Sonntag, 28. April 2019

Predigt von Norbert Wohlrab (28.04.19)

Die Hoffnung des Evangeliums  (1. Petr. 1, 3 - 9)

1. Einleitung

Wir haben eine Woche nach Ostern. Der heutige Sonntag im Kirchenjahr heißt „Quasimodogeneti“ - Wie die Neugeborenen (nach 1. Petr. 2,2). Und dazu passt auch der offizielle Predigttext des heutigen Sonntags aus dem ersten Petrusbrief.

„ 3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der nach seiner großen Barmherzigkeit uns wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten
4 zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbteil, das in den Himmeln aufbewahrt ist für euch,
5 die ihr in der Kraft Gottes durch Glauben bewahrt werdet zur Rettung, die bereitsteht, in der letzten Zeit offenbart zu werden.
6 Darin jubelt ihr, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es nötig ist, in mancherlei Versuchungen betrübt worden seid,
7 damit die Bewährung eures Glaubens viel kostbarer befunden wird als die des vergänglichen Goldes, das durch Feuer erprobt wird, zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi;
8 den ihr liebt, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt; an den ihr glaubt, obwohl ihr ihn jetzt nicht seht, über den ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude jubelt;
9 und so erlangt ihr das Ziel eures Glaubens: die Rettung der Seelen.“ (1. Petr. 1, 3-9 Rev. Elb.)


Petrus hat diesen Brief aus Rom geschrieben, wohl zwischen 60 und 65 n. Chr. Also etwa 30 Jahre nach dem Ostergeschehen. Die Adressaten sind verschiedene - eher judenchristlich geprägte - Gemeinden im Nordwesten Kleinasiens, also in der heutigen Türkei. Die Christen dort wurden wegen ihres Glaubens bedrängt und teilweise auch verfolgt und Petrus als Apostel und Hirte wollte sie stärken und ermutigen.

Auf den ersten Blick enthält dieser Text keine besonderen Aussagen. Es sind eher allgemein bekannte Grundlagen des christlichen Glaubens.
Aber sind es nicht gerade die grundlegenden Wahrheiten, die uns für unser Leben ein tragfähiges Fundament liefern, v.a. in den Zeiten, in denen es gerade mal nicht so rund läuft.

Petrus beginnt zunächst mit einem Lobpreis Gottes. Und dann prasseln schon die ersten vier Basics auf uns ein:

  • durch Gottes Barmherzigkeit
  • sind wir wiedergeboren
  • zu einer lebendigen Hoffnung
  • ermöglicht durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten.


2. Barmherzigkeit

Gottes Barmherzigkeit thront über allem. Gottes Mitleid, Gottes Mitgefühl mit der verlorenen Menschheit, war der Antrieb einen Heilsweg zu schaffen, war der Antrieb für seine Gnade.
Die Gnade ist im Vergleich dazu sein Entschluss aus freien Stücken, aber die Barmherzigkeit ist der Motor, der Antrieb. Barmherzigkeit ist das Wesen Gottes.

Jesus beschreibt dem Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn folgendermaßen:

„Als er (der Sohn) aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn“ (Lk. 15,20 Luth.)

Es jammerte ihn. Ein anderer Ausdruck für innerlich bewegt sein, voller Mitleid sein, voller Erbarmen sein, barmherzig sein. So ist Gott.

Paulus schreibt über Gott:

„So liegt es nun nicht an dem Wollenden, auch nicht an dem Laufenden, sondern an dem sich erbarmenden Gott.“ (Röm. 9,16 Rev. Elb.)

Gottes Erbarmen, Gottes Barmherzigkeit ist der Ursprung von unserer Errettung.

Interessant ist aus noch, dass das deutsche Wort „Barmherzigkeit“ sich bildet aus „Arm“ und „Herz“. Man könnte also sagen: Barmherzigkeit, ist der Arm (im Sinne von Handlung) der vom Herzen bewegt wird oder auch das Herz, dass sich dem Armen (dem Bedürftigen) zuwendet.


3. Wiedergeburt

Unsere Rettung drückt sich nun dadurch aus, dass wir wiedergeboren wurden.

Das Wort „wiedergeboren“ ist jetzt kein einfacher Begriff und er findet sich so auch nur zweimal in der Bibel, nämlich in diesem Brief des Petrus. (Und dann noch einmal ähnlich als Substantiv in Tit. 3,5).
Es ist auf den ersten Blick schon etwas ungewöhnlich, dass die evangelikale Christenheit soviel Wert auf den Terminus „wiedergeboren“ bzw. „wiedergeborener Christ“ gelegt hat, wo doch der Begriff im NT gar nicht so verbreitet ist. Aber er war ja in erster Linie gedacht, als Gegenpart zur kirchlichen Lehre des Christwerdens durch Kirchenmitgliedschaft.
Das was Petrus hier mit „wiedergeboren“ gemeint hat, findet sich nämlich schon noch in der Bibel und zwar sehr ausführlich von Jesus selbst erklärt im Gespräch mit Nikodemus. Dort steht:

„Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem (oder von oben) geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Nikodemus spricht zu ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist? Kann er etwa zum zweiten Mal in den Leib seiner Mutter hineingehen und geboren werden? Jesus antwortete: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes hineingehen.“  (Joh. 3, 3-5 Rev. Elb)

Jesus verdeutlicht hier was gemeint ist. Es geht nicht um eine Wiedergeburt im Sinne fernöstlicher Religionen, sondern um eine Neugeburt. Aber was heißt das?

Nikodemus war ein Pharisäer, ein Mitglied des Hohen Rates und Lehrer Israels. Nach traditioneller jüdischer Überlieferung gab es sechs verschiedene Möglichkeiten wiedergeboren zu werden. Damit war Nikodemus wohl vertraut:

  • ein Heide wird Jude (geht nicht für ihn, Nikodemus war ja schon Jude)
  • man wird zum König gesalbt (geht auch nicht)
  • bei der Bar Mizwah, der religiösen Reife (hat er hinter sich)
  • bei der Hochzeit (hat er auch hinter sich; Voraussetzung Oberster der Juden = Mitglied im Hohen Rat)
  • bei der Berufung zum Rabbi (hat er auch schon hinter sich, Mitglied im Hohen Rat)
  • und bei der Berufung zum Leiter einer Rabbinerschule (auch dies hat er schon hinter sich als Lehrer Israels).

Es gab also keine weiteren Möglichkeiten für ihn. Sollte er daher in den Leib der Mutter zurück kriechen um wiedergeboren zu werden? So macht seine Frage Sinn.
Nikodemus stellt sich also vermutlich nicht dumm, wie man auf den ersten Blick denken mag, sondern er hat wohl alle ihn bekannten Möglichkeiten ausgeschlossen.

Aber Jesus sagt: Nein! Du musst aus Wasser (= wahrscheinlich ist damit die natürliche Geburt gemeint; könnte sich aber auch auf die den Israeliten vertraute kultische Reinigung von Schuld beziehen) und Geist geboren werden! Du hast die völlig falsche Denke! Es geht nicht um irdisch-religiöse Wege, sondern um ein geistliches Neugeborenwerden vom Himmel herab. Und wie geht dies? Er erläutert es im Anschluss:

„Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöhte, so muss der Sohn des Menschen erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben habe. Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat.“ (Joh. 3, 14-16 Rev. Elb.)

Wir kennen diese Geschichte vielleicht. Das Volk Israel war in der Wüste. Es hat wieder mal gegen Gott gemurrt. Gott hat giftige Schlangen geschickt. Viele sind gestorben. Das Volk hat sich gedemütigt und seine Schuld bekannt. Daraufhin hat Gott Mose eine bronzene Schlange machen machen lassen, die auf einen Stab gesteckt worden ist. Und jeder, der gebissen wurde, jeder der bereits dem Tode geweiht war und auf diesen Stab geschaut hat, wurde gerettet.

Dies war ein Bild für das spätere Opfer Jesu am Kreuz. Jeder, der dem Tod geweiht ist und auf Jesus schaut wird gerettet.

Hier wird auch deutlich: es geht nicht nur um ein rein formales Anerkennen. Sondern ich weiß, der ewige Tod hat mich erwischt. Ich bin Sünder. Und nur Jesus kann mich retten. Nur in ihm ist das Heil. Das glaube ich.

Und dann wird man von oben herab wiedergeboren - nicht der Mensch wirkt es, sondern Gott wirkt es - hin zu einer lebendigen Hoffnung. Dies ist der nächste Begriff.


4. Hoffnung

Es ist die Hoffnung auf eine Herrlichkeit bei Gott. Die Hoffnung auf etwas, das noch in der Zukunft liegt, das noch nicht verwirklicht ist.

Und diese Hoffnung ist eine lebendige Hoffnung, weil Jesus ein lebender Gott ist. Er ist auferstanden. Er war nicht einfach nur bewußtlos oder lag im Koma. Er ist gestorben und hat den Tod besiegt. Alle Schuld ist getilgt.

Ohne Auferstehung wäre rein gar nichts geschehen.

„Wenn aber Christus nicht auferweckt ist, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden.“ (1. Kor. 15,17 Rev. Elb.)
Ohne Auferstehung macht das Christsein keinen Sinn. Ohne Auferstehung wären wir nur Humanisten oder Philanthropen (oder vielleicht lieber Misanthropen).

Unsere Hoffnung dagegen ist ein Anker für unsere Seele gerade in schweren Zeiten (Hebr. 6,19).

Ich habe eine Geschichte im Internet gelesen:

Ein Mensch verirrte sich in der Wüste. Die unbarmherzige Sonnenglut hatte ihn ausgedörrt. Da sah er in der Entfernung eine Oase. Aha, eine Fata Morgana, dachte er, eine Luftspiegelung, die mich zum Narren hält, die gar nicht da ist. Er näherte sich der Oase, aber sie verschwand nicht. Er sah immer deutlicher, die Dattelpalmen, das Gras und vor allem die Quelle. Natürlich eine Hunger-Phantasie, die mir mein halb wahnsinniges Gehirn vorgaukelt, dachte er. Jetzt hörte er sogar das Wasser sprudeln. Eine Täuschung meiner Ohren, dachte er. Kurze Zeit später fanden zwei Beduinen ihn tot da liegen. „Kannst du so etwas verstehen“, fragte der eine den anderen. „Die Datteln wachsen ihm beinahe in den Mund, und dicht daneben verhungert er. Er fällt beinahe in die Quelle hinein. Und dicht daneben verdurstet er. Wie ist das möglich?“ Da antwortete der andere: „Er war ein Mensch ohne Hoffnung.“

Unsere Hoffnung ist der Anker, der uns Halt gibt.

„In ihr haben wir einen sicheren und festen Anker der Seele, der hineinreicht in das Innere hinter dem Vorhang“ (Hebr. 6,19 EÜ)

5. Unser Erbteil
Weiter schreibt Petrus, dass unser Erbe auf uns wartet. Es wird im Himmel verwahrt, ist unvergänglich, unbefleckt und unverwelklich ist.

  • unvergänglich: es kann nicht zerrinnen, kann nicht verwesen, weder Motte noch Rost können es zerstören (Mt. 6,20)
  • unbefleckt: es hat keinen Makel, keinen Defekt, keinen Schönheitsfehler, keine Verunreinigung durch irgendwelche Sünden oder Makel, (es ist nicht wie wir sozusagen)
  • unverwelklich: nicht wie Blumen welken, sondern es bleibt immer schön und frisch
  • aufbewahrt: es befindet sich im Himmel, in einem sicheren Tresor, außer Reichweite von allen zerstörerischen Kräften.


6. Bewahrung und Prüfung

Und jetzt kommen die Verse, in denen es um die Verfolgung geht, der sie gerade ausgesetzt sind.
Stellen wir uns doch mal kurz vor, wir leben nicht in Fürth, sondern in Colombo (Sri Lanka) und haben vielleicht gerade Angehörige oder Freunde verloren.

„5 (Er) wird euch, die ihr glaubt, durch seine Macht bewahren, bis das Ende der Zeit gekommen ist und der Tag der Rettung anbricht. Dann wird das Heil in seinem ganzen Umfang sichtbar werden. 
6 Ihr habt also allen Grund, euch zu freuen und zu jubeln, auch wenn ihr jetzt ´nach Gottes Plan` für eine kurze Zeit Prüfungen verschiedenster Art durchmachen müsst und manches Schwere erleidet. 
7 Denn diese Prüfungen geben euch Gelegenheit, euch in eurem Glauben zu bewähren. Genauso, wie das vergängliche Gold im Feuer des Schmelzofens gereinigt wird, muss auch euer Glaube, der ja unvergleichlich viel wertvoller ist, auf seine Echtheit geprüft werden. Und wenn dann Jesus Christus ´in seiner Herrlichkeit` erscheint, wird ´eure Standhaftigkeit` euch Lob, Ruhm und Ehre einbringen.“ (1. Petr. 1, 5-7 NGÜ)


Gott gibt die Kraft um durchzuhalten, am Glauben festzuhalten. Mehr noch, er bewahrt im Sinne von Bewachen bis zum Tag des Heils. So weit so gut. Aber freuen und jubeln? Ist das nicht etwas übertrieben? Könnten wir uns freuen und jubeln? In Sri Lanka, Ägypten, Nigeria, Pakistan oder wo auch immer Christen um ihres Glaubens Willen ermordet werden?

Ich denke niemand von uns möchte mit ihnen tauschen. Aber Petrus verdeutlicht: Wenn Gläubige Kummer erleiden müssen, geschieht das für eine kleine Zeit und ist immer vorübergehend.

Um so denken zu können wie Petrus, braucht es die richtige Perspektive. Den richtigen Blick auf die Ewigkeit, die uns erwartet. Den richtigen Blick auf das Heil, das uns erwartet. Und dazu muss man voll dabei sein im Geschäft.

Petrus war von Anfang an dabei. Er hat die Wirkungsjahre Jesu miterlebt, die Wunder und Heilungen, er hat ihn erlebt. Er hat den Tod und die Auferstehung erlebt. Er hat Verleugnung und Wiederherstellung erlebt. Er war einer der letzten lebenden Zeitzeugen. Er hatte die Kraft und die Autorität den Verfolgten Mut zu machen, weil er wusste von was und von wem er redet und schreibt.

Die Christen in Kleinasien glaubten, obwohl sie ihn nicht gesehen hatten (V. 8). Ihnen geht es wie uns. Mit dem Unterschied, dass sie inmitten von Bedrückung steckten und das eine große Zeit der Verfolgung auf sie zu kam.

Wenn man den Petrusbrief „spiegelliest“, d.h. annimmt, dass er sich in seinem Brief auf bestimmte Gegebenheiten bezieht (wie wenn bspw. Paulus über das richtigen Umgang der Eheleute miteinander, oder Eltern mit Kindern und umgekehrt schreibt, man davon ausgehen kann, dass dort zumindest bei einigen Ehe- oder Erziehungsprobleme vorlagen) dann wird man hier davon ausgehen, dass dort in Kleinasien auch nicht alle mit der schwierigen Situation so einfach jubilierend und frohlockend umgehen konnten und eben gerade deshalb diese apostolische Ermutigung gebraucht hat.

Und auch wir brauchen immer wieder neu Ermutigung und Neuausrichtung. Neufokusierung für den Alltag. Neu die richtige Perspektive bekommen, die richtige Balance zwischen Gegenwart und Ewigkeit einstellen, damit wir und auch andere das Ziel unseres Glaubens, das Heil, die Rettung erreichen (V. 9).

Dazu möge Gott uns helfen.

AMEN

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen