Montag, 11. Juni 2012

Predigt von Norbert Wohlrab (10.06.2012)

Die Heiligung des Sabbats und seine Bedeutung für Christen


1. Einleitung

Schabbat schalom, schabbat schalom. schabbat, schabbat, schabbat schalom.“ So lautet ein jüdisches Lied mit dem der Schabbat eingeleitet wird.

Wir leben heute in einer Zeit, in der sich die Christenheit wieder mehr ihrer jüdischen Wurzeln bewusst wird und ganz neu oder manchmal sogar erstmals die Bedeutung verschiedener Passagen der Bibel erkennt. Gleichzeitig besteht aber auch die Gefahr bei allem positiven Interesse am Judentum die Unterschiede zwischen dem Alten Bund und dem Neuen Bund zu verwässern und den Blick abzuwenden von der Einmaligkeit des Erlösungswerks Jesu Christi. Daher war es uns bspw. wichtig bei dem Passah-Abend, den wir vor kurzem gefeiert haben, nicht nur die jüdischen Traditionen kennenzulernen, sondern auch die christozentrische Bedeutung des Passah-Festes zu erfassen.

Heute möchte ich über das Gebot der Sabbat-Heiligung sprechen und darüber, was es für uns für eine Bedeutung haben kann.


2. Das Sabbat-Gebot im AT

Lesen wir zunächst die relevanten Schriftstellen aus dem AT. Bei der Gesetzgebung am Sinai sprach Gott zum Volk Israel zunächst:

Und Gott redete alle diese Worte und sprach: Ich bin der HERR, dein Gott, der ich dich aus dem Land Ägypten, aus dem Sklavenhaus, herausgeführt habe“ (2. Mose 20, 1 Rev. Elb.)

Dann gibt er die einzelnen Ausführungen. Und im - nach jüdischer Zählweise vierten Gebot - heißt es dann:

Denke an den Sabbattag, um ihn heilig zu halten. Sechs Tage sollst du arbeiten und all deine Arbeit tun, aber der siebte Tag ist Sabbat für den HERRN, deinen Gott. Du sollst an ihm keinerlei Arbeit tun, du und dein Sohn und deine Tochter, dein Knecht und deine Magd und dein Vieh und der Fremde bei dir, der innerhalb deiner Tore wohnt. Denn in sechs Tagen hat der HERR den Himmel und die Erde gemacht, das Meer und alles, was in ihnen ist, und er ruhte am siebten Tag; darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn.“ (2. Mose 20, 8-11 Rev. Elb.)

An anderer Stelle heißt es:

Sechs Tage soll man seine Arbeit verrichten, aber den siebten Tag sollt ihr heilig halten, er sei euch ein ganz feierlicher Sabbat für den HERRN. Jeder, der an ihm eine Arbeit verrichtet, muss getötet werden. Ihr dürft am Sabbattag in all euren Wohnsitzen kein Feuer anzünden. (2. Mose 35, 2.3 Rev. Elb.)

Ganz schön harte Worte: jeder, der arbeitet muss getötet werden. Da wäre der Saal heute leer bzw. Fürth wäre ziemlich entvölkert. Und eine weitere Stelle:

Rede zu den Söhnen Israel und sage zu ihnen: Die Feste des HERRN, die ihr als heilige Versammlungen ausrufen sollt, meine Feste sind diese: Sechs Tage soll man Arbeit tun; aber am siebten Tag ist ein ganz feierlicher Sabbat, eine heilige Versammlung. Keinerlei Arbeit dürft ihr tun; es ist ein Sabbat für den HERRN in all euren Wohnsitzen.“ (3. Mose 23, 2.3 Rev. Elb.)
Eine heilige Versammlung soll stattfinden! Und eine letzte Stelle:

Beachte den Sabbattag, um ihn heilig zu halten, so wie der HERR, dein Gott, es dir geboten hat! Sechs Tage sollst du arbeiten und all deine Arbeit tun; aber der siebte Tag ist Sabbat für den HERRN, deinen Gott. Du sollst an ihm keinerlei Arbeit tun, du und dein Sohn und deine Tochter und dein Sklave und deine Sklavin und dein Rind und dein Esel und all dein Vieh und der Fremde bei dir, der innerhalb deiner Tore wohnt, damit dein Sklave und deine Sklavin ruhen wie du. Und denke daran, dass du Sklave warst im Land Ägypten und dass der HERR, dein Gott, dich mit starker Hand und mit ausgestrecktem Arm von dort herausgeführt hat! Darum hat der HERR, dein Gott, dir geboten, den Sabbattag zu feiern.“ (5. Mose 5, 12-15 Rev. Elb.“

Also nicht einmal das Vieh durfte arbeiten am Sabbat, so ernst war es Gott mit diesem Gebot.
Was wird daraus deutlich? Warum sollte das Volk Israel den Sabbat heiligen?
Es sind drei Gründe, die hier deutlich werden:

1. Gott ruhte am siebten Tag, deshalb ist der Sabbat ein heiliger Tag
2. Der Sabbat ist ein Gedenktag für die Befreiung Israels aus Ägypten und
3. Der Sabbat ist ein Zeichen des Bundes zwischen Gott und Israel.

Haltet nur ja meine Sabbate! Denn sie sind ein Zeichen zwischen mir und euch für all eure Generationen, damit man erkenne, dass ich, der HERR, es bin, der euch heiligt.“ (2. Mose 31, 13 Rev. Elb.)

Der Sabbat soll verdeutlichen, dass Israel das auserwählte Volk Gottes ist. Das Volk, welches Gott sich geheiligt hat. Deshalb legt er auch ganz strenge Vorschriften fest, damit Israel diesen Tag ernst nimmt und einhält.

Es darf bspw. kein Feuer angezündet werden. Damit kann auch die Hausfrau den Sabbat einhalten kann. Jegliches Essen muss entweder vor Beginn des Sabbats fertig sein oder es wird bis zum Ende des Sabbats auf kleiner Flamme warm gehalten. Denn die schlauen Juden hatten natürlich einen Dreh gefunden, wie sie damit am Sabbat doch noch zu einem warmen Essen kommen konnten (es heißt ja nur, dass man kein Feuer anzünden darf!).

Heute gibt es entsprechende Regelungen für den Umgang mit Elektrizität: man darf sie nicht einschalten, aber sie darf durchlaufen. In Hotels gibt es dann bspw. Aufzüge, die vor Beginn des Sabbats auf Dauerbetrieb gestellt werden und während des Sabbats in jedem Stockwerk halten. Schwierig ist es mit Verbrennungsmotoren. Hier gibt es noch keinen Trick. Deutsche Automobilhersteller sollen daher ein Auto entwickeln, dass von den Hirnströmen gesteuert wird, denn das Hirn ist ja auch ständig „unter Strom“.

Ich weiß jetzt nicht, ob das alles so im Sinne Gottes war oder ist. Gott war es auf jeden Fall ernst mit dem Sabbat. Sogar die Knechte, die Sklaven und das Vieh sollten ihn halten. Ihn heiligen! Im ganzen Land sollte deutlich werden, wer der Gott Israels ist. Er soll geehrt werden! Gott der Erlöser, Gott der Befreier soll geehrt werden.

Aber auch Gott als Schöpfer soll geehrt werden! Sabbat heißt auf deutsch Ruhetag. Gott ruhte am siebten Tag und deshalb soll am Sabbat alle Arbeit ruhen. Der Mensch soll ruhen, innehalten, zur Ruhe in Gott kommen.

All die jüdischen und pharisäischen Vorschriften (z.B. Spazierengehen (bis 900 Meter) aber nicht Wandern, nichts Tragen, sich die Schnürsenkel binden aber keine zwei Schleifen machen usw.), die im Lauf der Zeit entstanden sind und regelten, was am Sabbat getan werden darf und was nicht und letztlich zum Selbstzweck mutiert sind und damit zur Last geworden sind, hätten doch eigentlich Hilfe sein sollen, dass der Mensch zur Ruhe kommen kann, frei werden von den werktäglichen Lasten und Mühen.

Jesus sagt: „Denn das Joch, das ich auferlege, drückt nicht, und die Last, die ich zu tragen gebe, ist leicht.“ (Mt. 11,30 NGÜ)

Er wollte den Menschen keine unnötigen Lasten auflegen, wie die Pharisäer es getan haben.

Die Frage ist: Was hat das Gebot den Sabbat zu heiligen mit uns zu tun? Hat es überhaupt etwas mit uns zu tun? Sind wir Juden? Nein!
Wurden wir oder unsere Vorfahren aus Ägypten befreit? Nein!
Leben wir in Israel? Nein!
Sind wir israelitische Knechte, Sklaven oder Ochsen? Nein!
Warum sollte das Gebot der Heiligung des Sabbats dann für uns irgendeine Bedeutung haben? Können wir es auf den Sonntag anwenden?


3. Die Bedeutung des Gesetzes

3.1. Frei vom Gesetz des Alten Bundes

Ich möchte darauf verschiedene Antworten geben. Zunächst die heilsgeschichtliche Antwort. Das Sabbat-Gebot hat für uns als Christen überhaupt keine Bedeutung und es hat auch niemals eine Bedeutung gehabt.

Das Sabbat-Gebot ist wie alle anderen Gebote auch Teil des Gesetzes. Und das Gesetz - es umfasst 613 Gebote inkl. der zehn Hauptgebote wurde nur dem Volk Israel gegeben. Darauf waren sie auch besonders stolz.

Und wo gibt es eine große Nation, die so gerechte Ordnungen und Rechtsbestimmungen hätte wie dieses ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege?“ (5. Mo. 4,8 Rev. Elb.)

Nun gut, du kannst von dir sagen, dass du ein Jude bist. Du fühlst dich sicher, weil du das Gesetz hast, und bist stolz darauf, den wahren Gott zu kennen.“ (Röm. 2,17 NGÜ)

Das Gesetz war also - in der Form, wie es uns im AT vorliegt - nie für die nicht-jüdische Welt gedacht. Es war ein Vertag mit Israel.

Aber selbst wenn es für uns gegolten hätte, hätte es doch seinen Endpunkt, seine Erfüllung in Christus gefunden.

Denn Christus ist des Gesetzes Ende, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit.“ (Röm. 10,4 Rev. Elb.)

Nun aber sind wir vom Gesetz frei geworden“ (Röm. 7,6a Luther)

Also die erste Antwort lautet: Das Sabbat-Gebot ist Teil des Gesetzes und hat daher keinerlei Bedeutung für uns Christen. Wir können also ganz entspannt oder ganz gestresst zwischen Freitagabend und Samstagabend (ich rede ja immer noch vom Sabbat!) arbeiten, wandern, einkaufen, Strom an- und ausschalten oder was auch immer wir sonst tun wollen.

3.2 Frei zum Gesetz des Neuen Bundes

Ja aber, Moment: Hat Jesus nicht auch was zum Sabbat gesagt? Und Luther? Warum denn dann überhaupt die Auslegung der Zehn Gebote?

Es gibt hier wirklich viel Verwirrung durch manchmal falschen Gebrauch von Bibelstellen.
Zunächst zu Jesus. Er hat tatsächlich etwas zum Sabbat gesagt.

Der Sabbat ist um des Menschen willen geschaffen worden und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.“ (Mk. 2, 27.28 Rev. Elb.)

Dies sagte Jesus in einer Auseinandersetzung mit den Pharisäern. Die Pharisäer hatten nämlich rund 1500 Gebote aufgestellt, was man am Sabbat tun darf und was nicht.
Die Jünger hatten, weil sie Hunger hatten ein paar Ähren gepflückt und die Körner gegessen. Dadurch hatten sie nach pharisäischen Verständnis geerntet (Ausraufen der Ähren = Ernten), gedroschen (Trennen der Spreu vom Korn = Dreschen), geworfelt (in die Hände pusten = Worfeln) und vermutlich auch eingelagert (Schlucken der Körner = Einlagern).

Jesus verdeutlichte den Pharisäern, dass es nicht der Sinn des Sabbats ist, menschliche Vorschriften einzuhalten, sondern eine Zeit der Ruhe und Besinnung in Gott zu haben. Er hat damit das Sabbat-Gebot nicht aufgelöst, sondern den originalen Zweck herausgestellt. Gleichzeitig hat er verdeutlicht, dass er ebenfalls ein Definitionsrecht beansprucht.
Es ist keinesfalls eine Aufforderung am Sabbat zu tun und zu lassen, was man will.

Aber auch diese Auseinandersetzung war vom Juden Jesus mit anderen Juden (Pharisäern). Sie hat also ihren Platz innerhalb des Bundes mit Israel. Was aber können wir Heidenchristen aus dem NT über den Sabbat lernen?

Noch mal zur Wiederholung: alle 613 Gebotes des AT waren ausschließlich für Israel und sind in Jesus erfüllt und beendet worden. Dies wurde in der Kirchengeschichte oft übersehen und wird oft noch übersehen.

Luther hat u.a. deshalb das Gesetz gepredigt, damit Sündenerkenntnis entsteht und der Mensch sich seiner Erlösungsbedürftigkeit bewusst wird:

dass es die Erbsünde mit den Früchten und allem offenbare und dem Menschen zeige, wie gar tief seine Natur gefallen und grundlos verderbt ist …“

Er befand sich ja in einer volkskirchlichen Situation mit nomineller Kirchenzugehörigkeit von Geburt an. In einer verrohten Gesellschaft mussten die Menschen erstmal erkennen, dass sie vor Gott schuldig geworden sind.

Wir leben in einem neuen Bund. Wir sind erlöst aus Gnade. Durch Glauben. Aber auch dieser neue Bund hat seine Gesetze. Nur bewirken sie keine Erlösung, sie sind aber trotzdem vorhanden.

Wie heißt es im Missionsbefehl?

Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ (Mt. 28,20b NGÜ)

und

Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ (Joh. 14,15 NGÜ)

Jesus Christus hat uns eine Vielzahl an Geboten gegeben, nach denen wir unser Leben gestalten sollen! Ich hab sie jetzt nicht systematisch erfasst - meines Wissens gibt es überhaupt noch keine systematische Erfassung - , aber es sind über 100 Anweisungen, die uns gegeben sind.

Und Johannes schreibt dazu: „seine Gebote sind nicht schwer.“ (1. Joh. 5,3b Luther)

Paulus bezeichnet sie als das „Gesetz des Christus“ (Gal. 6,2 Rev. Elb.).

Helft einander, eure Lasten zu tragen! Auf diese Weise werdet hr das Gesetz erfüllen, das Christus uns gegeben hat.“ (Gal. 6,2 NGÜ)

Das klingt wirklich nicht schwer.
Verwirrung entsteht, weil manche der Gebote, die Jesus uns gegeben hat, auch schon im Alten Bund vorhanden waren. Jesus hat ja bspw. das Verbot des Ehebruchs genommen und weiter ausgeführt und dargestellt, dass der Ehebruch bereits im Kopf stattfindet oder dargestellt, dass derjenige, der seinem Bruder zürnt eigentlich schon gemordet hat usw.

Der messianische Jude und Theologe Dr. Arnold Fruchtenbaum erklärt dazu in seinem Buch „Gesetz und Gesetzlichkeit“, das wir in der Bibel verschiedene heilsgeschichtliche Epochen (Bündnisse) finden (z.B. den abrahamitischen Bund, den Bund der Landverheißung usw.) und in diesen Epochen gibt es auch unterschiedliche Kodexe (Verhaltensrichtlinien, -kataloge, Vertragsrichtlinien, Gesetzessammlung), so z.B. den Eden-Kodex, den adamitischen, den nohaitischen, den mosaischen und den christlichen Kodex.

Jeder Kodex enthält z.T. die gleichen Gebote wie im vorherigen Kodex und z.T. auch neue Gebote. Im Garten Eden bspw. durften die Menschen nicht vom Baum der Erkenntnis essen, das spielte für die Menschen danach keine Rolle mehr, da sie ja nicht mehr im Paradies lebten und keinen Zugang mehr zu den Bäumen im Garten Eden hatten.

Oder ein weiteres Beispiel: Adam und Eva durften nur samentragendes Kraut und Obst essen, die Menschen nach der Sintflut durften alles essen was sich regt, jedoch ohne Blut. Im mosaischen Gesetz wurde das Ganze dann noch viel weiter in ausführliche Speisevorschriften ausdifferenziert.

Ich habe meinen Führerschein in Deutschland erworben und hier in Deutschland fahre ich nach der deutschen Straßenverkehrsordnung. Wenn ich jetzt nach England ziehe, kann ich zwar noch meine Fahrerlaubnis verwenden, ich muss auch immer noch an roten Ampeln halten und darf bei grünen Ampeln fahren, aber ich muss auf der linken Straßenseite fahren. Die englische Straßenverkehrsordnung ist in manchen Punkten gleich und in manchen Punkten unterschiedlich. Aber für mich gilt in England nicht mehr die deutsche, auch nicht die deutsche und die englische, sondern ausschließlich die englische Straßenverkehrsordnung.

Daher gelten für mich also heute nicht ein paar Gebote aus dem Alten Bund (z.B. die zehn Gebote, Zehnten geben, sexuelle Reinheit vor der Ehe, Sabbatgebot) und andere nicht (z.B. kein Schweinefleisch essen, keine Muscheln essen, seinen Bart nicht schneiden, keine unterschiedlichen Stoffe anziehen), sondern es gelten nur die Gebote des Neuen Bundes.

Paulus sagt denen, die sich beschneiden lassen wollten, um so das Gesetz zu erfüllen:

Ich weise jeden, der sich beschneiden lassen will, noch einmal mit allem Nachdruck darauf hin: Mit seiner Beschneidung verpflichtet er sich, das ganze Gesetz zu befolgen.“ (Gal. 5,3 NGÜ)

Wie absurd dies wäre, wird z.B. in dem folgenden sehr spöttischen und bibelkritischen Brief an eine US-Radiomoderatorin deutlich. Ich lese nur ein paar Auszüge:

Ich würde gerne meine Tochter in die Sklaverei verkaufen, wie es in Exodus 21:7 erlaubt wird. Was wäre Ihrer Meinung nach heutzutage ein angemessener Preis für sie?

Ich weiß, dass ich mit keiner Frau in Kontakt treten darf, wenn sie sich im Zustand ihrer menstrualen Unreinheit befindet (Lev. 15:19-24). Das Problem ist, wie kann ich das wissen? Ich hab versucht zu fragen, aber die meisten Frauen reagieren darauf pikiert.

Lev. 25:44 stellt fest, dass ich Sklaven besitzen darf, sowohl männliche als auch weibliche, wenn ich sie von benachbarten Nationen erwerbe. Einer meiner Freun- de meint, das würde auf Mexikaner zutreffen, aber nicht auf Kanadier. Können sie das klären? Warum darf ich keine Kanadier besitzen?

Ich habe einen Nachbarn, der stets am Samstag arbeitet. Exodus 35:2 stellt deut- lich fest, dass er getötet werden muss. Allerdings: Bin ich moralisch verpflichtet ihn eigenhändig zu töten?

Ich weiß aus Lev. 11:16-8, dass das Berühren der Haut eines toten Schweines mich unrein macht. Darf ich aber dennoch Fußball spielen, wenn ich dabei Hand- schuhe trage?

Wir sind heute frei vom Gesetz des Alten Bundes und frei dazu nach den Geboten Jesu, den Geboten des Neuen Bundes zu leben. Nicht um eine formal-juristische Pflichten zu erfüllen, sondern aus Liebe zu Jesus und zu den Menschen. Dabei ist der Heilige Geist in uns unser Motor, denn im Neuen Bund ist uns das Gesetz in unser Herz geschrieben (Jer. 31,33).


4. Die Bedeutung des Sabbats für uns als Christen

Da Jesus aber trotzdem in einem jüdischen Kontext gelebt und gelehrt hat, lassen sich manche seiner Anweisungen nicht in einem heidnischen Kontext anwenden oder zumindest nicht so einfach übertragen (z.B. Wie oft werden wir gezwungen jmd. eine Meile zu begleiten?) oder es haben sich neue Sachverhalte ergeben, zu denen Jesus sich nie direkt geäußert hatte (z.B. der Umgang mit Götzen-opferfleisch).
Deshalb hat er die Apostel mit etwas Besonderem ausgestattet. Mit dem Recht zu „Binden“ und zu „Lösen“ (Mt. 16,19). Das hat jetzt nichts mit dem Lösen irgendwelcher dämonischen Bindungen zu tun, sondern sie durften für die Gemeinde festlegen, was verboten ist und was erlaubt ist. Dies wurde im heidenchristlichen Kontext dann auch des öfteren benötigt.

Zurück zur Ausgangsfrage. Was sagt Jesus zum Sabbat? Außer der bereits erwähnten Bibelstelle in der Kontroverse mit den Pharisäern sagt Jesus nichts. Jesus wiederholt alle der zehn Gebote des Alten Bundes, aber nicht das Sabbat-Gebot. Müssen wir jetzt Sonntags wieder arbeiten?

Unsere Hoffnung ist nun Paulus. Er ist der Apostel der Heiden. Er war von Jesus beauftragt uns das Evangelium zu bringen und zu erklären. Paulus, was sagst Du?

Niemand soll euch also Vorhaltungen machen wegen dem, was ihr esst oder trinkt oder was ihr an den Festen, am Neumondstag oder am Sabbat tut.“ (Kol. 2,16 NGÜ)

Wie jetzt? - Und weiter:

Der eine hält einen Tag vor dem anderen, der andere aber hält jeden Tag gleich. Jeder aber sei in seinem eigenen Sinn völlig überzeugt!“ (Röm. 14,5 Rev. Elb.)

Mit anderen Worten: Gott gibt uns durch Paulus die absolute Freiheit, ob wir den Sabbat oder einen anderen Tag (also Sonntag) als Ruhetag feiern - oder nicht. Auch der Apostel-konzil (Apg. 15) hat dazu keine Vorgaben gemacht. Da ging´s um Unzucht und um Götzendienst und um Blutwurst, aber kein Wort zum Sabbat.

Warum war das so? Ich denke, es könnte vier Gründe haben:

1. Die Christen in Israel hatten keine Probleme den Sabbat zu feiern - und haben dies auch getan - da der Sabbat ja bereits ein Feiertag war. Außerhalb Israels war dies nicht der Fall. Der Sabbat war Werktag. Sie hätten gar nicht die Möglichkeit einen Ruhetag einzulegen. Kein Herr hätte es geduldet, wenn seine Knechte und Mägde, seine Sklaven regelmäßig für einen Tag der Woche die Arbeit eingestellt hätten. (Der Sonntag als Tag der Arbeitsruhe für alle hat sich übrigens erst im 6. Jahrhundert durchgesetzt. Für die Stadtbevölkerung gab es ihn im römischen Reich ab dem 4. Jahrhundert. Zuvor gab es verschiedene religiöse Feiertage.)

2. Während im alten Bund zumindest ein Tag der Woche ganz Gott gehören sollte, also für Gott geheiligt war, gehört ja jetzt alles Gott. Das ganze Leben soll für Gott geheiligt sein (Röm. 12,1), nicht nur ein spezieller Tag.

3. Viele der Gebote die aus dem Alten Bund von Jesus und den Aposteln übernommen wurden, sind ethisch-moralische Richtlinien. Die kultisch-zeremoniellen Gebote wurden nicht
übernommen. In diese Kategorie könnte man auch das Sabbat-Gebot einordnen.

4. Der Sabbat hatte heilsgeschichtlich für die Heidenchristen nicht dieselbe Bedeutung wir für die Juden bzgl. der Befreiung aus Ägypten. Es gab also zumindest in dieser Hinsicht keinerlei Veranlassung ihn überhaupt einzuführen. Zum Gedenken an das Erlösungswerk Christi gab es das Abendmahl als regelmäßige Feier.


5. Die christliche Versammlung am Sonntag

Und dies wurde auch regelmäßig getan:

Am ersten Tag der Woche aber, als wir versammelt waren, um Brot zu brechen“ (Apg. 20,7 Rev. Elb.)

Bereits nach kurzer Zeit haben die Christen angefangen sich regelmäßig am ersten Tag der Woche (also am Sonntag) zu treffen um Abendmahl zu feiern, Gemeinschaft zu haben, Gottesdienst zu feiern. Sie wurden von keinem der Apostel dazu aufgefordert. Nirgends findet sich eine Bibelstelle, die dies anordnet, aber es war auch nie strittig, es wurde auch nirgends widerrufen. Es scheint, als ob der Heilige Geist dies eigenständig initiiert hat und es sich sehr schnell überall durchgesetzt hat.

Wie wurde es begründet? Ich habe eingangs erwähnt, dass die Sabbatfeier bei den Juden mit der Schöpfung und mit der Errettung begründet wird. Auch hier finden wir wieder diese beiden Elemente: Christus ist am Sonntag auferstanden. Er ist die erste neue Schöpfung. Und sein Erlösungswerk wird im Abendmahl gefeiert. Also wieder Schöpfung und Erlösung. Ja, in Christus fällt sogar beides zusammen.

Justin der Märtyrer schreibt im Jahr 165 n. Chr in seiner ersten Apologie (Verteidigungsschrift):

An dem Tage, den man Sonntag nennt, findet eine Versammlung aller statt, die in Städten oder auf dem Lande wohnen; dabei werden die Denkwürdigkeiten der Apostel oder die Schriften der Propheten vorgelesen, solange es angeht....Am Sonntage aber halten wir alle gemeinsam die Zusammenkunft, weil er der erste Tag ist, an welchem Gott durch Umwandlung der Finsternis und des Urstoffes die Welt schuf und weil Jesus Christus, unser Erlöser, an diesem Tage von den Toten auferstanden ist.“

Die ersten Christen blieben beständig in dieser Gemeinschaft, sie hielten hartnäckig daran fest, sie ließen nicht nach (Apg. 2,42). Es zog sie zueinander und zur gemeinsamen Feier des Gottesdienstes. Sie hatten keinen Sabbat, keinen freien Sonntag, sie hatten keinen wöchentlichen Ruhetag, aber sie hatten die gemeinsame Gottesdienst-Feier, die sie nicht missen wollten.

Es findet sich nur eine einzige Bibelstelle im NT, in der die Christen ermahnt werden zum Gottesdienst zu kommen.

Lasst uns aufeinander achthaben, um uns zur Liebe und zu guten Werken anzureizen, indem wir unser Zusammenkommen nicht versäumen, wie es bei einigen Sitte ist, sondern einander ermuntern, und das umso mehr, je mehr ihr den Tag herannahen seht!“ (Hebr. 10, 24.25 NGÜ)

Dies wird m. M. deshalb nur einmal im NT erwähnt, weil es damals noch kein Problem dargestellt hat. Die Christen wollten sich versammeln! Sich nicht „um Christus“ und „zu einander“ zu versammeln, wäre für sie so gewesen, als wenn sie den Glauben verleugnet hätten.

Es spielt dabei keine Rolle, ob sich die Gemeinde am Freitag, Samstag oder Sonntag versammelt. Wichtig ist, dass sie sich versammelt und man dieser Versammlung nicht fern bleibt!


6. Schluss

Wir haben heute den Vorzug - ähnlich wie Israel den Sabbat - den Sonntag als arbeitsfreien Tag zu genießen. Für die religiösen Juden ist der Sabbat nicht einfach ein arbeitsfreier Tag, sondern ein Tag des Besinnens auf Gott, des Nachsinnens über seinem Wort, des Studierens und des Eintretens in seine Gegenwart. Sie haben bestimmte Rituale und Zusammenkünfte, mit denen sie ihn am Freitagabend einleiten (begrüßen), am Samstagvormittag feiern und abends wieder verabschieden. Dies waren Hilfsmittel um ihn ganz Gott zu widmen - die aber auch schnell erstarren konnten.

Solche Rituale kennen wir nicht. Wir sind absolut frei den Sonntag zu feiern, wie wir wollen. Dabei ist es sicherlich gut und richtig aus der Schöpfungsgeschichte einen Ruhetag für uns und alle Menschen abzuleiten.

Aber, wir sind frei! Du bist frei am Sonntag zu kochen - zu lernen - zu arbeiten - zu lesen - zu entspannen - zu schlafen - zu reden - Zeit mit der Familie, mit Freunden zu verbringen - Sport zu machen usw...Ganz so, wie Du es vor Gott in Dankbarkeit machen möchtest. Niemand darf Dich richten.

Aber wovor wir gewarnt werden, ist den Gottesdienst zu versäumen. Ihn brauchen wir als gemeinschaftliches Erleben. Gesellige Zeit mit Freunden oder der Familie kann hier kein Ersatz sein. Gemeinschaft fängt da an, wo wir uns um Jesus versammeln.
Gottesdienst ist Teilhabe aneinander, Teilhabe am Leib. Ihn besuche ich nicht wie eine Kino- oder Theatervorstellung. Wenn uns der Sonntag als arbeitsfreier Tag daran hindert gemeinsam Gottesdienst zu feiern und stattdessen anderes zu pflegen, dann hat das „Arbeitsfreie“ seinen Sinn verfehlt.

Die Märtyrer Saturnius, Dativus und ihre Gefährten haben sich im Jahr 304 nicht hinrichten lassen, weil sie am Sonntag nicht arbeiten wollten, sondern weil sie von den Gottesdienstfeiern nicht absehen wollten.

Wir müssen nicht unser Leben riskieren, sondern dürfen gefahrlos daran festhalten.



AMEN.

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