Samstag, 9. Oktober 2010

Predigt von Norbert Wohlrab (03.10.10) (Auszüge)

Priestersein im Neuen Bund - das Priestertum aller Gläubigen

1. Einleitung

„Ihr jedoch seid das von Gott erwählte Volk; ihr seid eine königliche Priesterschaft, eine heilige Nation, ein Volk, das ihm allein gehört und den Auftrag hat, seine großen Taten zu verkünden – die Taten dessen, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.“ (1. Petr. 2,9 NGÜ)

Letzten Sonntag hatten wir hier ja den Gebetsgottesdienst von „Gemeinsam für die Stadt“. Und an diesen Abend hat uns ein Text aus der Offenbarung begleitet, in dessen Zusammenhang auch davon die Rede war, dass wir Priester Gottes sind. Es heißt dort bspw. , dass wir

„Gott und Christus als Priester dienen werden.“ (Offb. 20,6b NGÜ)

Die Gemeinde als Priester, als heilige Priesterschaft. Eine Bezeichnung, die wir schon oft gehört haben, die uns vertraut ist. Aber was bedeutet es eigentlich ein „Priester“ zu sein?

Luther hat in seiner Anklage gegen den Priesterdienst der katholischen Kirche geschrieben:

„Denn was aus der Taufe gekrochen ist, das kann sich rühmen, daß es schon zum Priester, Bischof und Papst geweihet sei, obwohl es nicht einem jeglichen ziemt, solch Amt auszuüben.“
(1520, An den christlichen Adel)

Was verbinden wir mit Priesterschaft? Was verbinden wir mit dem uns vertrauten Begriff vom „Priestertum aller Gläubigen.“ Und ist unsere Vorstellung dazu, die ja sicherlich vom alttestamentlichen Begriff oder auch vom katholischen Verständnis geprägt ist, eigentlich mit der neutestamentlichen Realität vereinbar? Das waren so Fragen, die mir in den letzten Tagen gekommen sind, denen ich versucht habe etwas auf den Grund zu gehen um zu erkennen, was es für uns im Jahre 2010 in Fürth in der CGF bedeuten kann.

2. Priestersein im Alten Bund

Zunächst mal ein grober Überblick über die Kennzeichen der Priesterschaft im alten Bund.

Priester zu sein, setzte eine besondere Berufung und Ausbildung voraus. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stamm, zum Stamm Levi war die Voraussetzung für den Dienst am Tempel, zusätzlich die Zugehörigkeit zum Geschlecht des Aaron s die Voraussetzung für die Priesterweihe. Für die Priester galten ganz besondere Anforderungen an Makellosigkeit (z.B. keine Glatze, kein Zwerg, keinen Buckel; 3. Mo. 21) und Reinheitsvorschriften (z.B. kein Kontakt mit einer Leiche außerhalb der Familie, nur Jungfrau heiraten, ebd.). Nur wenn sie diese erfüllten, waren sie berechtigt den Dienst im Tempel auszuüben.

Deutlich wird dies auch im Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Sowohl der Priester als auch der Levit gehen an dem Verletzten vorüber. Was auch immer ihre tatsächlichen Beweggründe gewesen waren, Fakt ist, sie hätten sich durch eine Berührung - falls er schon tot gewesen wäre - (3. Mo. 21,1 ff. und 4. Mo. 19,11) verunreinigt und damit für den Tempeldienst unbrauchbar gemacht. Jesus verdeutlicht hier, dass die Liebe über allem anderen steht.

Die Priester mussten also besondere Reinheitsvorschriften erfüllen. Gott wollte damit verdeutlichen, dass absolute Reinheit und Heiligkeit, Makellosigkeit und Sündlosigkeit notwendig sind um ihn begegnen zu können.

Die Priester hatten im wesentlichen zwei Hauptaufgaben:
1. Sie mussten durch den Opferdienst im Tempel Sühne für den Opfernden bewirken. Sie
waren also Mittler zwischen Gott und den Menschen.
2. Sie hatten den Willen Gottes durch die Weitergabe und die Auslegung des Gesetzes an das Volk weiterzugeben. (5. Mo. 31,9 ff.)

3. Unterschiede im Neuen Bund

Im Neuen Bund hat sich hier natürlich etwas Grundlegendes geändert.

„´Jetzt aber ist diese Zeit angebrochen, denn jetzt` ist Christus gekommen, der Hohepriester, der uns die wahren Güter gebracht hat. Er hat ein größeres und vollkommeneres Zelt durchschritten, ein Zelt, das nicht von Menschen gemacht wurde und nicht zu dieser Schöpfung gehört. Und was ihm den Weg ins Heiligtum öffnete, war nicht das Blut von Böcken und Kälbern, sondern sein eigenes Blut. Ein einziges Mal ist er hineingegangen, und die Erlösung, die er bewirkt hat, gilt für immer und ewig.“
(Hebr. 9, 11.12 NGÜ)

Jesus Christus hat ein Opfer gebracht, dass für alle Zeiten gilt. Der priesterlich-kultische Dienst des Alten Bundes ist somit für alle Zeiten hinfällig. Dem Opfer von Jesus Christus kann und darf nichts mehr hinzugefügt werden. D.h. wenn ich mich frage, welcher Art der priesterliche Dienst der Gemeinde im Neuen Bund ist, dann ist es auf jeden Fall kein ritueller, keiner in dem Opfer notwendig sind, in dem Sühne erforderlich ist.

Deshalb finden wir auch weder in der Urgemeinde, noch in den Gaben- und Ämterauflistungen der paulinischen Briefe irgendwelche Hinweise auf einen Dienst oder ein Amt des Priesters. Es gibt die Apostel und die Ältesten, die den Gemeinden vorstehen, es gibt Propheten und Lehrer, es wurden Diakone eingesetzt, aber es gibt keine Priester. Wozu auch? Es ist kein Opferdienst mehr nötig und jeder Glaubende hat den Heiligen Geist empfangen und kann Gott direkt begegnen.

Erst als um 200 das Verständnis des Abendmahls sich gewandelt hat und es als Opferhandlung angesehen wurde, begab sich die Kirche auf theologische Abwege und ein Priesterdienst wurde wiedereingeführt.

Die Begriffe Priester/Priesterschaft finden sich daher im Neuen Bund im wesentlichen auch nur rückblickend in historischer Hinsicht oder in prophetischer Hinsicht (z.B. Offenbarung) oder in geistlicher (bzw. allegorischer) Hinsicht (z.B. bei Petrus).

4. Die Bedeutung bei Petrus

Was will uns Petrus sagen, wenn er also schreibt:

„Lasst euch selbst als lebendige Steine in das Haus einfügen, das von Gott erbaut wird und von seinem Geist erfüllt ist. Lasst euch zu einer heiligen Priesterschaft aufbauen, damit ihr Gott Opfer darbringen könnt, die von seinem Geist gewirkt sind – Opfer, an denen er Freude hat, weil sie sich auf das Werk von Jesus Christus gründen.... Ihr jedoch seid das von Gott erwählte Volk; ihr seid eine königliche Priesterschaft, eine heilige Nation, ein Volk, das ihm allein gehört und den Auftrag hat, seine großen Taten zu verkünden – die Taten dessen, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.“ (1. Petr. 2, 5.9 NGÜ)

Zunächst sollte man sich vergegenwärtigen wer hier an wen schreibt. Petrus, der Apostel der Judenchristen schreibt an die judenchristliche Gemeinde in der Verfolgung, die sich in Kleinasien zerstreut hat. Ihnen spricht er hier genau das zu, was Gott Israel im Alten Bund verheißen hat.

Gott spricht dort zu Israel in

2. Mo. 19,6 „Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein.“

Petrus spricht der neutestamentlichen jüdischen Gemeinde nun zu, dass sich dieser Auftrag, diese Verheißung in ihnen erfüllt hat.
Jüdisch-christliche Theologen sehen daher diese Zusage ausschließlich auf die judenchristliche Gemeinde bezogen. Nur hier kann man eigentlich von Volk und Nation sprechen.
In der Substitutionstheologie ist man nun her gegangen und hat einfach die Gemeinde an die Stelle von Israel gesetzt. Hierbei wird man der Erwählung Israels bzw. des Überrestes aber nicht gerecht.

In der Offenbarung heißt es jedoch:

„Ihm, der uns liebt und uns durch sein Blut von unseren Sünden erlöst hat, ihm, der uns zu Mitherrschern in seinem Reich und zu Priestern für seinen Gott und Vater gemacht hat, ihm gebührt die Ehre und die Macht für immer und ewig. Amen.“ (Offb. 1, 5b.6 NGÜ)

Hier wird deutlich, dass wir alle zu Priestern berufen sind, also auch wir Heiden und nicht nur die Juden. Man kann daher nach meinem Verständnis die Zusagen im Petrusbrief aus der Perspektive der Offenbarung auf alle Christen bzw. die Gemeinde als Ganzes, als die Einheit von Juden- und Heidenchristen übertragen.

(Warum ist diese komplizierte Herleitung so wichtig? Würde es bspw. keine Stellen, wie diese aus der Offenbarung geben, ließe sich die ganze Theologie vom „Priestertum aller Gläubigen“ nicht wirklich begründen, da es sonst nur eine Verheißung für Israel wäre.)

Was schreibt Petrus hier im einzelnen? Was bedeutet es für uns heute?

5. Die Bedeutung für uns

5.1 „Lasst euch selbst als lebendige Steine in das Haus einfügen, das von Gott erbaut wird“

Jesus Christus ist das Fundament, der Eckstein. Die Gemeinde besteht aus lauter einzelnen Steinen, die die gleiche Substanz, das gleiche Wesen, das gleiche Leben wie Jesus Christus besitzen und verkörpern sollen. Du besitzt die selbe Genetik wie Jesus Christus (jedoch nicht wie bei „DaVinci Code“)!
Diese Steine werden zu einem gemeinsamen Haus zusammengebaut. Jeder hat seinen Platz. Sie bilden eine Einheit (passt ganz gut zum Tag der Einheit).

Mal ein paar andere Übersetzungen/Übertragungen dieses Verses:

„Auch ihr seid solche lebendigen Steine, aus denen Gott sein Haus, die Gemeinde, aufbauen will.“ (HfA)

„Lasst euch selbst als lebendige Steine in den Tempel einfügen, den der Geist Gottes baut.“ (GN)

„Ihr seid im Grunde auch so was wie lebendige Ziegelsteine. Gott baut sich mit denen gerade ein ganz spezielles Haus.“ (VB)

Man muss noch keine Mauer gebaut haben um zu wissen: jeder Stein ist wichtig. Egal ob links unten, in der Mitte oder rechts oben; egal, ob auf einen halben Meter Höhe oder bei zwei Metern: da wo Steine in der Mauer fehlen, zieht´s und wenn zu viele fehlen, fällt die ganze Mauer wieder ein.

Durch den Geist Gottes sind wir zu lebendigen Steinen geworden. Wir sind Teil des gesamten Bauwerks.

Luther hat auf das „Priestertum aller Gläubigen“ hingewiesen. Aber v.a. der Pietismus hat mit Recht darauf hingewiesen, dass dies nicht wirklich umgesetzt wurde. Ph. J. Spener schrieb bspw.

„Von Luther wurde gezeigt, wie zu den geistlichen Ämtern alle Christen berufen sind. Sie sind darum nicht nur befugt, sondern wollen sie wirklich Christen sein, auch verpflichtet, sich dessen anzunehmen.“
(Pia desideria oder Herzliches Verlangen nach gottgefälliger Besserung der wahren evangelischen Kirche, 1675).

Ein lebendiger Stein, ein Priester zu sein, ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht!

Trifft es nicht oft zu, dass die Christen in den Landeskirchen darunter leiden, dass sie als Laien vom Pfarrer/Priester nicht ernst genommen werden und dann in ein Freikirche wechseln, und dort dann die Freiheiten, die sie hätten, durch Passivität ersetzen (oder manchmal auch durch freiwillige Unterordnung unter einen noch autoritäreren Pastor)?

Priestertum aller Gläubigen heißt: „Auch Du bist ein Priester! Auch Du bist ein lebendiger Stein! Auch Du wirst gebraucht!“

5.2 “Ihr seid eine königliche Priesterschaft.“

Königlich - königlich kann zweierlei bedeuten: vom König oder für den König. Ich denke es bedeutet hier beides. Es bedeutet, der König ist der Besitzer, der Auftraggebende und es bedeutet, wir haben einen königlichen Stand, eine königliche Beauftragung, königliche Autorität, ja sogar königliches Blut.

Der königliche Beauftragte vollzieht seinen Auftrag im Namen des Königs, er steht an seiner Statt, er ist mit entsprechenden Privilegien ausgestattet, aber er vollzieht ihn nicht in eigener Kasse oder eigener Regie, nicht für sich, sondern für den König.
Das ist unser Stand: vom König autorisiert, vom König eingesetzt, im königlichen Stand, aber für den König im Dienst, für den König unterwegs.

5.3 „Gott Opfer darbringen...die von seinem Geist gewirkt sind...an denen er Freude hat, weil sie sich auf das Werk von Jesus Christus gründen“

Die Opfer, die es zu bringen gilt, sind ganz anderer Natur, als im alten Bund, keine Tieropfer, keine Opfer zur Sühne, sondern solche, die auf dem Werk von Jesus Christus gründen. Das ist hier denke ich eine wichtige Aussage für die judenchristliche Zielgruppe. Petrus wollte hier noch einmal den Unterschied zum alten Opfersystem betonen.

Welche Opfer sind es nun, an die Petrus hier denkt? Er führt leider keine auf, aber aus anderen Stellen des NT wissen wir was gemeint ist. Z.B.

- das ganze Leben/das ganze Sein als Opfer und Gottesdienst (Röm. 12, 1.2)
- Lobpreis (Hebr. 13,15)
- gute Werke (Hebr. 13,16)
- materielle Gaben (Phil., 4,18)
- und manch anderes.

5.4. „...und den Auftrag hat, seine großen Taten zu verkünden – die Taten dessen, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“

Hier sind wir jetzt bei der Hauptaufgabe der neutestamentlichen Priesterschaft: der Verkündigung des Werkes Gottes. Hier besteht eine Parallele zum Priesterdienst des Alten Bundes. Auch dort hatten die Priester die Aufgabe das Gesetz weiterzugeben, im Neuen Bund besteht die Aufgabe jetzt darin Jesus Christus zu verkündigen.

Jesus Christus hat seiner Gemeinde nur eine Art vermittelt, wie sie leben sollen: Liebt. Das Gesetz ist nicht mehr nötig, denn wer in der Liebe lebt, sündigt ohnehin nicht. Aber es gibt noch die eine Botschaft, die es weiterzusagen gilt, das eine Evangelium vom Reich Gottes, dessen Weitergabe die priesterliche Aufgabe im Neuen Bund ist.

Paulus schreibt in Röm. 15,15b.16 „Gott hat mich ja in seiner Gnade dazu berufen, ein Diener Jesu Christi unter den nichtjüdischen Völkern zu sein. Indem ich ihnen das Evangelium Gottes bekannt mache, erfülle ich gewissermaßen einen priesterlichen Auftrag; denn sie sollen eine Opfergabe werden, an der Gott Freude hat, eine Opfergabe, die durch den Heiligen Geist geheiligt ist.“

Die Verkündigung des Evangeliums ist der priesterliche Auftrag für seine Gemeinde.Gott liebt die Welt so sehr, dass er nicht will, dass sie verloren geht. Er will, dass soviele wie möglich gerettet werden. Was braucht es dazu? Arbeiter, die säen und ernten.

„Geht und verkündet: ´Das Himmelreich ist nahe`.“ (Mt. 10,7 NGÜ)

„Darum geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngern“. (Mt. 28,19a NGÜ)

Egal welche Zeiten auf uns noch zukommen, das ist der eine königliche und priesterliche Auftrag: hinauszugehen und den Menschen zuzusprechen: Es gibt Hilfe für Dich, es gibt Hoffnung für Dich, es gibt Vergebung für Dich.

Meine Aufgabe als neutestamentlicher Priester ist es nicht den Menschen den Weg zu Gott zu ermöglichen, sondern sie einzuladen diesen Weg zu gehen.

(nicht öffentlicher Teil)

Wir sind alle Priester Gottes, nicht mehr nur die Nachkommen Aarons; wir dürfen uns alle Gott nahen, wir sind alle ausgerüstet und gesalbt, königliche Würdenträger; wir bringen keine Opfer im Tempel, wir selbst sind das Opfer und zugleich der Tempel.

Priester Gottes zu sein, heißt den Auftrag Jesu anzunehmen und sein Evangelium hinauszutragen, da wo ich mein Lebensumfeld haben, aber auch darüber hinaus - in Fürth und Umgebung - genauso, wie die Jünger in Jerusalem angefangen haben und es dann - nachdem sie verfolgt wurden - über Judäa und Samaria in die Welt hinausgetragen haben.

AMEN.

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