Sonntag, 23. Juni 2013

Predigt von Norbert Wohlrab (23.06.2013)

Vom Umgang mit Niederlagen

Nach der theologisch recht anspruchsvollen Predigtreihe über die Freiheit des Evangeliums, möchte ich heute einmal eine eher praktische und alltagsbezogene Predigt halten und das Ganze auch noch im Dialog mit Euch. Über den Umgang mit Niederlagen. Ein Thema, wo sich sicher keiner von uns etwas darunter vorstellen kann. Niederlagen? Was ist das denn?
Bevor man über Niederlagen spricht, muss man sich jedoch erst mal klar sein, was eigentlich Erfolg ist. Wie definiert unsere Gesellschaft, unsere Kultur eigentlich Erfolg?

Zunächst aber einmal ein kurzes Musikstück als Appetizer.

http://youtu.be/0XGqXhMqitg 

(Die Fantastischen Vier: Geboren)

Allgemein formuliert bedeutet Erfolg das Erreichen von Zielen. Manchmal stecken wir uns die Ziele selbst, oft werden sie uns vorgegeben, manchmal stecken wir uns auch vorgegebene Ziele und sind uns dessen gar nicht bewusst.

Wo habt Ihr Euch in Eurem Leben bisher Ziele gesteckt oder wo wurden Euch welche gesteckt?

(Beispiele)

Von Klein auf stehen wir unter der Vorgabe Erfolg haben zu müssen. In der Schule, beim Übergang in die weiterführende Schule, beim Abschluss, beim Notendurchschnitt, in Studium oder Ausbildung, als Teenager beim In-Sein, bei der Partnerwahl, im Beruf, in der Erziehung usw., ja auch in der Gemeinde, beim Christsein wird uns ständig vorgegeben erfolgreich sein zu müssen. Oder beim Aussehen: jeder muss heute attraktiv und ewig jung sein. (Schon meine verstorbene Schwiegermutter hat jeden Nachmittag „Reich und schön“ im TV angeschaut.)

Sicher, sich Ziele setzen und Herausforderungen zu stellen, gehört zum Leben, zum Menschsein dazu. Nur so sind auch Entwicklung und Fortschritt möglich. Aber nicht alle Vorgaben erfüllen wir leicht und gerne, und so stehen wir unter einem vielfachen Druck. Und das macht was mit uns. Ausgebranntsein, Burnout sind mögliche Folgen, aber auch Minderwertigkeit, Selbstzweifel, Unzufriedenheit, das Gefühl des Versagens usw., wenn wir die geplanten Ziele nicht erreichen.

Wo habt Ihr das Gefühl so richtig versagt zu haben?

(Beispiele)

Auch ich habe so manche Spur des Versagens durch mein Leben gezogen: In der Schule ging es los. Beim Übertritt zum Gymnasium, war ich mit den Textaufgaben komplett überfordert. Ich hatte keine Ahnung, was die da von mir wollen und hab dann in der Prüfung total versagt. Glücklicherweise liefen die anderen sehr gut und so hat es dann doch noch geklappt. Aber dann am Gymnasium: 10. Klasse, 5 Fünfer und drei Sechser, Klasse wiederholt. Beim zweiten Anlauf nahm ich dann Nachhilfe in Latein, Englisch, Physik und Chemie. Am Ende hat es wieder nicht gereicht: drei Fünfer und ab auf die Realschule. Oder im Sport: beim Fußball wurde ich immer als Letzter oder Vorletzter gewählt, weil ich halt mit dem Ball irgendwie nichts anfangen konnte. Und dann mit den Mädchen: irgendwie hatte ich als 14/15-jähriger immer recht hübsche Freundinnen, aber ich glaube, das lag v.a. an meinem „hochfrisierten“  Mofa, denn als die anderen Jungs mit 16 ihre 80er oder Krads hatten, waren die Mädchen bei mir wieder weg. Also überall Versagen. Da blieben nur noch Drogen, aber das ist eine andere Geschichte.

Erfolg hat natürlich auch was mit der Bewertung zu tun, mit den Parametern innerhalb derer er gemessen wird. Konnte man früher noch sagen: der Optimist sagt bei einem Glas Wasser, das halb gefüllt ist, dass es halb voll ist und der Pessimist, dass es halb leer ist; so muss man heute oft sagen, wenn ein Glas nur zu 90% voll ist, dann ist es unzureichend. Die Ansprüche sind gestiegen. Der Druck ist gestiegen.

Und wir werden mehr und mehr zu Sklaven der Wirtschaft, zu Objekten der Leistungsgesellschaft und der Werbebranche. Menschsein wird optimiert. Glücklich sein wird verordnet, aber glücklich sein kann nur der, der optimiert lebt, der leistungsfähig ist, der schön, erfolgreich und reich ist.

Versagen hat keinen Platz, Krankheit und Schwäche haben keinen Platz, Mittelmäßigkeit hat keinen Platz - und sind wir nicht alle irgendwie mittelmäßig? (Mittelstand, Mittelfranken) -, und unterdurchschnittlich zu sein schon gleich gar nicht.

Während es im Mittelalter noch klar war, dass Erfolg etwas ist, dass im Jenseits angeordnet ist, dass es eine Belohnung ist, die die Menschen bei Gott in der Ewigkeit zu erwarten haben und dass das Diesseits geprägt ist von Mangel und Entsagen, Armut. Krankheit und Tod. So hat sich hier durch die protestantische Arbeitsethik eine Verschiebung ergeben. Erfolg findet in der Gegenwart statt. Erfolg muss erreicht werden. Wenn man fleißig war, hatte man Erfolg. Erfolg - wirtschaftlicher und geistlicher - wird auch als Zeichen eines gottgefälligen und frommen Lebensstils angesehen.

Gerade auch in der charismatischen Bewegung wurden oft Bibelstellen aus dem Zusammenhang gerissen und hergenommen um ein Wohlstandsevangelium oder ein Erfolgsevangelium zu begründen und zu rechtfertigen.

Da wird das Bekenntnis des Paulus:

„ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht.“ (Phil. 4,13 Luther)

(auch bekannt durch den Umhang von Evander Holyfield beim Boxkampf gegen Mike Tyson) zu einer Formel, mit der es uns möglich sein soll alle Bereiche unseres Lebens durch den Glauben erfolgsbringend zu gestalten. Dabei wird der vorherige Vers aber ignoriert, wo es heißt:

„Ich kann niedrig sein und kann hoch sein; mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides, Überfluss haben und Mangel leiden“ (Phil. 4,12 Luther).

Paulus beschreibt hier nämlich, dass er durch Christus mit allen Umständen des Lebens umgehen kann, mit den widrigen und mit den angenehmen, mit einem vollen und einem leeren Magen, mit einem vollen und einen leeren Geldbeutel. Er sagt sozusagen genau das Gegenteil aus von dem, wozu diese Stelle oft herhalten muss.

Oder genauso wird die Aussage des Paulus

„Gott aber sei Dank, der uns allezeit im Triumphzug umherführt in Christus und den Geruch seiner Erkenntnis an jedem Ort durch uns offenbart!“ (2. Kor. 2,14 Rev. Elb.)

hergenommen um unseren Anspruch zu untermauern, dass wir überall siegreich zu sein haben - triumphierend von Sieg zu Sieg - und wird dabei doch übersehen, dass Paulus hier von seiner Missionsreise berichtet, auf der er durch das Wirken Christi überall das Evangelium verkünden konnte. „Als ich aber zur Verkündigung des Evangeliums Christi nach Troas kam...“ (V. 12) schreibt er dort. (Mal davon abgesehen, dass man wenn man im Triumphzug umhergeführt wird, nicht zwangsläufig bei den Siegern zu Hause ist, sondern eigentlich der Unterlegene, der Besiegte, der Gefangene oder der Sklave ist. Und Paulus hier wahrscheinlich ausdrückt, dass er sich freiwillig zum Sklaven der Verkündigung des Evangeliums gemacht hat.)

Also wir sehen: auch unsere Theologie wurde vielfach vom Virus des Erfolgs infiziert.

Aber heißt es nicht, dass wir Frucht bringen sollen in unserem Leben? Das ist richtig. Aber was meint Ihr: ist Erfolg in einer Leistungsgesellschaft deckungsgleich mit dem ntl. Bild der Frucht? Wie sieht Frucht in unserem Leben aus?

(Beispiele)

Im Markus-Evangelium spricht Jesus:

„Und er sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch den Samen auf das Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag, und der Same sprießt hervor und wächst, er weiß selbst nicht wie. Die Erde bringt von selbst Frucht hervor, zuerst Gras, dann eine Ähre, dann vollen Weizen in der Ähre. Wenn aber die Frucht es zulässt, so schickt er sogleich die Sichel, denn die Ernte ist da.“ (Mark. 4, 26-29 Rev. Elb.) 


Von selbst bringt die Erde Frucht, heißt es hier. Im griechischen steht hier das Wort „automatos“. Ganz automatisch, das Frucht bringen ist genetisch angelegt, jeder der den Geist Gottes in sich trägt, der an den Sohn Gottes glaubt, der dadurch im Sohn Gottes bleibt, bringt automatisch Frucht. Ganz ohne Leistungsdruck. Das ist das Bild des NT. Jesus sagt, dass sein Joch sanft ist und seine Last leicht ist. Ganz entspannt.

Weiß selbst nicht wie: irgendwie ist aus meinem Leben doch noch irgendwas Gescheites geworden. Vom ehemals Drogenabhängigen zum Sozialarbeiter. (Schon mal eine Stufe besser.)

„Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“ (Röm. 8,28a Luther)

Uns dient alles zum Besten, weil wir wissen, dass wir in Christus für alle Zeit das Beste haben.

Daher haben wir unseren Platz in Christus, „egal wie Du aussiehst, egal wie Du Dich fühlst, Gott liebt Dich!“ heißt es in einem Kinderlied. Es spielt keine Rolle, ob wir oder andere uns für erfolgreich oder für Versager halten. In Christus sind wir erfolgreich. Von Gott sind wir geliebt! Er legt an uns keine Messlatte an!

Und dadurch haben wir auch die Fähigkeit und auch das Recht zur Mittelmäßigkeit, zur „Durchschnittlichkeit“, wenn wir wollen auch mal besser oder auch mal schlechter, es spielt keine Rolle. Der Zuspruch Gottes: „Du bist mein geliebtes Kind! An Dir habe ich Wohlgefallen!“ ist uns immer gewiss.

Die Bibel ist voll mit Persönlichkeiten, die versagt haben, meist sind sie in Sünde gefallen, aber Gott hält sie fest. So ist es auch bei uns. Es gibt kein Versagen, dass größer sein kann, als die Liebe Gottes.

„wenn wir untreu sind - er bleibt treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen.“ (2. Tim. 2,13 Rev. Elb.)

AMEN.

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