wir Gottes Kinder sind.“ (Röm. 8, 15.16 HfA)
Nur manchmal tut er sich schwer unsere religiöse Hülle zu durchbrechen, weil wir auf stur schalten. Da will der Heilige Geist mir mitteilen: „Ach Norbert, Du bist mein liebes Kind“ und ich denk mir „Ich hab heut aber noch nicht gebetet!“ oder „Ich hab jetzt aber drei Tage nicht in der Bibel gelesen“ o.ä. Versteht Ihr?
Wir sind zur Freiheit berufen!
„Für die Freiheit hat Christus uns freigemacht.“ (Gal. 5,1a Rev. Elb.)
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“ (Gal. 5,1a Luther)
„Durch Christus sind wir frei geworden, damit wir als Befreite leben. Jetzt kommt es darauf an, dass ihr euch nicht wieder vom Gesetz versklaven lasst.“ (Gal. 5,1 HfA)
„Ihr braucht nicht mehr unter der Fuchtel von Gesetzen zu stehen.“ (Gal. 5,1b Volx)
Und Paulus meint hier nicht die Freiheit von Bindungen! Dann könnte man sich wieder neu Druck machen: „Ja, aber, hier und dort, da ist noch nicht alles in Ordnung in meinem Leben. Da muss ich noch dran arbeiten. Da brauch ich noch Befreiung.“ Paulus meint hier Freiheit vom Gesetz und davon sich nicht wieder unter irgendein neues religiöses Gesetz zu stellen.
Wenn wir immer wieder neu verstehen, wie frei wir wirklich sind, wie geliebt wir wirklich sind, werden wir auch ganz neue Freude für unser Leben mit Gott bekommen.
AMEN.
1. Einleitung
Ich möchte heute ein bisschen da weiter machen, wo ich letzte Woche aufgehört habe.
Letzte Woche haben wir gemeinsam das Gleichnis von den drei Türen und dem guten Hirten betrachtet. Aufgehört habe ich mit der Feststellung, dass wir oft im Laufe des Nachfolge-Prozesses etwas Patina oder Rost ansetzten, d.h. wir haben etwas verloren von der Freude über die Erlösung, von der Begeisterung über Jesus, von dem Eifer für unseren Herrn usw.
Heute möchte ich mit Euch wieder einen Text aus dem Johannes-Evangelium lesen und auch vielleicht schon einen ersten Hinweis liefern, wie sich unser Zustand wieder verändern kann.
„Kurz bevor die Juden ihr Passafest feierten, ging Jesus nach Jerusalem hinauf. Im Vorhof des Tempels stieß er auf die Händler, die ihre Rinder, Schafe und Tauben zum Verkauf anboten, und auf die Geldwechsler, die ´an ihren Tischen` saßen. Da machte er sich aus Stricken eine Peitsche und trieb sie alle mit ihren Schafen und Rindern aus dem Tempelbezirk hinaus. Er schüttete das Geld der Wechsler auf den Boden und stieß ihre Tische um, und den Taubenverkäufern befahl er: »Schafft das alles weg! Macht aus dem Haus meines Vaters kein Kaufhaus!« Seine Jünger erinnerten sich dabei an die Schriftstelle: »Der Eifer für dein Haus wird mich verzehren.«Die führenden Männer des jüdischen Volkes stellten Jesus zur Rede: »Kannst du uns mit einem Wunder beweisen, dass du das Recht hast, so zu handeln?« Jesus gab ihnen zur Antwort: »Reißt diesen Tempel ab, und ich werde ihn in drei Tagen wieder aufbauen.« – »Wie?«, entgegneten sie. »Sechsundvierzig Jahre lang wurde an diesem Tempel gebaut, und du willst ihn in drei Tagen wieder aufbauen?« Doch Jesus hatte mit dem Tempel seinen eigenen Körper gemeint. Später, als Jesus von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger an diesen Ausspruch, und sie glaubten ´den Voraussagen` der Schrift und dem, was Jesus selbst gesagt hatte.“ (Joh. 2, 13-22 NGÜ)
2. Abgrenzung zu den Bußpredigten
Diese Stelle wird gerne als Allegorie verstanden und verwendet, wenn man der Gemeinde bzw. einzelnen Gliedern so richtig nahe bringen will, dass es unbedingt notwendig ist, dass sie sich reinigen von allerlei Sünde, dass sie wieder umkehren auf dem richtigen Weg, dass sie Buße tun über ihren schlimmen Zustand, dass es nötig ist sich vom Heiligen Geist neu reinigen, neu läutern zu lassen, weil wir ja dieser Tempel sind, den Jesus hier reinigen muss.
„Wir sind der Tempel des lebendigen Gottes“ (2.Kor. 6,16b Rev. Elb.)
schreibt der Paulus. Jesus könnte ja auch was anderes machen, aber er muss uns reinigen, weil wir so verlottert sind. Also trennt Euch bitte doch von aller Sünde!
Es gibt solche Bußpredigten und ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie ich als junger Christ, so mit 19-20 so eine Predigt gehört habe - ich glaube es war ein Baptistenprediger - und ich hatte danach so ein schlechtes Gewissen, das mich dann umgetrieben hat, ich hab es fast nicht mehr ausgehalten, mein Herz schien mir regelrecht zu zerspringen.
Das Problem war nur, ich wusste überhaupt nicht von was ich umkehren sollte, worüber ich Buße tun sollte. Ich lebte ja kein Larifari-Christsein, ich hatte mich ja bereits bemüht mein Leben mit meiner ganzen Kraft nach den Willen Gottes auszurichten, ich hatte meinen Glauben sehr ernst genommen, ich hatte ja bereits ein bußfertiges Herz und war immer bereit auch Dinge in meinem Leben zu ändern, wenn der Heilige Geist mir etwas gezeigt hatte. Aber diese Predigt hatte in mir - wohl durch rhetorisches Geschick - ein schlechtes Gewissen erzeugt, einfach um des schlechten Gewissens willen. Denn zur Umkehr treibt uns nicht der Zorn Gottes, und auch keine Predigt über den Zorn Gottes, vermutlich auch keine Predigt über die Hölle, sondern die Güte Gottes.
„Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“ (Röm. 2,5 Luther)
Damit will ich jetzt nicht sagen, dass es unnötig ist sich zu prüfen und zu reinigen. Ganz im Gegenteil! Es gibt Zeiten, in denen uns der Heilige Geist ganz besonders Dinge über uns offenbart, die wir ändern oder angehen müssen. Nicht immer sind dies Sünden, manchmal sind dies auch nur Schwächen, wo Veränderung nötig und möglich ist. Wir haben uns jetzt bspw. auch im Hauskreis entschieden demnächst eine Art Beichtabend zu machen, wo wir einander unsere Schuld bekennen. Auch um unserer Gemeinschaft noch eine neue Tiefe zu geben.
Hier bei dieser Tempelreinigung geht es aber um etwas anderes. Schauen wir uns das noch mal genau an.
3. Die Tempelreinigung bei Johannes
Johannes hat ja in seinem Evangelium v.a. die Begebenheiten im Leben Jesu aufgeschrieben, die die Synoptiker nicht geschrieben haben. Die Tempelreinigung findet man jedoch auch bei den anderen Evangelisten, jedoch an einer ganz anderen Stelle. Während sie bei ihnen am Ende des Wirkens Jesu vorkommt, steht sie bei Johannes ganz am Anfang. Man geht daher davon aus, dass es sich um zwei verschiedene Begebenheiten handelt.
Das erste Wunder, von dem Johannes berichtet, ist die Hochzeit zu Kana, bei der Jesus Wasser in Wein verwandelt. Dieses Wunder bewirkte nicht nur vor Ort große Freude, weil der Hochzeitsgesellschaft zuvor der Wein ausgegangen war, sondern es ist auch ein Bild für die Freude, die Gott schenkt. Hier in der sich anschließenden Begebenheit, zeigt Jesus auf, was die Freude in der Gottesbeziehung trüben kann.
Die Händler im Tempel waren nicht zufällig dort, sondern sie waren dort um Opfertiere (Rinder, Schafe, Ziegen, Tauben) zu verkaufen und um Geld zu tauschen. Wir wissen aus den Opfergesetzen des Alten Bundes, dass nur besonders reine Tiere geopfert werden durften. Da es die Zeit des Passah-Festes war, wurde besonders viel geopfert. Zusätzlich zu all den Brand-, Speis- Heils-, Sünd- und Schuldopfern brauchte jede Familie (oder Nachbarsgemeinschaft) noch ein Lamm als Opfertier für das Passahfest.
Nun konnte man diese Opfertiere entweder über eine sehr lange Wegstrecke nach Jerusalem treiben um sie dort zu opfern (oder um festzustellen, dass sie der Prüfung nicht stand hielten, weil sie doch einen Makel hatten) oder sich vor Ort geprüfte Opfertier kaufen.
Diese Geschäfte fanden mit Genehmigung (und natürlich unter Gewinnbeteiligung) der Hohenpriesterschaft im Tempelvorhof statt. Dort wurde auch Geld getauscht, da die Tempelsteuer nur in bestimmten jüdischen Geldstücken gezahlt werden durften (vermutlich weil nur bestimmte Münzen einen ausreichend hohen Silberanteil hatten).
Bei der Menge an Tieren, die gehandelt wurden, können wir uns vorstellen, dass im Tempelvorhof ein ganz schönes „Gwerch“ war. Nicht nur die Tiere haben wahrscheinlich nicht in aller Stille auf ihr baldiges Ende gewartet, sondern auch die Menschen haben gelärmt beim Handeln und Feilschen. Bei der zweiten Tempelreinigung spricht Jesus sogar von einer „Räuberhöhle“, daher ist anzunehmen, dass die Händler und die dahinter stehende Hohepriesterschaft ihre Machtposition und ihr Monopol ausgenutzt hat und extreme Wucherpreise verlangt hat.
Eigentlich sollte dieser Raum, aber ein Raum der Stille und Anbetung sein, ein Raum der Sammlung, ein Raum des Verharrens in der Gegenwart Gottes.
„Der Herr aber wohnt in seinem heiligen Tempel. Alle Welt schweige in seiner Gegenwart.“ (Hab. 2,20 EÜ)
Stattdessen war da Schachern um Gewinn und Blöken von Schafen. Es stand nirgendwo in den Opfergesetzen, dass der Verkauf der Opfertiere im Tempel stattzufinden hat. Dies war eine Entscheidung der Verantwortlichen. Hier haben sich Glaube und Geschäft gemischt. Hier wurde ein religiöses System genährt. Und hier „rastet“ Jesus aus.
Eigentlich passt dieses Vorgehen Jesu nicht ganz in unsere Vorstellung von christlichen Leben oder in unsere Vorstellung von Jesus. Das würde doch eher zu einem Che Guevara passen, aber zu Jesus?! Heißt Christsein nicht eher Kuschen und Ja-Sagen und dem Anderen Recht geben, die linke Backe hinhalten, die zweite Meile gehen, tolerant sein?
Religiöse Toleranz (eine Errungenschaft des 30jährigen Krieges) bedeutet ja nicht mit dem Anderen übereinzustimmen, sondern ihn nicht zu erschlagen, wenn er eine andere Meinung hat, als die eigene.
Jesus war hier auch tolerant, weil er hat niemanden erschlagen. Weder Mensch noch Tier. Er war nur ordentlich. Er hat aufgeräumt. Aus Eifer für seinen Vater. Aus Liebe zu seinem Vater. Er hat es nicht ertragen können, nicht dulden wollen, dass der Tempel des lebendigen Gottes auf so eine Art missbraucht wird.
Nun kann man dieses Verhalten nicht als Legitimation verstehen, um künftig selbst draufzuschlagen, wenn Gott irgendwo gelästert wird. So wie die Inquisition im Mittelalter.
Bei Jesus war die Situation anders. Er hatte das Hausrecht. Er war der Messias. Er war in seines Vaters Haus. Und noch mehr: er selbst war der Tempel. Er konnte sich identifizieren mit dem Wohnsitz Gottes auf Erden. Weil Gott im Tempel in Jerusalem genauso gegenwärtig sein sollte, wie er ihn ihm selbst gegenwärtig war.
Dass jmd. auf so drastische Weise Gottes Willen durchsetzte, wie Jesus es hier getan hat, war dem Volk Israel nicht gänzlich unbekannt. Auch die Propheten hatten manchmal ähnliches getan (z.B. Jeremia). Aber sie waren legitimiert dazu. Daher die Frage an Jesus: „Aus welchem Recht heraus tust Du das?“ Sie wollten einen Beleg für sein Tun, ein Wunder. Jesus antwortete mit einem prophetischen Wort. Er sagte voraus, dass er sterben wird und nach drei Tagen selbständig wieder ins Leben zurück kehren wird. Niemand hat dies verstanden, auch die Jünger haben erst hinterher kapiert, was Jesus meinte.
4. Religiosität hindert die Glaubensbeziehung
Bei der zweiten Tempelreinigung, von der in den anderen Evangelien berichtet wird, sagt Jesus:
„Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker“ (Mk. 11,17a Luther)
Ich denke Jesus geht es um mehr, als nur darum, dass das Haus seines Vaters nicht entweiht wird. Sein Eifer, sein Zorn richtet sich hier gegen die religiösen Strukturen, die entstanden sind und letztlich die Beziehung zu Gott verhindern oder erschweren.
Gewiss, die Opfergesetze stammten von Gott selbst und waren ein Hauptbestandteil des Alten Bundes. Aber es ist etwas anderes, ob ich sage: „Mein bestes Rind für Gott“ oder wenn ich arm bin „Meine beste Taube für Gott“ und sie dann im Glauben opfere und mein Anliegen (sei es das Bekennen von Schuld oder der Dank für eine Heilung usw.) vor Gott bringe oder ob mir durch ein kompliziertes religiöses und kommerzielles System dieser Zugang erschwert wird und eigentlich nicht nur persifliert wird, sondern sinnentleert wird.
Die Gemeinschaft mit Gott im Tempel geht dabei unter oder spielt nur noch eine Nebenrolle. Wogegen sich Jesus hier wehrt, ist - wie er es oft kritisiert hat - wieder das Auflegen von Lasten auf die Gläubigen und Suchenden.
„Wehe auch euch Gesetzesgelehrten! Denn ihr ladet den Menschen unerträgliche Bürden auf“ (Lk. 11,46a Schlachter)
Auch wir laden uns manchmal selbst solche Lasten auf oder bekommen sie aufgeladen. Und diese Lasten rauben uns die Freude an Gott. Gott ist der Quell unerschöpflicher Freude. Er ist voller Liebe. Er hat uns schon geliebt, als er uns noch sowas von scheißegal war (1. Joh. 4,19; Röm. 5,8), als wir noch Sünder waren und uns nicht um seinen Willen geschert haben.
Heute lassen wir uns - von wem auch immer - unter Druck setzen, z.B. wenn wir zuwenig gebetet haben, zu wenig in der Bibel gelesen, zu wenig von der sog. „Stillen Zeit“ gemacht haben, zu wenig evangelisiert, zu wenig „Zehnten“ gegeben, zu wenig „Salbung“ haben, zu wenig Kranke geheilt usw.
Versteht mich nicht falsch, das sind alles wichtige Dinge für unser Glaubensleben, die es wert sind kultiviert und gepflegt zu werden. Aber wie perfekt oder unperfekt wir darin sind, hat überhaupt nichts mit der Liebe zu tun, die Gott für uns empfindet. Wenn wir das denken, dann ist das Religiosität. Und so ein religiöser Druck raubt meinem Christsein jede Freude.
Sei entspannt! Gott hat schon alles getan! Schmeiß die religiösen Erwartungen anderer an Dich über Bord! Und lebe in der Freiheit, die Dir Gott schenkt. (Dann verschwindet auch die Patina.) Gottes Gnade reicht für Mörder, dann reicht sie auch für unsere „Möchtegern-Sünden.“
Eine andere Form der Religiosität kann sein, wenn wir uns mehr um die Gemeinde drehen, als um Gott. Das kann man sich zwar bei uns kaum vorstellen, aber man kann auch um seinen Mangel kreisen.
Ich hab vor kurzem eine Online-Predigt von Stefan Driess gehört und da fand ich etwas ganz interessant. Und zwar hat er erzählt, dass einige ehemalige Esoteriker, die durch ihn zum Glauben gekommen sind und mittlerweile in Gemeinden integriert sind, zu ihm gesagt haben: „Stefan, Du hast zu uns immer über Jesus gesprochen. Jetzt wird nur noch über die Gemeinde gesprochen.“
Wie viel reden wir über Jesus und wie viel über Gemeinden und Theologie? Da kann sich jeder selber mal beobachten. Mir hat es auf jeden Fall zu Denken gegeben.
Gebete und Lobpreis sind Ausdruck einer Beziehung und nicht leere Rituale. Gott liebt uns so sehr, dass er sich gesagt hat, es reicht nicht aus, wenn sie mein Wort haben und darin immer wieder lesen können: „Gott hat mich zuerst geliebt“, nein, sie brauchen auch noch den Heiligen Geist, der es ihnen lebendig bezeugt, dass sie meine Kinder sind.
„Denn der Geist Gottes, den ihr empfangen habt, führt euch nicht in eine neue Sklaverei, in der ihr wieder Angst haben müsstet. Er macht euch vielmehr zu Gottes Kindern. Jetzt können wir zu Gott kommen und zu ihm sagen: "Vater, lieber Vater!" Gottes Geist selbst gibt uns die innere Gewissheit, dass wir Gottes Kinder sind.“ (Röm. 8, 15.16 HfA)
Nur manchmal tut er sich schwer unsere religiöse Hülle zu durchbrechen, weil wir auf stur schalten. Da will der Heilige Geist mir mitteilen: „Ach Norbert, Du bist mein liebes Kind“ und ich denk mir „Ich hab heut aber noch nicht gebetet!“ oder „Ich hab jetzt aber drei Tage nicht in der Bibel gelesen“ o.ä. Versteht Ihr?
Wir sind zur Freiheit berufen!
„Für die Freiheit hat Christus uns freigemacht.“ (Gal. 5,1a Rev. Elb.)
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit!“ (Gal. 5,1a Luther)
„Durch Christus sind wir frei geworden, damit wir als Befreite leben. Jetzt kommt es darauf an, dass ihr euch nicht wieder vom Gesetz versklaven lasst.“ (Gal. 5,1 HfA)
„Ihr braucht nicht mehr unter der Fuchtel von Gesetzen zu stehen.“ (Gal. 5,1b Volx)
Und Paulus meint hier nicht die Freiheit von Bindungen! Dann könnte man sich wieder neu Druck machen: „Ja, aber, hier und dort, da ist noch nicht alles in Ordnung in meinem Leben. Da muss ich noch dran arbeiten. Da brauch ich noch Befreiung.“ Paulus meint hier Freiheit vom Gesetz und davon sich nicht wieder unter irgendein neues religiöses Gesetz zu stellen.
Wenn wir immer wieder neu verstehen, wie frei wir wirklich sind, wie geliebt wir wirklich sind, werden wir auch ganz neue Freude für unser Leben mit Gott bekommen.
AMEN.
Sonntag, 11. November 2012
Predigt von Norbert Wohlrab (11.11.12)
Das Gleichnis von der dreifachen Tür und vom guten Hirten (Joh. 10, 1-18)
1. Einleitung
Ich möchte zu Euch heute über ein Gleichnis sprechen, dass wir alle kennen: ich nenne es mal das Gleichnis von der dreifachen Tür. Ihr kennt es ganz bestimmt, nur vielleicht nicht unter diesem Namen. Bevor wir es aber zusammen lesen, möchte ich kurz auf den Kontext eingehen, in dem Jesus dieses Gleichnis erzählt.
Es ist die Zeit des Laubhüttenfests. Jesus ist in Jerusalem und lehrt. Hierbei kommt es zu einer Reihe von Konflikten und Auseinandersetzungen mit den Pharisäern und Schriftgelehrten (z.B. bei der Ehebrecherin, die gesteinigt werden sollte und der Heilung des Blindgeborenen). Dabei überführt Jesus seine Kritiker ihrer falschen Frömmigkeit. Er deckt auf, wo sie das Gesetz in ihrem eigenen Interesse beugen und zeigt, wo die Traditionen der Mischna (Auslegungen zum Gesetz des Mose und weiterführende Gesetze) sich von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes entfernt hatten. Als Folge dieser Konflikte wird Jesus von ihnen abgelehnt. Sie treffen Aussagen, wie: „Du hast einen Dämon.“ (V. 49) und versuchen ihn zu töten (V. 59).
Jesus trifft dann Aussagen über sie wie: „Ihr kennt weder mich noch meinen Vater; wenn ihr mich gekannt hättet, so würdet ihr auch meinen Vater gekannt haben“ (Joh. 8,19 Rev. Elb.), „Ihr sucht mich zu töten, weil mein Wort nicht Raum in euch findet“ (V. 37b) oder „Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun.“ (V. 44a)
Gleichzeitig stellt Jesus ganz klar heraus, dass er der gesandte Messias ist: „ich bin nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat“ (V. 16b), „der Vater, der mich gesandt hat, zeugt von mir“ (V. 18b), „ich bin von dem, was oben ist“ (V. 23a), „Wenn ihr nicht glauben werdet, dass ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben“ (V. 24b), „mein Vater ist es...von dem ihr sagt: Er ist unser Gott.“ (V. 54) „Abraham, euer Vater, frohlockte, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich...Ehe Abraham war, bin ich.“ (V. 56.58b)
Zusätzlich zu seine Worten, tat er noch ein Wunder, dass nach der jüdischen Überlieferung nur der Messias tun konnte und noch nie geschehen ist in Israel (Joh. 9,32): er heilte einen Blindgeborenen (und dann auch noch am Sabbat und mit Brei, was nach der Mischna strengstens verboten war.)
Obwohl Jesus also klare Worte sprach und entsprechende Werke tat, wurde er von ihnen abgelehnt. In diesen Zusammenhang spricht er nun das Gleichnis von den drei Türen, uns eher bekannt als Gleichnis vom guten Hirten, wobei der Hirte eigentlich in diesem Gleichnis nur ein Teilaspekt ist. Ich möchte es jetzt Vers für Vers mit Euch lesen (Joh. 10 Rev. Elb.).
2. Das Gleichnis von den drei Türen
Jesus beginnt mit:
„1 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch:“
Wenn Jesus so beginnt, ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Es ist wie ein Schwur, wie eine Tatsachenbekundung, die von Ewigkeit zu Ewigkeit gilt.
„Wer nicht durch die Tür in den Hof der Schafe hineingeht, sondern anderswo hinübersteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber.“
Hier müssen wir wissen, dass die Schafe nachts in eine Art Hof geführt wurden. In eine sog. Schafhürde. Dies war ein ummauerter Weideplatz, in dem sie nachts geschützt sein sollten. Zu diesen Weideplatz gab es einen Eingang, der mit einem Gatter oder einer Tür versehen war.
Wenn jmd. unlautere Absichten hatte, z.B. Schafe stehlen wollte, der musste über die Mauer in diese Hürde einsteigen. Der Hirte dagegen kommt durch die Tür.
„2 Wer aber durch die Tür hineingeht, ist Hirte der Schafe.“
Hier haben wir jetzt die erste Tür. Durch diese Tür kommt Jesus zu seinen Schafen.
Sie wird als die Tür der Schriften bezeichnet. Viele Schriftstellen des Alten Testaments weisen auf Jesus hin: er ist der Nachkomme Davids, die verheißene Jungfrauengeburt, Bethlehem als Geburtsort usw.
Das ganze Volk Israel wartete auf den Messias. Es war fokussiert durch die verschiedenen Prophetien. Es richtete seinen Blick auf die Türöffnung und wartete auf den angekündigten Hirten über den es heißt:
„Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte, die Lämmer wird er in seinen Arm nehmen und in seinem Gewandbausch tragen, die säugenden Muttertiere wird er fürsorglich leiten.“ (Jes. 40, 11 Rev. Elb.)
Weil Jesus, der angekündigte Hirte ist, öffnet ihm der Türhüter.
„3 Diesem öffnet der Türhüter, und die Schafe hören seine Stimme, und er ruft die eigenen Schafe mit Namen und führt sie heraus.“
Wer ist nun der Türhüter? Ich denke Gott selbst ist der Türhüter. Er öffnet den Zugang zu seinen Schafen, zum Volk Israel nur für den von ihm gesandten Sohn und Retter.
Wie öffnet er die Tür? Ich denke, in dem er die alttestamentlichen Prophetien bestätigt und Jesus als den versprochenen Retter ankündigen lässt. Durch die Engel bei Maria und bei den Hirten, durch die Magier aus dem Osten, durch Simon im Tempel, durch Johannes dem Täufer, durch die Zusage bei der Taufe Jesus: „Du bist mein geliebter Sohn!“ So wird er angekündigt, so wird die Tür zum Volk Gottes geöffnet.
Nun tritt er ein und ruft seine Schafe mit Namen. „Simon und Andreas, kommt mir nach!“, „Matthäus, folge mir nach!“, „Zachäus, steig herab!“
In so einer Schafhürde waren nachts die Schafe von mehreren Herden untergebracht. Die Schafe haben sich natürlich dann im Laufe der Nacht munter gemischt. Absolutes Chaos. Aber die Schafe kennen die Stimme ihres Hirten und so können die Hirten jeden Morgen ihre Schafe wieder separieren und aus der Hürde hinaus führen, so dass wieder Ordnung in das Durcheinander kommt und jedes Schaf wieder beim richtigen Hirten landet.
Die Pharisäer und Schriftgelehrten waren zwar auch Schafe, weil sie zum Volk Israel gehörten, aber sie ließen sich nicht von ihm herausrufen. (Sie gehörten bildlich gesprochen zu denn 99 Schafen in der Wüste, die nicht Buße taten, wie wir in einem anderen Gleichnis lesen können. Man kann das Gleichnis von dem verlorenen Schaf nämlich auch so interpretieren.)
Von Spurgeon wird berichtet, dass er alle 6000 Mitglieder seiner Gemeinde mit Namen kannte. Nur wenn neue Ehen geschlossen wurden, ist er manchmal durcheinander gekommen.
Jesus kennt jedes seiner Millionen Schafe mit Namen. Er rief Zachäus schon mit Namen, bevor dieser ihn persönlich kennen gelernt hat. Ja, Zachäus wusste selbst noch nicht mal, dass er in Kürze zur Gemeinde Gottes gehören wird.
D.h. er weiß nicht nur, wie wir heißen, er kennt uns durch und durch. Er kennt unsere Persönlichkeit, unsere Stärken und Schwächen, unser Wünsche und Träume, unsere Schrullen, unseren ganzen Charakter und unser bußfertiges Herz.
Das soll uns keine Angst machen, das ist keine Ermahnung, sondern wir können dadurch wissen, dass wir ihn grenzenlos vertrauen können.
„4 Wenn er die eigenen Schafe alle herausgebracht hat, geht er vor ihnen her, und die Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen.“
Das beschreibt hier zuerst mal den Prozess der Nachfolge, aber noch viel mehr.
Woraus führt er die Schafe eigentlich? Er führt sie heraus aus der Ummauerung des Gesetzes. Das Gesetz zeigt die Sünde auf. Es tötet (2. Kor. 3,6). Es bringt keine Freiheit. Hinzu kommen noch die Lasten der Mischna. Jesus wirft den Schriftgelehrten an anderer Stelle vor, dass sie dem Volk harte Lasten aufladen (Lk. 11,46). Seine Last dagegen ist leicht (Mt. 11,30). Er führt in die Freiheit:
„Die Wahrheit wird euch frei machen...Wenn nun der Sohn euch frei machen wird, so werdet ihr wirklich frei sein.“ (Joh. 8,32.36 Rev. Elb.)
Diese Freiheit konnte nur der Sohn Gottes erwirken. Kein Israelit konnte sie selbst erwirken. Kein Schaf konnte in Eigenregie durch das Tor die Hürde verlassen.
Gleichzeitig wendet er sich durch diesen Auszug von denen ab, die ihm nicht folgen wollen. Nicht nur von denen, die ihn angegriffen haben, sondern von der ganzen Umzäunung des Gesetzes. Der Weg der Gnade und der Weg des Gesetzes sind nicht kompatibel.
Hier wird die zweite Tür (oder die zweite Funktion der Tür) deutlich. Durch die erste Tür kam Jesus hinein, durch die zweite Tür führt er die heraus, die ihm nachfolgen wollen und auf seinen Ruf antworten. Es ist die Tür der Schafe (V. 7).
Dann geht der Hirte vor ihnen her. Schafe hüten im Orient erfolgt nach anderen Vorgehensweisen, als in Europa. Bei uns werden die Schafe meist durch den Hirtenhund getrieben, im Nahen Osten werden sie durch die Stimme des Hirten gelockt.
Hier zeigt sich, dass der Weg des Schafes ein Weg in der vertrauten Beziehung mit seinem Herrn ist. Es ist kein eigenmächtiger Weg, sondern ein Weg ihm nach.
John Stott erzählt, wie er einmal eine Reise in den Nahen Osten unternahm. Er saß mit einer Gruppe im Bus. Der arabische Touristenführer berichtete von den unterschiedlichen Führungsmethoden der Hirten im Westen und im Osten. Während er den Touristen wissen ließ, dass in seiner Gegend die Hirten ihrer Herde vorangehen und die Schafe seiner Stimme folgen, schaute ein Teilnehmer aus dem Busfenster und sah genau das Gegenteil. Er sah, wie ein Mann mit einem Stock in der Hand eine Schafherde vor sich hertrieb. Der Tourist meldete sich und wies auf die Situation auf der anderen Straßenseite hin. Der Touristenführer ließ den Bus anhalten und lief über die Straße, um den Mann mit dem Stock in der Hand zu befragen. Dann kam er mit einem Strahlen auf dem Gesicht zurück und sagte: „Das war nicht der Hirte. Das war der Schlachter!“ (aus Quelle: Gemeinde- und Missionswerk Arche e.V., Christian Wegert, „Ich bin der gute Hirte“, 04.12.11)
„5 Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen...
7 Jesus sprach nun wieder zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich bin die Tür der Schafe. 8 Alle, die vor mir gekommen sind, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe hörten nicht auf sie.“
In Großbritannien gibt es sportliche Wettbewerbe, bei denen man fremde Schafherden weiden muss. Die größte Herausforderung dabei ist es die fremden Schafe ohne Hilfsmittel erst einmal aus dem Pferch herauszubekommen.
Vor Jesus gab es mehrere falsche Propheten, die sich als Messias ausgegeben hatten. Aber sie hatten keinen Bestand. Auch die Pharisäer sind solche Diebe und Räuber. Ihr Interesse war es sich selbst zu weiden.
„Und das Wort des HERRN geschah zu mir so: Menschensohn, weissage über die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen, den Hirten: So spricht der Herr, HERR: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? Die Milch genießt ihr, und mit der Wolle kleidet ihr euch, das fette Vieh schlachtet ihr - die Herde weidet ihr nicht. Die Schwachen habt ihr nicht gestärkt und das Kranke nicht geheilt und das Gebrochene nicht verbunden und das Versprengte nicht zurückgebracht und das Verlorene nicht gesucht, sondern mit Härte habt ihr über sie geherrscht und mit Gewalt.“ (Hes. 34, 1-4 Rev. Elb.)
Wir kommen jetzt zur dritten Tür: der Tür der Errettung!
„9 Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, so wird er gerettet werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden.“
Jesus selbst ist diese Tür. Er ist die Tür der Errettung! Hier weitet sich das Bild nochmals. Waren es bei der Tür der Schafe, diejenigen, die er berufen hat und durch die Tür gingen, gilt dieses Angebot jetzt allen. Einem jeden der durch ihn eingeht! Jesus spricht hier von einem einmaligen Eingehen, einer einmaligen Handlung, dem einmaligen Eintreten in die Gemeinschaft der Schafe (Konjunktiv Aorist!).
Er ist der Weg! Er ist die Tür! Und nur er! Kein spirituelles Erlebnis hat irgendeine errettende Bedeutung, wenn es nicht Jesus-zentriert ist, wenn es nicht auf Jesus weist, man kann sagen, wenn man dabei nicht durch Jesus geht!
Vielleicht wird man die gegenwärtigen Jahrzehnte mal rückwirkend als die spirituell-esoterische Epoche bezeichnen. Und tatsächlich sind auch manche Menschen offen für Gott. Aber das Erleben von geistlichen Erfahrungen lässt sie noch keine Christus-Nachfolger werden. Sie müssen erst Jesus erkennen und durch ihn eingehen! Nur in ihm ist das Heil (Apg. 4,12).
Etwas schwer zu verstehen, ist hier „ein- und ausgehen und Weide finden.“ Ich vermute hier ein Bild für die christliche Freiheit und nicht für ein wechselhaftes zu-Gott-hinwenden und von-Gott-abwenden.
Die Juden waren eingesperrt, sie waren verwahrt im Gesetz. Sie hatten zwar Sicherheit, aber die eines Gefängnisses. Sie hatten keinen Zugang zu Gott, der Weg ins Allerheiligste war verwehrt.
„Bevor aber der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetz verwahrt, eingeschlossen auf den Glauben hin, der offenbart werden sollte.“ (Gal. 3,23 Rev. Elb.)
Nun war es möglich sich frei zu bewegen. Der Weg zum Vater wird möglich. Auch der Weg zu den Heiden wird später möglich.
Während im Alten Bund unter geistlicher Nahrung v.a. das Meditieren über dem Gesetz zu verstehen ist, ist nun Jesus selbst diese Nahrung. Er ist das Brot. Er gibt die Weide. In ihm wird das Wort Gottes lebendig, durch seine Gegenwart wird Kraft gespendet. Er versorgt auch mit Weideland in Ewigkeit, mit Wohnraum in Ewigkeit, mit ewigem Leben.
„10 Der Dieb kommt nur, um zu stehlen und zu schlachten und zu verderben. Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Überfluss haben.“
Das Interesse der falschen Hirten habe ich vorhin bereits erwähnt. Jesus stellt jetzt hierzu im Gegensatz noch einmal dar, was er bringt: Leben! Erfülltes Leben, Leben im Überfluss, volle Genüge (Luther), in ganzer Fülle (NGÜ), alles reichlich dazu (Neue evangelistische Übersetzung).
Dies ist ein Vers, der gerne falsch verstanden und fehl interpretiert wird. Jesus redet hier nicht davon, dass uns ein Leben verheißen wird, in dem man alles bekommt, was man sich so wünscht. Nicht von einem Leben im Schlaraffenland, von einem Leben in Hülle und Fülle und auch nicht in Saus und Braus (so wie Gun´s´Roses es in einem moralisch eher zweifelhaften Rocksong postulieren „Take me down to the paradise city, where the grass is green and the girls are pretty“). Jesus redet hier nämlich nicht vom bios (vom körperlichen Leben) und nicht vom psychos (vom seelischen Leben), sondern von zoe (vom geistlichen Leben).
Dieses geistliche Leben, das er schenkt ist ein überfließendes Leben, denn es gibt Gnade ohne Ende, ohne Abwinken, all you can eat!
„Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade.“ (Joh. 1,16 Rev. Elb.)
Die Fülle die darin steckt ist überfließende Gnade. Sie fließt vom Thron Gottes und fließt und fließt und fließt....und wenn wir schon gestorben sind, dann fließt sie immer noch weiter. Diese Gnade kannten sie nicht im Alten Bund, dieses Leben kannten sie nicht, dies wurde erst möglich durch den Tod Jesu.
Vielleicht kann man den Begriff auch noch weiter fassen. Jeder von uns, der den persönlichen Ruf Jesu in seinem Leben gehört hat, brauchte sich nie wieder Gedanken darüber machen, wo er her kommt und wo er hin geht. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist für alle Zeiten gestillt. Es gibt keine Suche mehr, die mich antreibt. Ich hab´s gefunden! Das Vakuum ist ausgefüllt, das Loch in meiner Seele gestopft. Zumindest in dieser existenziellen Fragestellung. Manch andere kleine Löcher haben wir schon noch, so wie in Socken manchmal unverständlicherweise Löcher auftreten.
Auch der Heilige Geist, der uns gegeben ist, würde in dieses Bild passen. Die Früchte des Geistes, die Früchte der Liebe, die aus uns heraus wachsen. Aber das würde heute den Rahmen dieser Predigt sprengen.
3. Das Bild vom guten Hirten
Jetzt endlich kommt der Vers, den wir doch alle so lieben, bei dem es uns wohl ums Herz wird.
„11 Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.“
Der Beruf des Hirten war jetzt nicht wirklich ein Job, dem man großen Respekt zollte. Man wollte vielleicht auch nicht unbedingt mit Schafen vergleichen werden. Aber Gott wählte diese Bilder bereits im Alten Bund. Vielleicht weil sie so klar und unmissverständlich sind.
Jesus hat kein Problem sich mit diesem Berufsstand zu identifizieren. Er hatte nie ein Problem damit bei den Entrechteten und den am Rande stehenden Glieder der Gesellschaft zu sein.
Er lässt sein Leben, nicht aus Zwang, sondern aus freien Stücken. Nicht einfach so allgemein und universell, sondern für die Schafe. Für die Schafe, die er mit Namen kennt, ganz persönlich.
„12 Wer Lohnarbeiter und nicht Hirte ist, wer die Schafe nicht zu eigen hat, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht - und der Wolf raubt und zerstreut sie -,
13 weil er ein Lohnarbeiter ist und sich um die Schafe nicht kümmert.“
Hier wird das Problem aller Arbeitgeber beschrieben: der Lohnarbeiter hat nur eine begrenzte Motivation. Wenn es ans Leben geht, dann steckt er lieber zurück. Der Eigentümer der Herde dagegen kämpft für seine Schafe. Hier ist kein moralischer Unterton, sondern es wird einfach ein gegebener Sachverhalt beschrieben.
Der Wolf ist ein Bild für den Teufel. Er raubt einzelne Schafe und zerstreut die Herde.
Wie viel Zerstreuung in der heutigen Gemeindelandschaft ist doch durch das „Durcheinanderwirbeln“ des Wolfes entstanden? Nicht das ich meine es dürfte nur eine Gemeinde am Ort geben. Zur Zeit der Urchristen gab es z. T. auch mehrere Versammlungen am Ort, anders war es logistisch gar nicht möglich. Und nicht jeder wird sich in der Anonymität einer großen Gemeinde wohl fühlen. Aber manche Separation, die wir heute erleben, ist auf diese Weise entstanden.
„14 Ich bin der gute Hirte; und ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich,
15 wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe.“
Hier wird noch mal bestätigt, was ich bereits vermutet habe. Er kennt nicht nur unsere Namen, er kennt uns selbst. Nicht weil er uns bespitzelt, sondern weil er uns liebt, so wie eine Mutter ihr Kind liebt. Der Hirte kennt die Schafe von Anfang an und er begleitet sie bis zum Tod.
„16 Und ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein.“
Hier ist jetzt von den Heidenchristen die Rede. Auch sie, also auch wir, die wir nicht aus diesem Hof sind, die nicht zum Volk Israel gehören, dürfen zum Vater kommen. Und nun sind wir eine große Herde: Heidenchristen und Judenchristen.
„17 Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, um es wiederzunehmen.
18 Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Vollmacht, es zu lassen, und habe Vollmacht, es wiederzunehmen. Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen.“
Jesus hat sein Leben gegeben. Er ist nicht an den Folgen der Kreuzigung gestorben, sondern er hat es aus freien Stücken Gott hingegeben. Und er hat es selbst wieder genommen, da er über den Tod gesiegt hat.
Hier schließt sich in gewisser Weise der Kreis. Das erfüllte Leben, das Jesus uns verheißt ist nur möglich durch das Leben, das er gibt. Er gibt ewiges Leben und niemand geht verloren in Ewigkeit (V. 28).
4. Abschluss
Diese Worte Jesu, diese Auseinandersetzung mit den Pharisäern und Schriftgelehrten, dieses Gleichnis, sein Tod am Kreuz sind ja jetzt schon an die 2000 Jahre her. Und auch wenn wir nicht so alt sind, haben wir doch etliche Jahrzehnte des Lebens im Glauben an Jesus hinter uns. Und so ist manches einfach selbstverständlich geworden: die Gnade Gottes, das Leben das er gibt. Und mit den Jahren hat sich dann so manche Patina oder mancher Rost angesetzt. Bei Dekorationsartikeln hat dies ja oft einen besonderen Charme, aber im Prozess der Nachfolge ist es nicht unbedingt zweckmäßig, wenn der Eifer, die Freude, die Hingabe auf der langen Wegstrecke verloren geht.
Mein Gebet für mich persönlich und für uns als Gemeinschaft ist es, dass wir immer wieder neu überwältigt werden von einer Begeisterung für unseren Hirten.
AMEN.
1. Einleitung
Ich möchte zu Euch heute über ein Gleichnis sprechen, dass wir alle kennen: ich nenne es mal das Gleichnis von der dreifachen Tür. Ihr kennt es ganz bestimmt, nur vielleicht nicht unter diesem Namen. Bevor wir es aber zusammen lesen, möchte ich kurz auf den Kontext eingehen, in dem Jesus dieses Gleichnis erzählt.
Es ist die Zeit des Laubhüttenfests. Jesus ist in Jerusalem und lehrt. Hierbei kommt es zu einer Reihe von Konflikten und Auseinandersetzungen mit den Pharisäern und Schriftgelehrten (z.B. bei der Ehebrecherin, die gesteinigt werden sollte und der Heilung des Blindgeborenen). Dabei überführt Jesus seine Kritiker ihrer falschen Frömmigkeit. Er deckt auf, wo sie das Gesetz in ihrem eigenen Interesse beugen und zeigt, wo die Traditionen der Mischna (Auslegungen zum Gesetz des Mose und weiterführende Gesetze) sich von der ursprünglichen Bedeutung des Wortes entfernt hatten. Als Folge dieser Konflikte wird Jesus von ihnen abgelehnt. Sie treffen Aussagen, wie: „Du hast einen Dämon.“ (V. 49) und versuchen ihn zu töten (V. 59).
Jesus trifft dann Aussagen über sie wie: „Ihr kennt weder mich noch meinen Vater; wenn ihr mich gekannt hättet, so würdet ihr auch meinen Vater gekannt haben“ (Joh. 8,19 Rev. Elb.), „Ihr sucht mich zu töten, weil mein Wort nicht Raum in euch findet“ (V. 37b) oder „Ihr seid aus dem Vater, dem Teufel, und die Begierden eures Vaters wollt ihr tun.“ (V. 44a)
Gleichzeitig stellt Jesus ganz klar heraus, dass er der gesandte Messias ist: „ich bin nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat“ (V. 16b), „der Vater, der mich gesandt hat, zeugt von mir“ (V. 18b), „ich bin von dem, was oben ist“ (V. 23a), „Wenn ihr nicht glauben werdet, dass ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben“ (V. 24b), „mein Vater ist es...von dem ihr sagt: Er ist unser Gott.“ (V. 54) „Abraham, euer Vater, frohlockte, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah ihn und freute sich...Ehe Abraham war, bin ich.“ (V. 56.58b)
Zusätzlich zu seine Worten, tat er noch ein Wunder, dass nach der jüdischen Überlieferung nur der Messias tun konnte und noch nie geschehen ist in Israel (Joh. 9,32): er heilte einen Blindgeborenen (und dann auch noch am Sabbat und mit Brei, was nach der Mischna strengstens verboten war.)
Obwohl Jesus also klare Worte sprach und entsprechende Werke tat, wurde er von ihnen abgelehnt. In diesen Zusammenhang spricht er nun das Gleichnis von den drei Türen, uns eher bekannt als Gleichnis vom guten Hirten, wobei der Hirte eigentlich in diesem Gleichnis nur ein Teilaspekt ist. Ich möchte es jetzt Vers für Vers mit Euch lesen (Joh. 10 Rev. Elb.).
2. Das Gleichnis von den drei Türen
Jesus beginnt mit:
„1 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch:“
Wenn Jesus so beginnt, ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Es ist wie ein Schwur, wie eine Tatsachenbekundung, die von Ewigkeit zu Ewigkeit gilt.
„Wer nicht durch die Tür in den Hof der Schafe hineingeht, sondern anderswo hinübersteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber.“
Hier müssen wir wissen, dass die Schafe nachts in eine Art Hof geführt wurden. In eine sog. Schafhürde. Dies war ein ummauerter Weideplatz, in dem sie nachts geschützt sein sollten. Zu diesen Weideplatz gab es einen Eingang, der mit einem Gatter oder einer Tür versehen war.
Wenn jmd. unlautere Absichten hatte, z.B. Schafe stehlen wollte, der musste über die Mauer in diese Hürde einsteigen. Der Hirte dagegen kommt durch die Tür.
„2 Wer aber durch die Tür hineingeht, ist Hirte der Schafe.“
Hier haben wir jetzt die erste Tür. Durch diese Tür kommt Jesus zu seinen Schafen.
Sie wird als die Tür der Schriften bezeichnet. Viele Schriftstellen des Alten Testaments weisen auf Jesus hin: er ist der Nachkomme Davids, die verheißene Jungfrauengeburt, Bethlehem als Geburtsort usw.
Das ganze Volk Israel wartete auf den Messias. Es war fokussiert durch die verschiedenen Prophetien. Es richtete seinen Blick auf die Türöffnung und wartete auf den angekündigten Hirten über den es heißt:
„Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte, die Lämmer wird er in seinen Arm nehmen und in seinem Gewandbausch tragen, die säugenden Muttertiere wird er fürsorglich leiten.“ (Jes. 40, 11 Rev. Elb.)
Weil Jesus, der angekündigte Hirte ist, öffnet ihm der Türhüter.
„3 Diesem öffnet der Türhüter, und die Schafe hören seine Stimme, und er ruft die eigenen Schafe mit Namen und führt sie heraus.“
Wer ist nun der Türhüter? Ich denke Gott selbst ist der Türhüter. Er öffnet den Zugang zu seinen Schafen, zum Volk Israel nur für den von ihm gesandten Sohn und Retter.
Wie öffnet er die Tür? Ich denke, in dem er die alttestamentlichen Prophetien bestätigt und Jesus als den versprochenen Retter ankündigen lässt. Durch die Engel bei Maria und bei den Hirten, durch die Magier aus dem Osten, durch Simon im Tempel, durch Johannes dem Täufer, durch die Zusage bei der Taufe Jesus: „Du bist mein geliebter Sohn!“ So wird er angekündigt, so wird die Tür zum Volk Gottes geöffnet.
Nun tritt er ein und ruft seine Schafe mit Namen. „Simon und Andreas, kommt mir nach!“, „Matthäus, folge mir nach!“, „Zachäus, steig herab!“
In so einer Schafhürde waren nachts die Schafe von mehreren Herden untergebracht. Die Schafe haben sich natürlich dann im Laufe der Nacht munter gemischt. Absolutes Chaos. Aber die Schafe kennen die Stimme ihres Hirten und so können die Hirten jeden Morgen ihre Schafe wieder separieren und aus der Hürde hinaus führen, so dass wieder Ordnung in das Durcheinander kommt und jedes Schaf wieder beim richtigen Hirten landet.
Die Pharisäer und Schriftgelehrten waren zwar auch Schafe, weil sie zum Volk Israel gehörten, aber sie ließen sich nicht von ihm herausrufen. (Sie gehörten bildlich gesprochen zu denn 99 Schafen in der Wüste, die nicht Buße taten, wie wir in einem anderen Gleichnis lesen können. Man kann das Gleichnis von dem verlorenen Schaf nämlich auch so interpretieren.)
Von Spurgeon wird berichtet, dass er alle 6000 Mitglieder seiner Gemeinde mit Namen kannte. Nur wenn neue Ehen geschlossen wurden, ist er manchmal durcheinander gekommen.
Jesus kennt jedes seiner Millionen Schafe mit Namen. Er rief Zachäus schon mit Namen, bevor dieser ihn persönlich kennen gelernt hat. Ja, Zachäus wusste selbst noch nicht mal, dass er in Kürze zur Gemeinde Gottes gehören wird.
D.h. er weiß nicht nur, wie wir heißen, er kennt uns durch und durch. Er kennt unsere Persönlichkeit, unsere Stärken und Schwächen, unser Wünsche und Träume, unsere Schrullen, unseren ganzen Charakter und unser bußfertiges Herz.
Das soll uns keine Angst machen, das ist keine Ermahnung, sondern wir können dadurch wissen, dass wir ihn grenzenlos vertrauen können.
„4 Wenn er die eigenen Schafe alle herausgebracht hat, geht er vor ihnen her, und die Schafe folgen ihm, weil sie seine Stimme kennen.“
Das beschreibt hier zuerst mal den Prozess der Nachfolge, aber noch viel mehr.
Woraus führt er die Schafe eigentlich? Er führt sie heraus aus der Ummauerung des Gesetzes. Das Gesetz zeigt die Sünde auf. Es tötet (2. Kor. 3,6). Es bringt keine Freiheit. Hinzu kommen noch die Lasten der Mischna. Jesus wirft den Schriftgelehrten an anderer Stelle vor, dass sie dem Volk harte Lasten aufladen (Lk. 11,46). Seine Last dagegen ist leicht (Mt. 11,30). Er führt in die Freiheit:
„Die Wahrheit wird euch frei machen...Wenn nun der Sohn euch frei machen wird, so werdet ihr wirklich frei sein.“ (Joh. 8,32.36 Rev. Elb.)
Diese Freiheit konnte nur der Sohn Gottes erwirken. Kein Israelit konnte sie selbst erwirken. Kein Schaf konnte in Eigenregie durch das Tor die Hürde verlassen.
Gleichzeitig wendet er sich durch diesen Auszug von denen ab, die ihm nicht folgen wollen. Nicht nur von denen, die ihn angegriffen haben, sondern von der ganzen Umzäunung des Gesetzes. Der Weg der Gnade und der Weg des Gesetzes sind nicht kompatibel.
Hier wird die zweite Tür (oder die zweite Funktion der Tür) deutlich. Durch die erste Tür kam Jesus hinein, durch die zweite Tür führt er die heraus, die ihm nachfolgen wollen und auf seinen Ruf antworten. Es ist die Tür der Schafe (V. 7).
Dann geht der Hirte vor ihnen her. Schafe hüten im Orient erfolgt nach anderen Vorgehensweisen, als in Europa. Bei uns werden die Schafe meist durch den Hirtenhund getrieben, im Nahen Osten werden sie durch die Stimme des Hirten gelockt.
Hier zeigt sich, dass der Weg des Schafes ein Weg in der vertrauten Beziehung mit seinem Herrn ist. Es ist kein eigenmächtiger Weg, sondern ein Weg ihm nach.
John Stott erzählt, wie er einmal eine Reise in den Nahen Osten unternahm. Er saß mit einer Gruppe im Bus. Der arabische Touristenführer berichtete von den unterschiedlichen Führungsmethoden der Hirten im Westen und im Osten. Während er den Touristen wissen ließ, dass in seiner Gegend die Hirten ihrer Herde vorangehen und die Schafe seiner Stimme folgen, schaute ein Teilnehmer aus dem Busfenster und sah genau das Gegenteil. Er sah, wie ein Mann mit einem Stock in der Hand eine Schafherde vor sich hertrieb. Der Tourist meldete sich und wies auf die Situation auf der anderen Straßenseite hin. Der Touristenführer ließ den Bus anhalten und lief über die Straße, um den Mann mit dem Stock in der Hand zu befragen. Dann kam er mit einem Strahlen auf dem Gesicht zurück und sagte: „Das war nicht der Hirte. Das war der Schlachter!“ (aus Quelle: Gemeinde- und Missionswerk Arche e.V., Christian Wegert, „Ich bin der gute Hirte“, 04.12.11)
„5 Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme der Fremden nicht kennen...
7 Jesus sprach nun wieder zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich bin die Tür der Schafe. 8 Alle, die vor mir gekommen sind, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe hörten nicht auf sie.“
In Großbritannien gibt es sportliche Wettbewerbe, bei denen man fremde Schafherden weiden muss. Die größte Herausforderung dabei ist es die fremden Schafe ohne Hilfsmittel erst einmal aus dem Pferch herauszubekommen.
Vor Jesus gab es mehrere falsche Propheten, die sich als Messias ausgegeben hatten. Aber sie hatten keinen Bestand. Auch die Pharisäer sind solche Diebe und Räuber. Ihr Interesse war es sich selbst zu weiden.
„Und das Wort des HERRN geschah zu mir so: Menschensohn, weissage über die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen, den Hirten: So spricht der Herr, HERR: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? Die Milch genießt ihr, und mit der Wolle kleidet ihr euch, das fette Vieh schlachtet ihr - die Herde weidet ihr nicht. Die Schwachen habt ihr nicht gestärkt und das Kranke nicht geheilt und das Gebrochene nicht verbunden und das Versprengte nicht zurückgebracht und das Verlorene nicht gesucht, sondern mit Härte habt ihr über sie geherrscht und mit Gewalt.“ (Hes. 34, 1-4 Rev. Elb.)
Wir kommen jetzt zur dritten Tür: der Tür der Errettung!
„9 Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, so wird er gerettet werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden.“
Jesus selbst ist diese Tür. Er ist die Tür der Errettung! Hier weitet sich das Bild nochmals. Waren es bei der Tür der Schafe, diejenigen, die er berufen hat und durch die Tür gingen, gilt dieses Angebot jetzt allen. Einem jeden der durch ihn eingeht! Jesus spricht hier von einem einmaligen Eingehen, einer einmaligen Handlung, dem einmaligen Eintreten in die Gemeinschaft der Schafe (Konjunktiv Aorist!).
Er ist der Weg! Er ist die Tür! Und nur er! Kein spirituelles Erlebnis hat irgendeine errettende Bedeutung, wenn es nicht Jesus-zentriert ist, wenn es nicht auf Jesus weist, man kann sagen, wenn man dabei nicht durch Jesus geht!
Vielleicht wird man die gegenwärtigen Jahrzehnte mal rückwirkend als die spirituell-esoterische Epoche bezeichnen. Und tatsächlich sind auch manche Menschen offen für Gott. Aber das Erleben von geistlichen Erfahrungen lässt sie noch keine Christus-Nachfolger werden. Sie müssen erst Jesus erkennen und durch ihn eingehen! Nur in ihm ist das Heil (Apg. 4,12).
Etwas schwer zu verstehen, ist hier „ein- und ausgehen und Weide finden.“ Ich vermute hier ein Bild für die christliche Freiheit und nicht für ein wechselhaftes zu-Gott-hinwenden und von-Gott-abwenden.
Die Juden waren eingesperrt, sie waren verwahrt im Gesetz. Sie hatten zwar Sicherheit, aber die eines Gefängnisses. Sie hatten keinen Zugang zu Gott, der Weg ins Allerheiligste war verwehrt.
„Bevor aber der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetz verwahrt, eingeschlossen auf den Glauben hin, der offenbart werden sollte.“ (Gal. 3,23 Rev. Elb.)
Nun war es möglich sich frei zu bewegen. Der Weg zum Vater wird möglich. Auch der Weg zu den Heiden wird später möglich.
Während im Alten Bund unter geistlicher Nahrung v.a. das Meditieren über dem Gesetz zu verstehen ist, ist nun Jesus selbst diese Nahrung. Er ist das Brot. Er gibt die Weide. In ihm wird das Wort Gottes lebendig, durch seine Gegenwart wird Kraft gespendet. Er versorgt auch mit Weideland in Ewigkeit, mit Wohnraum in Ewigkeit, mit ewigem Leben.
„10 Der Dieb kommt nur, um zu stehlen und zu schlachten und zu verderben. Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Überfluss haben.“
Das Interesse der falschen Hirten habe ich vorhin bereits erwähnt. Jesus stellt jetzt hierzu im Gegensatz noch einmal dar, was er bringt: Leben! Erfülltes Leben, Leben im Überfluss, volle Genüge (Luther), in ganzer Fülle (NGÜ), alles reichlich dazu (Neue evangelistische Übersetzung).
Dies ist ein Vers, der gerne falsch verstanden und fehl interpretiert wird. Jesus redet hier nicht davon, dass uns ein Leben verheißen wird, in dem man alles bekommt, was man sich so wünscht. Nicht von einem Leben im Schlaraffenland, von einem Leben in Hülle und Fülle und auch nicht in Saus und Braus (so wie Gun´s´Roses es in einem moralisch eher zweifelhaften Rocksong postulieren „Take me down to the paradise city, where the grass is green and the girls are pretty“). Jesus redet hier nämlich nicht vom bios (vom körperlichen Leben) und nicht vom psychos (vom seelischen Leben), sondern von zoe (vom geistlichen Leben).
Dieses geistliche Leben, das er schenkt ist ein überfließendes Leben, denn es gibt Gnade ohne Ende, ohne Abwinken, all you can eat!
„Denn aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade.“ (Joh. 1,16 Rev. Elb.)
Die Fülle die darin steckt ist überfließende Gnade. Sie fließt vom Thron Gottes und fließt und fließt und fließt....und wenn wir schon gestorben sind, dann fließt sie immer noch weiter. Diese Gnade kannten sie nicht im Alten Bund, dieses Leben kannten sie nicht, dies wurde erst möglich durch den Tod Jesu.
Vielleicht kann man den Begriff auch noch weiter fassen. Jeder von uns, der den persönlichen Ruf Jesu in seinem Leben gehört hat, brauchte sich nie wieder Gedanken darüber machen, wo er her kommt und wo er hin geht. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist für alle Zeiten gestillt. Es gibt keine Suche mehr, die mich antreibt. Ich hab´s gefunden! Das Vakuum ist ausgefüllt, das Loch in meiner Seele gestopft. Zumindest in dieser existenziellen Fragestellung. Manch andere kleine Löcher haben wir schon noch, so wie in Socken manchmal unverständlicherweise Löcher auftreten.
Auch der Heilige Geist, der uns gegeben ist, würde in dieses Bild passen. Die Früchte des Geistes, die Früchte der Liebe, die aus uns heraus wachsen. Aber das würde heute den Rahmen dieser Predigt sprengen.
3. Das Bild vom guten Hirten
Jetzt endlich kommt der Vers, den wir doch alle so lieben, bei dem es uns wohl ums Herz wird.
„11 Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.“
Der Beruf des Hirten war jetzt nicht wirklich ein Job, dem man großen Respekt zollte. Man wollte vielleicht auch nicht unbedingt mit Schafen vergleichen werden. Aber Gott wählte diese Bilder bereits im Alten Bund. Vielleicht weil sie so klar und unmissverständlich sind.
Jesus hat kein Problem sich mit diesem Berufsstand zu identifizieren. Er hatte nie ein Problem damit bei den Entrechteten und den am Rande stehenden Glieder der Gesellschaft zu sein.
Er lässt sein Leben, nicht aus Zwang, sondern aus freien Stücken. Nicht einfach so allgemein und universell, sondern für die Schafe. Für die Schafe, die er mit Namen kennt, ganz persönlich.
„12 Wer Lohnarbeiter und nicht Hirte ist, wer die Schafe nicht zu eigen hat, sieht den Wolf kommen und verlässt die Schafe und flieht - und der Wolf raubt und zerstreut sie -,
13 weil er ein Lohnarbeiter ist und sich um die Schafe nicht kümmert.“
Hier wird das Problem aller Arbeitgeber beschrieben: der Lohnarbeiter hat nur eine begrenzte Motivation. Wenn es ans Leben geht, dann steckt er lieber zurück. Der Eigentümer der Herde dagegen kämpft für seine Schafe. Hier ist kein moralischer Unterton, sondern es wird einfach ein gegebener Sachverhalt beschrieben.
Der Wolf ist ein Bild für den Teufel. Er raubt einzelne Schafe und zerstreut die Herde.
Wie viel Zerstreuung in der heutigen Gemeindelandschaft ist doch durch das „Durcheinanderwirbeln“ des Wolfes entstanden? Nicht das ich meine es dürfte nur eine Gemeinde am Ort geben. Zur Zeit der Urchristen gab es z. T. auch mehrere Versammlungen am Ort, anders war es logistisch gar nicht möglich. Und nicht jeder wird sich in der Anonymität einer großen Gemeinde wohl fühlen. Aber manche Separation, die wir heute erleben, ist auf diese Weise entstanden.
„14 Ich bin der gute Hirte; und ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich,
15 wie der Vater mich kennt und ich den Vater kenne; und ich lasse mein Leben für die Schafe.“
Hier wird noch mal bestätigt, was ich bereits vermutet habe. Er kennt nicht nur unsere Namen, er kennt uns selbst. Nicht weil er uns bespitzelt, sondern weil er uns liebt, so wie eine Mutter ihr Kind liebt. Der Hirte kennt die Schafe von Anfang an und er begleitet sie bis zum Tod.
„16 Und ich habe andere Schafe, die nicht aus diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde, ein Hirte sein.“
Hier ist jetzt von den Heidenchristen die Rede. Auch sie, also auch wir, die wir nicht aus diesem Hof sind, die nicht zum Volk Israel gehören, dürfen zum Vater kommen. Und nun sind wir eine große Herde: Heidenchristen und Judenchristen.
„17 Darum liebt mich der Vater, weil ich mein Leben lasse, um es wiederzunehmen.
18 Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Vollmacht, es zu lassen, und habe Vollmacht, es wiederzunehmen. Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen.“
Jesus hat sein Leben gegeben. Er ist nicht an den Folgen der Kreuzigung gestorben, sondern er hat es aus freien Stücken Gott hingegeben. Und er hat es selbst wieder genommen, da er über den Tod gesiegt hat.
Hier schließt sich in gewisser Weise der Kreis. Das erfüllte Leben, das Jesus uns verheißt ist nur möglich durch das Leben, das er gibt. Er gibt ewiges Leben und niemand geht verloren in Ewigkeit (V. 28).
4. Abschluss
Diese Worte Jesu, diese Auseinandersetzung mit den Pharisäern und Schriftgelehrten, dieses Gleichnis, sein Tod am Kreuz sind ja jetzt schon an die 2000 Jahre her. Und auch wenn wir nicht so alt sind, haben wir doch etliche Jahrzehnte des Lebens im Glauben an Jesus hinter uns. Und so ist manches einfach selbstverständlich geworden: die Gnade Gottes, das Leben das er gibt. Und mit den Jahren hat sich dann so manche Patina oder mancher Rost angesetzt. Bei Dekorationsartikeln hat dies ja oft einen besonderen Charme, aber im Prozess der Nachfolge ist es nicht unbedingt zweckmäßig, wenn der Eifer, die Freude, die Hingabe auf der langen Wegstrecke verloren geht.
Mein Gebet für mich persönlich und für uns als Gemeinschaft ist es, dass wir immer wieder neu überwältigt werden von einer Begeisterung für unseren Hirten.
AMEN.
Samstag, 3. November 2012
Termine und Aktuelles November 2012
04.11. 10.30 Uhr dezentrale Hausgottesdienste
11.11. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Das Gleichnis von der dreifachen Tür und vom guten Hirten")
18.11. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Die Tempelreinigung")
25.11. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst (Predigt Günter Seyfferth, Pfarrer a.D., LKG)
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
11.11. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Das Gleichnis von der dreifachen Tür und vom guten Hirten")
18.11. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Die Tempelreinigung")
25.11. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst (Predigt Günter Seyfferth, Pfarrer a.D., LKG)
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
Dienstag, 9. Oktober 2012
Termine und Aktuelles Oktober 2012
07.10. 19.30 Uhr LKG Lopreis & Segnung
14.10. 10.30 Uhr dezentrale Hausgottesdienste
21.10. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Hans Heidelberger, Nehemia-Team, Thema: "Fragen stellen")
28.10. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Andrea Gabler, Thema "Glück")
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
14.10. 10.30 Uhr dezentrale Hausgottesdienste
21.10. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Hans Heidelberger, Nehemia-Team, Thema: "Fragen stellen")
28.10. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Andrea Gabler, Thema "Glück")
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
Mittwoch, 26. September 2012
Predigt von Norbert Wohlrab (23.09.12)
Das prophetische Wort Gottes
Es wird heute nur eine halbe Predigt geben, da wir auch noch einen interaktiven Teil in Kleingruppen haben werden.
Als Jesus vom Teufel in der Wüste versucht wurde und er aus Steinen Brot machen sollte, antwortete er:
„Nicht vom Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Wort Gottes.“ (Lk. 4,4 Rev. Elb.)
In der Parallelstelle bei Matthäus heißt es:
„...sondern von jedem Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht.“ (Mt. 4.4 Rev. Elb.)
Das Wort Gottes ist die Bibel und so bezieht man diesen Text meist einfach auf die Bibel, auf das dort niedergeschriebene Wort Gottes, das nützlich ist zur Lehre, uns Kraft gibt für den Alltag, uns in den Wirren des Lebens den Weg weißt, uns Trost spendet und uns eben auch helfen kann den listigen Anschlägen des Feindes zu begegnen und zu widerstehen. Alles gut und richtig, aber ist es wirklich das, was Jesus hier meint? Jedes Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht?!
Wir wissen, dass Jesus in seinem Disput mit dem Teufel ja die Bibel, also das AT zitiert. Und dieses Zitat hier findet sich in Deuteronomium. Dort steht:
5. Mose 8, 2.3 (Rev. Elb.) „Und du sollst an den ganzen Weg denken, den der HERR, dein Gott, dich diese vierzig Jahre in der Wüste hat wandern lassen, um dich zu demütigen, um dich zu prüfen und um zu erkennen, was in deinem Herzen ist, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht. Und er demütigte dich und ließ dich hungern. Und er speiste dich mit dem Man, das du nicht kanntest und das deine Väter nicht kannten, um dich erkennen zu lassen, dass der Mensch nicht von Brot allein lebt. Sondern von allem, was aus dem Mund des HERRN hervorgeht, lebt der Mensch.“
Interessant, nicht wahr? Es geht hier in diesem Kontext eigentlich überhaupt nicht um die Bibel als Wort Gottes, so wie wir es verstehen - so uns die typische evangelikale Sichtweise zu eigen ist, sondern es geht um das kraftvolle, kreative, schöpferische, verändernde Wirken des Wortes das Gott spricht.
„Denn er sprach, und es geschah; er gebot, und es stand da.“ (Ps. 33,9 Rev. Elb.)
Sicherlich kann dies auch auf die Bibel zutreffen, da wo sie diese lebensverändernde Wirkung in uns oder durch uns entfaltet, aber so wie Jesus es hier verwendet ist es sicherlich weiter zu fassen und schließt eine besondere Form des Wort Gottes mit ein, nämlich das prophetische Wort. Ja wahrscheinlich lässt sich das prophetische Wort hier sogar noch leichter darunter einordnen als manche Bücher die Bibel.
Letztlich ist es so, dass ein großer Teil des AT aus Prophetie besteht: die prophetischen Bücher sowieso, aber auch die fünf Bücher Mose. Mose wird ja auch als Prophet bezeichnet, da er die Aussprüche Gottes weitergegeben hat. Und so heißt es auch im Hebräerbrief, das
„Gott in vergangenen Zeiten vielfältig und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hat durch die Propheten“ (Hebr. 1,1 Schl. 2000)
„Der Prophet ist der von Gott berufene Mittler des Wortes.“ So steht es in einem Bibellexikon. Wenn wir uns die vielen Prophetien in der Bibel vor Augen halten, dann fällt auf, dass nur ein Teil davon in die Zukunft gerichtet ist. Das Wesen der Prophetie war es vielmehr, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft unter das Licht Gottes zu stellen, sie von Gott bewerten zu lassen, sie aus der Perspektive Gottes heraus zu reflektieren.
Im Alten Bund war dies der Dienst von nur wenigen, seit der Verwirklichung der Verheißung des Joel, ist es die Aufgabe vieler.
„Und nach diesem wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgieße über alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, eure Ältesten werden Träume haben, eure jungen Männer werden Gesichte sehen; und auch über die Knechte und über die Mägde will ich in jenen Tagen meinen Geist ausgießen“ (Joel 3, 1.2 Schl. 2000)
Gott macht hier keinen Unterschied: ob alt oder jung, Mann oder Frau, Bonze oder Prolet, jeder und jede ist eingeschlossen in die Verheißung des Geistes, die seit Pfingsten Wirklichkeit geworden ist. Lutheraner oder Katholik, Pfingstler oder Baptist, FCGFler oder CGFler, wir alle haben Teil an dieser Verheißung, wenn wir der Erfüllung mit Heiligen Geist teilhaftig geworden sind.
Aber es gilt uns nicht nur die Verheißung, es gilt uns auch der Auftrag. Und so sagt Paulus im Korintherbrief:
„(1) Strebt nach der Liebe, doch bemüht euch auch eifrig um die Geisteswirkungen; am meisten aber, dass ihr weissagt! (3) Wer aber weissagt, der redet für Menschen zur Erbauung, zur Ermahnung und zum Trost. (4) Wer in einer Sprache redet, erbaut sich selbst; wer aber weissagt, erbaut die Gemeinde. (5a) Ich wünschte, dass ihr alle in Sprachen reden würdet, noch viel mehr aber, dass ihr weissagen würdet. (31) Denn ihr könnt alle einer nach dem anderen weissagen, damit alle lernen und alle ermahnt werden. (39) Also, ihr Brüder, strebt danach, zu weissagen, und das Reden in Sprachen verhindert nicht.“ (1. Kor. 14 Schl. 2000)
Mit was für einer Selbstverständlichkeit geht Paulus hier davon aus, dass diese Gabe und gleichsam auch dieser Auftrag allen gegeben ist. Strebt alle danach! Ihr könnt alle!
Trotzdem ist diese Gabe oft unterentwickelt in unseren Gemeinden. Woran liegt es? Sind wir nicht heilig, nicht demütig, nicht gesalbt genug? Oder vielleicht zu demütig? Oder sind wir zu gleichgültig? Ist es uns vielleicht einfach egal? Oder sind wir vielleicht enttäuscht und resigniert?
Vielleicht liegt es auch daran, dass wir diese Aufforderung des Paulus falsch verstanden haben. Heißt „streben“ Gott immer wieder anflehen, dass er mir diese Gabe gibt und dann darauf zu warten, dass sie mir übergestülpt wird und dann die Worte und Eindrücke und Visionen nur so aus mir heraussprudeln? So jedenfalls war meine Sichtweise. Aber heute denke ich, dass es vielmehr heißt, ja zu beten und dann aber es zu probieren, indem wir im betenden Vertrauen anfangen Worte aus unserem Geist auszusprechen und hoffen, dass dies Worte Gottes sind.
Wenn Gott es allen Christen verheißen hat, wenn Paulus so selbstverständlich davon ausgeht, dass alle dazu befähigt sind, dann wird es doch auch für uns gelten.
Das Ganze birgt natürlich eine Gefahr. Nämlich das sich Gottes Wort mit Menschen Wort vermischt. Dies ist ein Risiko, auf dass Gott sich von Anfang an eingelassen hat. Von Anfang an, hat er seine Aufträge, seine Worte schwachen Menschen anvertraut. Die ganze Heilsgeschichte zeugt davon. Die ganze Bibel ist von vorne bis hinten Gottes Wort in den und durch die verschiedensten menschlichen Gefäßen geoffenbart. Ich glaube weder Petrus noch Paulus hatten daran gedacht, als sie ihre Briefe aufschrieben, dass sie uns einmal als Wort Gottes, als NT zur Verfügung stehen. Aber trotzdem hat Gott dies so bewerkstelligt.
Die prophetischen Worte Gottes unserer Zeit werden gegeben durch fehlerhafte und mangelhafte irdische Gefäße. Je nach dem, welche Reife der Prophet erlangt hat, sind sie vermischt mit menschlichen Gedanken und Reden - von 1% bis 99%. So war es auch schon in der Apostelgeschichte. Auch der anerkannte Prophet Agabus hat sich in seinen Aussagen über Paulus in den Details getäuscht (Apg. 21).
„Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.“ (1. Kor. 13,9 Luther) sagt Paulus.
Dies bedeutet für uns, dass wir prophetische Worte, die uns gegeben werden oder auch wir selber an andere weitergeben, nicht überschätzen, aber auch nicht unterschätzen sollen.
Wir sollen mit ihnen in dem Bewusstsein umgehen, dass Gottes Wort in unvollkommenen menschlichen Worten und Ausdrücken wieder gegeben wird. Jeder prophetisch Aktive kann sich nicht nur irren, sondern er versucht das was er empfängt oder glaubt empfangen zu haben mit seinen Worten weiterzugeben. Und dabei kann manches verfälscht oder fehlinterpretiert werden. Ich denke dies ist ein lebenslanger Wachstumsprozess.
Es gibt hierzu sehr gute Bücher, z.B. „Willkommen in der Zukunft von Martin Scott“, die viele praktische Tipps und Anleitung darin geben, wie man erkennen kann, ob ein Eindruck von Gott oder von einem selbst stammt.
Aber wenn das so schwierig ist, sollte man es dann nicht lieber lassen? Auf keinen Fall!
„Den Geist dämpft nicht. Prophetische Rede verachtet nicht. Prüft aber alles und das Gute behaltet.“ (1. Thes. 5, 20-21 Luther)
Der Mensch lebt von jedem Wort Gottes, hat Jesus gesagt. Wir brauchen dieses lebendige Wort.
So haben wir es auch bei den Worten von Anbu erlebt. Gerade bei den Worten, die er uns im Hauskreis gegeben hat, war eine große Präzision vorhanden. Manche Worte im Gottesdienst fand ich persönlich jetzt etwas oberflächlicher. Ich denke, auch Propheten können sich mental verausgaben. Vielleicht war das an dem Abend der Fall.
Aber es kommt vor, dass wir Worte empfangen, gerade wenn sie in die Zukunft gerichtet sind, bei denen wir den Eindruck haben, die passen überhaupt nicht. Und hier denke ich, wir dürfen das prophetische Wort auch nicht unterschätzen, denn manchmal will es uns herausfordern entsprechende Wege zu gehen.
Es könnte nämlich sein, dass ich nicht nur passiv darauf warten soll, dass sich entsprechende Umstände in meinem Leben ergeben, sondern dass ich dezente, aber aktive Schritte in diese Richtung gehen soll. Gerade wenn es um Veränderungen im Beruf oder im Dienst geht.
So könnte es z.B. sein, wenn ich das prophetische Wort erhalte, dass ich künftig viele Geschäfte mit Osteuropa machen werde, ich aber in einer Abteilung tätig bin, wo ich nur mit internen Sachen zu tun habe, dass es dran ist, schon mal die Fühler auszustrecken, ob sich hier Veränderungen in der Firma ergeben und mich dann auf die entsprechende Stelle zu bewerben. Anbu hat bspw. erzählt, dass er zu einen Zeitpunkt, an dem er noch kein Englisch kannte, die Prophetie bekam, dass er englische Bücher übersetzen wird. Anstatt zu sagen, dass ist Unsinn, hat er sich bemüht Englisch zu lernen. Und als Gaby vor Jahren das Wort erhalten hat, dass ihre Schmerzen verschwinden werden, haben wir nicht passiv abgewartet, sondern es betend erkämpft - auch wenn der Sieg auch heute noch nicht 100%ig ist.
Natürlich darf man hier nichts übers Knie brechen und alles muss geprüft werden.
Aber ein prophetisches Wort muss manchmal einfach aktiv angenommen werden, dass nennt man dann Glauben.
Amen.
Es wird heute nur eine halbe Predigt geben, da wir auch noch einen interaktiven Teil in Kleingruppen haben werden.
Als Jesus vom Teufel in der Wüste versucht wurde und er aus Steinen Brot machen sollte, antwortete er:
„Nicht vom Brot allein soll der Mensch leben, sondern von jedem Wort Gottes.“ (Lk. 4,4 Rev. Elb.)
In der Parallelstelle bei Matthäus heißt es:
„...sondern von jedem Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht.“ (Mt. 4.4 Rev. Elb.)
Das Wort Gottes ist die Bibel und so bezieht man diesen Text meist einfach auf die Bibel, auf das dort niedergeschriebene Wort Gottes, das nützlich ist zur Lehre, uns Kraft gibt für den Alltag, uns in den Wirren des Lebens den Weg weißt, uns Trost spendet und uns eben auch helfen kann den listigen Anschlägen des Feindes zu begegnen und zu widerstehen. Alles gut und richtig, aber ist es wirklich das, was Jesus hier meint? Jedes Wort, das durch den Mund Gottes ausgeht?!
Wir wissen, dass Jesus in seinem Disput mit dem Teufel ja die Bibel, also das AT zitiert. Und dieses Zitat hier findet sich in Deuteronomium. Dort steht:
5. Mose 8, 2.3 (Rev. Elb.) „Und du sollst an den ganzen Weg denken, den der HERR, dein Gott, dich diese vierzig Jahre in der Wüste hat wandern lassen, um dich zu demütigen, um dich zu prüfen und um zu erkennen, was in deinem Herzen ist, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht. Und er demütigte dich und ließ dich hungern. Und er speiste dich mit dem Man, das du nicht kanntest und das deine Väter nicht kannten, um dich erkennen zu lassen, dass der Mensch nicht von Brot allein lebt. Sondern von allem, was aus dem Mund des HERRN hervorgeht, lebt der Mensch.“
Interessant, nicht wahr? Es geht hier in diesem Kontext eigentlich überhaupt nicht um die Bibel als Wort Gottes, so wie wir es verstehen - so uns die typische evangelikale Sichtweise zu eigen ist, sondern es geht um das kraftvolle, kreative, schöpferische, verändernde Wirken des Wortes das Gott spricht.
„Denn er sprach, und es geschah; er gebot, und es stand da.“ (Ps. 33,9 Rev. Elb.)
Sicherlich kann dies auch auf die Bibel zutreffen, da wo sie diese lebensverändernde Wirkung in uns oder durch uns entfaltet, aber so wie Jesus es hier verwendet ist es sicherlich weiter zu fassen und schließt eine besondere Form des Wort Gottes mit ein, nämlich das prophetische Wort. Ja wahrscheinlich lässt sich das prophetische Wort hier sogar noch leichter darunter einordnen als manche Bücher die Bibel.
Letztlich ist es so, dass ein großer Teil des AT aus Prophetie besteht: die prophetischen Bücher sowieso, aber auch die fünf Bücher Mose. Mose wird ja auch als Prophet bezeichnet, da er die Aussprüche Gottes weitergegeben hat. Und so heißt es auch im Hebräerbrief, das
„Gott in vergangenen Zeiten vielfältig und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hat durch die Propheten“ (Hebr. 1,1 Schl. 2000)
„Der Prophet ist der von Gott berufene Mittler des Wortes.“ So steht es in einem Bibellexikon. Wenn wir uns die vielen Prophetien in der Bibel vor Augen halten, dann fällt auf, dass nur ein Teil davon in die Zukunft gerichtet ist. Das Wesen der Prophetie war es vielmehr, die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft unter das Licht Gottes zu stellen, sie von Gott bewerten zu lassen, sie aus der Perspektive Gottes heraus zu reflektieren.
Im Alten Bund war dies der Dienst von nur wenigen, seit der Verwirklichung der Verheißung des Joel, ist es die Aufgabe vieler.
„Und nach diesem wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgieße über alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, eure Ältesten werden Träume haben, eure jungen Männer werden Gesichte sehen; und auch über die Knechte und über die Mägde will ich in jenen Tagen meinen Geist ausgießen“ (Joel 3, 1.2 Schl. 2000)
Gott macht hier keinen Unterschied: ob alt oder jung, Mann oder Frau, Bonze oder Prolet, jeder und jede ist eingeschlossen in die Verheißung des Geistes, die seit Pfingsten Wirklichkeit geworden ist. Lutheraner oder Katholik, Pfingstler oder Baptist, FCGFler oder CGFler, wir alle haben Teil an dieser Verheißung, wenn wir der Erfüllung mit Heiligen Geist teilhaftig geworden sind.
Aber es gilt uns nicht nur die Verheißung, es gilt uns auch der Auftrag. Und so sagt Paulus im Korintherbrief:
„(1) Strebt nach der Liebe, doch bemüht euch auch eifrig um die Geisteswirkungen; am meisten aber, dass ihr weissagt! (3) Wer aber weissagt, der redet für Menschen zur Erbauung, zur Ermahnung und zum Trost. (4) Wer in einer Sprache redet, erbaut sich selbst; wer aber weissagt, erbaut die Gemeinde. (5a) Ich wünschte, dass ihr alle in Sprachen reden würdet, noch viel mehr aber, dass ihr weissagen würdet. (31) Denn ihr könnt alle einer nach dem anderen weissagen, damit alle lernen und alle ermahnt werden. (39) Also, ihr Brüder, strebt danach, zu weissagen, und das Reden in Sprachen verhindert nicht.“ (1. Kor. 14 Schl. 2000)
Mit was für einer Selbstverständlichkeit geht Paulus hier davon aus, dass diese Gabe und gleichsam auch dieser Auftrag allen gegeben ist. Strebt alle danach! Ihr könnt alle!
Trotzdem ist diese Gabe oft unterentwickelt in unseren Gemeinden. Woran liegt es? Sind wir nicht heilig, nicht demütig, nicht gesalbt genug? Oder vielleicht zu demütig? Oder sind wir zu gleichgültig? Ist es uns vielleicht einfach egal? Oder sind wir vielleicht enttäuscht und resigniert?
Vielleicht liegt es auch daran, dass wir diese Aufforderung des Paulus falsch verstanden haben. Heißt „streben“ Gott immer wieder anflehen, dass er mir diese Gabe gibt und dann darauf zu warten, dass sie mir übergestülpt wird und dann die Worte und Eindrücke und Visionen nur so aus mir heraussprudeln? So jedenfalls war meine Sichtweise. Aber heute denke ich, dass es vielmehr heißt, ja zu beten und dann aber es zu probieren, indem wir im betenden Vertrauen anfangen Worte aus unserem Geist auszusprechen und hoffen, dass dies Worte Gottes sind.
Wenn Gott es allen Christen verheißen hat, wenn Paulus so selbstverständlich davon ausgeht, dass alle dazu befähigt sind, dann wird es doch auch für uns gelten.
Das Ganze birgt natürlich eine Gefahr. Nämlich das sich Gottes Wort mit Menschen Wort vermischt. Dies ist ein Risiko, auf dass Gott sich von Anfang an eingelassen hat. Von Anfang an, hat er seine Aufträge, seine Worte schwachen Menschen anvertraut. Die ganze Heilsgeschichte zeugt davon. Die ganze Bibel ist von vorne bis hinten Gottes Wort in den und durch die verschiedensten menschlichen Gefäßen geoffenbart. Ich glaube weder Petrus noch Paulus hatten daran gedacht, als sie ihre Briefe aufschrieben, dass sie uns einmal als Wort Gottes, als NT zur Verfügung stehen. Aber trotzdem hat Gott dies so bewerkstelligt.
Die prophetischen Worte Gottes unserer Zeit werden gegeben durch fehlerhafte und mangelhafte irdische Gefäße. Je nach dem, welche Reife der Prophet erlangt hat, sind sie vermischt mit menschlichen Gedanken und Reden - von 1% bis 99%. So war es auch schon in der Apostelgeschichte. Auch der anerkannte Prophet Agabus hat sich in seinen Aussagen über Paulus in den Details getäuscht (Apg. 21).
„Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk.“ (1. Kor. 13,9 Luther) sagt Paulus.
Dies bedeutet für uns, dass wir prophetische Worte, die uns gegeben werden oder auch wir selber an andere weitergeben, nicht überschätzen, aber auch nicht unterschätzen sollen.
Wir sollen mit ihnen in dem Bewusstsein umgehen, dass Gottes Wort in unvollkommenen menschlichen Worten und Ausdrücken wieder gegeben wird. Jeder prophetisch Aktive kann sich nicht nur irren, sondern er versucht das was er empfängt oder glaubt empfangen zu haben mit seinen Worten weiterzugeben. Und dabei kann manches verfälscht oder fehlinterpretiert werden. Ich denke dies ist ein lebenslanger Wachstumsprozess.
Es gibt hierzu sehr gute Bücher, z.B. „Willkommen in der Zukunft von Martin Scott“, die viele praktische Tipps und Anleitung darin geben, wie man erkennen kann, ob ein Eindruck von Gott oder von einem selbst stammt.
Aber wenn das so schwierig ist, sollte man es dann nicht lieber lassen? Auf keinen Fall!
„Den Geist dämpft nicht. Prophetische Rede verachtet nicht. Prüft aber alles und das Gute behaltet.“ (1. Thes. 5, 20-21 Luther)
Der Mensch lebt von jedem Wort Gottes, hat Jesus gesagt. Wir brauchen dieses lebendige Wort.
So haben wir es auch bei den Worten von Anbu erlebt. Gerade bei den Worten, die er uns im Hauskreis gegeben hat, war eine große Präzision vorhanden. Manche Worte im Gottesdienst fand ich persönlich jetzt etwas oberflächlicher. Ich denke, auch Propheten können sich mental verausgaben. Vielleicht war das an dem Abend der Fall.
Aber es kommt vor, dass wir Worte empfangen, gerade wenn sie in die Zukunft gerichtet sind, bei denen wir den Eindruck haben, die passen überhaupt nicht. Und hier denke ich, wir dürfen das prophetische Wort auch nicht unterschätzen, denn manchmal will es uns herausfordern entsprechende Wege zu gehen.
Es könnte nämlich sein, dass ich nicht nur passiv darauf warten soll, dass sich entsprechende Umstände in meinem Leben ergeben, sondern dass ich dezente, aber aktive Schritte in diese Richtung gehen soll. Gerade wenn es um Veränderungen im Beruf oder im Dienst geht.
So könnte es z.B. sein, wenn ich das prophetische Wort erhalte, dass ich künftig viele Geschäfte mit Osteuropa machen werde, ich aber in einer Abteilung tätig bin, wo ich nur mit internen Sachen zu tun habe, dass es dran ist, schon mal die Fühler auszustrecken, ob sich hier Veränderungen in der Firma ergeben und mich dann auf die entsprechende Stelle zu bewerben. Anbu hat bspw. erzählt, dass er zu einen Zeitpunkt, an dem er noch kein Englisch kannte, die Prophetie bekam, dass er englische Bücher übersetzen wird. Anstatt zu sagen, dass ist Unsinn, hat er sich bemüht Englisch zu lernen. Und als Gaby vor Jahren das Wort erhalten hat, dass ihre Schmerzen verschwinden werden, haben wir nicht passiv abgewartet, sondern es betend erkämpft - auch wenn der Sieg auch heute noch nicht 100%ig ist.
Natürlich darf man hier nichts übers Knie brechen und alles muss geprüft werden.
Aber ein prophetisches Wort muss manchmal einfach aktiv angenommen werden, dass nennt man dann Glauben.
Amen.
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Prophetie,
prophetisch,
Weissagung,
Wort Gottes
Standort:
Fürth, Deutschland
Montag, 3. September 2012
Termine und Aktuelles August/September 2012
--- Sommerpause ----Sommerpause---Sommerpause---
16.09. 10.30 Uhr dezentrale Hausgottesdienste
23.09. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Norbert Wohlrab)
30.09. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Birgit Oechsle)
Weitere Infos zu den Veranstaltungen auf Wunsch per Email.
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche in der Theaterstraße 50
LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft in der Gebhardtstraße 19
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Sonntag, 1. Juli 2012
Termine und Aktuelles Juli 2012
01.07. 18.00 Uhr St. Paul ProChrist-Mitarbeiter-Gottesdienst mit anschl. Grillen und Übertragung des EM-Finals
02.07. - 08.07. jeweils 20 Uhr ProChrist in der Stadthalle Fürth
siehe auch http://www.prochrist-fuerth.de/
08.07. 20.00 Uhr ProChrist-Gottesdienst in der Stadthalle
15.07. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt alle)
22.07. 10.00 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Essen (Predigt Elisabeth Merz, Hilfe für die Massai - Tansania)
29.07. 19.30 Uhr LKG Lobpreis & Segnung - ein prophetischer Gottesdienst mit Anbu Balan (International Anugraha Ministries, Indien)
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Montag, 11. Juni 2012
Predigt von Norbert Wohlrab (10.06.2012)
Die
Heiligung des Sabbats und seine Bedeutung für Christen
1.
Einleitung
„Schabbat
schalom, schabbat schalom. schabbat, schabbat, schabbat schalom.“
So lautet ein jüdisches Lied mit dem der Schabbat eingeleitet wird.
Wir
leben heute in einer Zeit, in der sich die Christenheit wieder mehr
ihrer jüdischen Wurzeln bewusst wird und ganz neu oder manchmal
sogar erstmals die Bedeutung verschiedener Passagen der Bibel
erkennt. Gleichzeitig besteht aber auch die Gefahr bei allem
positiven Interesse am Judentum die Unterschiede zwischen dem Alten
Bund und dem Neuen Bund zu verwässern und den Blick abzuwenden von
der Einmaligkeit des Erlösungswerks Jesu Christi. Daher war es uns
bspw. wichtig bei dem Passah-Abend, den wir vor kurzem gefeiert
haben, nicht nur die jüdischen Traditionen kennenzulernen, sondern
auch die christozentrische Bedeutung des Passah-Festes zu erfassen.
Heute
möchte ich über das Gebot der Sabbat-Heiligung sprechen und
darüber, was es für uns für eine Bedeutung haben kann.
2.
Das Sabbat-Gebot im AT
Lesen
wir zunächst die relevanten Schriftstellen aus dem AT. Bei der
Gesetzgebung am Sinai sprach Gott zum Volk Israel zunächst:
„Und
Gott redete alle diese Worte und sprach: Ich bin der HERR, dein Gott,
der ich dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus,
herausgeführt habe“ (2. Mose 20, 1 Rev. Elb.)
Dann
gibt er die einzelnen Ausführungen. Und im - nach jüdischer
Zählweise vierten Gebot - heißt es dann:
„Denke
an den Sabbattag, um ihn heilig zu halten. Sechs Tage sollst du
arbeiten und all deine Arbeit tun, aber der siebte Tag ist Sabbat für
den HERRN, deinen Gott. Du sollst an ihm keinerlei Arbeit tun, du und
dein Sohn und deine Tochter, dein Knecht und deine Magd und dein Vieh
und der Fremde bei dir, der innerhalb deiner Tore wohnt. Denn in
sechs Tagen hat der HERR den Himmel und die Erde gemacht, das Meer
und alles, was in ihnen ist, und er ruhte am siebten Tag; darum
segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn.“ (2. Mose 20, 8-11
Rev. Elb.)
An
anderer Stelle heißt es:
„Sechs
Tage soll man seine Arbeit verrichten, aber den siebten Tag sollt ihr
heilig halten, er sei euch ein ganz feierlicher Sabbat für den
HERRN. Jeder, der an ihm eine Arbeit verrichtet, muss getötet
werden. Ihr dürft am Sabbattag in all euren Wohnsitzen kein Feuer
anzünden. (2. Mose 35, 2.3 Rev. Elb.)
Ganz
schön harte Worte: jeder, der arbeitet muss getötet werden. Da wäre
der Saal heute leer bzw. Fürth wäre ziemlich entvölkert. Und eine
weitere Stelle:
„Rede
zu den Söhnen Israel und sage zu ihnen: Die Feste des HERRN, die ihr
als heilige Versammlungen ausrufen sollt, meine Feste sind diese:
Sechs Tage soll man Arbeit tun; aber am siebten Tag ist ein ganz
feierlicher Sabbat, eine heilige Versammlung. Keinerlei Arbeit dürft
ihr tun; es ist ein Sabbat für den HERRN in all euren Wohnsitzen.“
(3. Mose 23, 2.3 Rev. Elb.)
Eine
heilige Versammlung soll stattfinden! Und eine letzte Stelle:
„Beachte
den Sabbattag, um ihn heilig zu halten, so wie der HERR, dein Gott,
es dir geboten hat! Sechs Tage sollst du arbeiten und all deine
Arbeit tun; aber der siebte Tag ist Sabbat für den HERRN, deinen
Gott. Du sollst an ihm keinerlei Arbeit tun, du und dein Sohn und
deine Tochter und dein Sklave und deine Sklavin und dein Rind und
dein Esel und all dein Vieh und der Fremde bei dir, der innerhalb
deiner Tore wohnt, damit dein Sklave und deine Sklavin ruhen wie du.
Und denke daran, dass du Sklave warst im Land Ägypten und dass der
HERR, dein Gott, dich mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm von
dort herausgeführt hat! Darum hat der HERR, dein Gott, dir geboten,
den Sabbattag zu feiern.“ (5. Mose 5, 12-15 Rev. Elb.“
Also
nicht einmal das Vieh durfte arbeiten am Sabbat, so ernst war es Gott
mit diesem Gebot.
Was
wird daraus deutlich? Warum sollte das Volk Israel den Sabbat
heiligen?
Es
sind drei Gründe, die hier deutlich werden:
1.
Gott ruhte am siebten Tag, deshalb ist der Sabbat ein heiliger Tag
2.
Der Sabbat ist ein Gedenktag für die Befreiung Israels aus Ägypten
und
3.
Der Sabbat ist ein Zeichen des Bundes zwischen Gott und Israel.
„Haltet
nur ja meine Sabbate! Denn sie sind ein Zeichen zwischen mir und euch
für all eure Generationen, damit man erkenne, dass ich, der HERR, es
bin, der euch heiligt.“ (2. Mose 31, 13 Rev. Elb.)
Der
Sabbat soll verdeutlichen, dass Israel das auserwählte Volk Gottes
ist. Das Volk, welches Gott sich geheiligt hat. Deshalb legt er auch
ganz strenge Vorschriften fest, damit Israel diesen Tag ernst nimmt
und einhält.
Es
darf bspw. kein Feuer angezündet werden. Damit kann auch die
Hausfrau den Sabbat einhalten kann. Jegliches Essen muss entweder vor
Beginn des Sabbats fertig sein oder es wird bis zum Ende des Sabbats
auf kleiner Flamme warm gehalten. Denn die schlauen Juden hatten
natürlich einen Dreh gefunden, wie sie damit am Sabbat doch noch zu
einem warmen Essen kommen konnten (es heißt ja nur, dass man kein
Feuer anzünden darf!).
Heute
gibt es entsprechende Regelungen für den Umgang mit Elektrizität:
man darf sie nicht einschalten, aber sie darf durchlaufen. In Hotels
gibt es dann bspw. Aufzüge, die vor Beginn des Sabbats auf
Dauerbetrieb gestellt werden und während des Sabbats in jedem
Stockwerk halten. Schwierig ist es mit Verbrennungsmotoren. Hier gibt
es noch keinen Trick. Deutsche Automobilhersteller sollen daher ein
Auto entwickeln, dass von den Hirnströmen gesteuert wird, denn das
Hirn ist ja auch ständig „unter Strom“.
Ich
weiß jetzt nicht, ob das alles so im Sinne Gottes war oder ist. Gott
war es auf jeden Fall ernst mit dem Sabbat. Sogar die Knechte, die
Sklaven und das Vieh sollten ihn halten. Ihn heiligen! Im ganzen Land
sollte deutlich werden, wer der Gott Israels ist. Er soll geehrt
werden! Gott der Erlöser, Gott der Befreier soll geehrt werden.
Aber
auch Gott als Schöpfer soll geehrt werden! Sabbat heißt auf deutsch
Ruhetag. Gott ruhte am siebten Tag und deshalb soll am Sabbat alle
Arbeit ruhen. Der Mensch soll ruhen, innehalten, zur Ruhe in Gott
kommen.
All
die jüdischen und pharisäischen Vorschriften (z.B. Spazierengehen
(bis 900 Meter) aber nicht Wandern, nichts Tragen, sich die
Schnürsenkel binden aber keine zwei Schleifen machen usw.), die im
Lauf der Zeit entstanden sind und regelten, was am Sabbat getan
werden darf und was nicht und letztlich zum Selbstzweck mutiert sind
und damit zur Last geworden sind, hätten doch eigentlich Hilfe sein
sollen, dass der Mensch zur Ruhe kommen kann, frei werden von den
werktäglichen Lasten und Mühen.
Jesus
sagt: „Denn
das Joch, das ich auferlege, drückt nicht, und die Last, die ich zu
tragen gebe, ist leicht.“ (Mt. 11,30 NGÜ)
Er
wollte den Menschen keine unnötigen Lasten auflegen, wie die
Pharisäer es getan haben.
Die
Frage ist: Was hat das Gebot den Sabbat zu heiligen mit uns zu tun?
Hat es überhaupt etwas mit uns zu tun? Sind wir Juden? Nein!
Wurden
wir oder unsere Vorfahren aus Ägypten befreit? Nein!
Leben
wir in Israel? Nein!
Sind
wir israelitische Knechte, Sklaven oder Ochsen? Nein!
Warum
sollte das Gebot der Heiligung des Sabbats dann für uns irgendeine
Bedeutung haben? Können wir es auf den Sonntag anwenden?
3.
Die Bedeutung des Gesetzes
3.1.
Frei vom Gesetz des Alten Bundes
Ich
möchte darauf verschiedene Antworten geben. Zunächst die
heilsgeschichtliche Antwort. Das Sabbat-Gebot hat für uns als
Christen überhaupt keine Bedeutung und es hat auch niemals eine
Bedeutung gehabt.
Das
Sabbat-Gebot ist wie alle anderen Gebote auch Teil des Gesetzes. Und
das Gesetz - es umfasst 613 Gebote inkl. der zehn Hauptgebote wurde
nur dem Volk Israel gegeben. Darauf waren sie auch besonders stolz.
„Und
wo gibt es eine große Nation, die so gerechte Ordnungen und
Rechtsbestimmungen hätte wie dieses ganze Gesetz, das ich euch heute
vorlege?“ (5. Mo. 4,8 Rev. Elb.)
„Nun
gut, du kannst von dir sagen, dass du ein Jude bist. Du fühlst dich
sicher, weil du das Gesetz hast, und bist stolz darauf, den wahren
Gott zu kennen.“ (Röm. 2,17 NGÜ)
Das
Gesetz war also - in der Form, wie es uns im AT vorliegt - nie für
die nicht-jüdische Welt gedacht. Es war ein Vertag mit Israel.
Aber
selbst wenn es für uns gegolten hätte, hätte es doch seinen
Endpunkt, seine Erfüllung in Christus gefunden.
„Denn
Christus ist des Gesetzes Ende, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit.“
(Röm. 10,4 Rev. Elb.)
„Nun
aber sind wir vom Gesetz frei geworden“ (Röm. 7,6a Luther)
Also
die erste Antwort lautet: Das Sabbat-Gebot ist Teil des Gesetzes und
hat daher keinerlei Bedeutung für uns Christen. Wir können also
ganz entspannt oder ganz gestresst zwischen Freitagabend und
Samstagabend (ich rede ja immer noch vom Sabbat!) arbeiten, wandern,
einkaufen, Strom an- und ausschalten oder was auch immer wir sonst
tun wollen.
3.2
Frei zum Gesetz des Neuen Bundes
Ja
aber, Moment: Hat Jesus nicht auch was zum Sabbat gesagt? Und Luther?
Warum denn dann überhaupt die Auslegung der Zehn Gebote?
Es
gibt hier wirklich viel Verwirrung durch manchmal falschen Gebrauch
von Bibelstellen.
Zunächst
zu Jesus. Er hat tatsächlich etwas zum Sabbat gesagt.
„Der
Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen worden und nicht der
Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch
über den Sabbat.“ (Mk. 2, 27.28 Rev. Elb.)
Dies
sagte Jesus in einer Auseinandersetzung mit den Pharisäern. Die
Pharisäer hatten nämlich rund 1500 Gebote aufgestellt, was man am
Sabbat tun darf und was nicht.
Die
Jünger hatten, weil sie Hunger hatten ein paar Ähren gepflückt und
die Körner gegessen. Dadurch hatten sie nach pharisäischen
Verständnis geerntet (Ausraufen der Ähren = Ernten), gedroschen
(Trennen der Spreu vom Korn = Dreschen), geworfelt (in die Hände
pusten = Worfeln) und vermutlich auch eingelagert (Schlucken der
Körner = Einlagern).
Jesus
verdeutlichte den Pharisäern, dass es nicht der Sinn des Sabbats
ist, menschliche Vorschriften einzuhalten, sondern eine Zeit der Ruhe
und Besinnung in Gott zu haben. Er hat damit das Sabbat-Gebot nicht
aufgelöst, sondern den originalen Zweck herausgestellt. Gleichzeitig
hat er verdeutlicht, dass er ebenfalls ein Definitionsrecht
beansprucht.
Es
ist keinesfalls eine Aufforderung am Sabbat zu tun und zu lassen, was
man will.
Aber
auch diese Auseinandersetzung war vom Juden Jesus mit anderen Juden
(Pharisäern). Sie hat also ihren Platz innerhalb des Bundes mit
Israel. Was aber können wir Heidenchristen aus dem NT über den
Sabbat lernen?
Noch
mal zur Wiederholung: alle 613 Gebotes des AT waren ausschließlich
für Israel und sind in Jesus erfüllt und beendet worden. Dies wurde
in der Kirchengeschichte oft übersehen und wird oft noch übersehen.
Luther
hat u.a. deshalb das Gesetz gepredigt, damit Sündenerkenntnis
entsteht und der Mensch sich seiner Erlösungsbedürftigkeit bewusst
wird:
„dass
es die Erbsünde mit den Früchten und allem offenbare und dem
Menschen zeige, wie gar tief seine Natur gefallen und grundlos
verderbt ist …“
Er
befand sich ja in einer volkskirchlichen Situation mit nomineller
Kirchenzugehörigkeit von Geburt an. In einer verrohten Gesellschaft
mussten die Menschen erstmal erkennen, dass sie vor Gott schuldig
geworden sind.
Wir
leben in einem neuen Bund. Wir sind erlöst aus Gnade. Durch Glauben.
Aber auch dieser neue Bund hat seine Gesetze. Nur bewirken sie keine
Erlösung, sie sind aber trotzdem vorhanden.
Wie
heißt es im Missionsbefehl?
„Lehrt
sie, alles zu befolgen, was ich
euch geboten
habe.“ (Mt. 28,20b NGÜ)
und
„Wenn
ihr mich liebt, werdet ihr meine
Gebote halten.“
(Joh. 14,15 NGÜ)
Jesus
Christus hat uns eine Vielzahl an Geboten gegeben, nach denen wir
unser Leben gestalten sollen! Ich hab sie jetzt nicht systematisch
erfasst - meines Wissens gibt es überhaupt noch keine systematische
Erfassung - , aber es sind über 100 Anweisungen, die uns gegeben
sind.
Und
Johannes schreibt dazu: „seine
Gebote sind nicht schwer.“ (1. Joh. 5,3b Luther)
Paulus
bezeichnet sie als das „Gesetz
des Christus“ (Gal. 6,2 Rev. Elb.).
„Helft
einander, eure Lasten zu tragen! Auf diese Weise werdet hr das Gesetz
erfüllen, das Christus uns gegeben hat.“ (Gal. 6,2 NGÜ)
Das
klingt wirklich nicht schwer.
Verwirrung
entsteht, weil manche der Gebote, die Jesus uns gegeben hat, auch
schon im Alten Bund vorhanden waren. Jesus hat ja bspw. das Verbot
des Ehebruchs genommen und weiter ausgeführt und dargestellt, dass
der Ehebruch bereits im Kopf stattfindet oder dargestellt, dass
derjenige, der seinem Bruder zürnt eigentlich schon gemordet hat
usw.
Der
messianische Jude und Theologe Dr. Arnold Fruchtenbaum erklärt dazu
in seinem Buch „Gesetz und Gesetzlichkeit“, das wir in der Bibel
verschiedene heilsgeschichtliche Epochen (Bündnisse) finden (z.B.
den abrahamitischen Bund, den Bund der Landverheißung usw.) und in
diesen Epochen gibt es auch unterschiedliche Kodexe
(Verhaltensrichtlinien, -kataloge, Vertragsrichtlinien,
Gesetzessammlung), so z.B. den Eden-Kodex, den adamitischen, den
nohaitischen, den mosaischen und den christlichen Kodex.
Jeder
Kodex enthält z.T. die gleichen Gebote wie im vorherigen Kodex und
z.T. auch neue Gebote. Im Garten Eden bspw. durften die Menschen
nicht vom Baum der Erkenntnis essen, das spielte für die Menschen
danach keine Rolle mehr, da sie ja nicht mehr im Paradies lebten und
keinen Zugang mehr zu den Bäumen im Garten Eden hatten.
Oder
ein weiteres Beispiel: Adam und Eva durften nur samentragendes Kraut
und Obst essen, die Menschen nach der Sintflut durften alles essen
was sich regt, jedoch ohne Blut. Im mosaischen Gesetz wurde das Ganze
dann noch viel weiter in ausführliche Speisevorschriften
ausdifferenziert.
Ich
habe meinen Führerschein in Deutschland erworben und hier in
Deutschland fahre ich nach der deutschen Straßenverkehrsordnung.
Wenn ich jetzt nach England ziehe, kann ich zwar noch meine
Fahrerlaubnis verwenden, ich muss auch immer noch an roten Ampeln
halten und darf bei grünen Ampeln fahren, aber ich muss auf der
linken Straßenseite fahren. Die englische Straßenverkehrsordnung
ist in manchen Punkten gleich und in manchen Punkten unterschiedlich.
Aber für mich gilt in England nicht mehr die deutsche, auch nicht
die deutsche und
die englische, sondern ausschließlich die englische
Straßenverkehrsordnung.
Daher
gelten für mich also heute nicht ein paar Gebote aus dem Alten Bund
(z.B. die zehn Gebote, Zehnten geben, sexuelle Reinheit vor der Ehe,
Sabbatgebot) und andere nicht (z.B. kein Schweinefleisch essen, keine
Muscheln essen, seinen Bart nicht schneiden, keine unterschiedlichen
Stoffe anziehen), sondern es gelten nur
die Gebote des Neuen Bundes.
Paulus
sagt denen, die sich beschneiden lassen wollten, um so das Gesetz zu
erfüllen:
„Ich
weise jeden, der sich beschneiden lassen will, noch einmal mit allem
Nachdruck darauf hin: Mit seiner Beschneidung verpflichtet er sich,
das ganze Gesetz zu befolgen.“ (Gal. 5,3 NGÜ)
Wie
absurd dies wäre, wird z.B. in dem folgenden sehr spöttischen und
bibelkritischen Brief an eine US-Radiomoderatorin deutlich. Ich lese
nur ein paar Auszüge:
Ich
würde gerne meine Tochter in die Sklaverei verkaufen, wie es in
Exodus 21:7 erlaubt wird. Was wäre Ihrer Meinung nach heutzutage
ein angemessener Preis für sie?
Ich
weiß, dass ich mit keiner Frau in Kontakt treten darf, wenn sie sich
im Zustand ihrer menstrualen Unreinheit befindet (Lev. 15:19-24).
Das Problem ist, wie kann ich das wissen? Ich hab versucht zu
fragen, aber die meisten Frauen reagieren darauf pikiert.
Lev.
25:44 stellt fest, dass ich Sklaven besitzen darf, sowohl männliche
als auch weibliche, wenn ich sie von benachbarten Nationen erwerbe.
Einer meiner Freun- de meint, das würde auf Mexikaner zutreffen,
aber nicht auf Kanadier. Können sie das klären? Warum darf ich
keine Kanadier besitzen?
Ich
habe einen Nachbarn, der stets am Samstag arbeitet. Exodus 35:2
stellt deut- lich fest, dass er getötet werden muss. Allerdings:
Bin ich moralisch verpflichtet ihn eigenhändig zu töten?
Ich
weiß aus Lev. 11:16-8, dass das Berühren der Haut eines toten
Schweines mich unrein macht. Darf ich aber dennoch Fußball
spielen, wenn ich dabei Hand- schuhe trage?
Wir
sind heute frei vom Gesetz des Alten Bundes und frei dazu nach den
Geboten Jesu, den Geboten des Neuen Bundes zu leben. Nicht um eine
formal-juristische Pflichten zu erfüllen, sondern aus Liebe zu Jesus
und zu den Menschen. Dabei ist der Heilige Geist in uns unser Motor,
denn im Neuen Bund ist uns das Gesetz in unser Herz geschrieben (Jer.
31,33).
4.
Die Bedeutung des Sabbats für uns als Christen
Da
Jesus aber trotzdem in einem jüdischen Kontext gelebt und gelehrt
hat, lassen sich manche seiner Anweisungen nicht in einem heidnischen
Kontext anwenden oder zumindest nicht so einfach übertragen (z.B.
Wie oft werden wir gezwungen jmd. eine Meile zu begleiten?) oder es
haben sich neue Sachverhalte ergeben, zu denen Jesus sich nie direkt
geäußert hatte (z.B. der Umgang mit Götzen-opferfleisch).
Deshalb
hat er die Apostel mit etwas Besonderem ausgestattet. Mit dem Recht
zu „Binden“ und zu „Lösen“ (Mt. 16,19). Das hat jetzt nichts
mit dem Lösen irgendwelcher dämonischen Bindungen zu tun, sondern
sie durften für die Gemeinde festlegen, was verboten ist und was
erlaubt ist. Dies wurde im heidenchristlichen Kontext dann auch des
öfteren benötigt.
Zurück
zur Ausgangsfrage. Was sagt Jesus zum Sabbat? Außer der bereits
erwähnten Bibelstelle in der Kontroverse mit den Pharisäern sagt
Jesus nichts.
Jesus wiederholt alle der zehn Gebote des Alten Bundes, aber nicht
das Sabbat-Gebot. Müssen wir jetzt Sonntags wieder arbeiten?
Unsere
Hoffnung ist nun Paulus. Er ist der Apostel der Heiden. Er war von
Jesus beauftragt uns das Evangelium zu bringen und zu erklären.
Paulus, was sagst Du?
„Niemand
soll euch also Vorhaltungen machen wegen dem, was ihr esst oder
trinkt oder was ihr an den Festen, am Neumondstag oder am Sabbat
tut.“ (Kol. 2,16 NGÜ)
Wie
jetzt? - Und weiter:
„Der
eine hält einen Tag vor dem anderen, der andere aber hält jeden Tag
gleich. Jeder aber sei in seinem eigenen Sinn völlig überzeugt!“
(Röm. 14,5 Rev. Elb.)
Mit
anderen Worten: Gott gibt uns durch Paulus die absolute Freiheit, ob
wir den Sabbat oder einen anderen Tag (also Sonntag) als Ruhetag
feiern - oder nicht. Auch der Apostel-konzil (Apg. 15) hat dazu keine
Vorgaben gemacht. Da ging´s um Unzucht und um Götzendienst und um
Blutwurst, aber kein Wort zum Sabbat.
Warum
war das so? Ich denke, es könnte vier Gründe haben:
1.
Die Christen in Israel hatten keine Probleme den Sabbat zu feiern -
und haben dies auch getan - da der Sabbat ja bereits ein Feiertag
war. Außerhalb Israels war dies nicht der Fall. Der Sabbat war
Werktag. Sie hätten gar nicht die Möglichkeit einen Ruhetag
einzulegen. Kein Herr hätte es geduldet, wenn seine Knechte und
Mägde, seine Sklaven regelmäßig für einen Tag der Woche die
Arbeit eingestellt hätten. (Der Sonntag als Tag der Arbeitsruhe für
alle hat sich übrigens erst im 6. Jahrhundert durchgesetzt. Für die
Stadtbevölkerung gab es ihn im römischen Reich ab dem 4.
Jahrhundert. Zuvor gab es verschiedene religiöse Feiertage.)
2.
Während im alten Bund zumindest ein Tag der Woche ganz Gott gehören
sollte, also für Gott geheiligt war, gehört ja jetzt alles Gott.
Das ganze Leben soll für Gott geheiligt sein (Röm. 12,1), nicht nur
ein spezieller Tag.
3.
Viele der Gebote die aus dem Alten Bund von Jesus und den Aposteln
übernommen wurden, sind ethisch-moralische Richtlinien. Die
kultisch-zeremoniellen Gebote wurden nicht
übernommen.
In diese Kategorie könnte man auch das Sabbat-Gebot einordnen.
4.
Der Sabbat hatte heilsgeschichtlich für die Heidenchristen nicht
dieselbe Bedeutung wir für die Juden bzgl. der Befreiung aus
Ägypten. Es gab also zumindest in dieser Hinsicht keinerlei
Veranlassung ihn überhaupt einzuführen. Zum Gedenken an das
Erlösungswerk Christi gab es das Abendmahl als regelmäßige Feier.
5.
Die christliche Versammlung am Sonntag
Und
dies wurde auch regelmäßig getan:
„Am
ersten Tag der Woche aber, als wir versammelt waren, um Brot zu
brechen“ (Apg. 20,7 Rev. Elb.)
Bereits
nach kurzer Zeit haben die Christen angefangen sich regelmäßig am
ersten Tag der Woche (also am Sonntag) zu treffen um Abendmahl zu
feiern, Gemeinschaft zu haben, Gottesdienst zu feiern. Sie wurden von
keinem der Apostel dazu aufgefordert. Nirgends findet sich eine
Bibelstelle, die dies anordnet, aber es war auch nie strittig, es
wurde auch nirgends widerrufen. Es scheint, als ob der Heilige Geist
dies eigenständig initiiert hat und es sich sehr schnell überall
durchgesetzt hat.
Wie
wurde es begründet? Ich habe eingangs erwähnt, dass die Sabbatfeier
bei den Juden mit der Schöpfung und mit der Errettung begründet
wird. Auch hier finden wir wieder diese beiden Elemente: Christus ist
am Sonntag auferstanden. Er ist die erste neue Schöpfung. Und sein
Erlösungswerk wird im Abendmahl gefeiert. Also wieder Schöpfung und
Erlösung. Ja, in
Christus
fällt sogar beides zusammen.
Justin
der Märtyrer schreibt im Jahr 165 n. Chr in seiner ersten Apologie
(Verteidigungsschrift):
„An
dem Tage, den man Sonntag nennt, findet eine Versammlung aller statt,
die in Städten oder auf dem Lande wohnen; dabei werden die
Denkwürdigkeiten der Apostel
oder die Schriften der Propheten vorgelesen, solange es angeht....Am
Sonntage aber halten wir alle gemeinsam die Zusammenkunft, weil er
der erste Tag ist, an welchem Gott durch Umwandlung der Finsternis
und des Urstoffes die Welt schuf und weil Jesus Christus, unser
Erlöser, an diesem Tage von den Toten auferstanden ist.“
Die
ersten Christen blieben beständig in dieser Gemeinschaft, sie
hielten hartnäckig daran fest, sie ließen nicht nach (Apg. 2,42).
Es zog sie zueinander und zur gemeinsamen Feier des Gottesdienstes.
Sie hatten keinen Sabbat, keinen freien Sonntag, sie hatten keinen
wöchentlichen Ruhetag, aber sie hatten die gemeinsame
Gottesdienst-Feier, die sie nicht missen wollten.
Es
findet sich nur eine einzige Bibelstelle im NT, in der die Christen
ermahnt werden zum Gottesdienst zu kommen.
„Lasst
uns aufeinander achthaben, um uns zur Liebe und zu guten Werken
anzureizen, indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es
bei einigen Sitte ist, sondern einander ermuntern, und das umso mehr,
je mehr ihr den Tag herannahen seht!“ (Hebr. 10, 24.25 NGÜ)
Dies
wird m. M. deshalb nur einmal im NT erwähnt, weil es damals noch
kein Problem dargestellt hat. Die Christen wollten sich versammeln!
Sich nicht „um Christus“ und „zu einander“ zu versammeln,
wäre für sie so gewesen, als wenn sie den Glauben verleugnet
hätten.
Es
spielt dabei keine Rolle, ob sich die Gemeinde am Freitag, Samstag
oder Sonntag versammelt. Wichtig ist, dass sie sich versammelt und
man dieser Versammlung nicht fern bleibt!
6.
Schluss
Wir
haben heute den Vorzug - ähnlich wie Israel den Sabbat - den Sonntag
als arbeitsfreien Tag zu genießen. Für die religiösen Juden ist
der Sabbat nicht einfach ein arbeitsfreier Tag, sondern ein Tag des
Besinnens auf Gott, des Nachsinnens über seinem Wort, des Studierens
und des Eintretens in seine Gegenwart. Sie haben bestimmte Rituale
und Zusammenkünfte, mit denen sie ihn am Freitagabend einleiten
(begrüßen), am Samstagvormittag feiern und abends wieder
verabschieden. Dies waren Hilfsmittel um ihn ganz Gott zu widmen -
die aber auch schnell erstarren konnten.
Solche
Rituale kennen wir nicht. Wir sind absolut frei den Sonntag zu
feiern, wie wir wollen. Dabei ist es sicherlich gut und richtig aus
der Schöpfungsgeschichte einen Ruhetag für uns und alle Menschen
abzuleiten.
Aber,
wir sind frei! Du bist frei am Sonntag zu kochen - zu lernen - zu
arbeiten - zu lesen - zu entspannen - zu schlafen - zu reden - Zeit
mit der Familie, mit Freunden zu verbringen - Sport zu machen
usw...Ganz so, wie Du es vor Gott in Dankbarkeit machen möchtest.
Niemand darf Dich richten.
Aber
wovor wir gewarnt werden, ist den Gottesdienst zu versäumen. Ihn
brauchen wir als gemeinschaftliches Erleben. Gesellige Zeit mit
Freunden oder der Familie kann hier kein Ersatz sein. Gemeinschaft
fängt da an, wo wir uns um Jesus versammeln.
Gottesdienst
ist Teilhabe aneinander, Teilhabe am Leib. Ihn besuche ich nicht wie
eine Kino- oder Theatervorstellung. Wenn uns der Sonntag als
arbeitsfreier Tag daran hindert gemeinsam Gottesdienst zu feiern und
stattdessen anderes zu pflegen, dann hat das „Arbeitsfreie“
seinen Sinn verfehlt.
Die
Märtyrer Saturnius, Dativus und ihre Gefährten haben sich im Jahr
304 nicht hinrichten lassen, weil sie am Sonntag nicht arbeiten
wollten, sondern weil sie von den Gottesdienstfeiern nicht absehen
wollten.
Wir
müssen nicht unser Leben riskieren, sondern dürfen gefahrlos daran
festhalten.
AMEN.
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