Dienstag, 27. Januar 2015

Predigt von Norbert Wohlrab zum Beginn der Allianz-Gebetswoche 2015 (11.01.2015)

Der Vater

 
Heute beginnt also die Allianz-Gebetswoche 2015. Die einzelnen Abende hangeln sich dieses Jahr am „Vaterunser“ entlang und so bildet der Beginn des Gebets „Unser Vater im Himmel“ (bzw. „Vater unser im Himmel“) auch den thematischen Anfang der Gebetswoche. Heute geht es also um den „Vater“ und als Predigttext dazu wurden ein paar Verse aus Römer 8 ausgewählt (V. 14-17a) nach der Übersetzung Martin Luthers.

„Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir rufen: Abba, lieber Vater! Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi.“ (Röm. 8, 14-17a Luther)

Ich persönlich liebe ja den Römerbrief. Nicht dass ich behaupten könnte, wirklich alles zu verstehen, aber ich liebe den Tiefgang dieses Briefes. Und so könnte man wahrscheinlich über diese 3,5 Verse ohne weiteres eine Predigtreihe an 3-4 Sonntagen halten und hätte wahrscheinlich immer noch nicht alles gesagt, was man dazu sagen könnte. Meine Aufgabe ist es jetzt die Wahrheiten dieser Verse in 10-12 Minuten so komprimiert darzustellen, dass wir danach hoffentlich noch mehr Lust und noch mehr Interesse am Gebet haben, als vorher.

Fangen wir an: Luther übersetzt hier mit „die der Geist Gottes treibt“. In anderen Übersetzungen heißt es vielleicht zutreffender: die sich vom Geist Gottes leiten lassen, führen lassen, regieren lassen. Richtig ist alles, aber ich denke, Paulus meint hier nicht ein zwanghaftes getrieben werden oder Getriebensein, gegen das man sich nicht wehren kann, - das würde man wohl eher im Bereich der psychischen Erkrankungen einordnen oder zumindest eher im Bereich von unreifen Verhalten - sondern eher ein Reagieren auf die Impulse des Heiligen Geistes, die jedoch durchaus unterschiedlich stark sein können: vom sanften Flüstern bis zur schweren inneren Last.

Auch der Gegensatz zum vorherigen Vers 13, indem Paulus darüber schreibt, dass man sich nicht vom Fleisch bestimmen lassen soll, legt eher eine Bedeutung in die Richtung nahe: sich leiten lassen, sich führen lassen, sich regieren lassen.

Dann geht es weiter: „die sind Gottes Kinder“ und jetzt muss ich schon wieder mit Luther brechen, denn es heißt eigentlich „die sind Söhne Gottes“, wie es bspw. in der Elberfelder und Schlachter-Übersetzung zu lesen ist. Denn hier steht im grie. „hyioi“, das in erster Linie mit „Söhne“ übersetzt wird.

Und das ist schon was besonderes, denn wenn im NT vom Sohn die Rede ist, dann geht es eigentlich immer um Jesus Christus, den Sohn Gottes. Und hier werden die vom Geist Geleiteten, hier werden wir, als Söhne bezeichnet.

Warum bedeutet Sohn mehr als Kind? Sohn ist nicht einfach nur ein Kind, es geht hier auch nicht nur um die Abstammung, sondern Sohn meint den mündigen Nachkommen. Sohn beinhaltet den Stand, die Stellung, den Machtbereich. Sohn meint den rechtmäßigen Nachkommen bspw. auch im Gegensatz zu einem unehelichen Kind. Es wird im orientalischen Bereich auch durch den Zusatz des Namen des Vaters ausgedrückt: „Isaak, Sohn (ben) des Abrahams“ („Norbert, Sohn des Arthurs“, „Jesus, Sohn Gottes“).

Gleichzeitig beinhaltet das Wort aber auch die Beziehung zu den Eltern bzw. zum Vater. Dabei steht aber nicht das Geschlecht im Vordergrund. Die maskulinen Pluralformen sowohl im grie. als auch im hebr. können Söhne und Töchter beinhalten (bibelwissenschaft.de). Man könnte also sagen, auch ihr Frauen seid Söhne Gottes!

(Damit bin ich jetzt bestimmt in alle nur denkbaren Gender-Fallen getappt.)

Und jetzt legt Paulus die Begründung nach: weil wir keinen Geist der Knechtschaft, keinen Geist der Sklaverei, keinen knechtischen Geist empfangen haben, mit dem wir uns wieder oder abermals fürchten müssten.

Abermals! Wieder! D.h. früher mussten sie sich fürchten. Sie waren ja damit vertraut. Sie haben gewusst: mit diesem Gott ist nicht zu spaßen. Die jüdisch geprägte Gruppe in Rom war mit einem Gott vertraut, der die Einhaltung von 613 Gesetzen von ihnen forderte. Mit einem „Dienst des Todes, mit Buchstaben in Steine eingegraben“ (2. Kor. 3,7a), wie Paulus die Gebote Gottes im Korintherbrief bezeichnete. Sie haben gewusst, vor diesem Gott kann man nicht bestehen. Und jetzt sagt Paulus: Nein!  Nicht wieder so, nicht wieder Furcht, „sondern einen Geist der Sohnschaft habt ihr empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater!“

Einen Geist der Sohnschaft! Der Begriff „hyiothesia“ lässt sich auch übersetzen mit Adoption oder Annahme als Sohn. Das ist unser Status. Von Gott angenommene Söhne! Mit allen Rechten! Die Reformation spricht hier von einem forensischen Begriff, d.h. damit ist unser juristischer Status gemeint, unabhängig von allem Fühlen und Erkennen.

Und dieser Status ermöglicht uns im Gebet zu Gott zu sagen „Abba, Vater“.

„Abba“, dieses kindliche Kosewort für Vater aus dem aramäischen Sprachgebrauch. In einem Kommentar steht, eigentlich ist es gar kein Wort, sondern eher einer der ersten Laute, die ein Kind von sich gibt, wenn es zu sprechen beginnt. Dieses „Abba“ passt jetzt irgendwie schlecht in die griechische und auch in unsere Sprache und so wird ihm gleich das verständliche „Vater“ hinzugestellt.
Aber egal, ob wir nun Abba, Papa, Vati, Daddy oder Vater sagen, das Entscheidende ist die Nähe zu unserem Vater im Himmel, die damit verbunden ist. Unsere Sohnschaft ermöglicht uns diese Nähe. Aus der Ferne wird eine Nähe. Nicht nur Jesus darf Gott seinen „Abba“ nennen, auch wir dürfen „Abba, Papa, Vater“ sagen.

Für Juden war die Anrede Gottes in Gemeindegebeten als „Unser Vater“ noch einigermaßen gebräuchlich. Aber „Abba“, diese vertraute und kindliche Nähe, war ihnen doch völlig fremd. Uns wird sie zugesprochen.

Erinnert Ihr Euch noch wie es war, als wir kleine Kinder waren?
Wie nanntet Ihr damals Euren Vater?
Gab es diese vertrauensvolle Nähe?
Welche Bilder, welche Erinnerungen, welche Gefühle kommen da hoch?
Für mich sind die schönsten und tiefsten Gefühle in der Kleinkindzeit angesiedelt. Zeiten des gemeinsamen Spielens. Zeiten ohne große Anforderungen. Man durfte einfach Kind sein bei seinem Vati. Zeiten voller Geborgenheit und Vertrauen.

Aber es ist gar nicht so einfach als Erwachsener in diese kindliche Haltung zurückzufinden. Oft stehen uns Erfahrungen, Kultur, unser Leben im Weg. Auch hat nicht jeder so eine vertrauensvolle Nähe zu seinem Vater erfahren dürfen. Manch Vater war abwesend, vielleicht gestorben oder überhaupt nie da oder nicht zur Nähe fähig. Manche Kulturen und Gesellschaften kennen diese Nähe auch gar nicht. Dort ist der Vater unnahbar. Ich weiß von holländischen Familien, dort muss der Vater sogar gesiezt werden.

Wenn man selbst nie so eine Nähe erlebt hat, kann man sich vielleicht an die Zeit erinnern, wo man selber als Mutter oder Vater seinen Kindern diese Nähe gegeben hat.

Es ist auf jeden Fall die Haltung, die wir gegenüber Gott haben dürfen und hier befinden wir uns wohl im Gegensatz zu wahrscheinlich allen anderen Religionen. Deren Götter sind unnahbar, willkürlich, man ist ihnen ausgeliefert und weiß nicht, ob man vor ihnen bestehen kann. Unser Vater sagt: „Mein Kind, Du hast schon bestanden!“

Dies bezeugt der Heilige Geist unserem Geist, schreibt Paulus weiter. Er bezeugt uns unsere Kindschaft.

Und der Textabschnitt des Tages schließt mit der Aussage: Und deshalb sind wir auch „Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi“. Und Erbe zu sein, bedeutet jetzt nicht, dass der Erblasser gestorben ist (wie es in unserem Sprachgebrauch üblich ist), sondern es bezeichnet die Teilhabe am Familienbesitz. Genauso, wie es der Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn zum älteren Bruder gesagt hat: „Was mein ist, ist auch dein“ (Lk. 15,31)

Die Größe dieses Erbes können wir an Gott messen, aber die Gewissheit an Christus. So sicher wie Christus für unsere Rettung gestorben ist, so sicher sind wir auch Miterben.

„Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?“ (Röm. 8, 32 Luther)

schreibt Paulus ein paar Verse weiter.

Deshalb können wir in dieser Woche gemeinsam in Dankbarkeit und Freude bezeugen und anbeten: So ist unser Vater im Himmel!

AMEN.

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