Mittwoch, 11. Mai 2016

Predigt von Norbert Wohlrab (08.05.2016)

Versuchungen und Prüfungen

Wir hatten kürzlich im Hauskreis einen Text gelesen über den es sich lohnt einmal weiter nachzudenken:

„Darin jubelt ihr, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es nötig ist, in mancherlei Versuchungen betrübt worden seid, damit die Bewährung eures Glaubens viel kostbarer befunden wird als die des vergänglichen Goldes, das durch Feuer erprobt wird, zu Lob und Herrlichkeit und Ehre in der Offenbarung Jesu Christi;“ (1. Petr. 1, 6.7 Rev. Elb.)

„in mancherlei Versuchungen betrübt worden seid“. Ich möchte heute über Versuchungen und Prüfungen, über Anfechtungen sprechen. Ein sehr kompliziertes Thema, wie ich in der Vorbereitung merkte. Lesen wir den Text noch einmal in einer anderen Übersetzung:

„Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, damit euer Glaube als echt und viel kostbarer befunden werde als das vergängliche Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbart wird Jesus Christus.“ (1. Petr. 1, 6.7 Luther)


So schreibt Luther hier nicht von Versuchungen, sondern von Anfechtungen. Und um die Verwirrung komplett zu machen, noch die Einheitsübersetzung:

„Deshalb seid ihr voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müsst. Dadurch soll sich euer Glaube bewähren und es wird sich zeigen, dass er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist. So wird (eurem Glauben) Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi. “ (1. Petr. 1, 6-7 EÜ)

In drei verschiedenen Übersetzungen wird also derselbe Sachverhalt, dasselbe Wort mit drei verschiedenen Bedeutungen wieder gegeben: Versuchungen, Anfechtungen und Prüfungen wiedergegeben. Ich weiß nicht, wie Ihr das seht, aber für mein Empfindungen sind das doch eher unterschiedliche Sachen, oder ist das alles doch das gleiche??

Das Problem ist, dass das griechische Wort, dass hier steht („peirasmos“) tatsächlich mit allen drei deutschen Übersetzungen wiedergegeben werden kann und im griechischen hier nicht differenziert wird. Nur ist das seelsorgerisch betrachtet, nicht wirklich hilfreich, weil ich möchte das Geschick, dass mir widerfährt, doch einordnen können um darauf auch angemessen reagieren zu können.

Was war hier eigentlich die Ausgangslage? Petrus schreibt an verschiedene Gemeinden in Kleinasien, die alle unter Schmähungen (2,12), Verunglimpfungen (4,14) und Verfolgungen (4,12) zu leiden hatten.

Die Christen im ganzen römischen Reich litten damals unter Verfolgungen und die Gemeinden im Raum Kleinasiens wurden gerade besonders massiv bedrückt. So stark, dass viele der Gläubigen sogar in Erwägung zogen, zu ihrem alten heidnischen Leben zurückzukehren. Dadurch entstanden auch viele Konflikte in der Gemeinde und in den Familien, weil es unterschiedliche Meinungen gab, wie auf die Bedrückungen zu reagieren ist. Hier versucht Petrus nun zu trösten und zu ermutigen, in dem er auf den Lohn des Glaubens und des Durchhaltens hinweist und auch einige Anweisungen für die Praxis gibt, für den Umgang mit dem Staat, in der Familie, mit den Ältesten bzw. an die Ältesten usw.

Aber kommen diese Verfolgungen deshalb von Gott? Ist er es, der diese Verfolgungen schickt um den Glauben zu prüfen?
Nun Gott lässt sie zu, genauso wie er es auch heute zulässt, dass viele Christen bspw. in muslimischen Ländern um ihres Glaubens willen um ihr Leben fürchten müssen. Aber ist er deshalb der Urheber der Verfolgungen? Versucht er die Christen, die Echtheit ihres Glaubens? Ich denke nicht.

Ich bin froh, dass es zu diesem Themenkomplex eine zentrale Aussage im NT gibt, die uns hilft die richtige Zuordnung der anderen Bibelstellen vorzunehmen. Es heißt nämlich im Jakobusbrief:

„Niemand sage, wenn er versucht wird: Ich werde von Gott versucht. Denn Gott kann nicht versucht werden vom Bösen, er selbst aber versucht niemand.“ (Jak. 1,13 Rev. Elb.)

Hier sind sich erfreulicherweise alle Übersetzungen einig und übersetzen hier einheitlich „versucht“. Gott versucht niemanden!

Versuchung kommt niemals von Gott, sondern im NT wird immer der Satan, als der Versucher dargestellt (1. Thes. 3,5; 1. Kor. 7,5; Mt. 4, 1-11). Denken wir nur an die Versuchung Jesu.

„Seid nüchtern, wacht! Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann.“ (1. Petr. 5,8 Rev. Elb.)

Wenn Satan versucht, hat er immer ein Ziel, er kommt „um zu stehlen und zu schlachten und zu verderben“ (Joh, 10.10), er will die Christen vernichten, sie verführen, in Verdammnis bringen und letztlich vom Glauben abfallen lassen, von Gott wegbringen. Das ist das Ziel aller Versuchungen.

Gott dagegen setzt unserem Glauben manchmal Prüfungen aus, deren Ziel genau das Gegenteil ist, nämlich dass unser Glaube gefestigt und gestärkt wird, dass er reift und sich bewährt, dass wir näher und tiefer zu Gott kommen.

Ob das was uns widerfährt nun eine Versuchung oder eine Prüfung ist, entscheidet sich einzig und allein daran, von wem sie kommt. Von Gott oder vom Satan. Gott prüft, der Satan versucht.
Nur, lässt sich das immer so einfach unterscheiden? Selbst die Bibelübersetzer wussten ja nicht immer welche Übersetzung hier immer angemessen ist.

Letztlich ist es ja aber auch so, dass auch das erfolgreiche Widerstehen gegen eine Versuchung unseren Glauben stärkt.

Aber, wir beten doch auch  im Vaterunser zu Gott:  „…und führe uns     nicht in Versuchung,     sondern rette uns von dem Bösen!“ (Mt. 6,13 Rev. Elb.)?

Ist das nicht eine Bitte an Gott, dass er uns nicht versuchen soll? Wie ist das zu verstehen?

Dies ist keine Bitte an Gott, dass er uns nicht versuchen soll, sondern dass er uns vor Situationen, in denen wir versucht werden können, möglichst bewahren soll, dass die Versuchung nicht über uns kommen soll, dass der Böse uns nicht überwältigen soll, dass wir nicht in die Falle tappen.

Thomas von Aquin schreibt dazu in einem Kommentar „Vater im Himmel, lass uns der Versuchung nicht erliegen, bewahre uns in der Versuchung, dass wir nicht von dir abfallen“.

Genauso betet ja auch Jesus ja für uns:

„Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt wegnimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen.“ (Joh. 17,15 Rev. Elb)

Nicht aus der Welt nehmen, nicht aus der Versuchungssituation heraus nehmen, sondern in ihr bewahren.
Es geht also nicht darum, dass Gott uns nicht versuchen soll, sondern es ist ein Flehen zu Gott, dass wir möglichst vor Versuchungssituationen bewahrt werden sollen und es drückt auch aus, dass Gott uns führen soll. Wir wollen seiner Führung folgen, genauso wie wir Jesus nachfolgen wollen.

Aber wir wissen auch, es ist ein Gebet, dass nicht immer so erhört wird, wie wir es uns wünschen. Wir werden nich so  in Watte gepackt, dass wir erst gar keine bedrohlichen Situation erleiden müssen. Aber es wird so erhört, dass keine Versuchung über unsere Kraft geht:

„Keine Versuchung hat euch ergriffen als nur eine menschliche; Gott aber ist treu, der nicht zulassen wird, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen wird, so dass ihr sie ertragen könnt.“ (1. Kor. 10,13 Rev. Elb.)

Dies ist die Zusage, die wir quasi als Antwort auf das Gebet erhalten.

Aber nochmal zurück zur Frage: woher weiß ich, ob ich einer Prüfung von Gott oder einer Versuchung durch den Satan ausgesetzt bin? Jetzt wird es etwas praktischer.

Prüfungen im Leben des Gläubigen sind ja sowieso ein Themenkomplex, der heute eigentlich gar nicht mehr so gelehrt wird, den wir kaum im Blick haben Unser Christenleben ist ja immer nur erfolgsorientiert und jede Situation hat uns untertan zu sein. Es ist aber wohl auch nicht die normale Alltagssituation.

Das beste Beispiel für Prüfungen in der Bibel ist Abraham. Sein Vertrauen zu Gott wurde getestet: wäre er bereit Isaak Gott zu überlassen, ihn zu opfern, in der Hoffnung, dass er ihn wieder zum Leben erwecken würde?
Abraham hat den Test bestanden. Niemand kam zu Schaden. Und sein Vertrauen in Gott wurde noch mehr gefestigt.

Eine Prüfung ist ein Test, wie in der Schule. Durch den Verlauf und den Ausgang des Tests, erkennen wir uns selbst besser und erkennen, woran wir noch zu arbeiten haben. Unser Glauben wird gestärkt und unser Charakter wird gebildet.

Ich kann mich an Situationen erinnern, wo ich lernen musste, die andere Wange hinzuhalten. Situationen in denen ich zu Unrecht angegriffen wurde, und ich mich dann bewusst dazu entschieden habe, nicht zurückzuschlagen, sondern die Demütigung zu erdulden. Waren es Prüfungen von Gott? Ich weiß es nicht. Aber ich konnte darin reifen. Und ich denke so Situationen kennen wir vielleicht alle.

Versuchung dagegen will uns verführen und schaden.

Für Abraham war das klar. Er hatte es ja direkt mit Gott zu tun. Er wusste: Hier spricht Gott zu mir. Aber wir? Wir tun uns schon schwerer all das richtig einzuordnen, was wir als Anfechtung erleben.

Ich denke Anfechtung ist so der Überbegriff. Darunter lässt sich alles darunter einordnen, was unseren Glauben anficht: Versuchungen, Prüfungen auch Leid kann eine Anfechtung sein.

Wobei ich behaupte, Leiden körperlicher Art, Krankheiten und Verluste fallen weder unter Versuchungen noch unter Prüfungen, sondern sie kommen über alle Menschen, weil sie noch in dieser Welt der Sünde und des Todes leben. Diese Welt ist noch gefallen und nicht vollendet und wir sind noch Teil davon 

Luther empfiehlt daher einen klaren Umgang mit Anfechtungen, weil man eben nicht immer weiß, ob man es mit Gott oder dem Teufel oder mit menschlichen Leid zu tun hat:

„In allem Leiden und aller Anfechtung soll der Mensch zu allererst zu Gott laufen und der soll seine Anfechtung erkennen, als sei sie ihm von Gott zugeschickt, auch wenn sie vom Teufel oder vom Menschen komme. … Auf diese Weise lernt er Geduld und Gottesfurcht.“ (Auslegung der Bußpsalmen zu Psalm 6, 1517)

Zuallererst zu Gott laufen! Das ist ein sehr weiser Ratschlag. Wenn man diesen Ratschlag berücksichtigt, dann dient einem wirklich alles zum Besten mit, wie wir es im Römerbrief lesen (Röm. 8,28).

Prüfungen haben einen Sinn…Versuchungen haben einen Sinn - zumindest für den Teufel…Leid? Leid hat keinen Sinn. Aber durch das zu Gott laufen - wie Luther es beschreibt - , können wir alle Anfechtungen meistern und aus ihnen gereift hervorgehen. Ist das einfach? Nein. Hier brauchen wir einander, hier kann Gemeinschaft gelebt werden und hier brauchen wir den Heiligen Geist.

Aber nochmal zurück zu Luther. Wir gehen ja scharf aufs Lutherjahr zu, da kann man ihn schon mal öfters zitieren.

Luther sagt es gibt Anfechtungen und Versuchungen von links und von rechts. Und das hat jetzt nichts mit politischer Orientierung zu tun. Er meint damit solche, die weh tun und solche, die wohl tun.

Die Anfechtung von links kommt aus der Schwäche heraus: Krankheit, Armut, Unehre, wenn der eigene Wille nicht beachtet wird, wenn der Ratschlag verworfen wird, wenn man verachtet und gedemütigt wird, scheitert und einzustecken hat, dann kommt man in Versuchung zu hassen, bitter zu werden, zurückzuschlagen, feindselig zu werden, Gott zu verklagen.

Die Anfechtung von rechts kommt aus der Position der Stärke: man ist erfolgreich, beliebt, es geht mir gut, alles ist in Ordnung, ich lebe im Wohlstand und baue mein Leben und meine Sicherheit auf meinem Überfluss auf und vergesse meinen Nächsten und vergesse Gott.

Aber es gibt auch Versuchungen von innen und von außen. Jakobus schreibt:

„Ein jeder aber wird versucht, wenn er von seiner eigenen Begierde fortgezogen und gelockt wird.“ (Jak. 1,14 Rev. Elb)
Von innen kommen die Versuchungen aus unseren eigenen Begierden, die aus unseren eigenen Herzen kommen, wenn uns die Augen verführen, Wünsche und Träume, aber auch Trägheit und Gleichgültigkeit. All das kann uns zur Sünde verführen.

Von außen kommen die Beeinflussungen aus der Werbung, dem Internet, der Gesell-schaft, der Kultur, des Mainstreams. Wenn gute christliche Werte verwässert und unterminimiert werden.
Sicher manche christliche Kultur ist veraltet und kann getrost über dem Haufen geschmissen werden, aber manchmal passen wir uns ganz unbewusst dem gesellschaftlichen Trend an und merken gar nicht, wie wir manche Werte aufgeben: z.B. im Umgang mit Ehe und Familie, Finanzen, Wahrheit usw. Aber auch hier ist es nicht immer einfach christliche Werte von christlicher Kultur zu trennen.

Die Kirchenväter kannten auch noch weitere Unterscheidungen: offene und verborgene Versuchungen. Der Satan kann als brüllender Löwe (1. Petr. 5,8) in Erscheinung treten, ganz offensichtlich  (z.B. Nationalsozialismus, Islamischer Staat, Satanismus etc.) oder als Engel des Lichts (2. Kor. 11,14). Hier würde ich am ehesten pseudo-christliche Gruppierungen und Strömungen einordnen (z.B. Wort und Geist, aber auch Gesetzlichkeit; im Urchristentum waren es Gnosis und Judaismus).

Und es gibt noch die frommen Versuchungen. Wenn wir hochmütig werden, weil wir z.B. sagen: Gott hat mich zum Leiter, zum Propheten usw. gesalbt, also müssen sich die anderen gefälligst mir unterordnen, weil nur ich die richtige Erkenntnis, den richtigen Durchblick habe. Dadurch stelle ich mich auf eine Ebene mit Gott.
Aber genauso andersrum: ich kann mir einreden, dass ich nichts wert bin, nichts kann, zu unreif bin und Gott mich nicht gebrauchen kann usw. Damit verachte ich letztlich das Werk, dass er in mir getan hat.

Wir sehen, es gibt verschiedenste Arten von Versuchungen: von links und rechts, von innen und außen, geistliche usw.. Das Ziel ist immer den Christen den Glauben zu vermiesen und ihn vom Glauben weg zu bringen.

Versuchungen sind der Normalfall. Der Theologe Lüthi hat gesagt: „Der Teufel hat‘s wie die Katzen. Keine Katze jagt einer toten Maus nach, sie ziehen lebendige Mäuse vor.“

Jakobus sagt uns:

„Widersteht aber dem Teufel! Und er wird von euch fliehen.“ (Jak. 4,7b Rev. Elb.)

Dies geschieht durch das Gebet, durch die Unterstützung in der Gemeinschaft. Es kann manchmal auch notwendig sein voreinander Versuchungen zu benennen und zu bekennen, um ihnen die Macht zu nehmen.

Am Ende gilt, wie es mal jmd. mal formuliert hat: „Jesus Christus ist die zarteste Erlösung, seitdem es die Versuchung gibt“ (Lothar Leese, ERF 2004).

Wir leben in einer Welt, in der das Böse noch Raum hat. Aber wir leben auch in dem Wissen, dass Jesus, die Welt überwunden hat und wir mit ihm daran teilhaben und nichts stark genug ist um sein Erlösungswerk zu überwinden.

„Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.“ (1. Joh. 5,4 Rev. Elb.)

AMEN.

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