Montag, 29. Januar 2018

Predigt von Norbert Wohlrab (28.01.18)

Prinzipien biblischer Schriftauslegung


1. Einleitung

Ich möchte heute mal über grundlegende Prinzipien biblischer Schriftauslegung reden. Ich habe in der Kommunikation mit anderen festgestellt, dass da doch einige sehr unterschiedliche Ansichten vorherrschen.

Ich möchte heute nicht darüber reden, wie Gott zu uns spricht. Gott kann durch sehr viele verschiedene Kanäle - so wie es ihm gefällt - zu uns reden. Durch Menschen, durch die Natur, durch Gedanken, durch die Bibel etc. Darum geht es mir heute nicht.

Und ich kann auch keinen vollständigen Überblick über das Thema geben. Dazu bin ich erstens wirklich nicht kompetent genug und zweitens reicht dazu die Zeit auch nicht. Ich möchte heute nur eine Basis legen.


2. Die Inspiration der Heiligen Schrift 


Grundlage all unserer Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift ist, dass wir davon ausgehen, dass sie von Gott inspiriert ist. Hierzu zunächst einige Bekenntnisse.

Glaubensbasis der Evangelischen Allianz (1846)

Wir bekennen uns…
zur göttlichen Inspiration der Heiligen Schrift, ihrer völligen Zuverlässigkeit und höchsten Autorität in allen Fragen des Glaubens und der Lebensführung,…

Chicago-Erklärung zur Irrtumslosigkeit der Bibel (1978)

Artikel III
Wir bekennen, dass das geschriebene Wort in seiner Gesamtheit von Gott gegebene Offenbarung ist.

Artikel VI
Wir bekennen, dass die Schrift als Ganzes und all ihre Teile bis zu den einzelnen Wörtern des Urtextes von Gott durch göttliche Inspiration gegeben wurden.

Artikel XII
Wir bekennen, dass die Schrift in ihrer Gesamtheit irrtumslos ist und damit frei von Falschheit, Betrug oder Täuschungen.

Diese insgesamt 19 Artikel sind Grundlage eines großen Teils der evangelikalen Christenheit.

Aber was heißt das praktisch bezogen auf die Auslegung der Heiligen Schrift?

Zunächst die wichtigste Bibelstelle aus dem NT zur göttlichen Inspiration der Heiligen Schrift:

„Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit,“ (2. Tim. 3,16 Rev. Elb.)

„Denn alles, was in der Schrift steht, ist von Gottes Geist eingegeben, und dementsprechend groß ist auch der Nutzen der Schrift: Sie unterrichtet in der Wahrheit, deckt Schuld auf, bringt auf den richtigen Weg und erzieht zu einem Leben nach Gottes Willen.“ (2. Tim. 3,16 NGÜ)
Was steht hier?

Alle bedeutet aus unserer heutigen Sicht die ganze Bibel. Aber an was hat Paulus gedacht? Es gab ja noch kein NT.

Er dachte zuerst an die jüdische Bibel. Unser AT.
Er hat den Brief an Timotheus in seiner zweiten Gefangenschaft in Rom, ca. im Jahr 67 geschrieben. Zu diesem Zeitpunkt waren die meisten der Schriften unseres heutigen NT schon geschrieben. Die Evangelien, die Apostelgeschichte und viele der Briefe. Lediglich der zweite Petrusbrief, der Judasbrief und die Offenbarung des Johannes sind jüngerem Datums.
Paulus war sich seines göttlichen Auftrags und seiner apostolischen Autorität bewusst. Könnte es daher sein, dass er auch seine Briefe und die der anderen Apostel im Blick hatte?
Und tatsächlich gibt es Bibelstellen, die sie auf eine gemeinsame Ebene mit dem AT stellen.

Petrus schreibt:

„Und seht in der Langmut unseres Herrn die Rettung, wie auch unser geliebter Bruder Paulus nach der ihm gegebenen Weisheit euch geschrieben hat, wie auch in allen Briefen, wenn er in ihnen von diesen Dingen redet. In diesen Briefen ist einiges schwer zu verstehen, was die Unwissenden und Ungefestigten verdrehen, wie auch die übrigen Schriften zu ihrem eigenen Verderben.“ (2. Petr. 3, 15.16 Rev. Elb.)

 
Petrus ordnet hier die Briefe des Paulus - wenn auch als schwer verständlich - den Schriften zu.

Ein weiterer Hinweis findet sich bei Paulus:

„Denn die Schrift sagt: "Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden", und: "Der Arbeiter ist seines Lohnes wert.““ (1. Tim. 5,18 Rev. Elb.)

Hier werden eine alttestamentliche Quelle (5. Mose 25,4) und eine neutestamentliche Quelle (Lk. 10,7) auf eine gleichrangige Ebene gestellt und beides als Schrift bezeichnet.

Wir kommen also zu dem Ergebnis, dass Paulus hier zwar noch nicht an das NT in der uns vorliegenden Form gedacht hat, wir aber seine Aussage durchaus auf den ganzen neutestamentlichen Kanon beziehen dürfen.

Eingegeben. „Theopneustos“. (Lässt sich mit medizinischen Kenntnissen ganz leicht ableiten.) Wörtlich „gottgehaucht“.
Es bedeutet durch den Heiligen Geist inspiriert worden zu sein. Das Wort kommt nur an dieser Stelle im NT vor. Petrus beschreibt den ähnlichen Vorgang als „getrieben von Heiligem Geist“ (2. Petr. 1,21).

Wir kann man sich das vorstellen? War es eine verbale Wort-zu-Wort-Inspiration oder hat der Heilige Geist nur dem Sinn nach eingehaucht? Oder war es vielleicht eine Kombination aus beiden?

Letztlich wissen wir es nicht. Aber Fakt ist, dass die Bibel von über 40 Menschen niedergeschrieben wurde. Und das man bei vielen Büchern deutliche Unterschiede im Schreibstil feststellen kann. Allein im NT besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen den Briefen des Paulus (logisch argumentierend) und denen des Johannes (eher einfach Sätze, aber tiefgründig, fast philosophisch, immer die Liebe hervorhebend). Der Heilige Geist hat also die Persönlichkeit des Schreibers nicht übergangen.

Ich nehme für mich keine apostolische Autorität in Anspruch. Aber auch wenn ich eine Predigt vorbereite, verlasse ich mich auf die Leitung des Heiligen Geistes und ich vertraue darauf, dass ich - mehr oder weniger - seine Impulse wiedergebe. Und manchmal ist vielleicht ein einzelner Satz dabei, wo ich mir dann hinterher denke: Wow, super Formulierung, wo kommt die denn jetzt her?

Oder wenn wir evangelistische Gespräche führen, erleben wir doch auch, dass der Geist Gottes uns manchmal übernatürliche Gedanken gibt. Vielleicht kann man sich das einhauchen so ähnlich vorstellen, nur dass es beim Entstehen der Bibel noch mal auf einer höheren Ebene stattfand. Damit am Ende das heraus kommen konnte, was Gott wollte. Und jetzt sind wir beim nächsten Wort.

Schrift. Und hier vollziehen wir manchmal einen Denkfehler. Denn die ganze Bibel ist Gottes Wort, in dem Sinne, dass alles so niedergeschrieben wurde, wie er es wollte, aber die ganze Bibel ist nicht Gottes Wort, in dem Sinne, dass alles sein Reden ist.

Luther sagte, dass man zuerst fragen muss: Wer spricht da? Denn die Bibel enthält Reden von Gott, von Jesus, von göttlich beauftragten Personen, aber sie enthält auch Reden von ganz normalen Menschen und auch von schlechten Menschen, von Gläubigen und Ungläubigen, von der Weisheit und sie enthält sogar Reden des Teufels und sie enthält sehr viele Beschreibungen.
Gott hat gewollt, dass alles so niedergeschrieben wurde, aber nicht alles ist sein Reden.

Deutlich wird dies beispielsweise bei der Entstehung der jüdischen Bibel.
Die jüdische Bibel (Tenach) ist anders aufgebaut als unser AT. Sie besteht aus drei Teilen:


1. der Tora (Weisung) = die fünf Bücher Mose
2. den Nebi´im (Propheten) = Josua, Richter, Samuel, Könige, die drei großen Propheten (Jesaja, Jeremia, Hesekiel) und die 12 kleinen Propheten
3. den Ketubim (Schriften) = Psalmen, Hiob, Sprüche (Poetischen Bücher), Ruth, Hoheslied, Prediger, Klagelieder, Ester (Fünf Rollen) und Daniel, Esra-Nehemia und Chronik (Historische Bücher)
Diese Dreiteilung drückt eine Wertigkeit, eine Rangfolge bzgl. des autoritativen Ranges aus. Nicht weil sie nicht als inspiriert gegolten hätten, sondern weil Unterschiede im Reden Gottes darin zu finden sind.

In den Tora hat Gott selbst mit Mose gesprochen, er hat die Gebote in Stein gemeißelt, das Gesetz wurde übermittelt.
Die Propheten haben Gottes Offenbarungen in Träumen und Visionen empfangen.
Wogegen die Schriften überwiegend Berichte, Weisheiten und Lieder beinhalten und nur wenig Reden Gottes und damit nur einen niedrigen Rang einnehmen Sie duften auch nicht miteinander verbunden werden.

Deshalb gebraucht Paulus in seinem Schreiben an Timotheus auch dieses merkwürdige Wort:

Nützlich. Alle Schriften sind nützlich. Gottes Wort nur nützlich? Ist das nicht eine etwas schwache Formulierung? Aber es ist die richtige Formulierung, weil die Bibel nicht nur autoritativ ist, sondern eben neben Gottes heilbringenden, ermahnenden, ermutigenden, gebietenden, belehrenden usw. Reden eben auch viele Texte enthält, in denen Gott nicht spricht, sondern die einfach nur hilfreich für unser Leben als Gläubige sind.

„damit der Mensch Gottes richtig sei, für jedes gute Werk ausgerüstet.“ (2. Tim. 3,17 Rev. Elb.)


3. Spielregeln der Auslegung

Früher hat man üblicherweise vermittelt bekommen, dass wir beim Bibellesen fragen sollen, was hat mir heute dieses Wort, dieser Vers zu sagen? Was will mir Gott damit vermitteln?

Das ist keine verkehrte Frage. Es geht ja darum, dass ich erkennen soll, was mir ein Text zu sagen hat und wie ich ihn anwenden kann. Aber das ist nicht die erste Frage. Denn bevor ich erkennen kann, was mir ein Text zu sagen hat, muss ich erst mal erkennen, was in dem steht. Denn sonst laufe ich Gefahr, meine eigenen Gedanken in den Text hineinzu-lesen. Wir sind alle mit Voreingenommenheit belastet.

Dabei gilt es grundlegende Prinzipien der Hermeneutik (Wissenschaft und Kunst der Auslegung) zu beachten. Paulus sagt Timotheus er soll das Wort „in gerader Richtung schneiden“ (2. Tim. 2,15), d.h. in der rechten Art und Weise auslegen.

Wer entscheidet, wenn wir heute einen Brief bekommen, welche Bedeutung die Worte haben? Der Empfänger oder der Absender? Natürlich der Absender.

Wenn wir die Bibel als Gottes inspiriertes Wort ernst nehmen, dann müssen wir erkennen was Gott damals gesagt hat. Daher müssen wir beim Lesen eines Textes verstehen:

  • wer (und auch zu wem)
  • was
  • wann
  • wo
  • warum
  • wie
sagte bzw. ausdrückte.

Wenn wir gemeinsam ein Spiel spielen wollen, brauchen wir dazu dieselben Regeln. Bei Schach ist das noch relativ klar. Bei Uno ist das schon schwieriger, da gibt es viele verschiedene Regeln. Aber es gibt auch einheitliche offizielle Regeln, z.B. dass man die farbige 4-Ziehen-Karte nur spielen darf, wenn man die liegende Farbe nicht hat. Hab ich neulich erst gelesen. Das weiß kaum jemand.
Wenn wir die Bibel auslegen wollen, brauchen wir klare Regeln, sonst kann Unsinn heraus kommen. Dann wird die Bibel gedehnt wie Kaugummi und der eine sagt: „Das bedeutet für mich dies.“ und der andere: „Für mich bedeutet es jenes.“

Sicher gibt es Stellen, die nicht einfach zu verstehen sind, aber Gott hat uns vermutlich nicht sein Wort gegeben, damit es der Beliebigkeit anheim fällt, dadurch dass es von jedem interpretiert wird, wie er möchte.

Bei dem „Spiel“ der Bibelauslegung gibt es eine Spielkarte, die ist eine Trumpfkarte und sticht alle anderen Karten. Und dieser Trumpf heißt: Kontext. Das richtige Verständnis eines Textes ist nur in seinem Kontext möglich.

Die einzig mögliche Bedeutung eines Textes ist das, was der göttliche und der menschliche Verfasser zum Zeitpunkt des Verfassens ausdrücken wollten. Die beabsichtigte Bedeutung eines Textes ist die Bedeutung eines Textes. Daran kann man nicht rütteln!

Das ist uns bei jedem anderen Schriftstück selbstverständlich bewusst und wird automatisch so gehandhabt:

  • wenn ich ein Zeugnis in der Hand halte, weiß ich das es nicht meins ist, wenn nicht mein Name drauf steht, sondern es ist das Zeugnis der Person, dessen Name drauf steht
  • wenn ich einen Strafzettel bekomme, weiß ich, dass ich ihn zu zahlen habe und es keine Gutschrift ist
  • wenn ich eine Rechnung erhalte, auf der steht: Zahlbar innerhalb von 14 Tagen, weiß ich das die Frist jetzt beginnt und nicht wieder neu beginnt, wenn ich die Rechnung erst mal weglege und den Satz dann vielleicht erst in drei Wochen wieder lese.
Es gibt sicher noch viele bessere Beispiele, bei denen wir ganz automatisch den richtigen Kontext anwenden. Nur bei der Bibel wollen wir ihn manchmal nicht beachten. Vielleicht auch, weil wir es durch die Losungen gewohnt sind, nur kleine Happen zu uns zu nehmen.

Die heutige Interpretation einer Bibelstelle kann nicht das Gegenteil bedeuten von der ursprünglichen Intention.

Stell Dir vor das Polizeipräsidium, dass mir den Strafzettel geschickt hat, hat seine Adresse in der Rosenstraße. Dürfte dann jmd. der ihn 2000 Jahre später findet, automatisch davon ausgehen, dass es sich deshalb dabei um einen Liebesbrief handelt. Natürlich nicht. Die ursprüngliche Intention ändert sich nicht. Aber die Interpretation wird schwieriger, weil es dann in 2000 Jahren vielleicht gar keine Strafzettel und auch kein Polizeipräsidium mehr gibt.

Das macht die Interpretation der Bibelstellen schwierig, weil wir mehrere Klüfte zu überwinden haben:

  • zeitlich (2000 - 3600 Jahre)
  • geographisch (über 3000 km)
  • kulturell (Orient)
  • linguistisch (andere Sprachen, andere Buchstaben)
  • literarisch (andere Gattungen)
  • heilsgeschichtlich (andere Epoche der Heilsgeschichte).

4. Grundprinzipien der Auslegung

Nochmal ein Artikel der Chicagoer Erklärung:

Artikel XVIII
Wir bekennen, dass man den Text der Bibel durch grammatisch-historische Exegese auslegen muss, indem man die literarischen Formen und Wendungen berücksichtigt…

Das ist jetzt nichts Liberales, sondern evangelikalste Anschauung.

Es gibt einige grundlegende Prinzipien bei einer grammatisch-historischen und den Kontext beachtenden Schriftauslegung:
 

1. Ferner Kontext
Was war das Anliegen des Autors des Buches? Jede Bibelstelle existiert in dem Kontext der ursprünglichen Absicht. Manche Verse bekommen eine veränderte Bedeutung, wenn wir den Zweck eines Briefes kennen.

2. Literarische Gattungen
Die Bibel enthält verschiedene Textgattungen: das Gesetz, Geschichte und Erzählungen, Poesie, Weisheitsliteratur, Prophetie, Evangelien, Briefe. In welcher Gattung steht der Text?
Das AT besteht zu 40% aus Erzählungen. Das was Menschen in diesen Erzählungen tun ist nicht immer vorbildhaft und wird meist auch nicht bewertet. Dort wird gelogen, gestohlen, gemordet, die Ehe gebrochen, Götzen angebetet usw. Es geht dabei um die Geschichte Gottes mit den Menschen und mit seinem Volk und nicht darum, dass wir das Verhalten nachahmen.
Bspw. ist die Vorgehensweise wie Elieser eine Braut für Isaak sucht keine Anleitung für christliche Brautwerbung.
In den Psalmen werden keine Lehren vermittelt, sondern es sind niedergeschriebene Lieder und Gebete mit all den Dingen, die die Schreiber am Herzen hatten.
Die Sprüche enthalten Weisheiten, die allgemeine Richtlinien beinhalten, aber keine immer gültigen Prinzipien. Der Faule kann auch mal aufstehen und muss nicht immer im Bett bleiben, wenn sich die Tür in der Angel dreht. (Spr. 26,14).

3. Heilsgeschichtlicher Kontext
In welchem heilgeschichtlichen Kontext steht der Vers?
Das Verbot für Frauen Männerkleidung zu tragen (5. Mo 22,5) steht im Gesetz des Mose und gilt nicht für uns.
Die Abgabe des Zehnten von Abraham an Melchisedek (1. Mo 14) steht zeitlich noch vor dem Gesetz und gilt für gar niemanden. Es war eine freiwillige Abgabe Abrahams von 10% seines Raubes und wird nirgends zur Nachahmung empfohlen. (Die Bibelstelle wird gerne von denen hergenommen, die den Zehnten lehren.)
Die Aufforderung gastfrei zu sein dagegen finden wir als mehrfachen Imperativ in den ntl. Briefen und damit gelten sie für uns.
Schwieriger wird es dann bei den Reden Jesu. Sie stehen im heilgeschichtlichen Kontext des Gesetzes, haben aber vielfach trotzdem auch Bedeutung für die Gemeinde. Hier muss man immer sehr genau hinschauen.

4. Naher Kontext
Wie ist der direkte Zusammenhang einer Bibelstelle?
Wer redet zu wem? Werden Gläubige oder Ungläubige angesprochen, Jünger oder Pharisäer, einzelne oder viele usw.?
Was kommt kurz davor oder danach?

Christen neigen ganz besonders dazu Verse aus dem Zusammenhang zu reißen. Im Koran gibt es keinen Zusammenhang. Aber in der Bibel gibt es einen Kontext.

Wenn ich bspw. zu X sage: „Bring mir bitte vom Bäcker einen Kaffee und ein Croissant mit. Ich komme für alle Kosten auf.“ hat eine ganz andere Bedeutung, als wenn X nur den zweiten Satz hernimmt: „Ich komme für alle Kosten auf“ und künftig mit jeder Rechnung zu mir kommt und sagt: „Du hast doch gesagt, dass Du für alle Unkosten aufkommst.“ Der zweite Satz gilt nur im Zusammenhang mit dem ersten Satz.

Das beste Beispiel ist:

„ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht.“ (Phil. 4,13 Luth 2017)

Der Vers muss oft herhalten um auszudrücken, dass mir durch Gott alles möglich ist. Betrachtet man jedoch den Kontext wird deutlich dass
a) Paulus hier Zeiten des materiellen Überflusses und des Mangels meint „Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides, Überfluss haben und Mangel leiden;“ (V.12)
b) seine persönlichen Erfahrungen schildert
c) den Philippern im Anschluss für ihre Spende dankt 
Es ist also keine Verheißung um Unmögliches anzugehen, sondern allenfalls eine Ermutigung durchzuhalten, wenn man sich in einer ähnlichen Situation des Mangels befindet.

Ein andere bekannte Geschichte für aus dem Kontext gerissenes Bibellesen ist der junge Mann, der den Willen Gottes für sein Leben suchen wollte und sich dazu entschieden hat, exakt das zu tun, was die Bibelstelle zu ihm sagt, die er als erstes aufschlägt:

Mt. 27,5 „und machte sich davon und ging hin und erhängte sich“
Lk. 10,37 „Geh hin und handle du ebenso!“
Joh. 13,27 „Was du tust, tu schnell!“


5. Wortstudie
Woher kommt das Wort?
Welche Bedeutung hatte das Wort für den Adressaten?
Hat sich die Bedeutung des Wortes über die Jahrhunderte verändert?
(z.B. elend bedeutete ursprünglich heimatlos, landlos, vertrieben und heute eher arm oder sich schlecht fühlen)

6. Grammatik
Welche Teile hängen voneinander ab?
(z.B. 1. Kor. 11,12 unwürdig = Adverb und  bezieht sich auf die Art und Weise des Einnehmens des Abendmahls und nicht auf die Person)

7. Biblische Parallelstellen
Helfen andere Stellen bei der Interpretation?
(z.B. Glaube allein oder durch Werke? Jak. 2,24)

8. Harmonie der Schrift
Was lehrt der Rest der Schrift über ein Thema?
Die Auslegung einer Stelle kann nicht konträr zur Gesamtschau der Bibel sein.

9. Historischer Hintergrund
Welche historischen Begebenheiten gab es zu der Zeit?

10. Ursprüngliche Bedeutung und Absicht
Wie hätten es die Adressanten damals verstanden?

Zusammenfassend gilt: es geht nicht darum was wir gerne verstehen möchten, sondern um die Absicht des Autoren.


5. Schluss

Erst wenn ich die Aussage eines Textes verstanden habe, kann ich fragen was er mir zu sagen hat.

Manche der Prinzipien sind einfach anzuwenden, für manche braucht man Kommentare und Sekundärliteratur. Den Kontext beachten, kann man meist schon ohne weitere Hilfsmittel.

Es geht letztlich nicht darum ein Bibelgelehrter zu werden, wobei ich es schon sehr faszinierend finde, in die Tiefen der Schrift einzutauchen, sondern es geht um unsere Zurüstung.

„So ist also der, der Gott gehört und ihm dient, mit Hilfe der Schrift allen Anforderungen gewachsen; er ist durch sie dafür ausgerüstet, alles zu tun, was gut und richtig ist.“ (2. Tim 3.17 NGÜ) 


AMEN.

Für umfangreichere Studien verweise ich auf die Seminarreihe "Bibellesen mit Gewinn" der ECG Berlin: Bibellesen mit Gewinn

Montag, 1. Januar 2018

Termine und Aktuelles Januar 2018

07.01. kein Gottesdienst

Gebetswoche der Evangelischen Allianz vom 14.01. - 21.01.

https://allianzgebetswoche.de/allianzgebetswoche-2018/

So 14.01. 17.30 Uhr St. Paul Eröffnungs-Gottesdienst (Predigt Markus Klein, LKG)
 

Mo 15.01. 19.00 Uhr Hohe Mitte (Predigt Hermann Stecher, EvG)
Di 16.01. 15.00 Uhr FeG (Predigt Fanny Jofreh, FeG)
Di 16.01. 19.00 Uhr Hardenberg-Gymn. (Predigt Amos Koch, SHINE)
Mi 17.01. 19.00 Uhr Rathaus (Predigt Martin Adel, St. Paul)
Do 18.01. 18.00 Uhr EvG (Predigt Ursula Hartmann, Heilsarmee)
Fr 19.01. 19.30 Uhr LKG (Predigt Dominik Suhl, EvG)
Sa 20.01. 10.00 Uhr Heilsarmee (Predigt Uta Müller-Rehkatsch)
 

So 21.01. 17.00 Uhr Chapel Abschluss-Gottesdienst (Predigt Daniel Schmied, FeG)

28.01. 10.30 Uhr EvG Gottesdienst mit anschl. Mittagessen (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: Prinzipien biblischer Schriftauslegung)



EvG = Evangelische Gemeinschaft, Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche, Theaterstraße 50
St. Paul = Gemeindehaus, Dr.-Martin-Luther-Platz 1

Samstag, 2. Dezember 2017

Termine und Aktuelles Dezember 2017

03.12. 10.30 Uhr Hausgottesdienste 

10.12. 10.30 Uhr EvG Gottesdienst mit anschl. Mittagessen

17.12. kein Gottesdienst 

24.12. Heiligabend 15.00 Uhr St. Paul Gottesdienst (Predigt Norbert Wohlrab)

31.12. kein Gottesdienst


EvG = Evangelische Gemeinschaft, Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche, Theaterstraße 50
St. Paul = Gemeindehaus, Dr.-Martin-Luther-Platz 1

Mittwoch, 1. November 2017

Termine und Aktuelles November 2017

02. - 05.11. Gemeindefreizeit in Selb-Silberbach (mit Hans Heidelberger und Norbert Wohlrab)

12.11. 10.30 Uhr LKG Gottesdienst mit anschl. Mittagessen (Predigt Lennart Forsman)

19.11. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Horst Gillmann, Vaterhaus Nürnberg)

26.11. kein Gottesdienst



LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft, Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche, Theaterstraße 50
St. Paul = Gemeindehaus, Dr.-Martin-Luther-Platz 1

Sonntag, 29. Oktober 2017

Predigt von Norbert Wohlrab (29.10.17)

Das Gleichnis von den zwei Söhnen (Mt. 21, 28 - 32)


1. Einleitung


Ich habe vor einiger Zeit bereits einmal über eines von den Weinberg-Gleichnissen gepredigt. Dies möchte ich heute wieder tun. Es gibt da ja davon einige in der Bibel. Zunächst einmal der Text:

„Was meint ihr aber hierzu? Ein Mensch hatte zwei Söhne, und er trat hin zu dem ersten und sprach: Mein Sohn, geh heute hin, arbeite im Weinberg! Der aber antwortete und sprach: Ich will nicht. Danach aber gereute es ihn, und er ging hin. Und er trat hin zu dem zweiten und sprach ebenso. Der aber antwortete und sprach: Ich gehe, Herr; und er ging nicht.
Wer von den beiden hat den Willen des Vaters getan? Sie sagen: Der erste. Jesus spricht zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch, dass die Zöllner und die Huren euch vorangehen in das Reich Gottes. Denn Johannes kam zu euch im Weg der Gerechtigkeit, und ihr glaubtet ihm nicht; die Zöllner aber und die Huren glaubten ihm; euch aber, als ihr es saht, gereute es auch danach nicht, so dass ihr ihm geglaubt hättet.“ (Rev. Elb.)

 
Das ist jetzt eine Situation, die wir alle gut kennen. Wir haben ja aller Kinder und erleben es öfters wie unterschiedlich unsere Kinder sind. Oft liegen Welten dazwischen. Gleiches Elternhaus, gleiche Erziehung, gleiche Sozialisation, gleiche christliche Prägung, aber ganz andere Charaktere.
Und auch diese hier beschriebene Situation kommt uns ganz vertraut vor: Wir geben einen Auftrag wie bspw. Zimmer aufräumen, Kleidung wegräumen, Getränke aus dem Keller holen o.ä. und es wird nicht gemacht oder unendlich weit hinausgeschoben oder aber nach anfänglichem Gemaule dann doch erledigt. Also eine uns durchaus vertraute Situation.  Und sie scheint wohl auch den Zuhörern damals vertraut gewesen zu sein, sonst hätte Jesus sie wohl nicht als Gleichnis verwendet.

Man meint ja immer ungezogenes, rüpelhaftes Verhalten ist ein Phänomen der Moderne (nachzulesen in der Ausgabe der NN vom Freitag 26.10.17), aber bereits Sokrates (469 - 399 v. Chr.) hat folgendes über die Jugend gesagt:

„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.“

Wobei nach meiner Wahrnehmung die heutigen Jugendlichen auf mich relativ höflich wirken.

Es gibt eine nette Geschichte von Tolstoi, in der es auch um Eltern (hier: Mütter) und ihre Söhne geht:

Drei Frauen wollten Wasser holen am Brunnen. Nicht weit davon saß ein alter Mann und hörte zu, wie die Frauen ihre Söhne lobten.
„Mein Sohn“, sagte die erste, „ist so geschickt, dass er alle hinter sich lässt...“
„Mein Sohn“, sagte die zweite, „singt so schön wie die Nachtigall! Es gibt keinen, der eine so schöne Stimme hat wie er ...“
„Und warum lobst du deinen Sohn nicht?“ fragten sie die dritte, als sie schwieg. „Er hat nichts, was ich loben könnte“, entgegnete sie. „Mein Sohn ist nur ein gewöhnlicher Knabe, er hat nichts Besonderes an sich und in sich ...“
Die Frauen füllten ihre Eimer und gingen heim. Der alte Mann ging langsam hinter ihnen her. Die Eimer waren schwer und die abgearbeiteten Hände schwach. Deshalb machten die Frauen eine Ruhepause, denn der Rücken tat ihnen weh.
Da kamen ihnen drei Jungen entgegen. Der erste stellte sich auf die Hände und schlug Rad um Rad. Die Frauen riefen: „Welch ein geschickter Junge!“
Der zweite sang so herrlich wie die Nachtigall, und die Frauen lauschten andachtsvoll und mit Tränen in den Augen. Der dritte Junge lief zu seiner Mutter, hob die Eimer auf und trug sie heim. Da fragten die Frauen den alten Mann: „Was sagst du zu unseren Söhnen?“
„Wo sind eure Söhne?“ fragte der alte Mann verwundert, „ich sehe nur einen einzigen Sohn!“


Soweit erst mal die Geschichte von Tolstoi.


2. Die Bedeutung damals

Aber jetzt zurück zum Gleichnis. Bevor wir uns anschauen, was es für uns heute bedeuten kann, müssen wir uns erst einmal anschauen, was Jesus damit in der konkreten Situation sagen wollte.

Was war die Situation? Am Tag zuvor ist Jesus auf einem Esel in Jerusalem eingezogen und wurde von der Menge bejubelt Unser Palmsonntag geht darauf zurück.
Die Menge hat ihn gepriesen, als von Gott gesandten Propheten, als Sohn Davids. Jesus ging dann in den Tempel und hat dort erst mal für Ordnung gesorgt, in dem er die Händler aus dem Tempelvorhof vertrieben hat. Hier konnten von den Händlern zertifizierte Opfertiere erworben werden, die nur mit einer bestimmten Währung bezahlt werden konnte.
Da anlässlich des bevorstehenden Passahfestes viele Juden aus der Diaspora in Jerusalem waren, gab es viele verschiedene Währungen, die bei den Wechslern eingetauscht werden mussten. Beide, Händler und Wechsler, haben natürlich gewinnorientiert gearbeitet. Das war aber nicht im Sinne Gottes.

Das ist ungefähr so, wie wenn ich zu einer Geburtstagsparty einlade - zu der man mir üblicherweise ein Geschenk mitbringt - und dann kommen zwei völlig Unbekannte, setzen sich an den Gartenzaun und verkaufen Eintrittskarten für meine Feier und geben mir nicht mal etwas davon ab. So haben die Händler und Wechsler den Zugang zu Gott erschwert.

Nach der Tempelreinigung heilte Jesus noch Blinde und Lahme im Tempel und übernachtete dann bei Freunden in Bethanien.
Am nächsten Morgen kommt er wieder und fängt an zu lehren. Daraufhin fragen ihn dann die religiösen Führer, in welcher Autorität er dies tut. Gemeint ist jetzt vermutlich nicht nur das Lehren, sondern auch die Aktionen des Vortages: die Tempelreinigung und das Heilen. Jesus antwortet mit einer Gegenfrage:


„Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Auch ich will euch ein Wort fragen, und wenn ihr es mir sagt, so werde auch ich euch sagen, in welcher Vollmacht ich diese Dinge tue. Woher war die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von Menschen?
Sie aber überlegten bei sich selbst und sprachen: Wenn wir sagen: vom Himmel, so wird er zu uns sagen: Warum habt ihr ihm denn nicht geglaubt? Wenn wir aber sagen: von Menschen, so haben wir die Volksmenge zu fürchten, denn alle halten Johannes für einen Propheten.
Und sie antworteten Jesus und sprachen: Wir wissen es nicht. Da sagte auch er zu ihnen: So sage auch ich euch nicht, in welcher Vollmacht ich diese Dinge tue.“
(V. 24 - 27)

 

Dieser Hinweis auf Johannes ist wichtig für das Gesamtverständnis. Johannes war von Gott gesandt. Sein Auftrag war es den Weg für Jesus vorzubereiten. Seine Botschaft lautete:

„Tut Buße! Denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen…..und sie wurden von ihm im Jordanfluss getauft, indem sie ihre Sünden bekannten. Als er aber viele der Pharisäer und Sadduzäer zu seiner Taufe kommen sah, sprach er zu ihnen: Otternbrut! Wer hat euch gewiesen, dem kommenden Zorn zu entfliehen? Bringt nun der Buße würdige Frucht; und meint nicht, bei euch selbst zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater! Denn ich sage euch, dass Gott dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken vermag.“(Mt. 3, 2.6-9 Rev. Elb.) 


Tut Buße! Besinnt Euch! Kehrt um! Das war die Botschaft des Johannes. Und mit denselben Worten begann übrigens auch Jesus später sein Wirken (Mt. 4,17)

Viele Menschen hörten auf Johannes. Hätten die Schriftgelehrten seine Autorität jetzt anerkannt, hätten sie erklären müssen, warum sie dann seinen Aufruf nicht gefolgt sind. Johannes hat sie zur Buße aufgefordert. Seine Botschaft war: alle sind Sünder und müssen umkehren. Sie haben sich aber als gerecht gesehen und waren der Meinung sie bräuchten keine Buße, weil sie Kinder Abrahams sind.
So haben sie jetzt eben lieber gar nicht geantwortet.

Jetzt kommt der Punkt, an der Jesus das Gleichnis erzählt. Weil es jetzt schon so lange her ist und soviel Texte dazwischen waren, lesen wir es nochmal. Mal nach einer geringfügig moderneren Übersetzung:

„Jesus sprach weiter: „Mal ’ne andere Geschichte, bin gespannt, was ihr dazu sagt: Da war mal so ein Typ, der zwei Söhne hatte. Zum ersten sagte er: ‚Geh mal bitte in unsere Werkstatt und reparier das Auto, das dort steht!‘ ‚Ich hab aber keine Lust!‘, sagte der. Aber später tat es ihm leid, und er ging doch hin und reparierte die Kiste. Dann ging der Mann zu dem zweiten Sohn und wollte dasselbe von ihm. ‚Klar, mach ich‘, sagte er. Aber dann hatte er doch keinen Bock und ging einfach nicht hin. Preisfrage: Wer von den beiden hat das getan, was der Vater wollte?“ – „Der erste natürlich!“ Jetzt erklärte Jesus, was er mit der Geschichte sagen wollte: „Auf eins könnt ihr wetten: Dealer und Huren werden eher an diesem Ort landen, wo Gott das Sagen hat, als ihr. Johannes, der die Leute getauft hat, hatte voll den Plan: Er sagte, ihr müsst euer Leben ändern, sonst fahrt ihr gegen die Wand. Aber ihr wolltet nichts von ihm wissen. Die Dealer und die Nutten aber haben getan, was er gesagt hat. Und obwohl ihr das sehr wohl mitbekommen habt, vertraut ihr mir nicht und ändert euch nicht.“  (Volx-Bibel)

 
In dem Gleichnis ist Gott der Vater. Die Söhne repräsentieren zwei verschiedene Gruppen in Israel wieder.

Die erste Gruppe sind die Sünder: die Zöllner und Prostituierten. Die, die sich entschieden haben, fernab von der Gerechtigkeit und den Geboten Gottes zu leben. Ihr ganzer Lebenswandel war ein einziges, klares und offensichtliches Nein zu Gott.
Aber dann trat Johannes auf und manche dieser verachteten Sünder hörten seine Botschaft, bereuten ihre Schuld und kehrten um. Aus ihrem Nein wurde ein Ja.

Die zweite Gruppe ist die fromme Elite. Es sind die Hohenpriester und die Ältesten, die Schriftgelehrten und die Pharisäer. Diejenigen, die sich für fromm halten und dies öffentlich zur Schau stellen, die stolz darauf sind Kinder Abrahams zu sein, das Gesetz zu kennen und danach zu leben, die sich selbst rechtfertigten, die aber weder ihre Sündhaftigkeit, noch ihre Erlösungsbedürftigkeit erkennen wollten. Die weder Johannes noch Jesus als von Gott gesandt anerkennen wollten.
Die also äußerlich Ja sagen zu Gott, aber faktisch Nein sagen.

„Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr, Herr!, wird in das Reich der Himmel hineinkommen, sondern wer den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist.“ (Mt. 7,21 Rev. Elb.)

Gleiches wird übrigens auch im Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner ausgedrückt (Lk. 18, 9-14). Dort erkennt der Zöllner seine Erlösungsbedürftigkeit, der Pharisäer dagegen vertraut auf sich selbst und verachtet gleichzeitig die anderen. Danke, dass ich nicht wie dieser Zöllner bin, betet er. (V. 11)

 „Ich sage euch: Dieser (der Zöllner) ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, im Gegensatz zu jenem; denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer aber sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.“ (Lk. 18,14 Rev. Elb.)

Allein das Jesus sie, die angesehensten Personen der Gesellschaft, hier in einem Atemzug mit den verachtetsten und sündhaftesten Menschen der Gesellschaft nennt, ist schon eine gewaltige Provokation. Ein Pharisäer würde mit solchen Menschen nie etwas zu tun haben (vgl. die Salbung durch die Sünderin).

Jesus drückt also hier aus: es bedarf keiner religiösen Qualifikation oder Sozialisation um gerettet zu werden, nur dem Erkennen der eigenen Sünde und dem Bereuen, d.h. dem Umkehren zu Gott, so wie es in unserem Gleichnis dem zweiten Sohn reute und er dann doch in den Weinberg ging.


3. Die Bedeutung heute

Was bedeutet dieses Gleichnis für uns heute?

Bereits einige Jahrzehnte nach Jesus Himmelfahrt, wurde es auf die Situation der Juden und Christen bezogen. Die Juden haben ihn abgelehnt (sind nicht in den Weinberg gegangen), die Christen haben ihn angenommen (sind in den Weinberg gegangen).

Auch wenn dies historisch betrachtet so zutrifft, ist es doch etwas eine Vergewaltigung des Textes. Im Gleichnis sind ja alle Juden. Und es geht hier ja um ein persönliches Umkehren und nicht um kollektives Verhalten.
Wichtig ist: Gottes Angebot gilt allen. Damals galt es den Zöllnern und den Prostituierten genauso wie den Schriftgelehrten und den Pharisäern. Jeder konnte umkehren.


Gott „will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ (1. Tim. 2,4 Rev. Elb.)

Auch heute gibt es bei ihm keinerlei Numerus Clausus.

Wenn wir Jesus einmal angenommen haben, dann haben wir diesen Schritt bereits in der Vergangenheit getan. Dann haben wir Buße getan. Dann haben wir unsere Erlösungsbedürftigkeit erkannt und unsere Rettung angenommen, haben Jesus Christus angenommen.
Bei mir ist das jetzt über 34 Jahre her. Es war ein radikaler Wechsel von einer Drogenherrschaft zu einer Jesusherrschaft.

Aber dann? Könnte es nicht sein, dass uns manchmal die Puste ausgeht im Weinberg? Oder sehen wir manchmal den Weinstock vor lauter Trauben nicht mehr?

Unser Ja zu Jesus ist ja kein jahrzehntelang durchgehender Ton in einem Atemzug, ohne dazwischen zum Atmen Luft zu holen.

Es bedarf neue, wiederholte Ja´s. Ein Leben das mit einem Ja begonnen hat, aber sich immer wieder mit vielen kleinen Ja´s ausdrückt.

Ein Lebensstil in der Nachfolge, im Hören auf Gott, ein Leben gestaltet nach der Ethik und den Werten des Reiches Gottes. Ein Lebensstil der Heiligung.

Heiligung: das war früher in unserer Jugend die zentrale Botschaft. Damals leider mit dem erhobenen Zeigefinger und in einer sehr gesetzlichen und destruktiven Art und Weise, die oft vieles kaputt gemacht hat und irgendwie - so hatte man den Eindruck - alles verboten hat, was irgendwie Spaß gemacht hat.

Der Text soll uns davor bewahren eine ähnliche Denke zu entwickeln, wie die Pharisäer, die sich darauf berufen haben Kinder Abrahams zu sein.

Gewiss, wir haben Ja gesagt, sind Kind unseres Vaters geworden und sind damit gerettet. Amen?!.

Wir sind einerseits Kinder Gottes. Das ist absolut wahr! Aber nicht um uns darauf etwas einzubilden (so wie die Pharisäer sich etwas darauf eingebildet haben Kinder Abrahams zu sein) und nicht um uns darauf auszuruhen.
Auch wenn bereits alles getan ist - durch Jesus  Christus -, heißt es nicht, dass unsererseits nichts mehr getan werden darf.

Denn wir wollen ja unser Leben nach seinem Willen gestalten., aber in der Praxis des Alltags, leben wir dann doch wieder, das eine oder andere Nein, wenn es darum geht, unser Leben an seinen Maßstäben auszurichten und wir sind dann manchmal eher dem zweiten Sohn ähnlich, der ein Ja vortäuscht und dann doch einen Rückzieher macht..

Aber: auch nach Jahrzehnten der Nachfolge, basiert unsere Rechtfertigung immer noch und weiterhin und in Ewigkeit einzig auf dem Erlösungswerk am Kreuz durch Jesus Christus.

Und andererseits (und das klingt jetzt fast wie ein Widerspruch, aber das Leben als Christ findet nun einfach in verschiedenen Spannungszuständen statt), andererseits sollen wir auch nie aufhören das Kind-Gottes-Sein zu genießen.

Es gibt ja noch das andere, das bekanntere Gleichnis von den zwei anderen Brüdern. Vom verlorenen Sohn und dem älteren Bruder (Lk. 15, 11-32). Der ältere Bruder hat in diesem Gleichnis immer beim Vater gelebt und geschuftet, hat aber nie das was sein war auch in Anspruch genommen, hat nie gefeiert und es sich gut gehen lassen.

„Er aber sprach zu ihm: Kind, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, ist dein. (Lk. 15,31 Rev. Elb)“

Wir dürfen das! Wir dürfen einfach auch mal Sohn oder Tochter sein vor Gott. Einfach da sein. In-ihm-ruhen. Seine Gegenwart genießen. Seine Liebe empfangen. Auftanken.

Vor lauter Dienst, vor lauter Alltagsanforderungen und Alltagsstress kommt dies schnell mal zu kurz. Gott freut sich auf Euch, auf Dich, auf mich. Alles hat seine Zeit!

Wir dürfen im Bewusstsein seiner Gnade leben und dienen, arbeiten und ruhen, nehmen und geben.


AMEN.

Sonntag, 22. Oktober 2017

Predigt von Norbert Wohlrab (22.10.2017)

Jakob


1. Vorbestimmung und Geburt

Für den heutigen Sonntag ist mir ein alttestamentliches Thema oder besser gesagt: eine Person des Alten Testaments wichtig geworden und zwar Jakob. Das hat mich schon überrascht, denn ich predige eigentlich sehr selten und eher ungern über Themen aus dem Alten Testament.
Und daher glaub ich schon, dass Gott mir das für heute auf´s Herz gelegt hat. Wichtig bei alttestamentlichen Themen ist mir jedoch immer, dass wir einen Bezug zu unserem Leben als Christen herstellen können, eine Relevanz zu unserem Leben heute.

Über Jakob steht ja recht viel im Alten Testament. Rund ein viertel des ersten Buchs Mose behandelt das Leben von Jakob. Das ist natürlich eher was für eine Predigtreihe. Daher möchte ich mich auf zwei Ereignisse im Leben Jakobs beschränken. Und zwar auf den Kauf des Erstgeburtsrechts und dem Erlangen des Erstgeborenensegens.

Bevor wir dazu kommen möchte ich eine Stelle vor der Geburt Jakobs lesen.

Rebekka ist schwanger mit Zwillingen. Gott hat sie nach rund 20 Jahren Ehe fruchtbar gemacht, aber jetzt hat sie Probleme in der Schwangerschaft und fürchtet um ihr Leben. Die Jungs in ihrem Bauch scheinen wohl bereits vor der Geburt kräftig miteinander geboxt zu haben. Sie fragt nun Gott wozu es ihr denn so schlecht ergehen muss, wo er doch ihr Gebet erhört hat.

„Isaak aber bat den HERRN für seine Frau, denn sie war unfruchtbar. Und der HERR ließ sich erbitten, und Rebekka, seine Frau, ward schwanger. Und die Kinder stießen sich miteinander in ihrem Leib. Da sprach sie: Wenn es so ist, warum geschieht mir das? Und sie ging hin, den HERRN zu befragen.“ (1. Mo 25, 21.22 Luther 2017) 


Und Gott antwortet ihr auch. Die Antwort wurde in die Form hebräischer Dichtkunst gekleidet. Diese Poesie basiert nicht auf Reimen, sondern auf Parallelen. Derselbe Sachverhalt wird jeweils in zwei verschiedenen Formulierungen ausgedrückt. Dies finden wir auch sehr häufig in den Psalmen.

„Und der HERR sprach zu ihr: Zwei Völker sind in deinem Leibe, und zweierlei Volk wird sich scheiden aus deinem Schoß (erste Parallele); und ein Volk wird dem andern überlegen sein, und der Ältere wird dem Jüngeren dienen (zweite Parallele).“ (V. 23)

Also bereits vor der Geburt Jakobs wird von Gott dargelegt, dass der Zweitgeborene über den Erstgeborenen herrschen wird. Das also Jakob und nicht Esau in der Segenslinie Abrahams bis hin zu Jesus Christus stehen wird. Jakob ist von Anfang an der von Gott Auserwählte!

Es folgt die Geburt mir dem uns bekannten Geschehen, das zur Namensgebung Jakobs führt.

„Als nun die Zeit kam, dass sie gebären sollte, siehe, da waren Zwillinge in ihrem Leibe. Der erste, der herauskam, war rötlich, ganz behaart wie ein Fell, und sie nannten ihn Esau. Danach kam heraus sein Bruder, der hielt mit seiner Hand die Ferse des Esau, und sie nannten ihn Jakob. Sechzig Jahre alt war Isaak, als sie geboren wurden.“ (V. 24 - 26)

Esau wird zuerst geboren, rötlich und ganz behaart (er leidet vermutlich an einer Form von Hypertrichose = übermäßige Körperbehaarung) und bekommt daher den Namen  „haarig“. Und Jakob umklammert die Ferse seines Bruders und wird „Fersenhalter“ genannt. Kann aber auch mit „Verdränger“ übersetzt werden.

Durch dieses Geburtsgeschehen wird bereits deutlich, was später einmal geschehen wird: der Zweitgeborene wird den Erstgeborenen verdrängen. Der Zweite wird zielgerichtet nach vorne streben und es ist wohl gleichzeitig auch eine bildliche Bestätigung der Verheißung die Rebekka bekommen hat.


2. Jugend

Und dann wachsen die Knaben heran. Und für den nächsten Vers musste ich lange suchen, bis ich mal eine passende Übersetzung gefunden habe. Die übliche Übersetzung bspw. auch in der neuen Luther lautet:

„Und als nun die Knaben groß wurden, wurde Esau ein Jäger und streifte auf dem Felde umher, Jakob aber war ein ruhiger Mann und blieb bei den Zelten.“ (V. 27)

Wir kennen ja alle so Übersetzungen wo Jakob als gesittet (Elberfelder), ruhig (HfA) und sittsam (Schlachter) oder still (Menge) beschrieben wird. Als einer, der bei den Zelten oder sogar lieber (wertend!) bei den Zelten (womöglich in der Nähe der Mutter) aufgewachsen ist.

Besser übersetzt aber die Einheitsübersetzung:

„Die Knaben wuchsen heran. Esau wurde ein Mann, der sich auf die Jagd verstand, ein Mann des freien Feldes. Jakob war ein Mann ohne Fehl und blieb bei den Zelten.“ (EÜ 2016) 


Das Wort, dass hier im Hebräischen steht „tam“ bedeutet nämlich „vollkommen“, „vollständig“, „aufrichtig“, „ganz“, „tadellos“ oder „ohne Fehl.“

Jakob wurde in der Kirchengeschichte immer schlecht bewertet und das hat wohl auch die meisten Bibelübersetzungen beeinflusst.
Aber hier steht, dass er ein aufrichtiger, ein vollkommener Mann war.  Er war nicht vollkommen im Sinne von sündlos, aber sein Herz war Gott gegenüber richtig eingestellt.

Und er war auch kein Muttersöhnchen, dass am Rockzipfel Rebekkas geklebt ist, sondern „blieb bei den Zelten“ bedeutet, dass er sich für ein Leben innerhalb des Familienclans entschieden hat. Es bedeutet, dass er sich um die familiären Geschäfte gekümmert hat und in der Tradition der Familie das Hirtenhandwerk erlernt hat.
Wohingegen Esau ein Jäger wurde und eine herumstreunende Lebensweise gepflegt hat (eine Art Outlaw) und sich eben nicht um Familienangelegenheiten und Familientradition und auch nicht um die Vorgaben Gottes gekümmert hat, wie wir später noch sehen werden. Der also weder seiner Familie noch Gott gegenüber loyal war.

Daher finden wir Aussagen Gottes in der Bibel wie:

„Und ich habe Jakob geliebt; Esau aber habe ich gehasst“ (Mal. 1, 2b.3a Rev. Elb.)


3. Der Verkauf des Erstgeburtsrechts

Nun kommt die uns bekannte Situation mit dem Linsengericht.

„Einst kochte Jakob ein Gericht. Da kam Esau vom Feld, und er war erschöpft. Und Esau sagte zu Jakob: Lass mich doch schnell essen von dem Roten, dem Roten da, denn ich bin erschöpft! Darum gab man ihm den Namen Edom. Da sagte Jakob: Verkaufe mir heute dein Erstgeburtsrecht! Esau sagte: Siehe, ich gehe ja doch dem Sterben entgegen. Was soll mir da das Erstgeburtsrecht? Jakob aber sagte: Schwöre mir heute! Da schwor er ihm und verkaufte sein Erstgeburtsrecht an Jakob. Und Jakob gab Esau Brot und ein Gericht Linsen; und er aß und trank und stand auf und ging davon. So verachtete Esau das Erstgeburtsrecht.“ (V. 29 - 34 Rev. Elb.)

Wie ist die Situation? Esau kommt nach Hause, er war vielleicht den ganzen Tag auf der Jagd, ist viel gelaufen und ist jetzt so richtig kaputt. Er will jetzt eigentlich nur noch essen und ausruhen. Da steigt ihn der Duft vom Linsengericht seines Bruders in die Nase. Anscheinend konnte Jakob auch ganz gut kochen. (Das ist jetzt übrigens der erste Bezug zu unserem Leben. Es ist von Vorteil, wenn man gut kochen kann.) Und Esau möchte jetzt von diesem „roten Roten“ herunterschlingen.

Das ist jetzt eine Situation die kennen wir alle, zumindest wir Männer. Wenn wir hungrig sind, wenn wir wirklich hungrig sind, z.B. nach einer langen Wanderung oder manchmal auch einfach nach der Arbeit, dann schaltet das Gehirn auf Notstrom und alles wird auf Essen fokussiert.

Ich hatte neulich so eine Situation in der Mittagspause. Ich hatte richtig Hunger. Es gibt so Tage, an denen hat man auch schon mittags richtig Hunger. Ich ging aus dem Büro raus Richtung Plärrer und war einzig auf Essen „jagen“ fokussiert. Unterwegs hab ich eine Kollegin überholt, ich hab dann mein Tempo netterweise etwas gedrosselt , sie hat dann angefangen mir von einer persönlichen Problematik zu erzählen und als wir dann nach ein paar Metern in meinem „Jagdgebiet“ angekommen sind, habe ich mich schnell verabschiedet um mein Essen zu „erlegen“. Hinterher - gesättigt - hab ich mir dann gedacht: „War ich jetzt vielleicht irgendwie unhöflich, weil ich sie so stehen lassen habe?!“ Am nächsten Tag hab ich mich dann mal entschuldigt und sie fand es zum Glück nur witzig, dass ich so auf die Essensaufnahme fokussiert war.

Also, Esau ist müde und hungrig. Und Jakob? Jakob ist auch fokussiert. Aber nicht auf das Jetzt, sondern auf die Zukunft. Er will das Erstgeburtsrecht. Er will seinen Platz haben in der Segensreihe des Abraham, in der Ahnenreihe des Messias und er will Verantwortung für die Sippe übernehmen, er will auch den Erstgeburtssegen.

Es ist anzunehmen, dass Jakob nicht von selbst darauf kam, sondern dass ihn seine Mutter Rebekka von der Verheißung ihn betreffend erzählt hat. Und so will er den ihn verheißenen Platz auch einnehmen.

Ich glaube nicht, dass es Jakob um das Finanzielle ging. Sicher der Erstgeborene bekommt den doppelten Anteil (5. Mose 21, 15 - 17) wie seine Geschwister. Aber da er der einzige war, würde er auch als Zweitgeborener ein Drittel erhalten, womit er immer noch sehr reich gewesen wäre.

Jakob will das Erstgeburtsrecht und Esau ist es sowas von egal. Soll er es doch haben. Esau denkt sich: „Irgendwann muss ich eh sterben, was hab ich dann davon. Nach mir die Sintflut.“ (Die war jetzt ja eigentlich vorher, aber egal.) Esau ist nicht jetzt dem Sterben nahe, so erschöpft ist er auch nicht, sondern es ist ihm einfach nicht wichtig. Und so verkauft er es an Jakob.

Darf er das? Nach den Nuzi-Tafeln (Erbschaftsregelungen in der Antike in Nuzi) war dies durchaus möglich. Man konnte auch enterbt werden oder sein Erstgeburtsrecht verlieren. Esau gibt es freiwillig ab für eine Schüssel Linsen. (Was ich jetzt nicht ganz verstehe, weil so gut kann man gar nicht kochen, dass Linsen wirklich gut schmecken.)

Esau wurde nicht erpresst von Jakob. Er hätte mit wenigen Schritten ins nächste Zelt gehen können um mit der Autorität des Sohnes etwas zu essen zu verlangen. Aber er wollte jetzt, sofort das Linsengericht und alles andere war ihm egal.

„und seht darauf…dass nicht jemand sei ein Hurer oder Gottloser wie Esau, der um der einen Speise willen sein Erstgeburtsrecht verkaufte.“ (Hebr. 12, 15.16 Luther 2017)

So lautet das Urteil über Esau.

Was ist jetzt passiert? Durch diesen Verkauf ist nun Jakob rechtlich der Erstgeborene und hat Anspruch auch auf den geistlichen Segen, den Erstgeborenensegen des Vaters.

Was können wir aus dieser Situation lernen (außer das es wichtig ist gut kochen zu können)? Wir können daraus lernen, dass wir so zielgerichtet sein sollen wie Jakob und nicht so konsumorientiert wie Esau.

„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ (Mt. 6,33 Luther 2017)

„Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.“ (Röm 14,17 Luther 2017)


Das sind so die beiden dazu passenden Gegensatzpaare im NT. Zuerst auf das Reich Gottes ausgerichtet sein, auf das Reich Gottes, auf Jesus fokussiert sein, nach Gottes Gerechtigkeit leben und streben und nicht zuerst nach der Befriedigung unserer materiellen und immateriellen Wünsche streben.

Aber sind wir nicht alle etwas Esau? Haben wir nicht alle etwas von ihm? Möchten wir nicht alle, dass unsere Bedürfnisse und Wünsche befriedigt werden und wir gut im Hier und Jetzt leben?

Und es ist uns auch nicht verboten. Wir dürfen in Dankbarkeit auch ein gutes Leben leben. (1. Petr. 3,10). Aber wir sollen dabei „haben als hätten wir nicht“ (1. Kor. 7, 29 - 31). So lautet die Devise. In innerer Freiheit zuerst auf das Reich Gottes, zuerst auf Jesus fokussiert sein. In dieser Balance sein Leben zu leben ist eine der größten Herausforderungen unseres Lebens in der Nachfolge.

Wir lesen im Hauskreis gerade den Philipperbrief und da gibt es im zweiten Kapitel diesen unangenehmen Vers (manchmal mag ich Paulus gar nicht), in dem es heißt:

„bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern!“ (Phil. 2,12c Rev. Elb.)

Sowas geht ja eigentlich gar nicht. Also das passt weder mit dem Evangelium, noch mit anderen Aussagen des Paulus zusammen. Und wahrscheinlich gibt es noch irgendwelche Zusammenhänge, die ich noch nicht verstehe, aber es drückt etwas aus von der Ernsthaftigkeit und der Hingabe in der Nachfolge.

So eine Ernsthaftigkeit hat Jakob an den Tag gelegt, als es darum ging, den ihn verheißenen Platz im Plan Gottes, als Stammvater Isarels einzunehmen.


4. Das Erschleichen des Erstgeborenensegens

Also, Jakob ist jetzt rechtlich der Erstgeborene. Jetzt fehlt ihm nur noch der dazugehörende Segen.

Esau hat inzwischen geheiratet.

„Als Esau vierzig Jahre alt war, nahm er Judit, die Tochter des Hetiters Beeri, und Basemat, die Tochter des Hetiters Elon, zu Frauen.  Sie wurden für Isaak und Rebekka Anlass zu bitterem Gram.“  (1. Mose 26, 34.35 EÜ)

Durch diese Eheschließung mit ausländischen Frauen verachtete Esau erneut den Abrahamitischen Bund und zeigt wie wenig ihn seine Abstammung bedeutete. Nicht dass die hetitischen Frauen irgendwie schlechter gewesen wären, aber der Segen lag nicht auf den Bewohnern Kanaans, sondern auf den Nachkommen Abrahams.

(1. Mose 27) Nun passiert es: Isaak weiß, dass er bald sterben wird und will seinen Segen an Esau weiter geben. Rebekka kriegt es mit und ersinnt sich einen Plan um ihn auszutricksen. Wir kennen die Geschichte: Ziege statt Wild, Ziegenfell statt Körperbehaarung und Jakob gibt sich als Esau aus um den Segen zu bekommen und es gelingt ihm auch.

Wo war der Fehler? Reden die nicht miteinander? Auf Jakob liegt die Verheißung, Jakob hat Esau das Erstgeburtsrecht abgekauft, er müsste jetzt von Isaak den Segen bekommen. War Isaak zu starrköpfig?
Aus irgendwelchen Gründen (Ich glaube es war vor allem ein Grund, der heißt Wildbret.) liebte Isaak Esau noch immer mehr und wollte daher auch ihm den Segen geben (1. Mose 25,28).

Es geht jetzt eigentlich nicht darum, dass Jakob sich den Segen ergaunern muss, sondern dass er eine List anwenden muss, um den ihm rechtmäßig zustehenden Segen, den ihn Isaak vorenthalten wollte, zu bekommen.

Aber selbst dies wollte er zunächst eigentlich nicht. Er ziert sich und möchte den Vater eigentlich nicht täuschen. Aber seine Mutter redet ihm gut zu und sagt, dass sie die Konsequenzen tragen wird. Und so lässt Jakob sich darauf ein. Und letztlich belügt er den Vater, als er sich für Esau ausgibt und er belügt ihn bzgl. der Quelle des Fleisches.

Rebekka und Jakob haben anstatt auf Gott zu vertrauen das Schicksal in die eigenen Hände genommen. Das scheint ja auch eine gewisse Traditionen im Stamme Abraham zu haben. Die Folge war ein familiäres Zerwürfnis.

Aber der abrahamitische Segen ging jetzt auf Jakob über und er wurde nominell zum Haupt der Sippe:

„Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Wein die Fülle. Völker sollen dir dienen, und Stämme sollen dir zu Füßen fallen. Sei ein Herr über deine Brüder, und deiner Mutter Söhne sollen dir zu Füßen fallen. Verflucht sei, wer dir flucht; gesegnet sei, wer dich segnet!“ (1. Mose 27, 28.29 Luther 2017)

Interessant ist, was wir über diese Segnung durch Isaak  später im NT lesen:

„Durch den Glauben segnete Isaak den Jakob und den Esau auf die zukünftigen Dinge hin.“ (Hebr. 11,20 Luther 2017)

Auf den ersten Blick wirkt es etwas beschönigend. Aber das ist jetzt keine romantische Verklärung der Vergangenheit, sondern es bedeutet, dass Isaak im Glauben auf das Zukünftige den Segen ausgesprochen hat. Unabhängig davon, dass er eigentlich den anderen Sohn segnen wollte, hat er geglaubt, dass sein Segen geistliche Kraft hat und Dinge in die Wirklichkeit holen wird.

Auch wir sind manchmal wie Isaak und etwas starrköpfig und wollen nicht von einer liebgewordenen Sache oder Vision oder was auch immer lassen und wollen unseren Kopf durchsetzen. Aber auch hier können wir darauf vertrauen, dass Gott Dinge verändert und falsche Wege gebraucht oder ungerade Wege gerade macht.

Wichtig ist dass wir in aller Ernsthaftigkeit danach suchen das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit vor unsere Wünsche zu stellen. Diese Zielstrebigkeit können wir von Jakob lernen.

AMEN.

Sonntag, 1. Oktober 2017

Termine und Aktuelles Oktober 2017

01.10. kein Gottesdienst (wegen Taufgottesdienst am Vortag)

08.10. kein Gottesdienst (Erntedankfestzug)

15.10. 10.30 Uhr Hausgottesdienste

22.10. 10.00 Uhr St. Paul gemeinsamer Gottesdienst mit der JG St. Paul mit anschl. Essen (Predigt Norbert Wohlrab, Thema: "Jakob")

29.10. 10.30 Uhr Arche Gottesdienst (Predigt Norbert Wohlrab; Thema: "Das Gleichnis von den zwei Söhnen")







LKG = Landeskirchliche Gemeinschaft, Gebhardtstraße 19
Arche = Christlicher Kindergarten Arche, Theaterstraße 50
St. Paul = Gemeindehaus, Dr.-Martin-Luther-Platz 1